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Full text of "Die zehnte Muse, Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl aus vergangenen Jahrhunderten und aus unsern Tagen gesammelt"

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Die  zehnte 


use, 


Dichtungen 
vom  Brettl  und 


fürs  Brettl 


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zehnte  IHuse 

Didifungen  vom  Breffl 
und  fürs  Brettl 


Bus  vergangenen  Jahrhunderten 
und  aus  unsern  Cagen  gesammelt 

pon 

maxlmlllän  Bern 

* 

Zwölftes  Tausend« 


Recht  des  hungern. 

Wer  auf  des  Htten  Schuttern  steht, 
Der  kann  Ihm  Dank  bezeigen  ; 
Doch  kann  er  nicht  aus  Dankbarkeit 
Zu  Ihm  herunter  steigen. 

6.  f.  tmdw.  Robert 
(177*- 183*). 


.ct.  -     *  - 


Berlin  1904 
Periag  wn  Otte'itsiiar 

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THE  NEW  YORK 
PUBLIC  LIBRARY 

357989A 

TILDEN  FOUNDATION S 


*,,e  Rechte  vorbehalten. 




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t»w»  Vort  OHo  Eisner,  Berlin  S. 


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Maximilian  Bern,  der  feinsinnige  Novellist  und  Lyriker, 
dem  Publikum  und  Buchhandel  schon  manche  vielgerühmte 
Anthologie  verdanken,  hat  sich  der  ebenso  schwierigen  wie 
interessanten  Aufgabe  unterzogen,  nach  den  Schätzen  deutscher 
Dichtung  aus  längst  vergangener  und  aus  neuester  Zeit  vom 
modernsten  Standpunkt:  von  der  Rampe  des  Ueberbrettls 
auszuspähen.  Seine  eigenartige,  reizvolle,  nun  in  neuer,  ver- 
besserter Ausgabe  erscheinende  Sammlung  bietet  von  über 
200  Autoren  gegen  500  zumeist  heitere,  oft  übermütige  Dich- 
tungen, die  sich  den  pedantisch  strengen  Grundsätzen  der  alten 
neun  Musen  nicht  recht  fügen  wollen  und  daher  eine  neue 
Schutzgöttin,  —  die  zehnte  Muse,  beanspruchen.  Berns  im 
Hinblick  auf  die  vielen  literarischen  Varietes  und  die  momentane 
Geschmacksrichtung  des  Lesepublikums  getroffene  Auswahl  ist 
nur  für  reife  und  keineswegs  prüde  Leser  bestimmt,  wenn  er 
auch  alles  auszuschliessen  bestrebt  war,  was  durch  blosse 
Pikanterie  und  nicht  auch  durch  eine  wahrhaft  künstlerische 
Form  zu  wirken  versucht.  Vielleicht  bewertet  der  Herausgeber 
die  verschiedenen  Brettl  viel  zu  hoch,  indem  er  ihnen  zum 
Teil  Romanzen  aus  realem  Leben,  fein  pointierte  Satiren  und 
Fabeln  zumutet,  die  einen  wirklich  vornehmen  Geschmack  er- 
fordern; der  Leser  des  originellen,  espritvollen  Buches  dürfte 
dabei  aber  in  jedem  Falle  gewinnen.  Obwohl  der  Grundton  der 
reichhaltigen,  bis  auf  das  13.  Jahrhundert  zurückgreifenden 
Anthologie,  die  neben  interessanten  literarischen  Kuriositäten 
besonders  viele  überaus  dankbare  Liedertexte  aufweist,  ent- 
schieden heiter  ist,  wird  Bern  doch  wenigstens  in  den  Ab- 
schnitten »Sociales«  und  »Vortragsdichtungen«  auch  dem  Ernst 
der  Zeit  gerecht  Im  grossen  und  ganzen  haben  wir  es  also 
mit  einer  nicht  nur  für  den  Literaturfreund,  sondern  für  jeder- 
mann anziehenden,  modernen  und  mondainen  Anthologie  zu  tun. 


Verlag  pon  Otto  eisner. 


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INHALT. 

Seite 

Romanzen   1 

Erotische  Lyrik   49 

Bunte  Lieder   98 

Tanzlieder   141 

Satiren   151 

Vagabundenlieder   214 

Moderne  Fabeln   235 

Sinngedichte   260 

Sociales   267 

Ernste  Vortrage   301 

Heitere  Vorträge   321 


Verzeichnis  der  Dichter  363 


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Romanzen. 


Madame  Potiphar. 

Qie  nennen  mich  Madame  Potiphar, 

Denn  niemand  kennt  meinen  Namen, 
Ich  bin  elegant  und  sehr  chic  fürwahr, 

Die  schneidigste  aller  Damen. 
Hab9  eigenen  Wagen  und  eigene  Renner, 
Ich  hab'  nicht  bloss  einen,  hab*  viele  Männer, 
GrOn  schillert  mein  Auge,  mein  Leib  ist  klar, 
Rot  ist  mein  Haar!    Rot  ist  mein  Haar  1 
Madame  Potiphar. 

Mein  Leben  verfliesst  in  Saus  und  Braus, 

Bei  Wein  und  erwähltestem  Essen! 
Des  Tags  und  des  Nachts  geht's  ein  und  aus, 

Da  duftet  ein  süsses  Vergessen. 
In  Spitzen,  in  Seide,  mit  Perlen  und  Ringen, 
Wie  kann  ich  plaudern  und  tanzen  und  singen! 
Und  weiss  auch  sonst  viel  Dinge  fürwahr! 

Weich  ist  mein  Haar!   Weich  ist  mein  Haarl 
Madame  Potiphar. 

Ich  quäle  mich  niemals  mit  Arbeit,  o  nein! 

Das  würde  die  Hände  verderben! 
Ich  kenne  viel  Kniffe  und  Künste  fein, 

Um  blankes  Geld  zu  erwerben. 
Doch  hab*  ich  bisweilen  auch  Schmerzen  und  Sorgen: 
Denn  mancher  will  mir  nichts  schenken,  nichts  borgen! 
Das  macht  mich  so  furchtbar  nervös  offenbar; 

Drum  verlier'  ich  das  Haar!   Verlier'  ich  das  Haar! 

Madame  Potiphar. 

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Ich  schlafe  auf  seidenem  Himmelbett, 

Auf  schneeigen  Eiderdaunen, 
Und  wer  mich  dort  sehen  darf,  nett  und  adrett, 

Dem  schwinden  die  schwärzesten  Launen  .  .  . 
Doch  schliesslich  verlass  ich  den  stolzesten  Grafen 
Und  geh*  in  ein  winziges  Bretterhaus  schlafen 
Und  biete  der  Mutter  Erde  mich  dar 

Mit  Haut  und  Haart  Mit  Haut  und  Haar! 
Madame  Potipharl 

Max  Hoffmann. 

Die  kleine  Lampe. 

JJS  steht  in  meinem  Zimmer 

Ein  Lämpchen  auf  dem  Pult, 
Das  hat  einen  freundlichen  Schimmer, 
Das  hat  eine  lange  Geduld. 

Ist  emsig,  mir  zu  dienen, 
Hat  oft,  wenn  alles  schlief, 
Manch  süsse  Dummheit  beschienen 
Und  manchen  Liebesbrief. 

Es  hat  in  einsamen  Jahren 
So  treu  für  mich  geglüht; 
Und  jüngst  hab'  ich's  erfahren: 
Das  Lämpchen  hat  auch  —  Gemüt. 

Es  kam  zu  heimlicher  Feier 
Die  Kleine  —  zum  ersten  Mal  .  .  . 
Gesichtchen  tief  im  Schleier, 
Die  Schultern  tief  im  ShawL 

Sie  kam  so  scheu,  so  schüchtern, 
Sie  stand  so  fluchtbereit  — 
Mein  Herz  war  nicht  mehr  nüchtern 
Vor  so  viel  Seligkeit. 

► 

Wir  sassen  beim  roten  Weine, 

Sie  flüstert:  Jetzt  muss  ich  nach  Haus  — 

Da  ging  die  kluge,  kleine, 

Taktvolle  Lampe  aus  .  .  . 

Rudolf  Pretber 

2 


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I 


Das  (Jeberlied.*) 

Jch  liebe  Botticellileiber, 

Die  wie  Tiffanyglas  so  schlank; 
Ich  sterbe  für  die  Ueberweiber 
In  Kelier-Reiners  Künstlerschank. 

Ich  buhle,  gleich  verliebten  Pagen, 

Um  stilisierte  Bel-Etagen, 

Im  stilisierten  Berlin  W— : 
Da  wohnt  sie,  meine  Ueberfee! 

O  Ueberweib,  so  reizerblüht, 

Dir  steigt  mein  Lied,  mein  Ueberliedl 

Die  stilisierte  Ueberehe, 
Die  ist  mein  künstlerisches  Ziell 
Mein  Ueberweibchen  schon  ich  sehe 
Im  Ueberheim  —  im  Eckmannstil  l 

Von  Leistikow  die  Wandtapeten, 

Auf  Pankokläufer  soll  man  treten; 

Um  Mitternacht  umfängt  uns  nett 
Herrn  van  der  Veldes  Ueberbett.  — 

O  Ueberbett,  auch  dir  steigt  müd 

Mein  Abendlied,  mein  Ueberlied! 

Und  muss  ich  stillos  einst  verlassen 

Die  stilisierte  Ueberwelt, 

Sollt  ihr  als  Grabschrift  mir  verfassen: 

Hier  ruht  ein  stilvergnügter  Heidi 
Lasst,  Freunde,  noch  um  eins  mich  betteln: 
Baut  aus  sechs  kleinen  Ueberbretteln 

Dem  Leib,  der  meine  Seele  barg, 

Den  stilisierten  Uebersarg. 
Am  Uebersarge,  wenn  ich  schied, 
Singt  mir  mein  Lied,  mein  Ueberlied. 

Hans  Brenncrt. 


*)  Dieses  Gedicht  erschien  am  Vorabend  der  Eröffnung  des  ersten 
Ueberbrettls  Im  »Berliner  Tageblatt«  mit  einer  Widmung  an  Ernst  von 
Wolzogen. 

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Wäscher-Nettel. 


^Jettel,  stell*  die  Arbeit  ein, 

Lass'  die  Wäsche  Wäsche  sein! 
Heute  geht's  zum  tollen  Reigen, 
Und  die  froh'sten  Wiener  Geigen 
Jauchzen  durch  den  weiten  Saal.  — 
Kopftuch  nimm  und  Samtkorsettel, 
Putz*  dich,  putz*  dich,  fesche  Nettel, 
Für  den  Wäschermädelbail  I 

Kommen  and're  hochfrisiert, 
Fein  und  modisch  aufgeziert, 
Bleib*  du  bei  der  Tracht,  der  alten, 
Nimm  dein  Röcklein,  kurz  in  Falten, 
Weisse  Strümpflein,  stramm  und  prall, 
Kopftuch  nimm  und  Samtkorsettel, 
Putz'  dich,  putz*  dich,  fesche  Nettel, 
Für  den  Wäschermädelbail  I 

Gäste  laden  kunterbunt 
Lichtenthai  und  Thury-Grund, 
Alle  tanzen  flott  und  wacker: 
Kavalier  und  sein  Fiaker, 
Infant'rist  und  Korporall 
Drum  nur  schnell  ins  Samtkorsettel, 
Putz'  dich,  putz'  dich,  fesche  Nettel, 
Für  den  Wäschermädelbail! 

Ei,  wie  schaut  der  Schorschel  drein, 
Tritt  die  saub're  Nettel  ein! 
Selbst  ein  Küsslein  —  ganz  in  Ehren  — 
Brauchst  ihm  heute  nicht  zu  wehren, 
Niemand  merkt's  im  tollen  Schwall. 
Klopft's  dir  unterm  Samtkorsettel? 
Putz*  dich,  putz'  dich,  fesche  Nettel, 
Für  den  Wäschermädelbail! 

Nettel,  stell'  die  Arbeit  ein, 
Lass'  die  Wäsche  Wäsche  sein! 
Heute  geht's  zum  tollen  Reigen, 
Und  die  froh'sten  Wiener  Geigen 
Jauchzen  durch  den  weiten  Saal! 
In  die  Ecke  all'  den  Bettel ! 
Putz*  dich,  putz'  dich,  fesche  Nettel, 
Für  den  Wäschermädelbail! 

Albrecht  Graf  Wickenburg. 

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4 

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Der  Schmetterling, 

JtJ  in  Veilchen  blühte  still  verborgen, 
Da  fliegt  ein  Schmetterling  vorbei 
Und  setzt  sich  fern,  sitzt  bang  voll  Sorgen; 
Das  Veilchen  grüsst:  „Recht  guten  Morgen  1" 
Und  fragt,  warum  er  traurig  sei. 

„Ich  komm1  herauf  von  jener  Heide, 
Da  sind  sie  alle  schön  geschmückt 
Mit  Gold  auf  ihrem  Flügelkleide  — 
Den  stolzen  Blumen  ihre  Freude  — 
Nur  mich  hat  keine  angeblickt. 

„Ich  hab'  kein  Gold  auf  meinem  Flügel, 
Es  hat's  der  Mond,  der  Sterne  Licht, 
Es  hat's  der  Baum  auf  jenem  Hügel, 
Es  hat's  der  Bach  auf  seinem  Spiegel  — 
Nur  ich  bin  arm,  ich  hab*  es  nicht  I" 

Doch  bei  der  ersten  Sterne  Schimmer 
Lag  er  beim  Veilchen,  duftberauscht, 
Und  diese  eine  Nacht  hätt'  nimmer 
Um  all'  des  Goldes  Glanz  und  Flimmer 
Der  arme  Falter  eingetauscht. 

Herrn,  v.  Gilm. 

Die  Tänzerin. 

<3  eden  Abend  um  diese  Zeit 

Zieh'  ich  an  ein  lila  Kleid, 
Gelbe  Strümpfe,  lila  Schuh, 
Ach,  mein  Spiegel  allein  sieht  zu. 
Backen  und  Lippen  färb'  ich  rot, 
Und  nun  tanz  ich  auf  Leben  und  Tod. 
Wenn  in  den  Jubel  der  Vorhang  fällt, 
Bin  ich  die  Königin  der  Welt. 

Aber  morgens  um  diese  Zeit 
Zieh'  ich  an  ein  graues  Kleid, 
Und  ich  habe  dann  oft  die  Nacht 
Tief  in  Tränen  zugebracht. 
Seit  er  mich  verlassen  hat, 
Irr'  ich  so  von  Stadt  zu  Stadt, 
Und  das  goldne  Sonnenlicht 
Leuchtet  auf  ein  blass'  Gesicht. 

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Aber  abends  um  diese  Zeit 
Trage  ich  mein  lila  Kleid, 
Lach'  in  dem  erhellten  Haus 
Alle  die  Männerblicke  aus, 
Schwenk'  ich  wie  keine  mein  schönes  Bein 
In  den  Menschenraum  hinein, 
Glühen  meine  Lippen  rot, 
Tanz'  ich  über  Leben  und  Tod. 

Emanuel  von  Bodman. 

Die  giftige  Blume. 

J  m  Sonnengold,  im  Mondenschein, 

Wer  schaut  nach  mir?  Ich  steh'  allein! 
Und  trag'  ich  Gift  im  Kelche  auch, 
Glanz  ist  mein  Leben  und  Duft  mein  Hauch. 

„Glanz  ist  dein  Leib  und  Duft  dein  Hauch, 
Du  Blume  mit  dem  Flammenaug' I 
Dein  Gruss  berauscht  wie  Weinesschaum, 
O  lass'  mich  ruh'n  hier  tief  im  Traum!" 

Wohl  bin  ich  jung,  wohl  bin  ich  schön; 
Lass'  mich  allein  und  einsam  stehn! 
Lass'  mich  verblüh'n  auf  öder  Trift,  — 
Ich  bin  nur  schön  in  meinem  Gift. 

„Und  bringst  du  mir  auch  Todesleid, 

So  helf'  mir  Gott  zur  Seligkeit! 

Dein  süsser  Hauch  trifft  mein  Gesicht, 

Von  meiner  Brust  lass'  ich  dich  nicht!"  

Du  warst  doch  ein  so  rascher  Gast, 
Und  bist  so  bald  vor  mir  erblasst; 
Wirr  ist  dein  Geist,  erlahmt  die  Schwing', 
Schlaf  ein  zum  Tod,  du  armes  Ding! 

Und  trägt  man  dich  zu  Grabe  dann, 
Fang  ich  auf's  neu'  zu  duften  an: 
Im  Sonnengold,  im  Mondenschein, 
Wer  schaut  nach  mir?  Ich  steh'  allein! 

Richard  Leander. 

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Der  verlorne  Amor. 


£|mor  hat  sich  jüngst  verloren, 

Und  nun  will,  die  ihn  geboren, 
Ihren  Flüchtling  wieder  küssen, 
Den  wir  alle  suchen  müssen. 
In  dem  Schatten  dunkler  Linden, 
Wo  wir  Dichter  Amorn  finden, 
Unter  froher  Dichter  Myrten, 
In  den  Städten,  bei  den  Hirten, 
Kann  man  nichts  von  ihm  erfragen. 
Mädchen,  wollt  ihr  rmVs  nicht  sagen? 
Denn  ihr  hegt  den  Gott  der  Sorgen: 
Hat  er  sich  bei  euch  verborgen? 
In  den  Rosen  eurer  Wangen, 
Die  mit  frischer  Jugend  prangen? 
Oder  auf  den  Lilienhügeln, 
Wo  der  Gott  mit  leisen  Flügeln 
Sich  schon  öfters  hin  gestohlen  ? 
Darf  ich  suchen  ihn  und  holen? 

Job.  Peter  Uz. 
(1720-1796) 


Brettl-Diva. 

Singe  und  tanze  für  blankes  Geld, 

Tanze,  durchtanze  die  ganze  Welt 
Küsse  und  kose,  so  viel  ich  mag, 
Küsse  und  kose  bei  Nacht  und  Tag. 
Liebe  erglüht  mir  zu  jeder  Stund', 
Könige  küssten  oft  meinen  Mund, 
Haben  in  meinen  Haaren  gewühlt, 
Selig  mein  stürmisches  Lieben  gefühlt  .  •  . 

Singe  und  tanze  für  blankes  Geld, 
Tanze,  durchtanze  die  ganze  Welt. 
Küsse  und  kose,  so  viel  ich  mag  — 
Kommt  ja  doch  einmal  ein  stiller  Tag, 
Wo  meinen  Leib  sie  im  grauen  Sand 
Einsam  verscharren  in  fremdem  Land! 

Gtsa  Tacchi. 

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Nausikaa. 


£Juf  moosigem  Stein,  an  Baches  Rand 

Sitzt  rastend  ein  Magister, 
Homerum  hält  er  in  der  Hand 
Und  von  Odysseus  liest  er. 
Jetzt  schaut  er  auf  und  spitzt  das  Ohr; 
Denn  aus  den  Erlen  schallt's  hervor: 

Plitsch,  platsch, 

Klitsch,  klatsch! 
Er  schleicht  sich  durch  die  Hecken, 
Die  Ursach'  zu  entdecken.  — 

Da  wo  der  Bach  vom  Felsen  stürzt, 
Und  klar  die  Wellen  rinnen, 
Steht  unbeschuht  und  hochgeschürzt 
Ein  Mägdlein  und  wäscht  Linnen. 
Der  Herr  Magister  kommt  ihr  nah 
Und  ruft  entzückt:  „Nausikaa!" 

Plitsch,  platsch, 

Klitsch,  klatsch! 
Sie  zeigt  die  weissen  Zähne 
Und  lacht:  „Ich  heisse  Lene." 

Und  ernsten  Tons  der  andre  spricht: 

„Belehrung  kann  nur  frommen. 

Hast  von  Nausikaa  du  nicht 

Und  von  Ulyss  vernommen?" 

Sie  schüttelt  mit  dem  Kopf  und  lacht: 

„So  fangt  nur  an,  ich  gebe  acht." 

Plitsch,  platsch, 

Klitsch,  klatsch! 
„Ich  will  auch  gerne  hören, 
Nur  dürft  Ihr  mich  nicht  stören." 

„Odysseus  lag  auf  Scheria 
Schiffbrüchig  am  Gestade, 
Das  Königskind  Nausikaa 
Hielt  grosse  Wäsche  grade. 
Sie  war  so  schön  und  jung  wie  du, 
Und  fleissig  war  sie  auch  dazu. 

Plitsch,  platsch, 

Klitsch,  klatsch! 
Odysseus  hat's  vernommen 
Und  ist  herangekommen. 

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Er  warf  sich  auf  den  Grund  und  schrie: 

,Erbarme  dich,  erbarme!' 

Dabei  umschlang  er  ihre  Knie, 

So  wie  ich  dich  umarmer 

Magisterlein  die  Magd  umschlingt, 

Die  Magd  den  nassen  Lappen  schwingt  — 

Plitsch,  platsch, 

Klitsch,  klatsch  1 
Drob  musste  ihm  vergehen 
Das  Hören  und  das  Sehen. 

Er  ging  und  kratzte  sich  im  Haar, 
That  hinter's  Ohr  sich  schreiben: 
Mit  Wäscherinnen  bringt's  Gefahr 
Die  Odyssee  zu  treiben. 
Den  Übeln  Dank,  der  ihm  geschah 
Von  Seiten  der  Nausikaa  — 

Plitsch,  platsch, 

Klitsch,  klatscht 
Von  uns  der  Himmel  wendet 
Hier  ist  die  Mär  zu  Ende. 

Rudolf  Banmbach. 


ha  jal 

JJr  war  reicher  Eltern  Sohn, 
Lernte  etwas  Konfektion. 
Sie  war  jung  und  hübsch  und  nett, 
Nähte  emsig  »auf  Jacket«.    Na  jal 

Abends  lud  er  sie  mal  ein; 

Und  sie  sagte  nicht  just  nein. 

Ach,  wie  gut  schmeckst  du,  Ciiquot, 

Und  wie  machst  du  gleich  so  froh.    Na  jal 

Als  zu  Ende  war  der  Schmaus, 
Bracht*  er  züchtig  sie  nach  Haus. 
Sie  war  jung  —  na  und  was  dann 
Geht  ja  keinen  etwas  an.    Na  ja! 

Frida  Spandow. 


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Das  schuldige  Fräulein. 

Jjjinst  sass  die  Unschuld  neben  meinem  Bette 
Und  schirmte  mich  mit  stiller  Segnerhand, 
Sie  schritt  mit  mir  zur  Vesper  und  zur  Mette 
Und  knüpfte  in  mein  Haar  ein  blaues  Band. 

Verführung  nahte.    Durch  mein  Herz  gestrichen 
Kam  heiss  ein  Hauch,  der  es  zur  Glut  entfacht; 
Doch  trog  die  Liebe  nur.    Als  sie  gewichen, 
Erstarb  die  Scham,  im  Innern  ward  es  Nacht 

Bald  klang  das  helle  Gold  im  alten  Spinde, 
Die  Schande  zahlte  grinsend  Stück  für  Stück, 
Ein  blankes  Geldstück  kam  auf  jede  Sünde, 
Der  Haufen  Gold  verschlang  mein  Jugendglück. 

Leo  Heller. 

Aber  sie  lacht  — 

gjung  ist  sie  und  furchtbar  verdorben, 

Besser  wäVs  ihr,  sie  wäre  gestorben, 
Aber  sie  lacht  und  lebt  — 
Lacht  über  Sünde,  lacht  über  Tugend, 
Ist  so  selig  in  ihrer  Jugend 
Als  wäV  sie  schuldlos  und  rein! 

Wenn  ich  sie  sehe,  muss  ich  mich  fragen, 
Wie  wird  sie  einmal  das  Alter  ertragen, 
Reue  und  Armut,  Krankheit  und  Not? 
Besser  wäVs  ihr,  sie  wäre  totl 
—  Aber  sie  lacht  und  lebt; 

Lebt  und  lacht  über  alles  Verderben, 

Denkt  nicht  an  Reue,  denkt  nicht  an  Sterben, 

Ist  noch  so  jung  und  schön  1 

Und  ich  glaube,  für  all  meine  Tugend 

Tauschte  sie  nie  ihre  schäumende  Jugend  1  — 

Mir  scheint  es  gar,  sie  fühlt  Mitleid  für  mich  — 


Wer  ist  glücklicher  —  sie  oder  ich? 

Maria  Marty. 

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Bai  par6. 


^^üi  doch  die  Rosen  fort,  Marie! 

La ss  doch  die  bunten  Sommerranken, 
Tanzt  ja  heute  mit  zitterndem  Knie, 
Liebste,  ich  will  dir's  danken! 
Weit  im  Park  steht  ein  stilles  Haus  — 
Horch  1  die  Rappen  stampfen  am  Wagen, 
Komm,  der  Lärm  ist  nicht  zu  ertragen, 
Komm,  ich  fuhr*  dich  hinaus. 

So,  hier  ist's  still,  und  nun  bist  du  mein, 
Lass  nur  den  Arm  um  den  Leib  mich  legen, 
Trankst  wohl  wenig  vom  roten  Wein? 
Ich  aber,  ich  dagegen! 
Ach,  der  Wein  war  so  schal  und  trüb',  — 
Mädel,  musst  nicht  an  gestern  denken, 
Hunde  und  Pferde  will  ich  dir  schenken, 
Dann  aber  hab'  mich  lieb! 

Lustig,  Marie,  so  lache  doch,  Kind! 

Morgen  gehst  du  in  Samt  und  Seide, 

Sieh,  wo  die  leuchtenden  Fenster  sind, 

Sorgt  man  jetzt  um  uns  beide. 

Fürchtest  dich  wohl,  du  junges  Blut, 

Wärst  wohl  lieber  ins  Dorf  gegangen? 

Brauchst  dich  nicht  schämen,  brauchst  nicht  zu  bang 

Schatz,  ich  bin  dir  ja  gut! 

Martin  Boelitz 

4 

Schön  Suschen. 

(1776.) 

j>jchon  Suschen  kannt'  ich  lange  Zeit; 

Schön  Suschen  war  wohl  fein; 
Voll  Tugend  war's  und  Sittsamkeit; 
Das  sah  ich  klärlich  ein. 
Ich  kam  und  ging,  ich  ging  und  kam. 
Wie  Ebb' und  Flut  zur  See. 
Ganz  wohl  mir  tat  es,  wann  ich  kam, 
Doch,  wann  ich  ging,  nicht  weh. 


n 


Und  es  geschah,  dass  nach  der  Zeit 

Gar  anders  ich  vernahm; 

Da  tat's  mir,  wann  ich  schied,  so  leid. 

So  wohl  mir,  wann  ich  kam; 

Da  hart'  ich  keinen  Zeitvertreib 

Und  kein  Geschäft,  als  sie; 

Da  fühlt'  ich  ganz  an  Seel  und  Leib, 

Und  fühlte  nichts,  als  sie. 

Da  war  ich  dumm  und  stumm  und  taub: 

Vernahm  nichts,  ausser  ihr; 

Sah  nirgends  blühen  Blum'  und  Laub; 

Nur  Susch  en  blühte  mir. 

Nicht  Sonne,  Mond  und  Sternenschein, 

Mir  glänzte  nur  ein  Kind, 

Ich  sah,  wie  in  die  Sonn'  hinein, 

Und  sah  mein  Auge  blind. 

Und  wieder  kam  gar  andre  Zeit, 

Gar  anders  ward  es  mir; 

Doch  alle  Tugend,  Sittsamkeit 

Und  Schönheit  blieb  an  ihr. 

Ich  kam  und  ging,  ich  ging  und  kam, 

Wie  Ebb'  und  Flut  zur  See: 

Ganz  wohl  mir  tat  es,  wann  ich  kam, 

Doch,  wann  ich  ging,  nicht  weh.  — 

Ihr  Weisen,  hoch  und  tief  gelahrt, 
Die  ihr's  ersinnt,  und  wisst, 
Wie,  wo  und  wann  sich  alles  paart, 
Warum  sich's  liebt  und  küsst? 
Ihr  hohen  Weisen,  sagt  mir's  an! 
Ergrübelt,  was  mir  da, 
Ergrübelt  mir,  wo,  wie  und  wann, 
Warum  mir  so  geschah? 

Ich  selber  sann  oft  Nacht  und  Tag, 
Und  wieder  Tag  und  Nacht, 
So  wundersamen  Dingen  nach; 
Doch  hab'  ich  nichts  erdacht.  — 
D'rum  Lieb'  ist  wohl  wie  Wind  im  Meer: 
Sein  Sausen  ihr  wohl  hört, 
Allein  ihr  wisset  nicht,  woher? 
Wisst  nicht,  wohin  er  fährt? 

Gottfr.  Aug.  Bürger. 

U 

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(Jnter  der  Linde. 

nter  der  Linde, 
Im  Abend  winde 
Sah  ich  verborgen  mein  Liebchen  stehn. 
Still  wie  die  Schlangen 
Kam  ich  gegangen, 
Niemand  im  Dorfe  hat  mich  gesehn. 

Fasste  die  Kleine; 
„Was  so  alleine 

Stehst  du,  mein  herzallerliebster  Schatz? 

Willst  du  voll  Schrecken 

Scheu  dich  verstecken, 

Weil  du  das  Herz  mir  gestohlen  hast  ?" 

Unter  der  Linde 
Im  Abendwinde 

Schrie  sie  leise  und  lachte  mich  an. 
„Willst  du  schweigen, 
Stille  dich  zeigen  I 

Küss  dich  zur  Strafe  so  oft  als  ich  kann." 

Kosen  und  Scherzen, 

Lachen  und  Herzen, 

Leiser  und  leiser  wird  es  gemach. 

„Küsse  dir  wieder 

Augen  und  Lider. 

Häscher  und  Späher,  sie  werden  nicht  wach." 

Mich  und  die  Kleine 
Hat  ganz  alleine 

Nur  auf  dem  Zweige  der  Zeisig  gesehn. 
Unter  der  Linde, 
Im  Abendwinde, 

Frage  mich  niemand,  was  da  geschehnl 

Friedr.  v.  Hindersin. 

Sommermittag. 

AJ  un  ist  es  still  um  Hof  und  Scheuer, 
Und  in  der  Mitte  ruht  der  Stein; 
Der  Birnenbaum  mit  blanken  Blättern 
Steht  regungslos  im  Sonnenschein. 


13 


Die  Bienen  summen  so  verschlafen; 
Und  in  der  offnen  Bodenluk', 
Benebelt  von  dem  Duft  des  Heues, 
Im  grauen  Röcklein  schlaft  der  Puk. 

Der  Müller  schnarcht  und  das  Gesinde, 
Und  nur  die  Tochter  wacht  im  Haus; 
Die  lachet  still  und  zieht  sich  heimlich 
Fürsichtig  die  Pantoffeln  aus. 

Sie  geht  und  weckt  den  Müllerburschen, 
Der  kaum  den  schweren  Augen  traut: 
„Nun  küsse  mich,  verliebter  Junge  I 
Doch  sauber,  sauber  1  nicht  zu  lautl" 

Theodor  Storni. 

Göttin  Barmherzigkeit. 

jßereit  steht  die  Karosse, 

Die  feurigen  Rosse 
Zerstampfen  schon  den  Schnee  — 
In  spater  Abendstunde 
Fährt  Gräfin  Adelgunde 
Noch  zu  der  Soir6e. 

Ergebenst  eingeladen 
Hat  man  gräfliche  Gnaden, 
Die  edle  Sängerin. 
Es  gilt  den  Waisenkindern 
Ihr  hartes  Los  zu  lindern, 

Mon  dieul  man  muss  wohl  hin. 

* 

Sie  naht  in  Pelz  und  Seide, 
Am  dekolTtierten  Kleide 
Prangt  leuchtend  ein  Brillant. 
Der  Schlag  wird  aufgerissen, 
Sie  lehnt  sich  in  die  Kissen 
Und  gähnt :  „Wie  ennuyant  I" 

Ein  lautes  „Ah!"  empfängt  sie 
Im  Saal,  und  man  umdrängt  sie  . 
Begeistert  dort  und  hier. 
Sie  dankt  mit  stolzem  Nicken, 
Mit  siegsgewohnten  Blicken 
Tritt  dann  sie  ans  Klavier  — 

14 


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Und  singt  zwei  Anetten 
Aus  neuen  Operetten 
Mit  gräflichem  Sopran. 
Ein  Beifall  ohne  Ende  .  .  . 
Noch  eine  Liederspende 
Fügt  sie  sehr  gnädig  an. 

Dann  bleibt  sie  noch  ein  Stündchen, 
Schlürft  mit  lächelndem  Mündchen 
Den  Weihrauch,  bis  bereit 
Im  Hofe  steht  der  Wagen, 
Um  wieder  heimzutragen 
„Göttin  Barmherzigkeit". 

Georg  Schaumberg. 

Konkurrenz. 

Ten  kenne  ein  liebliches  Mädchen, 

Für  das  mein  Herze  entbrennt; 
Jedoch  ihr  Vater  ist  leider 
Mein  schlimmster  Konkurrent. 

Gelangt  seine  Firma  zur  Blüte, 
Dann  komme  ich  auf  den  Hund, 
Doch  siege  ich  in  dem  Kampfe, 
Geht  er  gewisslich  zu  Grund. 

Bleibt  jener  andere  Sieger, 
Ist  sie  eine  gute  Partie, 
Dann  gibt  er  mir  armen  Schlucker 
Die  einzige  Tochter  nie. 

Doch  schlage  ich  ihn  aus  dem  Felde, 
Ist  die  Heirat  ein  misslicher  Schritt, 
Dann  bringt  meine  Herzallerliebste 
Keinen  einzigen  Kreuzer  mit. 

„Einst  waren  zwei  Königskinder, 
Die  hatten  einander  so  lieb 
Und  konnten  zusammen  nicht  kommen, 
Das  Wasser  war  viel  zu  tief." 

Leb*  wohl,  mein  schwarzbraunes  Mädchen, 
Leb,  wohl,  o  Liebe  und  Lenzl 
Viel  schlimmer  als  meertiefes  Wasser 
Ist  unsere  Konkurrenz. 

Heinr.  Schäffer. 

15 

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Es  waren  drei  junge  Leute. 

kTs  waren  drei  junge  Leute, 

Die  liebten  ein  Mädchen  so  sehr. 
Der  eine  war  der  Gescheute, 
Floh  zeitig  über  das  Meer. 
Er  fand  eine  gute  Stelle 
Und  ward  seiner  Jugend  froh, 
Und  lebt  als  Junggeselle 
Noch  heute  auf  Borneo. 

Der  zweite  schied  mit  Weinen. 
Er  sang  seiner  Liebe  Leid 
Und  Hess  es  gebunden  erscheinen 
Just  um  die  Weihnachtszeit. 
Das  kalte  Herz  seiner  Dame, 
Die  Quelle  all*  seines  Wehs, 
Macht  ihm  die  schönste  Reklame 
Auf  allen  ästhetischen  Tees. 


Der  dritte  nur  war  dämlich, 
Wie  sich  die  Welt  erzählt. 
Er  liebte  die  Holde  nämlich 
Und  hat  sich  mit  ihr  vermählt: 
Und  sitzt  jetzt  ganz  bescheiden 
Dabei  mit  dummem  Gesicht, 
Wenn  sie  von  den  andern  beiden 
Mit  Tränen  im  Auge  spricht  .  .  . 

Rudolf  Prester. 


Rh  —  Bahl 

J^tmss'nt  Schuh  vor  einem  Jahr, 

Ein  Röcklein  von  Kattun  — 
Doch  heut*  in  Seide  ganz  und  gar, 
Mit  weissen,  feinen  Schuh'nl 
Als  Aschenbrödel  erst  gepufft 
Und  dann  verführt  von  einem  Schuft 
Und  nun  ein  Fräulein,  heiss  begehrt, 
Das  in  der  eignen  Kutsche  fahrt  — 
Ich  bin  die  flotte  Liese  — 
Ah  —  Bah!  ist  meine  Devise! 

16 


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Ah  —  &ah!  hat  auch  wohl  Der  gesagt, 

Der  mir  mein  Kränzel  nahm, 

Ah  —  Bahl  und  hat  mich  fortgejagt  — 

Was  tat's,  wenn  ich  verkam?! 

Ein  Schmerzenslager,  ganz  von  Stroh, 

Ein  kleines  Gräblein  irgendwo  — 

Dann  war  der  Jammer  abgetan, 

Und  lustig  hob  das  Leben  an  — 

Ich  ward  die  flotte  Liese  — 
Ah  —  Bahl  ist  meine  Devise  1 

Heut1  glänz*  ich  schon  als  Zauberstern, 
Der  alle  Herzen  bannt, 
Es  naschen  mir  die  schönsten  Herrn 
Wie  Tauben  aus  der  Hand! 
Und  bin  ich  einem  zärtlich  hold, 
So  büsst  er's  schwer  mit  Gluck  und  Gold, 
Und  wird  er  arm  —  kann  ich  dafür?  — 
Vergessen  mag  er  meine  Tür  — 
Ich  bin  die  flotte  Liese  — 
Ah  —  Bah!  ist  meine  Devise! 

- 

- 

Mein  Haus  ist  voller  Herrlichkeit, 
Wie  man's  in  Märchen  träumt; 
Mein  Himmelbett  ist  weich  und  weit, 
Von  Spitzen  ganz  umschäumt; 
Mein  weisser  Leib  strahlt  überall 
In  Spiegeln  wider  von  Krystall, 
Und  Silberampeln  schimmern  traut, 
Und  Falten  trinken  jeden  Laut  — 
Ich  bin  die  flotte  Liese  — 
Ah  —  Bah!  ist  meine  Devise! 

Und  wenn  mein  Fuss  ein  Herz  zertritt  — 
Je  nun:  So  geht's  entzwei! 
Und  wenn  man  blutig  um  mich  stritt  — 
Je  nun:  Was  ist  dabei! 
Ein  grüner  Plan,  ein  heller  Knall, 
Ein  roter  Fleck,  ein  dumpfer  Fall  — 
Die  dummen  Falter  schreckt  es  nicht, 
Sie  schwärmen  dichter  bloss  in's  Licht  — 
Ich  bin  die  flotte  Liese  — 
Ah  —  Bahl  ist  meine  Devise! 


17 


Im  ganzen  Nest  ist  keine  hier, 
Die  süsser  lacht  und  minnt, 
Und  keine,  der  so  schnell,  wie  mir, 
Das  blanke  Gold  zerrinnt, 
Die  sich  im  Tanze  flinker  dreht, 
Der  Sammt  und  Seide  besser  steht  — 
Und  end*  ich  auch  einmal  im  Fluss  — 
Je  nun:  Ich  ende,  wie  ich  mussl 
Ich  bin  die  flotte  Liese  — 
Ah  —  Bah!  ist  meine  Devise! 

F.  von  Ottini. 

Im  Spital. 

J3err  Doktor,  Herr  Doktor,  würden  Sie's  glauben, 

Dass  dieser  Leib,  so  abgezehrt, 
Einst  dem  und  dem  und  dem  gehört'? 
Ich  konnte  sie  freilich  nicht  alle  kennen, 
Kann  nie  die  Namen  derer  nennen, 
Die  er  betört. 

Wie's  kam,  Herr  Doktor?  das  war  die  Weisse 
Der  Haut,  so  weich  wie  edler  Sammt, 
Und  die  hat  mich  zur  Qual  verdammt. 
Die  grossen  Augen  waren  wie  Feuer, 
Ein  jeder  Blick  war  Männern  teuer 
Und  hat  entflammt. 

Und  dann,  Herr  Doktor,  —  ja,  —  dann  meine  Haare, 

Die  waren  eine  schwarze  Flut, 

Sie  reichten  bis  zum  Knie  mir  gut. 

Und  meine  Küsse  waren  wie  Brändet 

Und  meine  zarten,  kleinen  Hände 

Wie  Milch  und  Blut. 

Ja,  lieber  Herr  Doktor,  Sie  würden's  glauben, 

Hätten  Sie  mich  nur  damals  gesehn, 

An  jedem  Finger  hatte  ich  zehn!  — 

Doch  heut',  .  .  .  heut*  bin  ich  in  Qual  und  Not, 

Voll  Ekel  wird  selbst  an  mir  —  der  Tod 

Vorübergehnl  Leo  Heller. 

18 


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Ein  Weib. 

j^ie  hatten  sich  beide  so  herzlich  lieb, 

Spitzbübin  war  sie,  er  war  ein  Dieb; 
Wenn  er  Schelmenstreiche  machte, 
Sie  warf  sich  aufs  Bett  und  lachte. 

Der  Tag  verging  in  Freud*  und  Lust, 
Des  Nachts  lag  sie  an  seiner  Brust. 
Als  man  ins  Gefängnis  ihn  brachte, 
Sie  stand  am  Fenster  und  lachte« 

Er  liess  ihr  sagen:  »O  komm  zu  mir. 
Ich  sehne  mich  so  sehr  nach  dir, 
Ich  rufe  nach  dir,  ich  schmachte«  — 
Sie  schüttelt'  das  Haupt  und  lachte. 

Um  sechse  des  Morgens  ward  er  gehenkt, 
Um  sieben  ward  er  ins  Grab  gesenkt; 
Sie  aber  schon  um  achte 
Trank  roten  Wein  und  lachte. 

Heinrich  Heine. 


Eine  Verlorene. 

^)u  bist  so  jung,  so  blütenjung  und  schön. 

Wie  Knospen  springen  aus  dem  Kleid  die  Brüste, 
Wie  Frühlingsherbheit  liegt* s  um  deinen  Mund, 
Als  ob  er  selten  einen  andern  küsste. 

Nur  deine  Augen,  die  voll  Wissen  sind, 
Erzählen  von  den  taumelvollen  Stunden, 
Von  roten  Nächten,  da  die  Leidenschaft 
In  Sommerschwüie  dich  am  Weg  gefunden. 

Albert  Sergel. 

* 

Chronik 

JJs  stand  am  Rain  ein  Hirtenkind 

Und  hütete  die  Herde, 
Und  wie  sie  sang  im  Sommerwind, 
Ihr  Haar  floss  bis  zur  Erde. 

19  2» 


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Es  kam  herab  tönt  seinem  Schloss 
Der  junge  Prinz  gestiegen, 
Er  hielt  am  Weg  mit  seinem  Tross 
Und  sah  ihr  Goldhaar  fliegen. 

Sie  sang  ein  altes  Liebeslied 
Dem  jungen  Königssohne, 
Da  hat  er  still  vor  ihr  gekniet 
Und  bot  ihr  seine  Krone. 

Es  ist  in  alle  Lande  hin 
Der  Fürstin  Ruhm  erklungen,  — 
Doch  hat  die  junge  Königin 
Wohl  niemals  mehr  gesungen  .  .  . 

Agnes  Micgcl 

Der  Scherenschleifer. 

JJin  Scherenschleifer  steht  am  Weg, 

Dreht  flink  sein  Rad  und  schleift, 
Schaut  höchst  vergnüglich  in  die  Welt, 
Und  singt  hinein  und  pfeift: 
„Tüdelütütüt,  tüdelütütüt ! 
Es  dreht  sich  alles  rund! 
Wer  heute  glaubt  sich  oben  auf, 
Ist  morgen  auf  dem  Hundl" 

Mit  Wasser  netzt  er  dann  das  Rad, 

Und  flinker  kreist  der  Stein. 

Die  Funken  stieben  von  dem  Stahl, 

Und  wieder  klingt's  hinein: 

„Tüdelütütüt,  tüdelütütüt ! 

Beim  Schleifen  ist's  gescheit, 

Dass  man  das  Feuchten  nicht  vergisst, 

Sonst  kriegt  das  Ding  kein  Schneid'!" 

„Ein  Schnäpschen  vor  und  nach  dem  Schnaps, 

Das  macht  gerade  drei! 

Wer  einmal  mein  Vermögen  erbt, 

Das  ist  mir  einerlei! 

„Tüdelütütüt,  tüdelütütüt  I 

Ich  brauch'  kein  Testament! 

Wer  alles  hier  verjubelt  hat, 

Kommt  selig  an  sein  End*!" 

Otto  Hansmann. 

TT 

20 


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Die  alte  Lehrerin. 


Jch  hörte  an  meiner  Tür  ein  Pochen, 

Hatte  kaum  mein  Herein!  gesprochen, 
Da  stürzt  in  die  offenen  Arme  hin 
Meine  liebste,  treueste  Schülerin; 
Küsst  mich  halb  tot  und  weint  und  lacht, 
Als  sei  ein  Hexchen  in  ihr  erwacht. 
Wusst*  nicht,  was  dies  bedeuten  soll, 
Fragte  nur:  »Mädchen,  bist  du  denn  toll?« 
Da  hat  sie  mich  auf  den  Sessel  gedrückt, 
Sich  einen  Schemel  herangerückt 
Und  mit  ungewöhnlicher  Redegabe 
Erzählt,  dass  sie  verlobt  sich  habe. 
Ich  habe  ein  Leuchten,  so  rein  und  schön, 
Noch  nie  in  Menschenaugen  gesehn. 
An  meiner  alten,  müden  Brust 
Schlug  nie  ein  Herz  in  solcher  Lust! 
Ich  küsste  das  Mädchen  lange,  lange. 
Eine  Thräne  rann  nieder  auf  meiner  Wange.  — 

Und  als  die  Braut  gegangen  war, 

Sass  ich  noch  träumend.    Mein  weisses  Haar 

Mochte  wohl  glänzen  im  Abendschein, 

Der  durch  das  offene  Fenster  herein 

Mit  letzten  GrÜssen  wundersam 

Ins  traumbeseelte  Stübchen  kam. 

Und  auf  mich  selber  still  bedacht, 

Sass  ich  bis  tief  hinein  in  die  Nacht, 

Und  ein  seliges  verklärtes  Erinnern 

Weckte  .  .  ein  totes  Märchen  .  .  im  Innern.  — 

Karl  Leopold  Mayer 

Beichte. 

^chlirnmer  Mann!  Ich  seh'  mit  Schmerze 

Dinge  sonderbar, 
Hier  auf  deines  Kleides  Schwärze 
Glänzt  ein  blondes  Haar. 

Nicht  von  deinem  Scheitel  fiel  es, 
Der  ist  schwarz  und  kraus. 
Mit  der  Beichte  bösen  Spieles 
Rücke  gleich  heraus! 


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„Offen  bin  ich,  meine  Sünde 
Beicht*  ich  dir  getrost. 
Ja,  mit  einem  blonden  Kinde 
Hab*  ich  heut  gekost. 

Wohl  ein  Stündchen  mir  im  Arme 
Hat  sie's  gern  erlaubt, 
Ihrem  Mündchen  hab'  ich  warme 
Küsse  viel  geraubt. 

Mea  culpa  I  Deiner  Predigt 
Harr*  ich  nun  in  Ruh*, 
Milde  sei  der  Fehl  erledigt, 
Denn  das  Kind  bist  du." 

Isolde  Kurz. 

* 

Modern. 

Mein  Sohn,  nimm  ernst  des  Lebens  Ziel; 

Vor  allem  meid'  das  Kartenspiel; 
Ich  sah  schon  manchen,  sonst  nicht  Schlechten, 
Hohlwangig  von  durchwachten  Nächten: 

Ein  ausgebrannter  Krater. 

Glaub 's  deinem  Vater! 

Dann,  Kind,  lass  auch  die  Liebelei'n, 
Und  trinke  nie  zu  viel  vom  Wein; 
Flieh'  vor  den  Offenbachiaden, 
Die  nur  der  reinen  Seele  schaden." 

So  spricht,  gleich  einem  Pater, 

Der  würd'ge  Vater  1 

Da  sitzt  zu  Hause  so  allein 
Die  Frau  Mama  beim  Lampenschein. 
„Wie  lang  müht  sich  der  Gute  heute  I" 
Aus  „Orpheus"  strömen  schon  die  Leute. 

Wer  kommt  aus  dem  Theater? 

Es  ist  der  Vater! 

Und  wieder  mal  harrt  mit  dem  Tee 

Die  gute  Frau,  das  Herz  voll  Weh. 

Sie  hofft  auf  ihn  bei  jedem  Tritte; 

Da  endlich  naht's  mit  schwerem  Schritte, 

Wer  kommt  mit  einem  Kater? 

Es  ist  der  Vater! 

22 


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Seht  nurl  im  stillverschwieg'nen  Saal 
Gibt's  heut  ein  feines  Mittagsmahl, 
Drauf  „meine  Tante,  deine  Tante", 

* 

Wer  hält  nicht  gerne  ihre  Kante? 
Der  eifrigste  Confrater, 
Es  ist  der  Vater! 

In  stiller  Gasse  wohnt  *ne  Maid, 
Mit  Putz  vertreibt  sie  sich  die  Zeit, 
Doch  abends  zu  recht  später  Stunde, 
Da  kommt  zu  ihr  der  beste  Kunde,  — 

Vielleicht  auch  ihr  Berater,  — 

Es  ist  der  Vater  1 

Bald  merkt's  der  Sohn  und  denkt  bei  sich: 
Tut  das  der  Vater,  kann's  auch  ich. 
So  geht  er  hin  und  tut  desgleichen; 
Die  Welt  weiss  bald  von  seinen  Streichen. 

Voll  Kummer  ist  Frau  Mater, 

Erstaunt  der  Vater! 


Die  Linde  am  Strassenrain 
Und  drüben  die  alte  Kapelle; 
Hier  ist  das  Stelldichein. 
Die  Sterne  am  Himmel  stehen, 
Die  Glocke  im  Dorf  schlägt  acht. 
Von  Elsebeth  nichts  zu  sehen.  — 
Ich  hab'  mir's  ja  gleich  gedacht. 

Sie  kann  sich  nicht  trennen,  ich  wette, 

Vom  Spiegel  daheim  an  der  Wand 

Und  nestelt  an  Spange  und  Kette 

Und  zupft  an  Tüchlein  und  Band. 

Am  Ende  lässt  sie  mich  harren 

Die  liebe,  lange  Nacht. 

Gewiss,  sie  hat  mich  zum  Narren.  — 

Ich  hab'  mir'  s  ja  gleich  gedacht. 

Vielleicht  —  o  du  falsche  Schlange! 
Jetzt  wird  mir's  auf  einmal  klar, 
Warum  der  Frieder,  der  lange, 
Heut  morgen  so  lustig  war. 


Ernst  Wilh.  Daudert. 


Das  Stelldichein. 


as  ist  die  richtige  Stelle: 


23 


Der  Schrecken  lähmt  mir  die  Glieder, 
Ich  bin  betrogen,  verlacht, 
Die  Elsebeth  hält's  mit  dem  Frieder.  — 
Ich  hab*  mir* s  ja  gleich  gedacht. 

Ich  hebe  zum  Schwüre  die  Hände 
Zum  Sternenhimmel  —  doch  halt, 
Was  kommt  durch  das  Wiesengelände 
Vom  Dorf  herüber  gewallt? 
Ich  sehe  zwei  niedliche  Füsse, 
Sie  nahen  sich  zaghaft  und  sacht. 
Sie  kommt,  die  Treue,  die  Süsse.  — 
Ich  h  a  b'  mir1  s  ja  gleich  gedacht. 

Rodolf  Baurabach. 

Musikalische  Nachbarschaft. 

^y^?ir  wohnten  übereinander, 

Du  vier,  und  drei  Treppen  ich. 
Wir  spielten  beide  Piano, 
Es  klang  oft  fürchterlich  I 

Begannst  du  zum  Beispiel:  „Wenn  ich 
In  deine  Augen  seh*  — " 
Dann  paukte  ich  mit  Wonne: 
„Ta  ra  ra  bom  de  ayP* 

Und  präludiertest  sanft  du 
In  b  oder  sonst  einem  moil, 
Verbrach  ich  die  Kutschke-Polka 
In  dur  natürlich  wie  toll. 

Warst  du  bei  Liszt  und  Wagner, 
Vor  denen  mir  immer  gegraust, 
Dann  kultivierte  ich  liebend 
Freund  Waldmann  und  Carl  Faust.  — 

Das  ging  denn  auch  auf  die  Dauer 
Natürlich  nicht  weiter  so  fort  — 
Drum  bin  ich  zu  dir  gekommen 
Und  sprach  ein  vernünftiges  Wort. 

Zum  guten  ist  alles  gewendet; 
Kein  Trommelfell  wird  mehr  verletzt: 
Wir  haben  uns  beide  verständigt 
Und  spielen  —  vierhändig  jetzt. 

Joh.  Cotta. 

24 


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Ruftrag. 

^y^it  dem  Körbchen  an  der  Hand, 

Leicht  wie  junge  Frühlingswinde, 
Kömmt  die  lächelnde  Belinde; 
Blumen  küssen  ihr  Gewand. 

Dort  seh'  ich  die  Schöne  gehen, 
Wo  sie  oft  mein  Amor  sucht, 
Wo,  bedeckt  mit  goldner  Frucht, 
Brüderliche  Bäume  stehen. 

Nun  verweilt  die  Schäferin 
Unter  jenen  hohen  Zweigen: 
O  wie  werden  sie  sich  neigen 
Zu  dem  holden  Mädchen  hin! 

Baum  und  Staude  sind  entzücket, 
Früchte  fallen  auf  das  Moos, 
In  ihr  Körbchen,  in  den  Schoss, 
Von  Belinden  ungepflücket. 

Schönstes  Mädchen  dieser  Flurl 
Welche  nie  gefühlte  Regung  I 
Deine  zarteste  Bewegung 
Ist  voll  Liebe,  voll  Natur. 

Amorl  ihr  das  Körbchen  rauben 
Sollst  du:  dann  verfolgt  sie  dich: 
Amor!  dann  verirrt  sie  sich 
Her  zu  mir  in  diese  Lauben. 

Joh.  Georg  Tacobi, 
(1740-1813) 

\J  Der  Kusshandel. 

j^jin  Hirtenmädchen,  schön  zum  Malen, 

War  etwas  kaufmännisch  gesinnt; 
Mit  zwanzig  Schafen  musst  Amint 
Den  ersten  Kuss  ihr  bar  bezahlen. 

Fünf  Jahre  älter  war  Narzisse, 
Als  er  den  Tausch  schon  besser  traf: 
Da  blühten  um  ein  einzig  Schaf 
Auf  ihren  Lippen  zwanzig  Küsse. 


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Bald  lag  ihr  Handel  ganz  darnieder, 
Und  aus  freiwilligem  Entschluss 
Gab  sie  für  einen  kalten  Kuss 
Aminten  seine  Schafe  wieder. 

Die  eigne  Herde  samt  dem  Hunde 
Bot  sie  für  einen  Kuss  zuletzt; 
Allein  der  Schäfer  dankte  jetzt 
Und  flog  zu  Daphnens  Rosenmunde. 

Friedr.  Ernst  Langbein. 
(1759-1835.) 

Das  He^chen. 

ländlich  —  endlich  .  .  .  Sel'ge  Stunde I 

Goldne  Sterne  lachten  draus  — 
Und  du  flohst  von  meinem  Munde, 
Und  du  zogst  dich  lachend  aus. 
Und  als  Leibchen,  Rock  und  Bluse 
Lag  gefaltet,  blütenweis, 
Sah  ich  auf  dem  nackten  Fusse 
Einen  kleinen,  braunen  Kreis. 

Auf  das  niedlichste  Versteckchen 
Vor  galanter  Späher  Blick 
Zog  ein  braunes  Leberfleckchen 
Sich  in  holder  Scham  zurück, 
Gleich  als  hätt*  es  nicht  vergessen, 
Wie  man  Hexen  einst  verflucht 
Und  in  peinlichen  Prozessen 
Ihrer  Bosheit  Mal  gesucht. 

W        Ich  Mal  an  solcher  Stelle 
Deckte  mit  dem  Strumpfe  zu, 
Stand  mit  Teufel,  Hex'  und  Hölle 
Zweifellos  auf  Du  und  Du; 
Seine  Seele  loszukaufen 
Aus  des  Satans  kralTger  Hand, 
Ward  er  auf  dem  Scheiterhaufen 
Unter  frommem  Sang  verbrannt  .  .  . 

Statt  dass  strenge  Hexenrichter 
Dich  verdammt  zur  Folterqual, 
Weiss  ein  einziger  deutscher  Dichter, 
Liebchen,  um  dein  Hexenmal, 


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Und  das  runde  braune  Klexchen, 
Das  dir  einst  den  Tod  gebracht, 
Küsst  er  glühend,  blondes  Hexchen, 
In  verschwieg'ner  Liebesnacht. 

Auf  des  Fusses  weiches  Fellchen 
Presst  er  selig  sein  Gesicht, 
Solch  ein  süsses,  braunes  Stellchen 
Haben  andre  Frauen  nicht  I 
Dunkler  Vorzeit  blut'ge  Sagen 
Reizen  seinen  krausen  Sinn  — 
Und  er  wird  es  mit  dir  wagen, 
Blonde,  kleine  Teufelin! 


iebchen  heut  in  Gesellschaft  geht, 


Zeigt  sich  in  raschelnder  Seide, 
Fragt  mich,  wie  ihr  das  Hütchen  steht 
Und  die  Schleppe  am  Kleide. 

Wie  ich  die  schlanke  Jugendgestalt 
Must're  mit  prüfenden  Blicken, 
Rieselt  ein  Schauer  mir  eisig  kalt 
Plötzlich  hinunter  den  Rücken. 

Alles,  vom  Stiefelchen  bis  zum  Hut 
Sitzt  dir  wie  angegossen, 
Aber  wie  viel  unschuldiges  Blut 
Ist  um  dich,  Teure,  geflossen! 

Seidenwürmer  wohl  tausend  und  mehr 
Mussten  ihr  Leben  lassen 
Für  den  Stoff,  den  du  hinter  dir  her 
Schleppst  durch  die  staubigen  Gassen. 

Für  dein  zierliches  Stiefelpaar 
Musste  ein  Kälbchen  verenden, 
Und  Hermeline,  ein  Dutzend  gar, 
Mussten  die  Fellchen  dir  spenden. 

Deine  Handschuhe,  glatt  und  weich, 
Gab  dir  ein  blökendes  Lämmlein, 
Und  die  Schildkröt'  im  kühlen  Teich 
Lieferte  dir  das  Kämmlein. 


Rudolf  Presber. 


Liebchen. 


27 


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Walfisch  schwamm  im  eisigen  Meer 
Fröhlich  hin  und  wieder. 
Stirb  und  gib  dein  Fischbein  herl 
Liebchen  braucht  es  für*s  Mieder. 

i 

Pfeilgetroffen  ein  Elefant 
Musste  im  Urwald  erblassen. 
Hat  für  den  Fächer  in  deiner  Hand 
Leben  und  Zähne  gelassen. 

Sterbend  gab  dir  der  Wüstenstrauss 
Wallende  Federn  als  Steuer.  — 
Trinke  auch  mir  die  Seele  aus, 
Reizendes  Ungeheuer  I 

Rud.  Baumbach. 

Historie  von  Noah. 

£|ls  Noah  aus  dem  Kasten  war, 

Da  trat  zu  ihm  der  Herre  dar, 
Der  roch  des  Noäh  Opfer  fein 
Und  sprach:  Ich  will  dir  gnädig  sein. 
Und  weil  du  ein  so  frommes  Haus, 
So  bitt*  dir  eine  Gnade  aus. 

Der  Noah  sprach:  Ach,  lieber  Herr, 
Das  Wasser  schmeckt  mir  gar  nit  sehr, 
Dieweil  darin  ersäufet  sind 
All*  sündhaft  Vieh  und  Menschenkind; 
Drum  möcht*  ich  armer  alter  Mann 
Ein  anderweit  Getränke  han. 

Da  griff  der  Herr  ins  Paradies 
Und  gab  ihm  einen  Weinstock  süss, 
Und  gab  ihm  guten  Rat  und  Lehr', 
Und  sprach:  Den  sollst  du  pflegen  sehr, 
Und  wies  ihm  alles  so  und  so: 
Der  Noah  war  ohn'massen  froh, 

Und  rief  zusammen  Weib  und  Kind, 
Dazu  sein  ganzes  Hausgesind*, 
Pflanzt*  Weinberg*  rings  um  sich  herum; 
Der  Noah  war  fürwahr  nit  dumm, 
Baut  Keller  dann  und  presst  den  Wein 
Und  füllt  ihn  gar  in  Fässer  ein. 

28 


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t)er  ftoah  war  ein  frommer  Mann, 
Stach  ein  Fass  nach  dem  andern  an 
Und  trank  es  aus  zu  Gottes  Ehr', 
Das  macht  ihm  eben  kein  Beschwer. 
Er  trank,  nachdem  die  Sündflut  war, 
Dreihundert  noch  und  fünfzig  Jahr. 

(Nützliche  Lehre.) 

Ein  kluger  Mann  hieraus  ersieht, 
Dass  Weingenuss  ihm  schadet  nicht, 
Und  item,  dass  ein  guter  Christ 
In  Wein  niemalen  Wasser  giesst, 
Dieweil  darin  ersäufet  sind 
All'  sündhaft  Vieh  und  Menschenkind. 

August  Kopisc 
(1799-1858) 

Soldatenliedchen. 

^as  Gewehr  auf  der  Schulter, 

Die  Strasse  entlang 
Ein  Trüpplein  Soldaten 
Mit  dröhnendem  Gang. 

Ein  paar  Rosen  am  Boden, 
Die  der  Leutnant  zertritt; 
Die  braven  Soldaten 
Zertreten  sie  mit. 

Nur  einer,  der  wollte 
Nach  ihnen  sich  dreh'n, 
Er  hatte  so  lang 
Keine  Blume  geseh'n. 

»Ei,  der  Kerl,  der  verfluchte! 
Die  Augen  gradausU  — 
Das  Gewehr  auf  der  Schulter, 
Zum  Tore  hinaus. 

Karl  Leopold  Mayer. 


£9 


Die  ftsphaltblume*) 

^y^?er  ist  erst  neunzehn  Jahre 

Und  ist  schon  so  verderbt? 
Wer  trägt  die  schönen  Haare 
Kastanienrot  gefärbt? 
Wer  schläft  und  träumt  tagsüber 
Betthimmelüberdacht  ? 
Das  ist  die  Asphaltblume, 
Der  Stern  der  Mitternacht  1 

Wer  fliegt  spät  aus  am  Abend 
Beim  Bogenlampenschein? 
Wer  ist  nach  zehn  Minuten 
Dann  meist  nicht  mehr  allein? 
Wer  kommt  so  spät  nach  Hause, 
Wenn  rot  der  Morgen  lacht? 
Das  ist  die  Asphaltblume, 
Der  Stern  der  Mitternacht! 

Wer  ist  so  oft  bei  Emberg, 
So  oft  in  Halensee? 
Wer  fahrt  so  gerne  Dogcart? 
Wer  rudert  auf  der  Spree? 
Wer  ist  es,  der  bei  Dressel 
Sektselig  lallt  und  lacht? 
Das  ist  die  Asphaltblume, 
Der  Stern  der  Mitternacht  I 

■ 

Wer  wird  so  hoch  gefeiert 

In  Drama  und  Roman? 

Wer  schmückt  die  Kunstausstellung 

Fein  an  der  Lehrter  Bahn? 

Wer  wird  von  frommer  Muhme 

Ins  Rettungshaus  gebracht? 

Das  ist  die  Asphaltblume, 

Der  Stern  der  Mitternacht  1 

Hans  Brennen. 


•)  Kompositionsrecht  vorbehalten. 
SO 


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Eine  Verlorene. 


^Jm  deine  Stirn  hängt  verwelkt  der  Kranz; 

Dein  Leben  ging  auf  in  Fieber  und  Tanz 
Und  irrem  Glanz. 

Nun  liegt  deine  Jugend  zerbrochen  da; 
Keine  wachende  Liebe  ist  dir  nah  — 
Du  verliessest  sie  ja. 

Deine  Kammer  ist  still,  es  nagt  nur  der  Wurm, 
Und  draussen  jammert  und  lacht  der  Sturm; 
Die  Zeit  ruft  vom  Turm  .  .  . 

Kennst  du  das  Märchen  vom  roten  Schuh? 
Ein  schönes  Kind  musste  immerzu 
Tanzen  ohn'  Ruh. 

Sie  musste  rasen  durch  Land  und  Feld, 

Bis  sie  taumelnd,  vom  Hohn  der  Menge  umgellt, 

Zu  Boden  fällt. 

Die  zwängenden  Schuhe  waren  gefeit 
Vom  bösen  Zauber  der  Eitelkeit 
Sein  Ende  heisst  —  Leid. 

Nun  bist  du  am  Abgrund  1  —  Der  Tanz  ist  aus! 
Das  Elend  hockt  auf  der  Schwelle  drauss' 
Und  hütet  dein  Haus. 

Von  deiner  Lippe  bricht  ein  Schrei  — 
Das  Elend  winkt  mit  Fingern  von  Blei 
Den  Tod  herbei. 

Da  reisst  ihm  der  Sturm  die  Tür  auf.    Es  droht 
Zu  deinen  Häupten  die  Schuld  und  die  Not, 
Uud  —  du  bist  tot  .  .  . 

Albcrta  von  Puttkamer. 

Liebesmacht. 

ß  in  Jüngling  schlang  den  Arm  um  die  Maid 
Bei  traulichem  Scherzen  und  Kosen, 

„Zur  Priesterin  bist  du  der  Venus  geweiht, 

Vorüber  ist  Leid  und  Traurigkeit!" 
Da  brach  er  der  Lippen  Rosen. 

31 


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„Nun  sind  uns  die  noldesteü  Stunden  gebracht. 

Die  Stunden  der  Liebesvigilien : 
Wir  lachen  des  Daseins  schauriger  Nacht, 
Wenn  die  Fackel  der  Liebe  feurig  entfacht!" 

Da  brach  er  des  Busens  Lilien. 

Und  des  Jünglings  Herz  ward  flammend  durchloht, 
Er  fühlte  eine  Welt  in  sich  pochen; 

Seine  Liebe  ward  stark  wie  der  grimmige  Tod; 

Die  Knospen  und  Blüten  so  voll  und  so  rot, 
Hat  er  alle,  alle  gebrochen. 

Er  hat  sie  gebrochen,  dann  sind  sie  verblüht, 

Die  Rosen,  Lilien,  Nelken  .  .  . 
O  Liebe,  wo  nur  dein  Atem  glüht, 
Da  müssen,  gleich  wie  vor  dem  sengenden  Süd, 

Die  Blüten,  die  Blüten  verwelken  I 

Max  Hoffmann. 

Hochzeit. 

s  pfeift's  ja  schon  die  ganze  Welt, 
Ich  hör's  ja  schon  in  Flur  und  Feld 
Am  Weg  die  Grillen  geigen, 
Die  können's  nicht  verschweigen, 
Die  streichen  die  Fiedel  immerzu: 
„Ein  Mädel  ist  ohn'  Strumpf  und  Schuh* 
Durch  roten  Klee  gegangen, 
Trug  weder  Hut  noch  Spangen  I" 

Schatz,  morgen  sollen's  die  Menschen  wissen, 
Auf  offener  Strasse  will  ich  dich  küssen, 
Dann  folgt  der  grosse  Familienkrach, 
Dann  wird  die  heil'ge  Entrüstung  wach. 
Lass  du  nur  ruhig  das  Ponny  grasen, 
Ich  tröste  inzwischen  Vettern  und  Basen, 
Und  wenn  der  Tag  im  Westen  verglüht, 
Schirr  an  und  sei  mir  nicht  zu  müd', 
Dann  wollen  wir  ohne  Händefalten 
Die  lustigste  Lumpenhochzeit  halten. 

Martin  Boelltz. 

32 


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Das  Laufmädel. 


J^latschepitsch  —  Spagatelregen  — 
Schokolad'  auf  allen  Wegen« 

Mädel  unter  Paraplü 

Stiefelt  tapfer  durch  die  Brüh1« 
Pflastertreterl, 
Armes  Peterll 

Mädel,  kleines  Mädel,  laufe  — 

Aus  dem  Regen  in  die  Traufei 
Kille,  kille,  Kleine, 
Brauche  deine  Beine  — 
Trippeltrab  treppauf  und  ab, 
Stöckelstiefel  klippeklapp  — 

Morgen  kommt  ein  Herr  Baron, 

Oder  ein  Kommerziensohn ! 

Heil  da  schwänzelt's  um  die  Ecke  — 
Augerl,  blanke,  vogelkecke  1 
Wuschelhaare,  blond  und  dick, 
Wuchten  auf  ein  weich  Genick. 
Schnuffelnaserl, 
Schlankes  Haserl  1 
Kindergoscherl,  weich  und  schüchtern, 
Ist  noch  gänzlich  busselnüchtern. 
Kille,  kille,  Kleine, 
Brauche  deine  Beine  — 
Trippeltrab  treppauf  und  ab, 
Stöckelstiefel  klippeklapp  — 
Mädel  lauf  und  halt'  dich  brav  — 
Uebermorgen  kommt  ein  Graf! 

Schleppe  deinen  Robes-Kasten  — 
Mädel  lauf,  sonst  heisst  es  fasten! 
Mutterl  schimpft  dich  zünftig  z'samm9, 
Und  es  grantelt  die  Madam1. 
Krampft  im  Kröpferl, 
Thränentröpferl? 
Schluckes  hinunter  —  alles  Plündert 
Wart1,  der  Himmel  thut  ein  Wunderl 
Kille,  kille,  Kleine, 
Brauche  deine  Beine  — 
Trippeltrab  treppauf  und  ab, 
Stöckelstiefel  klippeklapp  — 
Herr,  erbarm'  dich  deines  Ktnd's  — 
Nächste  Woche  kommt  ein  Prinz! 


Madcl,  wie  sie  dich  bepacken! 
Schau',  wie  glüh'n  dir  blos  die  Backen! 
Kindel,  hast  du's  auf  der  Brust, 
Dass  du  gar  so  husten  musst? 

Nebel  schieben, 

Rocken  stieben  — 
Fasching  kam  mit  Geigenklingen  .  •  • 
Warum  magst  denn  du  nicht  springen? 

Kille,  kille,  Kleine, 

Brauche  deine  Beine  — 

Trippeltrab  treppauf  und  ab, 

Stöckelstiefel  klippeklapp  — 
Bald  ein  End'  hat  alle  Not  — 
Frühling  wird's  —  dann  kommt  der  Tod! 

Ernst  von  Wolxogcn. 

Das  arme  Mädchen. 

^öY  mir  einer,  was  er  wollte, 

Weil  ich  arm  und  elend  bin, 
Nie,  und  wenn  ich  sterben  sollte, 
Gab'  ich  meine  Ehre  hin! 
Schaudernd  eilt  das  Mädchen  weiter, 
Ohne  Obdach,  ohne  Brot, 
Das  Entsetzen  ihr  Begleiter, 
Ihre  Zuversicht  der  To<L 

Es  klappere  in  den  Laternen 
Des  Winters  eisig  Weh'n, 
Am  Himmel  ist  von  den  Sternen 
Kein  einziger  zu  seh'n. 

Wie  sie  nun  noch  eine  Strecke 
Weiter  irrt,  sieht  sie  von  fern 
An  der  nächsten  Strassenecke 
Einen  ernsten  jungen  Herrn. 
Ihm  zu  Füssen  auf  die  Steine 
Bricht  sie  ohne  einen  Laut, 
Hält  umklammert  seine  Beine, 
Und  der  Herr  verwundert  schaut: 

Wenn  dich  die  Menschen  verlassen, 
Komm  auf  mein  Zimmer  mit  mir; 
Jetzt  tobt  in  allen  Gassen 
Nur  wilde  Begier. 


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Und  sie  folgte  seinen  Schritten, 
Hielt  sich  schüchtern  hinter  ihm; 
Jener  hat  es  auch  gelitten, 
Wurde  weiter  nicht  intim. 
Angelangt  auf  seinem  Zimmer, 
Zündet  er  die  Lampe  an, 
Bei  des  Lichtes  mildem  Schimmer 
Bald  sich  ein  Gespräch  entspann: 

Es  boten  mir  wohl  viele 
Ein  Obdach  für  die  Nacht, 
Doch  hatten  sie  zum 
Was  mich  erschaudern  macht« 


Ferne  sei  mir  das  Verlangen, 
Sprach  der  ernste  junge  Mann, 
Dir  xu  färben  deine  Wangen, 
Wenn  ich's  nicht  durch  Güte  kann. 
Bat  sie,  langer  nicht  zu  weinen, 
Holte  Wurst  und  kochte  Thee, 
Und  am  Morgen  zog  er  einen 
Thaler  aus  dem  Portemonnaie. 


Sie  hat  ihn  bescheiden  genommen 
Und  fand,  eh1  der  Tag  vorbei, 
Als  Plätterin  Unterkommen 
In  einer  Wäscherei. 


Aber  ach,  die  Tage  gingen 
Und  die  Nächte  freudlos  hin, 
Bluteswallungen  umfingen 
Ihren  frommen  Kindersinn. 
Immer  musst*  sie  sein  gedenken, 
Der  so  freundlich  zu  ihr  war, 
Immer  musst*  den  Kopf  de  senken, 
In  der  munter'n  Mädchenschar. 

Und  eines  Abends  um  neune 
Hielt  sie's  nicht  aus, 
Lief  ganz  alleine 
Nach  seinem  Haus. 

Er  war  noch  nicht  heimgekommen, 
Sie  verkroch  sich  unters  Bett, 
Bis  sie  seinen  Schritt  vernommen. 
Wo  sie  gern  gejubelt  häte. 


Doch  sie  hielt  sich  still  da  unten, 
Bis  er  sich  zu  Bett  gelegt 
Und  den  süssen  Schlaf  gefunden, 
Dann  erst  hat  sie  sich  geregt 

Leise  wie  eine  Elfe 
Schlüpft  sie  zu  ihm  hinein: 
Dass  Gott  mir  helfe  — 
Ich  bin  dein! 

Doch  da  hat  er  sich  erhoben, 
Wusste  erst  nicht,  was  geschah, 
Hat  die  Kissen  vorgeschoben, 
Als  das  Kind  er  nackend  sah: 
Nein,  jetzt  will  ich  dich  nicht  haben; 
Wohl  dir,  dass  du  mir  vertraut! 
Spare  deine  schönen  Gaben, 
Denn  schon  morgen  bist  du  Braut! 

Er  führte  binnen  drei  Tagen 
Sie  wirklich  zum  Altar. 
Es  lässt  sich  gar  nicht  sagen, 
Wie  glücklich  sie  war  .  .  . 

Frank  Wedckind. 

Arn  Kreuzweg. 

y^og  ein  Wanderbursche  aus, 
Hielt  am  Kreuzweg  inne, 
Sprach:  »Wo  soll  ich  nun  hinaus? 
Ha,  dort  winkt  ein  Försterhaus, 
Dass  ich  mich  besinne! 

»Mädel,  wie  die  Fichte  schlank, 
Sittig  wie  die  Taube, 
Leb'  ein  Stündlein  mir  zu  Dank, 
Komm1  mit  einem  frischen  Trank 
Dort  zur  kühlen  Laube  1« 

Und  sie  bracht*  em  schäumend  Glas, 
Bracht*  ein  froh  Behagen, 
Und  der  Wanderbursche  sass 
Ihr  zur  Seite  und  vergass, 
Nach  dem  Weg  zu  fragen.  — 


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Endlich  aber  sagt  er  fein: 
»Osten  oder  Westen ?c 
Doch  sie  flüstert  süss  ihm  ein: 
»Mass  es  denn  geschieden  sein? 
Hier  ist's  ja  am  besten lc  — 

Wie  des  Liedes  Ende  war? 
Bald  ist  es  gesungen: 
Glücklich  wurden  sie  ein  Paar, 
Und  sie  wiegten  übers  Jahr 
Ihren  ersten  Jungen. 

Georg  Lang 

«r 

Rote  He*e. 

J^ot  ist  mein  Haar, 

So  rot  und  so  wild, 
Rot  das  Gewand, 
Das  den  Leib  mir  umhüllt. 
Rot  ist  mein  Mund, 
So  glühend  und  rot  — 
Mancher  schon  küsste 
An  ihm  sich  tot. 

Mancher  schon  küsste 
Soviel  er  gewollt, 
Lohnte  die  Liebe 
Mit  funkelndem  Gold; 
Sog  rotes  Gift 
In  die  Seele  ein  — 
Musste  für  ewig 
Mein  Sklave  seinl 

Gisa  Tacchi. 

fr 

Trauriges  Rätsel. 

Jch  hart*   eine  grosse  Lieb  und  konnte  von  ihr 

nicht  sagen, 

Ich  hatr*  einen  grossen  Schmerz  und  musste  ihn 

stumm  ertragen, 

Ich  hart*  eine  grosse  Schuld  und  musste  sie  doch 

verneinen , 

Und  ich  kenne  ein  kleines  Grab  und  darf  es  nicht 

beweinen  1 

Franz  v.  KÖnigtbrun-Schaup. 

37 


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Bestellung. 

^uch  und  Samt  und  Seide  her, 

Heut*  kauf  ich  den  Laden  leer! 
Was  je  Mädchenaugen  sah'n: 
Musselin  und  Tarlatan, 
Gaze,  MuH,  Satin  und  Taft, 
CrApe  de  chine  herbeigeschafft  t 
Denn  ich  bin  ein  reicher  Mann, 
Und  ich  zieh'  mein  Mädchen  ant 

Schuster,  braver  Schustersmann, 
Mess'  er  zwölf  Paar  Schuhe  an 
Diesem  Füsschen,  wunderklein; 
Soll'n  vom  feinsten  Leder  sein; 
Hohe  Stöckel,  knapper  Sitz, 
Dünnste  Sohlen  und  ganz  spitz, 
Dass  an  ihrer  Spur  man  seh: 
Hier  spazierte  eine  Fee. 

Teures  Fräulein,  das  versteht, 
Wie  man  Mädchenhemden  näht, 
Spitzenhöschendichterin, 
Fein  von  Fingern,  fein  von  Sinn! 
Spart  mir  Spitz*  und  Bänder  nicht, 
Dichtet  ein  Batistgedicht 
Um  die  rosenfeine  Haut 
Meiner  allerliebsten  Braut 

Tischler,  Tischler,  mach1  er  mir 
Tische,  Stühle,  Bank  und  Thür, 
Hoble  er  den  Boden  glatt, 
Lass  kein  Loch  für  Maus  und  Ratt\ 
Hat  er  dies  getischlert  nett, 
Mach'  er  mir  zuletzt  ein  Bett: 
Mach'  er  nuYs  besonders  schön, 
Soll  mein  Schatz  drin  schlafen  geh'ru 

Alfred  Walter  HeymeL 

Nachtidyll. 

ruht  im  Dorfe  jung  und  alt, 
Am  Himmel  steh'n  die  Sterne; 
Der  Morgen  dämmert  florumwallt 

Unmerklich  in  der  Ferne. 

38 


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Da  wird  ein  Thürlein  aufgemacht 
Mit  Fürsicht  übennassen; 
Ein  Blondchen  schleicht  mit  Vorbedacht 
Heraus  und  längs  der  Strassen. 

Die  Füsse  nackt  und  gross  und  braun, 
Das  runde  Köpfchen  glühend; 
Verlaustes  Haar  —  durchs  Linnen  schau'n 
Die  Brustchen  prall  und  blühend. 

Sie  blickt  noch  einmal  rings  herum, 
Als  wie  verscheucht  ein  Mäuschen; 
Dann  reckt  sie  sich  und  lächelt  stumm 
Und  schlüpft  in  eins  der  Häuschen. 

Eugen  Reichel. 

■ 

* 

Eine  kleine  Ballade. 

£)ie  wohnte  vier  Treppen, 

Er  unten  im  Keller, 
Und  beide  hatten  sie  keinen  Heller. 

Wohl  litten  sie  nicht  Hunger  und  Not, 
Doch  was  sie  verdienten  mit  ehrlichem  Sinn, 
Das  reichte  so  gerade  zum  Leben  hin. 

Jung  waren  sie  beide  und  lebensfroh, 

Machten  sich  weiter  keine  Sorgen. 

Kam  heute  das  Glück  nicht,  kam's  wohl  morgen. 

Kehrten  arbeitsmüd'  sie  am  Abend  heim, 
So  schauten  beide  zum  Fenster  hinaus 
Und  sahen  nach  dem  Glücke  aus. 

Aus  dem  Dache  sah  sie, 

Aus  dem  Keiler  sah  er, 

Und  mancher  Seufzer  flog  hin  und  her. 

An  einem  heissen  Maientag 

Sprach  er  sie  schüchtern  drunten  an, 

Als  sie  die  Treppen  zu  steigen  begann. 

»Da  oben  ist's  wohl  jetzt  schön  heiss?« 
»Ja,«  lacht  sie,  »ja,  der  Sonnenschein 

Heizt  etwas  stark  mein  Zimmerlein.« 

> 

39 


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»Und  zu  mir  kommt  gar  keine  Sonne  herein.« 
»Nun,«  meint  sie  mit  einem  fröhlichen  Nicken, 
»Ich  werd'  etwas  Sonne  hinunterschicken.« 

»Dürfte  ich  sie  nicht  holen  kommen?« 

»Nein,  i  bewahre!«    Und  im  Lauf 

Rennt  sie  die  vier  Treppen  hinauf.  —  —  — 

Doch  seltsame  Dinge  geschehen  im  Mai, 
Am  selben  Abend,  der  Mond  schien  herein, 
Holte  er  noch  seinen  Sonnenschein. 

Alice  Bercnd. 

Meine  Nachbarin. 

Nachbarin  ist  lange  blind 
Und  hat  nicht  lang  zu  leben; 
Ihre  Tochter  trägt  ein  ledig  Kind, 
Weiss  nicht,  wem  Schuld  zu  geben. 

Das  katzebalgt  nun  Tag  um  Tag, 

Und  schimpft  sich  um  die  Wette; 

Für  Scheltwort  Scheltwort,  Schlag  für  Schlag  — 

Die  reine  Bettlermette. 

Dazwischen  wächst  ein  junges  Blüh'n  — 
Man  möcht*  es  Sumpfdost  heissen:  — 
Die  Wangen  rot,  die  Lippen  glüh'n, 
Die  dunkeln  Augen  gleissen. 

Noch  fliesst  ein  Strahl  des  reinen  Lichts 
Um  ihre  helle  Stirne  — 
Noch  weiss  sie  nichts,  noch  ahnt  sie  nichts, 
Und  lacht  schon  wie  die  Dirne  .  .  . 

J.  J.  David. 

Die  Rehren. 

][)er  Abend  war  selbst  wie  ein  Wunder  der  Liebe. 

Sie  gingen  umschlungen  und  stumm  vor  Liebe 
Aus  den  Feldern  dem  träumenden  Dorfe  zu. 

Sie  lehnte  sich  wärmer  an  ihn.    Sie  sagte 
So  still,  als  wenn  der  Abend  wind  klagte: 
»Im  Korn,  das  war  doch  eine  Sunde,  dul« 

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Er  löst  seine  Hand  und  Wange  von  Wange: 
»Und  nennst  du's  Sünde,  dass  ich  dich  umfange, 
So  liebst  du  mich  nicht  und  liebst  mich  nicht!« 

Da  schaut  sie  empor  zu  dem  Zornigen,  Wilden 
Und  sieht  mit  erschrockenen,  hilflosen,  milden 
Augen  dem  Liebsten  ins  Angesicht. 

Und  lächelt  in  Thränen  und  regt  die  bleichen, 
Bebenden  Lippen  und  sagt  mit  weichen 
Worten  zum  Liebsten:  »Das  sagst  du  mir?« 

Und  schlingt  den  Arm  um  den  trotzigen  Knaben: 
»Dass  wir  das  Korn  so  zerbrochen  haben, 
Das  war  eine  Sünde  I    Das  sag1  ich  dir!« 

Hugo  S&lai. 

Gekrönte  Liebe. 

Jch  liebt1,  als  ich  noch  zur  Prima  ging, 

—  Nicht  ganz  ohne  Furcht  und  Tadel  — 
Ein  blondes,  ein  junges,  ein  frisches  Ding, 
Die  war  vom  ältesten  Adel. 
Sie  trug  auf  der  Mappe  in  Gold  gestickt 
Die  Krone  mit  sieben  Zacken, 
Und  wenn  sie  mich  lachend  angeblickt, 
Dann  schoss  mir  das  Blut  in  die  Backen. 
Und  sass  ich  gebeugt  auf  den  Sophokles 
Und  ochste  die  tragischen  Chöre, 
Mir  war's,  als  ob  ich  die  kleine  Komtess 
In's  Ohr  mir  lachen  höre. 

Und  als  ich,  ein  Studio,  trug  auf  der  Brust 

Dreifarbig  das  Band  der  Rhenanen, 

Da  liebt*  ich  mit  stürmischer  Jugendlust 

Ein  Mädel  ganz  ohne  Ahnen. 

Der  Vater  ein  Schuster,  die  Mutter  tot, 

Der  Bruder  Hausknecht  in  Barmen  —  — 

Ich  aber,  wenn  sie  die  Lippen  mir  bot, 

Ein  Fürst  in  ihren  Armen  —  —  —  — 

Sie  hat  mir  ein  Cerevis  gestickt 

Von  ihren  armseligen  Groschen, 

Und  wer  mir  das  Mützchen  schief  angeblickt, 

Dem  hab'  ich  den  Schädel  verdroschen. 


41 


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Am  Golf  von  Neapel,  da  hab'  ich  geicannt 

Ein  Mädel  —  erst  sechzehn  Jahre  1  — 

Die  war  so  schön  —  so  schön  wie  ihr  Land, 

Das  Kind  von  Castellamare. 

Ihr  Vater  im  Bagno  —  sie  selber  so  froh, 

So  kindlich  im  Schwatzen  und  Bitten, 

Wenn  wir  zum  Monte  San  Angelo 

Auf  kleinen  Eseln  ritten  

Vergessen  war  Zukunft,  Amt  und  Beruf, 
Wenn  mich  die  Kleine  neckte, 
Und  in  die  Sterne  der  Vesuv 
Die  Hochzeitsfackel  reckte.  .  . 

Und  jetzt  —  Wenn  manchmal  um  Mitternacht 

Der  Kopf  mir  sinkt  auf  die  Bücher, 

Da  schleichen  drei  Mädels  durch  Thüren  sacht, 

Gehüllt  in  wehende  Tücher. 

Drei  Augenpaare,  —  die  nie  ich  vergess', 

Die  funkeln  und  schmeicheln  und  bitten  —  — 

Die  Schustertochter,  die  kleine  Komtess 

Und  das  Sträflingskind  in  der  Mitten. 

Sie  tanzen  und  singen  und  lachen  dabei 

Und  locken  mich  doch  vergebens  — 

Und  Krönchen  tragen  sie  alle  drei  .  .  . 

Die  Kronen  meines  Lebensl 

Rudolf  Preifcer, 

IT 

Immer  heiter. 

\?on  dem  Wagen  in  die  Loge, 

Aus  der  Loge  auf  den  Ball  — 
Wo  nur  immer  ein  Vergnügen, 
Findet  ihr  sie  überall. 

Immer  fröhlich,  immer  heiter, 
Vom  Genüsse  zum  Genuss, 
Ganz  nur  Lächeln,  nichts  als  Lächeln 
Von  dem  Scheitel  bis  zum  Fuss. 

Und  kein  Schatten  in  der  Miene, 
Um  den  Mund  verrät  kein  Zug, 
Dass  sie  eben  eines  Menschen 
Ganzes  Glück  zu  Boden  schlug. 

H.  CKIm. 


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Frau  Sehnsucht. 


{{am  Frau  Sehnsucht  still  heran, 
Sah  mich  an. 

Sass  an  meines  Bettes  Ende, 
Glühend  wichen  rings  die  Wände  — 
Und  sie  hob  die  bleichen  Hände, 
Hob  sie  durch  die  schwarze  Nacht, 
Sanft  und  sacht. 

Und  mich  würgten  tausend  Schlangen, 
Wühlten  mir  um  Stirn  und  Wangen  — 
Und  die  Cello-Töne  klangen, 
Klangen  zitternd,  Stich  um  Stich, 
Und  sie  strich: 

»Horch,  horch  auf  .  .  Die  Palmen  schauem! 

»Wo  die  grauen  Zelte  trauern, 

»Braune  Leoparden  lauern, 

»Geht  ein  Flüstern  .  .  .  Dämmerfahl 

»Bebt  mein  Thal. 

»Wo  sich  bunte  Mädchen  wiegen, 
»Wilde  Sterne  flackern,  fliegen, 
»Leuchtend  in  den  Teichen  liegen, 
»Bebt  mein  Land  und  lockt  mein  Sang 
»Nächtelang. 

»Horch,  horch  auf .  .  die  Stunden  gleiten  — 
»Und  du  siehst  in  Dämmerweiten 
»Venus,  meine  Fürstin,  schreiten  .  . 
»Und  sie  winkt  mit  bleichem  Kranz, 
»Winkt  zum  Tanz. 

»Und  du  hörst  die  Quellen  klingen, 
»Leise  knospen  dir  die  Schwingen, 
»Lass  uns  tanzen,  tanzen,  springen  — 
»Kling  und  Klang  .  .  .  den  schönsten  Lauf 
«Spiel  ich  auf  .  .« 

Also  spielt  sie  Tage,  Wochen, 
Dass  mir  wild  die  Pulse  pochen, 
Spielt  wohl,  bis  mein  Herz  gebrochen,  — 
Und  Frau  Venus,  bleich  und  nackt, 
Schlägt  den  Takt 

Anton  Liodner 

43 


Das  braune  Mädel. 


^Jebers  Heidland  zog  ich  hin, 

War  mir  wohligwohl  zu  Sinn, 
Schritt  vorbei  am  Heidehaus, 
Guckt  ein  braunes  Mädel  raus, 
Rasch  hab'  ich  es  abgeküsst  — 
Heijuheil  —  Wenn'g  Vater  wüsstM 

Vater  aber  sah  uns  nit, 
Und  ich  nahm  sein  Mädel  mit 
Bis  zum  grünen  Waldessaum, 
Wo  da  steht  ein  Lindenbaum, 
Dorten  lag  sie  mir  im  Arm  — 
Heijuheil  —  Wie  ward  uns  warml 

War's  auch  warm,  bald  wird  es  kalt, 
Treu  und  Untreu  sind  schon  alt; 
Lebe  wohl,  du  braunes  Kind, 
Bin  wie's  Wetter,  wie  der  Wind; 
Unsre  Lieb'  ist  wieder  aus  — 
Heijuheil  —  Mach'  dir  nichts  draus l 

Demetrius  Schrutx. 


Ehefreuden. 

ie  sassen  sich  gegenüber 
Und  assen  Butterbröde; 
Sie  gähnten  beide  entsetzlich 
Und  fanden  das  Leben  »so  öde«. 

Er  dachte  beim  Kurszettel-Lesen, 
Was  der  Winter  noch  kosten  solle; 
Sie  blätterte  im  Romane 
Und  wickelte  dabei  Wolle. 

Um  neun  Uhr  wollt'  er  ins  Cafe 
Zu  Freunden  und  Bier  und  Karten, 
Sie  solle  nur  ruhig  schlafen 
Und  ja  nicht  auf  ihn  warten  1 

Sie  wollte  zur  kranken  Freundin 
Auf  einen  Sprung  mal  gehen! 
Die  war  so  lange  schon  leidend, 
Man  musste  doch  nach  ihr  sehen. 

44 


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Sie  trennten  sich  an  der  Ecke 
Mit  Händedrücken,  recht  zart. 
Das  Cafe  —  wohnte  vier  Treppen, 
Die  Freundin  —  hiess  Eduard! 

Frida  Spandow. 

Madame  ficfele. 

^Je  suis  Adele,  la  reine  blonde  — 

On  me  connait,  messieurs,  parbleul 
Je  suis  la  reine,  la  reine,  la  reine  du  Demimonc 
Adele  est  lä  —  faites  votre  jeu! 
Oh  jeh,  oh  ji,  hab*  nur  ka  Angst  — 
Ich  sing1  auch  deutsch,  wenn's  d1  es  verlangst, 
Denn  mein  Franzö'sch  gelangt  nur  —  oh  jehl 
Zum  Hausgebrauch  fürs  Variete  I 
Ein  Franzos*  ist  nur  mein  Schneider  — 
Echt  Paris  sind  diese  Kleider. 
Und  drunter,  das  ist  auch  kein  Quark: 
Cest  un  jupon  pour  achtzig  Mark, 
Die  seid'nen  Strumpf  kriegst  schon  für  acht  — 
Trulala,  Trulala  — 

Was  glaub'n  Sie,  wie  das  glucklich  macht! 

Nicht  immer  wühlt*  ich  so  in  Spitzen, 

Einst  trug  ich  Barchent  und  Flanell  — 

Ich  musste  tipp-tipp-tipp  an  der  Maschine  sitzen, 

Und  auch  die  Feder  führt'  ich  schnell, 

Ole,  Oli  —  's  war  wenig  da  — 

Und  ein  Korsett  verbot  Mama, 

Doch  unverfälscht  und  gesund  dazu, 

Wie  warme  Milch,  frisch  von  der  Kühl 

Abends  kriegt*  ich  Käs'  und  Rettich, 

Und  dann  kroch  fein  satt  ins  Bett  ich  

Jetzt  jede  Nacht  im  Separe* 

Mit  feschen  Herren  ein  Souper  1 

Da  schleck*  ich,  bis  das  Mieder  kracht  —  — 

Trulala,  Trulala  — 

Was  glaub'n  Sie,  wie  das  glücklich  macht  1 

Ich  zählte  eben  siebzehn  Jahre, 

Da  nahte  schon  sich  mein  Geschick: 

Ein  Herr  vergaffte  sich  in  meine  blonden  Haare 

Und  in  den  veilchenblauen  Blick. 

45 


Hallil  Hallo!    Wie  war  ich  froh! 

Er  fragt*  nicht  lang  und  nahm  mich  so  . .  • 

Im  vierten  Stock  haust'  mein  Poet .  . . 

Und  da  geschah's  —  wie  das  so  gehtl  — 

Himmelhoch  und  himmelweit  — 

Heimlich  süsse  Seligkeit! 

Achl    Wenn  ich  an  seinem  Halse  hing, 

War  ich  ihm  alles  —  ich  dummes  Ding  

Da  ward  ich  wissend  über  Nacht  

Trulala,  Trulala  — 

Was  glaub'n  Sie,  wie  das  glücklich  macht! 

Goldkehlchen  mein  und  Sonnenscheinchen, 

Sein  süsses  Mädel,  lieb  und  dumm  — 

So  nannr1  er  mich  und  lobte  meine  Elfenbeinchen 

Und  trug  mich  buckelkrax  herum. 

O  Gitt,  o  Gott!    's  ist  jammervoll, 

Dass  solche  Lieb'  auch  enden  soll!  — 

Doch  vom  Talent  wird  man  nicht  satt, 

Wenn  man  nicht  eine  Rente  hat!  

Der  Zweite  war  ein  Herr  Assessor, 
Der  stand  sich  schon  erheblich  besser  .  .  • 
Ja,  meine  Herr'n  —  die  Jugend  flieht! 
Ein  kluges  Kind  wird  früh  solid! 

Treu'  hat  noch  nie  was  eingebracht  

Trulala,  Trulala  — 

Was  glaub'n  Sie,  wie  das  glücklich  macht  1 

Der  Erste  nahm  sich  nicht  das  Leben, 
Als  ich  zum  Zweiten  mich  gewandt, 
Er  liess  mich  schleunigst  nur  die  Trepp'  hinunter- 
schweben   

Worauf  er  aus  der  Stadt  verschwand. 

Trali!  Trala!    's  ist  lang  schon  her, 

Bin  längst  kern  dummes  Mädel  mehr!  — 

Ich  fahr'  zum  Rennen  viere  lang 

Und  hab'  mein  Conto  bei  der  Bank! 

Flog  ins  licht  als  graue  Motte  — 

Doch  jetzt  bin  ich  grande  Cocottel 

Je  m'en  fiche  de  tout  ce  que  m'accuse! 

Heini    Messieurs,  je  vous  amuse? 

Vlan  les  volantsl    Hehl    Kreischt  und  lacht  1 

Trulala,  Trulala  — 

Was  glaub'n  Sie,  wie  das  glücklich  macht! 

Ernst  von  Wolzogen. 

r  • 

4« 


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Ilse. 

Jch  war  ein  Kind  von  fünfzehn  Jahren, 

Ein  reines,  unschuldsvolles  Kind, 
Als  ich  zum  erstenmal  erfahren, 
Wie  süss  der  Liebe  Freuden  sind. 

Er  nahm  mich  um  den  Leib  und  lachte 
Und  flüsterte:  O  welch'  ein  Glück! 
Und  dabei  bog  er  sachte,  sachte 
Mein  Köpfchen  auf  das  Pfühl  zurück. 

Seit  jenem  Tag  lieb1  ich  sie  alle, 
Des  Lebens  schönster  Lenz  ist  mein; 
Und  wenn  ich  keinem  mehr  gefalle, 
Dann  will  ich  gern  begraben  sein. 

Frank  WedeLind. 

IT 


Zweifel. 

Q^estern  Mittag  sagt  mir  wer 

—  Pfui,  mich  so  zu  packen  l  — 
»Alter  Sohn,  dein  Gang  wird  schwer 
»Und  gebückt  dein  Nacken; 

»Und  mir  scheint,  dich  schmerzt  dein  Knie 

»Allemal  beim  Bücken; 

»Silbern  schimmmerfs  dir  bereits 

»Von  den  Schläfenbrücken. 

»Nächstens  kriegst  du's  Zipperlein 
»Und  den  Wilhelmsorden, 
»Und  dann  siehst  du  endlich  ein, 
»Dass  du  alt  geworden«  .  .  • 

Und  da  hab*  ich  ohne  Wort 
Meinen  Schirm  ergriffen; 
Tief  entrüstet  ging  ich  fort, 
Hab'  mir  eins  gepfiffen. 

Aus  der  Stadt  schritt  ich  hinaus, 
Um  ins  Land  zu  sehen  — 
Rechts  das  rote  Krankenhaus, 
Links  die  Mausoleen.  — 

Bei  der  Höhe  auf  der  Bank, 
Tief  die  Stadt  als  Schemel, 
Sass  ein  Mädchen  sehnsuchtskrank, 
Las  im  Richard  Dehrn  el. 


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Und  wir  kamen  ins  Gespräch 
So  von  dem  zum  andern  — 
Hatten  just  denselben  Weg 
Beim  Nachliausewandern. 

Vater  tot  und  Mutter  krank, 
Und  zu  Haus  kein  Eden  •  ,  • 
Na  —  wie  Mädchen  auf  der  Bank 
Abends  eben  reden. 

Sprachen  dann  beim  Mondenschein 
Von  der  Nächte  Schöne, 
Und  wir  fanden  ungemein 
'Viel  verwandte  Töne. 

Seltsam  —  wie  beim  Abschied  just, 
In  des  Stadtthors  Schatten, 
Uns're  Lippen  unbewusst 
Sich  gefunden  hatten. 

Und  mit  heissem  Jugendtrank 
Meine  Seele  labend, 
Sprach  sie  leise:  »Bei  der  Bank, 
Liebster,  morgen  abend!«  .  .  . 

Und  ich  trug  mein  Herz  so  heiss 
Heim  von  all  dem  Glücke  —  — 
Ach,  was  schert  mich  nun  das  Weiss 
An  der  Schläfenbrücke  I 

Rudolf  Prester. 

Mein  Pech. 

}ch  hab  ein  Mädchen  lieb  gehabt 

Mit  rosenroten  Wangen;  — 
Die  ist  mit  einem  andern  Mann 
Zum  Traualtar  gegangen. 

Ich  habe  eine  Frau  verehrt; 
Die  war  mir  zwar  gewogen, 
Doch  hat  mit  ihrem  Gatten  sie 
Mich  unerhört  betrogen. 

Ich  liebte  eine  Tänzerin 

Mit  beispiellosem  Feuer; 

Ich  ward  von  ihr  zu  hochgeschätzt, 

Und  sie  war  mir  zu  teuer. 

Arthur  Pterhofer. 

** 

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Erotische  Lyrik. 

Es  stünde  auf  der  Erden, 
Wenn  Liebe  sollte  werden 
Von  Menschen  abgetban, 
Als  wenn  der  Sonnenwagen 
Dem  Leuchten  wollt*  entsagen 
Auf  seiner  Himmelsbahn. 

Simon  Dach  (l«*-lttft). 

Unter  der  Linden. 

(Uebersetxt  von  Karl  Sunrock.) 

JJnter  der  Linden, 
An  der  Heide, 
Wo  ich  mit  meinem  Trauten  sass, 
Da  mögt  ihr  finden, 
Wie  wir  beide 

Die  Blumen  brachen  und  das  Gras. 
Vor  dem  Wald  mit  süssem  Schall, 
Tandaradeil 

Sang  im  Thal  die  Nachtigall. 

Ich  kam  gegangen 

Zu  der  Steile; 

Mein  Liebster  war  schon  vor  mir  dort. 
Mich  hat  empfangen 
Mein  Geselle, 

Dass  ich  bin  selig  immerfort. 
Ob  er  mir  auch  Küsse  bot? 
Tandaradeil 

Seht,  wie  ist  mein  Mund  so  rotl 

Da  ging  er  machen 
Uns  ein  Bette 

Aus  süssen  Blümlein  mancherlei; 

Des  wird  man  lachen 

Noch,  ich  wette, 

So  jemand  wandelt  dort  vorbei; 

Bei  den  Rosen  er  wohl  mag, 

Tandaradeil 

Merken,  wo  das  Haupt  mir  lag. 

4 


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Wie  ich  da  ruhte, 

Wüsst  es  Einer, 

Behüte  Gott,  ich  schämte  mich. 

Wie  mich  der  Gute 

Herzte,  keiner 

Erfahre  das  als  er  und  ich, 

Und  ein  kleines  Vögelein, 

Tandaradeil 

Das  wird  wohl  verschwiegen  sein! 

Walther  von  der  Vogelweide. 
(Ca.  1170  -  ca.  im) 

Unergründlich. 

Jch  küsste  sie  auf  die  Stirne  kaum 

Und  war  erschrocken  fast, 
Wie  sie,  ein  Kind,  so  fiebernd  heiss 
Und  zitternd  mich  umfasst. 

Wie  liebeschauernd  mir  am  Hals 

Ihr  schluchzender  Odem  quoll, 

Wie  gleich  einem  Retter  ihr  Herz  mir  schlug, 

Sprachloser  Entzückung  voll. 

Da  ahnt'  ich  an  dir,  du  kleines  Herz, 
Das  solche  Flammen  kennt, 
Die  ganze,  ungelöschte  Glut, 
Die  heimlich  auf  Erden  brennt. 

J.  G.  Fischer. 

► 

Einschlafen. 

^^?ie  silbern,  als  ich  wachend  lag, 

Erschimmerte  des  Vollmonds  Licht 
Um  mich  herum  und  rückte  nicht  1 
Hell  war  mein  Zimmer  wie  der  Tag. 

Doch  müde  sank  das  Auge  zu, 

Das  noch  zuletzt  am  Lichte  hing; 

Und  über  meine  Seele  ging 

Ein  schöner  Traum:  das  Licht  und  dul 

Karl  Leopold  Mayer. 

7? 


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Lied  der  Marketenderin, 

(Aus  dem  dreissigjährigen  Krieg.) 

die  Husaren  lieb'  ich  sehr, 
Ich  liebe  sehr  dieselben; 
Ich  liebe  sie  ohne  Unterschied, 
Die  blauen  und  die  gelben. 

Und  die  Musketiere  lieb*  ich  sehr, 
Ich  liebe  die  Musketiere, 
Sowohl  Rekrut  als  Veteran, 
Gemeine  und  Offiziere. 

Die  Kavallerie  und  die  Infanterie, 
Ich  liebe  sie  alle,  die  Braven; 
Auch  hab'  ich  bei  der  Artillerie 
Gar  manche  Nacht  geschlafen. 

Ich  liebe  den  Deutschen,  ich  lieb1  den  Franzos, 
Die  Welschen  und  Niederländ'schen, 
Ich  liebe  den  Schwed,  den  Böhm  und  Spanjol, 
Ich  lieb'  in  ihnen  den  Menschen. 

Gleichviel,  von  welcher  Heimat,  gleichviel, 
Von  welchem  Glaubensbund  ist 
Der  Mensch,  er  ist  mir  lieb  und  wert, 
Wenn  nur  der  Mensch  gesund  ist. 

Das  Vaterland  und  die  Religion, 
Das  sind  nur  Kleidungsstücke  — 
Fort  mit  der  Hülle,  dass  ich  ans  Herz 
Den  nackten  Menschen  drückt. 

Ich  bin  ein  Mensch,  und  der  Menschlichkeit 
Geb'  ich  mich  hin  mit  Freude! 
Und  wer  nicht  gleich  bezahlen  kann, 
Für  den  hab'  ich  die  Kreide. 

Der  grüne  Kranz  vor  meinen  Zelt, 
Der  lacht  im  Licht  der  Sonne; 
Und  heute  schenk'  ich  Malvasier 
Aus  einer  frischen  Tonne. 

Heinrich  Heine. 


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Mein  Lieb. 

Sieh,  du  hast  den  bunten  Strauss 
Mir  am  Busen  ganz  zerknickt, 
Spricht  mein  Lieb,  wenn  gar  zu  fest 
An  das  Herz  sie  mich  gedrückt. 

Und  du  küsst  mich  viel  zu  oft, 
Alle  Leute  sagen's  dochl 
Spricht  mein  süsses  Lieb  zu  mir, 
Spricht  mein  Lieb,  und  küsst  mich  noch. 

Richard  Leander. 

Liebeslust. 

Nach  Christian  ron  Hamle.  (13.  Jahrb.) 

y  on  schönen  Leibes 
Armen  umfangen 
Ans  Herz  gedrückt,  wie  wohl  das  thutl 
Von  lieben  Weibes 
Rosigen  Wangen 

Ein  minnig  Lachen,  wie  höht's  den  Mutl 
Du  magst  nicht  sprechen  zur  selben  Stund', 
Nur  küssen,  nur  küssen  den  süssen  Mund! 

Vier  Augensterne, 
In  Liebesflammen 

Leuchtend,  beschämen  der  Sonne  Licht 

Vier  Arme,  gerne 

Geschlungen  zusammen, 

O  Eisen  und  Stahl  wohl  eher  zerbricht  I 

Zwei  Herzen  wonnig  gerückt  sich  nah', 

Kein  Blatt  mehr  findet  ein  Plätzchen  dat 

Theodor  Vulpinn« 

Herz  im  Wege. 

)*fS  fragte  dich  die  Tante, 

Wie  gehst  du  wunderlich? 
Du  tanzest  wohl  im  Sande 
Menuett  und  neigest  dich? 


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Doch  du  warst  ausgewichen 
Zahllosen  Tierchen  klein, 
Die  auf  dem  Wege  schlichen  — 
Ihr  Mörder  nicht  zu  sein. 

Gehst  du  noch  jetzt  die  Stege, 
Auf  Milde  so  bedacht? 
Mein  Herz  liegt  dir  im  Wege  — 
O  nimm  mein  Herz  in  acht 

Otto  Ludwig. 


Der  Qarten. 

j[j[m  den  Garten  ist  ein  Zaun, 

Ueber'n  Zaun  zwei  Aeuglein  schaun; 
Sie  schaut  her,  und  ich  schau  hin  — 
Ach,  wie  wird  mir  da  zu  Sinn! 

Um  den  Garten  ist  ein  Zaun, 
Ueber'n  Zaun  zwei  Aeuglein  schaun; 
Ich  schau  hin,  und  sie  schaut  her  — 
Wenn  ich  nur  im  Garten  wärl 

Um  den  Garten  ist  ein  Zaun, 
Ueber'n  Zaun  zwei  Aeuglein  schaun; 
Sie  schaut  her,  und  ich  schau  hin  — 
Schwupps l  —  Heidi,  nun  bin  ich  drin! 

Demetrius  Schmu. 

Stelldichein. 

J-Jusch,  husch  I  es  kommt  wer,  lauf  geschwind, 

Dass  sie  uns  ja  nicht  betreten; 
Wenn  Zwei  im  Lenze  beisammen  stehn, 
Dann  denkt  man  gewiss  nicht,  sie  beten. 

Man  denkt,  sie  machen's  den  Blumen  gleich. 
Denn  wenn  sie  auch  sittig  schweigen, 
Man  sieht  recht  gut,  wie  im  Abend  wind 
Sie  die  Köpflein  zusammenneigen. 

Dann  magst  du  wohl  mit  den  Händen  dir 
Verdecken  die  roten  Wangen; 
Man  zieht  sie  lachend  dir  vom  Gesicht, 
Und  du  —  stehst  schambefangen. 


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Drum  husch  1  es  kommt  wer,  lauf  geschwind, 
Dass  sie  uns  ja  nicht  betrete»; 
Wenn  Zwei  im  Lenze  beisammen  stehn, 
Dann  denkt  man  gewiss  nicht,  sie  beten. 


Die  Lieder  der  Fleurette. 


WiUst  wissen,  wer  der  Vater  mein? 

Befrag  den  Abendstern  1 
Willst  wissen,  wer  mein  Mütterlein? 
Ich  wüsstf  es  selber  gern! 

Willst  wissen,  wer  mir  frech  geraubt, 
Was  reiner  Jungfraon  Licht? 

Eintrat  er  kühn,  erhitzt,  bestaubt, 
Doch  kenne  ich  ihn  nichtl 

2. 

Der  Erste  sucht  mich  träumerisch 
Durch  Blumen  zu  gewinnen; 

Der  Zweite  sorgt  für  meinen  Tisch 
Und  schafft  Krystall  und  Linnen: 

•mmr  mt  m  mm  ^mr-»^  vw^bm  mw         mm  mm-^     W    mm  mr^^m » m»  mmm^^mt  mmm  —  »  y 

Der  Dritte  mir  Juwelen  schenkt, 
Die  köstlich  und  voll  Feuer; 

Der  Vierte,  der  nie  mein  gedenkt, 
Bleibt  mir  vor  allen  teuer. 


Wächst  ein  Krautlein,  heisst  Geduld, 
Ringt  sich  langsam  an  das  Licht; 

Rosen  bringt  es  mir  voll  Huld, 
Aber  Myrten  bringt  es  nicht. 

Was  das  Kräutlein  von  mir  denkt, 
Dass  es  mir  nur  Rosen  schenkt? 

Alfred  Tarier». 


Reh,  wenn  es  nun  die  Mutter  wusst'. 


wenn  es  nun  die  Mutter  wüsst\ 


Wie  du  so  wild  mich  hast  geküsst, 
Sie  würde  beten  ohne  Ende, 
Dass  Gott  der  Herr  da*  Unglück  wende. 


Ludwig  von  HÖnnann. 


1. 


64 


Di 


Und  wenn  das  mein  Herr  Bruder  wüsstf, 
Wie  du  so  wild  mich  hast  geküsst, 
Er  eilte  wohl  mit  Windesschnelle 
Und  schlüge  tot  dich  auf  der  Stelle. 

Doch  wenn  es  meine  Schwester  wüssr1, 
Wie  du  so  wild  mich  hast  geküsst, 
Auch  ihr  Herx  wflrd1  in  Sehnsucht  schlagen 
Und  Glück  und  Sünde  gern  ertragen  .  .  . 

^  Paul  Reiner. 

Dithyrambe. 

Tjass  uns  toll  durch's  Leben  jagen  1 
Nicht  entbehren,  nicht  entsagen, 

Nicht  nur  nippen 

Mit  den  Lippen 
Aus  der  Freude  kargem  Becher, 
Nein,  lass  uns  wie  durst'ge  Zecher 

Schlürfen  rasch  in  ganzen  Zügen 

Aus  der  Wonne  vollen  Krügen! 

Nur  dem  Heute,  nie  dem  Morgen 
Gelte  unser  ganzes  Sorgen  1 

Und  der  Wonnen, 

Die  verronnen, 
Hold  Gedächtnis  soll  uns  lehren, 
Dass  für  unser  Lustbegehren 

Immer  neue  Blumen  spriessen, 

Immer  neue  Quellen  fliessen! 

Lass  uns  niemals  bang  erwägen, 
Dass  im  Maass  allein  der  Segen, 

Nie  durch  denken 

Uns  beschränken, 
Sondern  in  bacchant'schen  Freuden 
Uns're  junge  Kraft  vergeuden, 

Küssen,  bis  die  Lippen  bluten, 

Untergehn  in  Liebesgluten ! 

So,  in  Meteorenweise, 
Wollen  uns're  Flammengleise 

Wir  durch's  Leben 

Leuchtend  weben, 
Und  der  Tod  mit  seinen  Schrecken 
Soll  uns  keine  Furcht  erwecken: 

Lustvereint  im  letzten  Kusse 

Winken  wir  ihm  selbst  zum  Grusse! 

Oskar  Welten. 


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Sommernacht 


J^lutenschwüle  Sommernacht  — 

Mäuschensacht 
Schleich  ich  durch  den  dunklen  Garten? 
Wird  Herzliebchen  mein  schon  warten? 

Dass  die  Mutter  nur  nicht  wacht  l 

Mäusch  ensacht 
Schleich  ich  durch  die  Hecken  weiter, 
Ans  Spalier  setz  ich  die  Leiter. 

Wie  der  Mond  am  Himmel  lacht! 

Mäuschensacht 
Steig  ich  auf  die  schwanken  Sprossen, 
Höher,  höher,  unverdrossen. 

Oben  flüstert's:  Gieb  nur  Achtt 

Mäuschensacht 
Heb1  ich  mich  in  Liebchens  Kammer, 
Hell  im  Flieder  lockt  die  Ammer. 


Warum? 

arum,  wenn  mir's  am  Tag  gelang, 
Vertraut  mit  dir  zu  kosen, 
Traum'  ich  oft  ganze  Nächte  lang 
Von  nichts  als  wilden  Rosen? 

Und  —  schau1  ich  wilde  Rosen  an, 
Wo  ich  am  Tage  gehe, 
Wie  kommt  es,  Mädel,  dass  ich  dann 
Dich  nachts  im  Traume  sehe? 


\l   Eine  gute  Macht. 

Qute  Nacht! 

Liebchen,  sieh',  mit  goldner  Pracht, 
Rings  umkränzt  vom  Heer  der  Sterne, 
Blickt  der  Mond  aus  blauer  Ferne 
Traulich  lächelnd  auf  uns  zu: 
Gute  Nacht  und  süsse  RuhM 


5U 


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■ 


Gute  Nacht! 
Liebchen,  ach  wie  schön  vollbracht, 
Unter  Scherz  und  Tanz  und  Singen, 
Flog  der  Tag  auf  goldnen  Schwingen 
Den  verschwundnen  Tagen  zul 
Gute  Nacht  und  süsse  Ruh'! 

Gute  Nacht! 
Wie  mich  das  so  fröhlich  macht, 
Dass  ich  weiss,  du  bist  die  Meine, 
Dass  ich  weiss,  ich  bin  der  Deine, 
Du  und  ich,  und  ich  und  dul 
Gute  Nacht  und  süsse  RuhM 

Gute  Nacht! 

Gute  Nacht  1 
Liebchen,  ruft  mich  bald  die  Nacht, 
Dir  am  Busen  zu  erwarmen? 
Ach!  wann  schliesst  in  meinen  Armen 
Sich  dein  blaues  Auge  zu? 
Gute  Nacht  und  süsse  RuhM 


lY^Öcht1  wissen,  was  sie  schlagen 

So  schön  bei  der  Nacht, 
's  ist  in  der  Welt  ja  doch  Niemand, 
Der  mit  ihnen  wacht 

Und  die  Wolken,  sie  reisen, 
Und  das  Land  ist  so  blass, 
Und  die  Nacht  wandert  leise 
Durch  den  Wald  über's  Gras. 

Nacht,  Wolken,  wohin  sie  gehen, 
Ich  weiss  es  recht  gut, 
Liegt  ein  Grund  hinter  den  Höhen, 
Wo  meine  Liebste  jetzt  ruht 

Zieht  der  Einsiedel  sein  Glöcklein, 
Sie  höret  es  nicht, 
Es  fallen  ihr  die  Löcklein 
Uebers  ganze  Gesicht. 


S.  Aug.  Mahlmann. 
(1771-1320.) 


Die  Nachtigallen. 


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Und  dass  sie  niemand  erschrecket, 
Oer  liebe  Gott  hat  sie  hier 
Ganz  mit  Mondschein  bedecket, 
Da  träumt  sie  von  mir. 

Jos.  t.  Eichendorff. 


Vergeblich! 

Jch  habe  gewartet  von  Tag  zu  Tag, 
Ob  nicht  ein  Zeichen  mir  werden  mag; 

Ich  habe  gewartet,  gläubig  und  fromm, 
Und  habe  gebetet:  O  komm,  o  komm! 

Doch  ein  Tag  zog  nach  dem  andern  vorbei,  — 
Vergeblich  erklang  meiner  Sehnsucht  Schrei  .  .  . 


Das  alte  Leben  von  neuem  beginnt, 

Der  Strom  meiner  Liebe  —  im  Schmutze  verrinnt. 

Felix  Dörmann. 

Das  macht  die  Liebe. 

(Im  Volkstone.) 

J5m  Vöglein  fliegt  von  Ast  zu  Ast, 

Es  hat  nicht  Ruh'  und  hat  nicht  Rast, 
Singt  immerfort:  »Tiu!  Tiul 
Wer  macht  mir  denn  mein  Schnäblein  zu  — 
Mich  plagt  die  Liebe!« 

Es  rauscht  der  Wald,  es  rinnt  der  Fall, 
Vom  Berge  kommt  ein  Wiederhall, 
Und  fernher  tönt's:  »Kiwiel  Kiwiel 
Ich  suche  lang  schon  eine  Sie  — 
Bin  auch  in  liebe!« 

»Hu!«  lockt  Sie,  »Kiwie!«  ruft  Er 
Und  fliegt  im  weiten  Bogen  her! 
Sie  —  duckt  sich  still,  Er  —  rückt  hinzu,, 
Nun  ist  im  Wald  wohl  süsse  Ruh'  — 
Das  macht  die  Liebet 


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Das  Herz  am  Rheine. 

£Jlt-Magdeburg,  du  feine, 

Wie  wärest  da  so  nett, 
Wenn  ich  nur  nicht  am  Rheine 
Mein  Hera  verloren  hattM 

Ein  altersgraues  Städtchen 
Am  grünen  Strome  liegt, 
Dort  wohnt  ein  schwarzbraun  Mädchen, 
Leichtfüssig  und  vergnügt 

Ich  sah  im  Leben  früher 

Solch  holde  Blume  nie  

Doch  ein  Gerichtsvollzieher 
Ist  nicht  so  schlimm  wie  sie! 

Ais  ich  noch  stand  geblendet, 
Im  Innersten  bewegt, 
Hat  sie  mein  Herz  gepfändet 
Und  mit  Arrest  belegt. 

Was  half  mein  Reklamieren?  — 
Der  Advokaten  Kunst 
Und  alles  Prozessieren 
War  leider  ganz  umsunst. 

Hab  Kopf  und  Arm  und  Berne 
Und  wäre  fast  komplett, 
Wenn  ich  nur  nicht  am  Rheine 
Mein  Herz  verloren  hättM 

Heinrich  Schaffer 

(Jnbelehrt. 

Jch  hab'  die  Liebe  durchstudiert 

Vom  Anfang  bis  zum  Ende, 
Mit  Vorzugsklassen  absolviert 
Die  schwersten  Gegenstande. 

Darüber  sterb'  ich  unbelehrt, 
Wann  seliger  die  Stunden: 
Ob,  während  Liebe  man  begehrt, 
Ob,  wenn  man  sie  gefunden. 

S.  Fritx 


Die  schönsten  Reime.  \J 

(N^och  in  keinem  Liede  fand  ich 

Reime  je,  so  wunderbar 
Und  so  rein  wie  deine  Wängiein 
Deiner  Augen  süsses  Paarl 

Schöngepaart  die  Lippen  lächeln, 
Doppelt  blickst  du  himmelwärts. 
Hast  zwei  Füsschen,  hast  zwei  Händchen  — 
Aber  nur  ein  einzig  Herzl 


Ungereimt,  Kind,  darf  nicht 
Grade  nur  das  Herz  allein; 
Und  der  beste  Reim  auf  deines  — 
Sollt*  es  nicht  das  meine  sein? 

Robert  Hamerling. 


Meine  Liebe. 


M 


eine  Liebe  gleicht  der  Schwalbe, 
Die  zwar  ihre  Wohnung  flieht, 
Aber  immer  wiederkehret 
Und  von  neuem  ungestöret 
Ihr  gewohntes  Nest  bezieht* 

Meine  Liebe  gleicht  der  Bäume 
Unbeständig  grünem  Haupt; 
Hat  der  Frost  es  gleich  entblättert, 
Wenn  im  Mai  der  Lenzsturm  wettert, 
Steht  es  wiederum  belaubt. 

Meine  Liebe  gleicht  dem  Schatten, 
Der  sich  auf  dem  Boden  malt, 
M>t  des  Lichtes  Scheine  schwindet, 
Mit  dem  Licht  sich  wiederfindet, 
Wenn  sein  Glanz  von  neuem  strahlt 

Job.  Elias  Schlegel. 

tf1 


Verzaubert. 


nun  sind  es  schon  zwei  Tage, 
Dass  er  mich  zuerst  gekQsst, 
Und  seit  jener  bösen  Stunde 
Alles  wie  verzaubert  ist. 


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Meine  Stube,  drin  so  traulich 
Und  so  nett  ich  einst  gehaust) 
Steht  im  wirren  Durcheinander, 
Dass  mir  vor  mir  selber  graust 

Meine  Rosen,  meine  Nelken 
Schauen  welk  und  traurig  drein, 
Ach,  ich  glaub,  ich  goss  seit  gestern 
Statt  mit  Wasser  sie  mit  Wein. 

Meine  gute  weisse  Taube 
Hat  kein  Futter,  hat  kein  Brot, 
Und  der  brave  Distelfinke 
liegt  im  Käfig  schon  halb  tot 

Und  mit  blau  und  roter  Wolle 
Ist  am  weissen  Netz  gestrickt, 
Und  mit  weissem  Garn  ist  in  die 
Bunte  Stickerei  gestickt 

Und  wo  sind  die  schönen  Bücher 
Parcival  und  Theuerdank? 
Glaub*  beinah,  ich  warf  die  guten 
Sänger  in  den  Küchenschrank. 

Und  die  Küchenteller  stehen 
Auf  dem  schmucken  Bücherpult, 
Ach,  an  all  dem  grossen  Unglück 
Ist  die  Lieb',  die  Liebe  schuld. 

Victor  SchclTcL 

^  Hunger  und  Durst. 

Tjiebe  ist  Hunger  der  Seele 

Nach  leiblich  und  geistigem  Mahl, 
O  lasse  mich  nicht  verhungern, 
Du  reizender  Speisesaall 

Sehnsucht  ist  Durst  des  Gemütes 
Nach  leiblich  und  geistigem  Trank, 
O  lasse  mich  nicht  verdursten, 
Du  lieblicher  Herzensschrank! 

Arthur  Pterhofcr. 


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Der  Ungetreu*. 

J^)u  sprichst,  ich  sei  dir  ungetreu, 

Mein  Engel,  glaub'  es  nicht, 
Ich  lieb'  dich  ohne  Heuchelei, 
Bis  mir  das  Herze  bricht; 
Und  wenn  ich  gleich  zum  Zeitvertreib 
Bei  einer  andern  stehen  bleib', 
So  glaub',  mein  Engel,  glaube  mir: 
Mich  dünkt,  ich  steh'  bei  dir. 

Sprichst  du,  das  wäre  leidlich  noch, 
Wenn's  nur  nicht  weiter  kam', 
Allein,  mein  Kind,  bedenke  doch 
Und  dich  nicht  ferner  gräm'; 
Und  wenn  ich  gleich  zum  Possenspiel 
Ein  ander  Mädchen  küssen  will, 
So  glaub',  mein  Engel,  glaube  mir: 
Mich  dünkt,  ich  tat*  es  dir. 

Drum  stelle  nur  dein  Eifern  ein, 

Schlag'  alles  aus  dem  Sinn, 

Es  kann  dir  nicht  nachteilig  sein, 

Dass  ich  nicht  bei  dir  bin; 

Und  wenn  es  endlich  so  weit  käm, 

Dass  sie  mich  mit  zu  Bette  nähm', 

So  glaub',  mein  Engel'  glaube  mir: 

Mich  dünkt,  ich  schlief  bei  dir. 

Mich  dünkt,  ich  fühle  deinen  Schoss, 

Wenn  ich  die  Flamme  kühl', 

Es  giebt  sich  unsere  Liebe  bloss, 

Wenn  ich  mit  andern  spiel; 

Und  wenn  ich  auch  nach  Jahreszeit 

Mit  einem  Kindchen  werd'  erfreut, 

So  glaub',  mein  Engel,  glaube  mir: 

Mich  dünkt,  es  war'  von  dirl 

(Aus  der  Handschrift  des  Fräulein 
von  Crailsheim.   18.  Jahrhunderl.) 


Der  Kuss. 

^as  war  ein  Kuss:  es  freuten  sich  die  Tannen, 
Dass  ihnen  Thränen  aus  den  Augen  rannen. 
Bald  wusste  es  der  ganze  tiefe  Wald: 
So  kräftig  hat  noch  keiner  je  geschallt, 
Seitdem  Verliebte  in  sein  Reich  gedrungen; 


tu 


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Öie  Vogel,  die  ein  altes  Lied  gesungen. 

Die  sangen  von  dem  Kusse  weit  und  breit, 

Der  Kuckuck  schwieg  nur  und  verging  vor  Neid. 

Die  Bäume  drängten  ihre  Aeste  vor 

Und  mahnten  sie,  das  Pärchen  zu  belauschen 

Und,  heimlich  horchend,  nicht  zu  laut  zu  rauschen. 

Die  Käfer  summten  manches  sich  ins  Ohr, 

Von  denen  hörte  es  ein  Schmetterling, 

Den  ich  von  ungefähr  im  Walde  fing. 

Ein  Schwätzer  das!  ich  liess1  ihn  frei  auf  Ehre, 

Wenn  ich  der  Held  der  Waldgeschichte  wäre. 


Zusammenlauf; 
Die  Schönste  bietet  Rosen 
Dort  an  zum  Kauf. 

Sprich  Mädchen,  sprich  1 
Verkaufst  du  mit  den  Rosen 
Auch  selber  dich? 

Alfred  Tcnicr». 


Jfjab  oft  'nen  dumpfen  dQstern  Sinn, 

Ein  gar  so  schweres  Blut! 
Wenn  ich  bei  meiner  Christel  bin, 
Ist  alles  wieder  gut 
Ickten  sie  dort,  ich  seh  sie  hier, 
Und  weiss  nicht  auf  der  Welt, 
Und  wie  und  wo  und  wann  sie  mir, 
Warum  sie  mir  gefallt. 

Das  schwarze  Schelmenaug1  dadrein, 

Die  schwarze  Braue  drauf, 

Seh  ich  ein  einzigmal  hinein, 

Die  Seele  geht  mir  auf. 

Ist  eine,  die  so  lieben  Mund, 

Liebrunde  Wänglein  hat? 

Ach,  und  es  ist  noch  etwas  rund, 

Da  sieht  kein  Aug"  sich  satt! 


Emil  Faktor. 


Rosenverkauf. 

or  kleinem  Haus  ist  grosser 


Christel. 


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Ünd  wenn  ich  sie  dann  fassen  darf 

Im  lusfgen  deutschen  Tanz, 

Das  geht  herum,  das  geht  so  scharf, 

Da  fühl  ich  mich  so  ganzl 

Und  wenn's  ihr  taumlig  wird  und  warm, 

Da  wieg  ich  sie  sogleich 

An  meiner  Brust,  in  meinem  Arm; 

's  ist  mir  ein  Königreich! 

Und  wenn  sie  liebend  nach  mir  blickt 

Und  alles  rund  vergisst, 

Und  dann  an  meine  Brust  gedruckt 

Und  weidlich  eins  geküsst, 

Das  läuft  mir  durch  das  Rückenmark 

Bis  in  die  grosse  ZehM 

Ich  bin  so  schwach,  ich  bin  so  stark, 

Mir  ist  so  wohl,  so  weh] 

Da  möcht  ich  mehr  und  immer  mehr, 

Der  Tag  wird  mir  nicht  lang; 

Wenn  ich  die  Nacht  auch  bei  ihr  wär\ 

Davor  wäV  mir  nicht  bang. 

Ich  denk,  ich  halte  sie  einmal 

Und  busse  meine  Lust* 

Und  endigt  sich  nicht  meine  Qual, 

Sterb  ich  an  ihrer  Brust! 

Joh.  Wolfg.  t.  Goethe. 


\j  Jungfräulich. 

J^ass  andre  dich  vor  mir  besessen, 

Hab1  ich  an  deiner  Brust  vergessen, 
Du  sahst  mich  an  so  kindlich  rein  — 
Der  erste  glaubt*  ich  stets  zu  sein. 

Und  immer,  wenn  ich  wieder  kam, 
Umhüllte  dich  so  süsse  Scham, 
Dass  ich  nicht  wusste,  keusches  Weib, 
War  wirklich  mein  schon  dieser  Leib? 

So  wie  der  Mai  stets  wieder  mailich, 
Warst  du  von  neuem  stets  jungfräulich, 
Und  eine  bange  Braumachtfreude 
Entzückte  tätlich  so  uns  beide. 

Eduard  Grisebach. 


CA 


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Der  verliebte  Kutscher. 

(\^ein  Kopf  ist  wie  ein  Taubenschlag, 

Das  macht  mir  grosse  Pein: 
Da  fliegt  es  all  den  lieben  Tag 
Mit  Madchen  aus  und  ein. 

Des  Menschen  Aug*  ist  leicht  verfuhrt, 
Und  nicht  zu  sehn  ist  schwer: 
Kaum  hat  die  Schöne  mich  gerührt, 
Kommt  schon  die  Schönre  her. 

Die  Mädchen  sind  auch  gar  zu  nett, 
Und  sind  auch  ohne  Zahl: 
Ich  nahm1,  wenn  ich  die  Auswahl  hätr1, 
Sie  lieber  allzumal. 

Was  thun?    Es  ist  ein  harter  Schluss, 
Ein  Kutscher  find't  sich  drein: 
Mein  Herz,  das  ist  ein  Omnibus  — 
Ihr  Mädchen,  steiget  ein! 

Ludw.  Pfaa 

Frühlingslied. 

Q  komml  der  Lenz  ist  wieder  da, 

Es  singen  ihre  Lieder  ja 
Die  Vöglein  im  Geäst. 
Vor  allen  die  Frau  Nachtigall, 
Die  lockt  die  ganze  Nacht  mit  Schall 
Ihr  Herzgemahl  zu  Nest. 

Wer  springen  noch  und  hüpfen  kann, 
Und  wer  den  Hut  noch  lüpfen  kann, 
Der  jubiliert  und  lacht, 
Singt:  heissa,  heissa  trallala, 
Nun  sind  die  Blumen  alle  da 
Und  stehn  in  heller  Pracht! 

Mein  Herz  ist  wie  die  ganze  Welt 
Von  Duft  erfüllt  und  glanzgehellt 
Und  voller  Liederschalls! 
Herzlieb,  es  lässt  mir  keine  Ruh, 
Mir  ist,  ich  müsst*  in  einem  zu 
Dir  fallen  um  den  Hals! 


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Die  Wurzel  des  üebels. 

£Vlein  Kind,  das  ist  der  Grund  des  Uebels, 

Ich  kann  bei  dir  nicht  stündlich  sein; 
Sonst  kamst  du  nicht  auf  den  Gedanken, 
Das  Küssen  könnte  sündlich  sein. 

Das  Gegenteil  will  ich  beweisen; 
Doch,  soll  die  Wirkung  gründlich  sein, 
So  muss  vor  allem  das  Verfahren 
Sowohl  geheim  als  mündlich  sein. 

Heinrieh  Leuthold. 

Minnesold. 

(Frühling  1773.) 

em  der  Minne  Dienst  gelinget, 
O  wie  hoch  wird  der  belohnt  t 
Keinen  bessern  Lohn  erringet, 
Wer  dem  grössten  Kaiser  frohnt. 
Denn  mit  Zepter,  Krön'  und  Gold 
Frohnt  er  selbst  um  Minnesold. 

Was  sind  Gold  und  Edelsteine? 
Was  des  Moguls  Perlenpracht? 
Minnesold  ist  doch  alleine, 
Was  auch  reich  die  Herzen  macht 
Perlen,  Edelstein  und  Gold 
Nahm'  ich  nicht  für  Minnesold. 

Minnesold  lässt  Amt  und  Ehren, 
Goldnen  Sporn  und  Ritterschlag, 
Lässt  uns  ohne  Neid  entbehren, 
Was  der  Kaiser  geben  mag. 
Ehre  lacht  nicht  halb  so  hold, 
Als  der  Minne  Freudensold. 

Nirgends  labet  wohl  hienieden 
Noch  ein  Wohlgenuss  so  süss. 
Süsseres  ist  nur  beschieden 
Seligen  im  Paradies. 
Süss  ist,  was  die  Biene  zollt, 
Süsser  dennoch  Minnesold. 

Minnesoid  ist  aller  Freuden, 
Aller  Freuden  Mark  und  Saft; 
Minnesold  hat  aller  Leiden, 

es 


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Aller  Leiden  Heilungskraft. 
Was  der  Balsamstaud'  entrollt 
Heilet  nicht  wie  Minnesold. 


Minnesold  lehrt  frei  verachten 
Aller  Fährlichkeiten  Not, 
Flammen,  Wasserfluten,  Schlachten, 
Lehrt  verschmähen  jeden  Tod. 
Stürb*  ich  nicht  für  Ruhm  und  Gold, 
Stürb1  ich  doch  für  Minnesold  1 


Schwüle, 

eine  schwarzen  Blicke  hangen 
Zehrend  heiss  an  meinem  Munde, 
Deine  schwarzen  Blicke  bringen 
Bebenden  Verlangens  Kunde. 

Deine  Blicke  schlagen  Wunden 
Wie  des  wilden  Tigers  Pranken, 
Lüstern  wühlen  mir  im  Blute 
Deine  sündigen  Gedanken. 

Frida  Spandow. 

Liebst  du  mich? 

{Jnd  liebst  du  mich? 

Du  kannst  mir  Liebe  schwören, 
Kein  Lauscher  kann  uns  hören, 
Mein  Fragen  nur  erweckte  dich, 
Mein  Fragen  nur  erschreckte  dich: 
Wie  des  Schlängleins  Rascheln  im  Paradies, 
Das  die  verbotenen  Aepfel  pries  — 
U ss  rascheln,  lass  kommen,  was  kümmert's  dich? 
Nur  liebe  mich!  .... 

Und  liebst  du  mich? 

Wir  können  Küsse  tauschen, 

Wer  soll  uni  denn  belauschen? 

4 

67 


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Mein  Fragen  nur  erweckte  dich, 

Mein  Fragen  nur  erschreckte  dich: 

Wie  das  Plätschern,  das  Rauschen  im  stillen  Quell, 

Wirfst  du  hinunter  ein  Steinchen  schnell  — 

Lass  plätschern,  lass  rauschen,  was  kümmert's  dich? 

Nur  liebe  mich! 


Wanderleben.  1/ 

7f\i  Liebchens  nächtlichdunkelm  Haus 

Schick1  ich  die  letzten  Grösse; 
Ich  zieh*  auf  frühe  Wanderung  aus, 
Sie  schläft  noch  fest  und  süsse. 

Und  wenn  sie  morgens  spät  erwacht, 
Dann  fragt  sie  wohl  beklommen: 
Einer  verliess  mich  gestern  Nacht, 
Wird  heut  ein  Andrer  kommen? 


(Aus 


Oft. 

) 


ft  am  Rande  stiller  Fluten 
Sitz1  ich  einsam  da  und  zähle, 
Zähl'  an  ihrem  trägen  Lauf, 
Ach,  die  schleichenden  Minuten 
Unsrer  langen  Trennung  auf. 

Dann  geh  ich  hin  und  wanke 
Durch  Hain  und  Thal  und  Flur! 
Mein  einziger  Gedanke 
Bist  du,  Geliebter,  nur. 

Bei  jedem  Lispeln 

Aus  dunklem  Laube, 

Bei  jedem  Flügelschlag 

Der  Turteltaube, 

Wie  lauscht  mein  Ohr, 

Wie  klopft  mein  Herz! 

Und  wenn  ich  Tage  lang 

Gelauscht,  gesucht  —  wie  bang 

Ist  dann  mein  Schmerz! 

Chr.  Martin  WieUncL 


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I 


Dereinst. 


Yyie  werden  wir  wohl  einstens  träumen 

Von  unsrer  Jugend  1  —  schmerzdurchglüht, 
Wenn  jener  Lenz,  den  wir  versäumen. 
Nur  mehr  in  fernen  Enkeln  blüht  1 

Wie  wird  uns  jede  stille  Stunde 
Gereuen,  die  wir  nicht  getauscht 
In  süsser  Minne,  Mund  an  Mündel 
Noch  ist  es  Lenz  —  der  Lenz  verrauscht 

O  komm!  O  weck  dein  Herz,  das  heisse! 
Die  Jugend  ist  ein  kurzes  Gut  — 
Gieb  mir  die  Hand,  die  schwanenweisse, 
Und  folge  deinem  heissen  Blut! 


ir  geb*  ich  mich  und  will  es  nie  bereuen, 


Was  auch  die  Welt,  die  liebeleere,  spricht; 
Und  keines  Wortes  Stachel  will  ich  scheuen, 
Mag  mich  die  Menge  schmäh'n  —  mich  schreckt  es  nicht ! 

Dir  hab'  mein  ganzes  Fühlen  ich  gegeben, 
Mein  ganzes  unschuldsvolles  junges  Sein; 
Und  hätte  ich  dereinst  noch  hundert  Leben, 
Sie  alle  wollt'  ich  reuelos  dir  weihn! 


Still  ist  der  Abend, 
Linde  und  labend 
Sinkt  sie  zur  Erde,  die  träumende  Nacht. 
Scheu  und  voll  Sehnen, 
Zage,  in  Thränen 

Stehst  du  vor  mir  in  entschleierter  Pracht. 


Karl  Stielen 


Hingebung. 


Gisa  Tacchi. 


Liebesnacht. 


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Fort  mit  dem  Zagen, 

Kecker  dein  Wagen, 

Löse  den  Gürtel  der  Scham  geschwind  1 

Liebestrunken, 

Wonneversunken 

Las*  die  Nacht  uns  verträumen,  mein  Kind!  — 

Matt  in  der  Ferne 
Schwinden  die  Sterne, 

Matt  wird  der  Lampe  verglimmender  Schein. 

Nahe  der  Morgen, 

Nahe  die  Sorgen, 

Nahe  des  Tages  nichtiges  Sein! 

Friedr.  Hfodersin. 

Der  Sommertag. 

"V^ie  Feld  and  Au 

So  blinkend  im  Taul 
Wie  perlenschwer 
Die  Pflanzen  umher! 
Wie  durch  den  Hain 
Die  Lüfte  so  rein! 
Wie  laut  im  hellen  Sonnenstrahl 
Die  süssen  Vöglein  allzumall 

Ach!  aber  da, 
Wo  Liebchen  ich  sah, 
Im  Kämmerlein, 
So  nieder  und  klein, 
So  rings  bedeckt, 
Der  Sonne  versteckt  — 
Wo  blieb  die  Erde  weit  und  breit 
Mit  aller  ihrer  Herrlichkeit? 

Joh.  Georg  JacobL 
0740-1813.) 

Mein  Herz  ist  tot. 

enn  meiner  Lieder  düsterrote  Feuer 
In  wilden  Flackertänzen  dich  umsprühn, 
O  glaube  nicht,  dass  du  mir  lieb  und  teuer, 
Daas  diese  Flammen  aus  dem  Herzen  jplöhn. 

70 


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- 


Mein  Herz  ist  tot,  wenn  jemals  ich  besessen 
Ein  solches  Ding  in  meiner  kalten  Brust, 
Vielleicht  auch,  dass  ich's  irgendwo  vergessen 
Bei  blassen  Frauen  nach  verschwiegener  Lust. 

Felix  Dörmann. 

Wie  lange  noch  — ? 

yyie  mich  die  tolle  Kleine  neckt I 
Sie  wirft  mir  mit  der  Linken 
Vom  Usch  die  Veilchen  in  den  Sekt 
Und  sagt:  so  müsst*  ich  trinken. 
Und  mit  der  Rechten  schmeichelt  sie 
UnVs  Kinn  mir  und  die  Wange 

Und  sitzt  dabei  auf  meinem  Knie  

Wie  lange  noch  —  —  wie  lange? 

Ein  jeder  hat  vom  Glücke  halt 
Sein  knapp  bemessen  Teilchen  — 
Der  Sekt  wird  warm,  die  Kleine  kalt, 
Und  welk  sind  schon  die  Veilchen. 
Der  Kellner  schnarcht  nach  altem  Brauch 

Auf  seinem  Stuhl  im  Gange  — 

Die  Kleine  nickt,  —  bald  schlaf  ich  auch. 
Wie  lange  wohl  —  —  wie  lange? 

Rud.  Pre«ber. 

Die  Kokette. 

as  will  dort  abseits  jener  Mann? 
Als  Sonderling  sich  zeigen? 
Er  schaut  mit  keinem  Blick  mich  an, 
Verletzt  mich  durch  sein  Schweigen. 

Wo  Alles  meine  Farben  trägt, 
Wie  darf  er  sich  erkühnen 
Zu  solchem  Gleichmut  unentwegt? 
Fürwahr,  er  soll  es  sühnen! 

Ihr  Mätzchen  alle,  ins  Gewehr, 
Gebt  Feuer,  Glutenaugen, 
Ihr  müsst  mir,  ein  geschultes  Heer, 
Als  Häscher  heute  taugen. 

n 


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Im  Kampfe  sich  der  Meister  zeigt; 
Auf,  auf  zu  raschem  Siege, 
Dass,  eh1  der  Abend  niedersteigt, 
Er  mir  zu  Füssen  liege! 

s.  Itits. 

Mona. 

j^ag*  an,  mein  braunes  Mägdelein, 

Wie  komm1  ich  nachts  zu  dir  herein? 
Der  Hund  bellt  auf  den  Gassen, 
Da  werden  sie  mich  fassen! 
»Dem  Hunde  geb'  ich  Fleisch  und  Bein, 
»Da  lässt  er  gleich  das  Bellen  sein, 
»Und  du,  du  kannst  herein !« 

Sag1  an,  mein  braunes  Mägdelein, 
Wie  komm1  ich  nachts  zu  dir  herein? 
Im  Stall  die  Gänslein  schnattern, 
Da  wird  man  mich  ergattern  1 
»Ich  gebe  Hafer  den  Gänselein, 
»Da  lassen  sie  das  Schnattern  sein, 
»Und  du,  du  kannst  herein!« 

Sag'  an,  mein  braunes  Mägdelein, 
Wie  komm1  ich  nachts  zu  dir  herein? 
Im  Hofe  miau'n  die  Kätzchen, 
Da  fängt  man  mich,  mein  Schätzchen! 
»Ich  gebe  Milch  den  Kätzelein, 
»Da  lassen  sie  das  Miauen  sein, 
»Und  du,  du  kannst  herein!« 

Sag*  an,  mein  braunes  Mägdelein, 

Wie  komm1  ich  nachts  zu  dir  herein? 

Die  Mäuslein  werden  pfeifen, 

Da  wird  man  mich  ergreifen! 

»Und  schreckst  du  dich  vor  einer  Maus, 

»Da  schier  dich  lieber  gleich  hinaus 

»Und  bleib*  mir  aus  dem  Haus!« 

Wilhelmine  Gräfin  Wickcnburg-Almasy. 

Siesta. 

Jjieb,  o  lieb  war  die  Nacht 

Mitten  am  hellen  Tag, 
Als  wir  die  Läden  geschlossen, 
Als  durch  die  schatzenden  Sprossen 
Goldige  Dämmerung  brach. 


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Kühl,  o  kühl  war  der  Saal, 
Drinnen  die  Welt  uns  verging, 
Da  wir  in  seligem  Schmachten 
Wandelten,  flüsterten,  lachten, 
Bis  uns  der  Schlummer  umfing. 

Süss,  o  süss  war  der  Traum, 
Herz  am  Herzen  geträumt  I 
Ueber  uns  schwebend  im  Kreise, 
Flattert  ein  Schmetterling  leise, 
Dunkel  die  Schwingen  umsäumt 


Rus  der  Halbwelt 

£Juf  dem  Lager  der  Sünde 
Küssen  mich  viele  wild, 
Ueber  dem  Lager  der  Sünde 
Hängt  des  Erlösers  Bild. 
Traurig  sind  mir  die  Mienen 
Des  Heilands  zugekehrt, 
Und  ich  schaud're  vor  ihnen 
Wie  vor  des  Henkers  Schwert. 

2. 

Im  Traume,  nur  im  Traume 
Der  Schönste  mir  erschien. 
Im  Traume,  nur  im  Traume 
Umarmt'  ich  liebend  ihn. 
Im  Traume,  nur  im  Traumet  — 
Ich  bin  daran  erwacht; 
Da  haben  fremde  Augen 
Mich  spöttisch  angelacht. 

3. 

Manchmal  kommt  die  alte  Jüdin, 
Die  sich  gern  an  uns  versorgt 
Und  uns  falschen  Schmuck  und  Kleider, 
Aber  Geld  uns  niemals  borgt; 
Und  sie  prahlt,  dass  sie  gewesen 
Lieblich  wie  die  Ros*  am  Strauch, 
Und  sie  liefert  alte  Lügen 
Mit  den  alten  Kleidern  auch. 

» 

Alfred  Tenicr.. 

r 


73 


Geheimnis. 

>^eisst  du,  was  der  Buchfink  sang 

Neulich  mir  im  Walde? 
Wie  es  aus  der  Rose  klang 
An  der  grünen  Halde?  — 

Komme,  liebste  Maid,  zu  mir, 
Komme  schnell  zum  Zaune, 
Dass  ich's  in  die  Ohren  dir 
Leise,  leise  raune  1 

J.  Leutser. 


Eine  Rose. 

JJine  bleiche  volle  Rose 

Ruhte  auf  dem  schwarzen  Haar, 
Durch  das  Nachtgewand,  das  lose, 
Quoll  dein  junges  Brüstepaar. 

Deiner  Augen  dunkle  Schatten 
Tauchten  in  die  meinen  tief, 
Und  du  küsstest,  bis  ich  matten 
Leibs  an  deiner  Seite  schlief .... 

In  der  Sonne  Lichtgekose 
Strahlt  des  Morgens  Glanzpanier. 
Eine  bleiche  volle  Rose, 
Ruhst  du  träumend  neben  mir. 

Franz  Evcrs. 

Unendlich. 

^^enn  auch  ein  Stern  vom  Himmel  fällt, 

Was  hat's  viel  zu  bedeuten  l 
Sind  ihrer  doch  am  Himmelszelt, 
Sind  ihrer  doch  so  viel,  so  viel 
In  unermessnen  Weiten  1 

Und  wenn  du*  mir  ein  Küsschen  schenkst, 
Wirst  ärmer  du  zur  Stunde? 
Viel  mehr,  viel  mehr  wohl  als  du  denkst, 
Ich  mein',  es  blühn  unendlich  viel 
Auf  deinem  süssen  Munde! 


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Ich  liebe  meine  Schäferin. 


dem,  der  weit  von  hohen  Dingen 
Den  Fuss  stellt  auf  der  Einfalt  Bahn; 
Wer  seinen  Mut  zu  hoch  will  schwingen, 
Der  stösst  gar  leichtlich  oben  an. 
Ein  jeder  tobe  seinen  Sinn, 
Ich  Hebe  meine  Schäferin. 

Ein  hohes  Schloss  wird  von  den  Schlägen 
Des  starken  Donners  mehr  berührt; 
Wer  weit  will,  fallt  oft  ans  den  Wegen 
Una  wira  aurcn  seinen  otoiz  verlunrt. 

Ein  jeder  lobe  seinen  Sinn, 

Ich  liebe  meine  Schäferin. 

Auf  grosser  See  sind  grosse  Wellen, 
Viel  Klippen,  Sturm  und  harter  Wind; 
Wer  klug  ist,  bleibet  bei  den  Quellen, 
Die  in  den  grünen  Wäldern  sind. 

Ein  jeder  lobet  seinen  Sinn, 

Ich  liebe  meine  Schäferin. 

Hat  Phyllis  gleich  nicht  Gold  und  Schätze, 
So  hat  sie  doch,  was  mir  gefällt; 
Womit  ich  mein  Gemüt  ergetze, 
Wird  nicht  gekauft  um  Gut  und  Geld. 

Ein  jeder  lobe  seinen  Sinn, 

Ich  hebe  meine  Schäferin. 

»• 

Man  steht  bei  reicher  Leute  Pforte 
Sehr  oft,  und  kömmt  doch  selten  ein; 
Bei  ihr  bedarf  es  nicht  der  Worte: 
Was  ihr  ist,  ist  nicht  minder  mein. 

Ein  jeder  lobe  seinen  Sinn, 

Ich  liebe  meine  Schäferin. 

Ist  sie  gleich  nicht  von  hohem  Stande, 
So  ist  sie  dennoch  aus  der  Welt: 
Hat  sie  gleich  keinen  Sitz  im  Lande, 
Sie  selbst  ist  mir  ein  weites  Feld. 

Ein  jeder  lobe  seinen  Sinn, 

Ich  Üebe  meine  Schäferin. 

Martin  Opiu  ron  Beberfeld. 
(1607-1«*.) 


75 


Wir  hatten  uns  freilich  nicht  bestellt. 

"y^?ir  hatten  uns  freilich  nicht  bestellt, 
Doch  hättest  du  kommen  können, 
Ich  konnte  dir  doch  in  aller  Welt 
Nicht  Ort  und  Stunde  nennen. 

Auch  ist  es  so  traulich,  ohne  Wort 
Und  Zeichen  sich  verstehen, 
Du  weisst  ja  die  Zeit  und  kennet  den  Ort, 
Wo  wir  uns  sonst  gesehen. 

Es  war  ja  so  hold  und  lieblich  auch, 

Zu  plaudern  mit  Worten  und  Blicken, 

Du  fragst  doch  nicht  etwa  nach  Sitt*  und  Brauch, 

Und  ob  sich's  werde  schicken? 

Ei,  sollen  ein  gutes  Paar  wir  sein, 
So  müssen  wir  gut  uns  verstehen, 
So  stelle  dich  immer  freundlich  ein, 
Geh9  ich,  um  dich  zu  sehen! 

August  Wolf. 


Rothaarig  ist  mein  Schätzelein. 

J^othaarig  ist  mein  Schätzelein, 

Rothaarig  wie  ein  Fuchs, 
Und  Zähne  hat's  wie  Elfenbein 
Und  Augen  wie  ein  Luchs. 

Und  Wangen  wie  ein  Rosenblatt 
Und  Lippen  wie  'ne  Kirsch', 
Und  wenn  es  ausgeschlafen  hat, 
So  schreitet's  wie  ein  Hirsch. 

Im  Köpfchen  sitzt  ihm  ein  Kobold, 
Ein  Grübchen  in  dem  Kinn, 
Ein  Herzchen  hat  es  klar  wie  Gold 
Und  kreuzfidelen  Sinn. 

Wie  Silberglöcklein  spricht*«  und  lachr/s, 
Wie  eine  Lerche  singt's, 
Und  Tanzen  kann's  und  Knickse  macht's, 
Und  wie  ein'  Heuschreck'  springt's. 

76 


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Und  lieben  thut's  mich,  Zapperlot  I 
Das  weiss,  was  lieben  heisst, 
Und  küsst  es  mich,  —  Schockschwerenot! 
Ich  denk1  manchmal,  es  beisst. 

Doch  weiter  kriegt  ihr  nichts  heraus, 
Und  fragt  ihr  früh  und  spat, 
Es  kratzt  mir  sonst  die  Augen  aus, 
Wenn  ich  noch  mehr  verra?. 

Juliu»  Wolff. 

Das  Nest. 

2m  Weissdorn  steht  am  Bachesrand 

Mit  vielen  tausend  Blüten, 
In  seinen  Zweigen  tief  versteckt 

Rotkehlchen  friedlich  braten. 
Wenn  abends  auf  dem  Weg  zur  Stadt 

Ich  dort  vorüber  gehe, 
Neid'  ich  sie  um  ihr  trautes  Nest 

Und  ihre  junge  Ehe. 
Und  deiner  denk*  ich,  treues  Lieb, 

Mit  thränenschwerem  Leide, 
Weil  ich  zu  arm  bin,  um  zu  bau'n 

Ein  Nest  auch  für  uns  beide. 

Heriberts  Ton  Poschinger. 

Mir  ist  es  gleich  I 

Jen  weiss,  dass  deine  Liebe 

Verkäuflich  ist; 
Ich  weiss,  dass  dir  der  Reichste 
Der  Liebste  ist; 

Ich  weiss,  dass  diese  schaumenden  Extasen 
Erheuchelt  sind, 

Dass  sie  nur  künstlich  deinen  Leib  durchrasen, 
Mein  bleiches  Kind; 

Ich  weiss,  dass  dieses  trauraverlor'ne  Flüstern, 
Dass  dieser  liebesirre,  heisse  Blick 
Ein  wohlgeübtes  und  ein  oft  erprobtes 
Komödienstück; 

Und  dennoch  fühl'  ich  mich  an  deinem  Busen 

Beglückt  und  reich; 

Ob  Wahrheit  oder  Lüge  diese  Liebe, 

Mir  ist  es  gleich  1 

Felix 

1** 


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Ein  getreues  Herze. 

JJifl  getreues  Herze  wissen 

Hat  des  höchsten  Schatzes  Preis; 

Der  ist  selig  zu  begrüssen, 

Der  ein  treues  Herze  weiss. 

Mir  ist  wohl  bei  höchstem  Schmerze, 
Denn  ich  weiss  ein  treues  Herze. 

Läuft  das  Glück  wohl  auch  zu  Zeiten 
Anders  als  man  will  und  meint, 
Ein  getreues  Herz  hilft  streiten 
Wider  alles  was  ist  feind. 
Mir  ist  wohl  u.  s.  w. 

Gunst  die  kehrt  sich  nach  dem  Glücke, 
Gold  und  Reichtum,  das  zerstäubt, 
Schönheit  lässt  uns  bald  zurücke, 
Ein  getreues  Herze  bleibt. 
Mir  ist  wohl  u.  s.  w. 

Paul  Flemming. 

Das  Lied  von  den  lieben,  süssen  Mädeln. 

j^un  höret,  was  der  Weise  spricht 

Zu  euren  dicken  Schädeln: 
Verachtet  mir  die  Mädeln  nicht, 
Die  lieben,  süssen  Mädeln! 
Ein  bisschen  Liebe  braucht  der  Mensch 
In  seiner  schwierigen  Lage, 
Ob  sie  nun  treu,  ob  wetterwendisch, 
Kommt  dabei  nicht  in  Frage. 
Der  Herrgott  ist  kein  Staatsanwalt, 
Noch  weniger  «in  Philister. 
Wenn  einer  Durst  hat,  trinkt  er  halt, 
Und  wenn  ihn  hungert,  isst  er. 
Die  Wirtschaft  waV  doch  auch  zu  toll, 
Wenn's  etwa  so  sein  müsste: 
Die  Welt  von  süssen  Mädeln  voll, 
Und  keiner,  der  sie  küsste! 
Die  Nacht,  die  hält  den  Atem  an, 
Löscht  leis  all  ihre  Kerzen, 
Nimmt  irgendwo  ein  seliger  Mann 
Sein  Mädel  sich  zu  Herzen. 


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Und  wenn  die  süsse  reine  Maid 

Dem  stürmischen  Verlangen 

Die  ganze  junge  Herrlichkeit 

Hingiebt  in  wehem  Bangen, 

Dann  tropft  von  Gottes  Auge  sacht 

Ein  goldnes  Sternschnuppflämmchen, 

Indes  in  seinen  Bart  er  lacht: 

»Gesegne's  dir,  mein  Lammchen  lt 

Der  Herrgott  findet  seine  Freud1 

Am  Kosen  und  am  Küssen« 

Der  Herrgott  und  die  Dichtersleut*, 

Die  doch  auch  leben  müssen  1 

Ein  Dichter,  der  nicht  küssen  kann, 

Weil  ihm  die  Mädeln  fehlen, 

Was  muss  solch  arm  bresthafter  Mann 

Sich  mit  dem  Dichten  quälen  M 

Die  Liebe  leiht  der  Leier  Schwung. 

Beschwinge  dich,  Gelichter! 

So  lang  das  Herz  noch  jung,  jung,  jung, 

So  lange  bleibt  ihr  Dichterl 

Und  ob  die  Liebe  sieben  Tag', 

Ob  sieben  Jahr*  sie  währe, 

Heisst  de,  so  oft  sie  kommen  mag, 

Willkommen,  froh  der  Ehre. 

Ergreift  das  Glück,  wo  es  sich  schenkt 

In  lieblichem  Umdrängen, 

Und  wer  ein  liebes  Mädel  kränkt, 

Den  sollte  man  gleich  hängen! 

Drum  höret,  was  der  Weise  spricht 

Zu  euren  dicken  Schädeln: 

Verachtet  nur  die  Mädeln  nicht, 

Die  lieben,  süssen  Mädeln. 


♦ 


Verhalten. 

(JVl  ein  Vogel  schreit  im  Käfig  heut  wie  toll, 

Ich  weiss  nicht,  was  sein  Schrei  bedeuten  soll. 

Er  schreit  so  gell,  als  fordre  er  mit  Macht, 
Was  sonst  der  Frühling  immer  ihm  gebracht. 

Er  lockt  ein  Weibchen,  ruft  so  voller  Gier: 

0  komm  —  o  komm  —  o  komm  —  o  komm  zu  mir! 


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Und  sitzt  er  hinter  Stäben  hier  auch  fest  — 
Er  träumt  doch  stets  von  seinem  warmen  Nest. 


Kali 


»IM 


Und  Öffne  ich  ein  wenig  nur  das  Thor, 

So  drängt  sein  schlanker  Leib  sich  schon  hervor. 


Er  schreit  nach  Liebe  —  es  ist  Frühlingszeit, 
Es  peinigt  mich,  wie  er  so  hilflos  schreit. 

Ich  weiss  es  wohl,  wie  bitter  weh  es  thut, 
Wenn  man  ersticken  muss  verhaltne  Gluti 


Du  sollst  es  nicht,  schon  ist  das  Fenster  auf, 
Nein,  lass  nur  deinem  Triebe  freien  Lauf! 

Voll  Hast  entriegle  ich  sein  kleines  Haus: 

Grüss  mir  die  Liebe!  —  Husch  —  ist  er  hinaus! 

Kart  Holm. 

ic- 


Eile  der  Liebe. 

£Jch,  Liebste,  lass  uns  eilen, 

So  lang*  es  Zeit; 
Es  schadet  das  Verweilen 
Uns  beiderseit. 

Der  edlen  Schönheit  Gaben 
Fliehn  Fuss  für  Fuss, 

Dass  alles,  was  wir  haben, 
Verschwinden  muss. 

Der  Wangen  Zier  verbleichet, 

Das  Haar  wird  greis, 
Der  Augen  Feuer  weichet, 

Die  Brunst  wird  Eis. 

Das  Mündlein  von  Korallen 

Wird  ungestalt, 
Die  Hände  auch  verfallen, 

Und  du  wirst  alt. 

Drum  lass  uns  jetzt  gemessen 

Der  Jugend  Frucht, 
Bevor  wir  folgen  müssen 

Der  Jahre  Flucht! 

Nach  Martin  Opitz  von  Boberfcld. 

(1597-1639.) 


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Die  Pilger. 

^^ir  sind  die  Pilger  treuer  Liebe, 

Wir  gehn  zu  ihrem  Tempel,  still 
Zu  flehn  um  Dauer  unsrer  Triebe: 
Wer  ist,  der  mit  uns  gehen  will? 

Der  Weg  ist  weit,  und  viel  zu  streiten 
Mit  vielen  Feinden  haben  wir; 
O  möchten  Ritter  uns  begleiten 
Der  treuen  liebe  bis  zur  Thürl 

O  stände  sie  den  Pilgern  offen, 
O  kämen  wir  gesund  hinein  1 
Erhörung  haben  wir  zu  hoffen, 
Die  Göttin  soll  erbittlich  sein! 

Joh.  Ludw.  Wilh.  Gleim. 

Sehnsucht. 

"^?as  hab*  ich,  gutes  Mädchen  l 

Als  jenes  kleine  Feld 
Um  dein  geliebtes  Stadtchen, 
Mir  eine  ganze  Welt? 
Der  andern  acht1  ich  wenig, 
Da  traur*  ich  wie  verbannt  I 
Dein  König  ist  mein  König, 
Dein  Land  mein  Vaterland. 

■ 

Die  ersten  grünen  Haine 
Sind  dort,  wo  Liebchen  geht; 
Die  Luft  ist  hier  erst  reine, 
Die  sich  um  sie  gedreht. 
O  wann  begrQss1  ich  wieder 
Dein  Stadtchen,  meine  Welt, 
Und  höre  Lerchenlieder 
Auf  deinem  kleinen  Feld? 

Und  sehe  Morgenschimmer 
Bei  dir  und  hellen  Tag? 
O  denke  nur,  dass  immer, 
In  jedem  Glockenschlag 
Des  Wiedersehns  Minute 
Durch  meine  Seele  schallt, 
Weil  ach,  in  deinem  Blute 
Mein  eignes  Leben  wallt  l 

Jolu  Georg  Jacob i. 
(1740-&U.) 


ei 


Mein  frommes  Mädchen 


(^y^ein  frommes  Mädchen  ängstigt  sich, 

Wenn  ich  zu  viel  verlange. 
Die  Angst  der  Armen  macht,  dass  ich 
Von  Herzen  mit  erbange. 

Schwebt  unversucht  alsdann  vor  mir 
Der  Wollust  süsse  Angel, 
So  härmt  sie  sich  noch  ärger  schier 
Und  wähnet  Liebesmangel. 

So,  hier  und  dort  gebracht  in  Drang, 
Ersticken  unsre  Freuden. 
O  Liebe,  löse  diesen  Zwang 
An  einem  von  uns  beiden! 

Gieb,  dass  sie  mich  an  Herz  und  Sinn 
Zum  Heiligen  bekehre, 
Wo  nicht,  dass  sie  als  Sünderin 
Des  Sünders  Wunsch  erhöre  1 

G.  A.  Bürger. 

Ein  Steckbrief. 

Jch  sende  einen  Steckbrief  aus 

Nach  Jungfer  Rosamunde. 
Zehn  Taler  kriegt,  wer  mir  von  ihr 
Gebracht  die  erste  Kunde. 

Sie  hat  zwei  braune  Aeugelein, 
Ein  stumpfes,  keckes  Naschen; 
Als  ich  zum  letzten  mal  sie  sah, 
Da  trug  sie  rosa  Höschen; 

Da  trug  sie  einen  Unterrock 
Aus  chinagelber  Seide, 
Und  vorn  war  ein  Champagnerfleck 
Auf  ihrem  Morgenkleide. 

Und  trefft  ihr  wo  ein  Mädel  an, 
Das  küssen  kann  wie  keine, 
So  greift  rasch  zu  und  bringt  sie  mir, 
Denn  das,  das  ist  die  Meine. 


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So  send1  ich  diesen  Steckbrief  au* 
Nach  Jungfer  Rosamunde ; 
Zehn  Taler  kriegt,  wer  mir  von  ihr 
Gebracht  die  erste  Kunde! 

Leo  Heller. 

Paraphrase. 

y^är*  ich  der  Fürst  von  Samarkand, 

Ich  schenkt1  dir  alle  meine  Kroneo, 
Viel  Edelstein  und  goldnen  Tand, 
Um  deine  Liebe  dir  zu  lohnen  U 

Und  dunkelbrauner  Sklaven  Schar 
Sollt*  dich  in  goldner  Sänfte  tragen 
Und  ihren  Dienst  dir  bringen  dar 
Nach  deinem  Wunsche  und  Behagen. 

Doch  ferne  liegt  uns  Samarkand 
In  jener  Glut  erfüllten  Zone,  — 
Auch  leer  von  Gold  ist  meine  Hand, 
Und  niemals  trug  ich  eine  Krone  1 

Rosette. 

£Jn  Rosettens  Blicken  hangend, 

Schmachtend,  seufzend  und  verlangend, 
Fleh*  ich  mit  vergebner  Müh: 
Kannst  du  ewig  meinen  Klagen, 
Meinen  Thränen  dich  versagen? 
Lohnst  du  meine  Treue  nie? 

Aber  immer  unbeweglich 
Hört  das  kalte  Mädchen  taglich 
Meine  Seufzer  an  und  spricht: 
Hoffnung  nährt  allein  die  Liebe! 
Glaub1,  ich  teilte  deine  Triebe, 
Wünscht'  ich  ihre  Dauer  nicht! 

Heinr.  Christian  Boie. 
(1744-1801.) 

K3 


Silvia  ist  ein  Dieb. 

£)o  bist  du  nun,  mein  Lieb, 

Ein  offenbarer  Dieb: 
Ich  finde  hier  mein  Herz  in  deinen  Händen. 
Wohin  damit?  Wohin? 
Ach,  dass  ich  mir  nun  selbst  gestohlen  binl 
Wohlan,  du  musst  mich  vierfach  wieder  geben, 
Ich  klag*  auf  Leib  und  Leben. 
Ich  ruf  und  schrei:  »Ein  Dieb,  ein  Dieb  ist  dal 
Halt  auf,  halt  auf!    Es  ist  die  Silvia!« 

Kaspar  Ziegler. 
(1821-1600.) 

Dirnenlied. 

£)er  erste,  der  küsste  mein  wildes  Haar, 

Das  war  wie  schwarze  Schlangen, 
Er  wand  sich's  jubelnd  um  den  Hais: 
»Du  Hexe,  du  hast  mich  gefangen  1« 
Doch  als  ich  die  zitternde  Seele  enthüllt, 
Da  lacht*  er:  »Dein  Haar  ist  so  reich,  so  wild, 
Was  soll  mir  die  arme  Seele?« 

Der  zweite  küsste  den  roten  Mund, 

Das  war  wie  weisse  Flammen; 

Der  Abend  sank,  —  der  Morgen  kam, 

Wir  blieben  küssend  beisammen, 

Doch  als  ich  die  blasse  Seele  ihm  bot, 

Da  rief  er:  »Dein  Mund  ist  so  rot,  so  rotl 

Was  soll  mir  die  blasse  Seele?!« 


• 

•»I 

1 

rr. 

küsste  den  Busen  mir  heiss, 
Der  war  wie  Maienblüten  so  weiss; 
Er  küsste  mich,  dass  es  schmerzte, 
Ach,  wie  er  mich  drückte  und  herzte  1 
Doch  als  ich  die  zuckende  Seele  ihm  wies  — 
Da  stöhnt1  er:  »Dein  Leib  ist  so  süss,  so  süss, 
Lass',  lass'  mich  weiter  küssen  11« 

Da  hab  ich  geweint  und  dann  —  gelacht, 
Dann  hab1  ich  den  vierten  toll  gemacht; 
Nun  küss1  ich  jeden  auf  sein  Geheiss, 
Mein  Haar  ist  schwarz  —  mein  Leib  ist  weiss, 
Mein  Mund  ist  jung,  so  rot,  so  rotl  — 
Und  meine  arme  Seele  tot  11  — 


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Ich  weiss,  — 

Jch  weiss,  du  bist  entstiegen 
Des  Mondes  eisigem  Pfühl; 
Durch  deine  Adern  fliegen 
Und  wiegen 

Lichtwellen  bleich  und  kühl. 

Ich  habe  mit  dir  Erbarmen, 
Erbarmen  auch  mit  mir. 
Du  wirst  in  meinen  Armen 
Erwarmen,  — 
Ich  werde  kalt  bei  dir. 

Felix  Dörmian. 

Kusslied. 

(Erneuert.) 

j^Jirgends  hin  als  auf  den  Mund: 
Da  sinkt's  in  des  Herzens  Grund; 
Nicht  zu  frei,  nicht  zu  gezwungen, 
Nicht  mit  allzu  trägen  Zungen. 

Nicht  zu  wenig,  nicht  zu  viel: 
Beides  wird  sonst  Kinderspiel. 
Nicht  zu  laut  und  nicht  zu  leise: 
Nur  im  Mass  ist  rechte  Weise. 

Nicht  zu  hart  und  nicht  zu  weich, 
Bald  zugleich,  bald  nicht  zugleich. 
Nicht  zu  langsam,  nicht  zu  schnelle, 
Nicht  stets  auf  die  gleiche  Stelle. 

Halb  gebissen,  halb  gehaucht, 
Halb  die  Lippen  eingetaucht, 
Nicht  ohn'  Unterschied  der  Zeiten, 
Mehr  allein  denn  vor  den  Leuten. 

Küsse  nun  ein  Jedermann, 
Wie  er  weiss,  will,  soll  und  kann! 
Ich  nur  und  die  Liebste  wissen, 
Wie  wir  uns  recht  sollen  küssen. 

Paul  Fleming. 
(1Ö0Ö-1W0.) 

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Das  bist  dut 

^eine  Bündensch warzen  Haare 

Locken  wie  zu  heissen  Nächten, 
Und  ich  möchte  meine  Arme 
Um  den  jungen  Leib  dir  flechten. 

Schimmern  noch  so  keusch  und  heilig 
Deine  engeiweissen  Brüste, 
Mir  verrät  ihr  unruhvolles 
Wogen  zehrende  Gelüste. 

Zwar  dein  Bück  ist  sehr  madonnen, 
Doch  es  kichern  glühe  Funken 
In  ihm  auf.    Geheimer  Wonnen 
Abglanz,  die  du  schon  getrunken. 

Pflückst  wohl  gern  die  roten  Beeren, 
Wenn  der  Strauch  sie  gerade  beut, 
Und  es  giebt  für  ein  Begehren 
Deiner  Liebe  —  kein  Verwehren  l 


Morgen  weisst  du  nichts  von  heutM 

Kurt  Holm. 

Als  ob  es  sein  müsst'. 

ie  Blumen  waren  im  Lenz  erwacht 
Und  standen  wie  Bräute  in  höchster  Pracht 
Die  Bienen  haben  sie  abgeküsst, 
Sie  hielten  fein  still,  als  ob  es  sein  müssf . 

Ein  Vöglein  sass  einsam  auf  dem  Ast, 
Da  kam  geflogen  in  wilder  Hast 
Ein  andres  Vöglein  und  hat  es  geküsst, 
Es  hielt  fein  still,  als  ob  es  sein  müsst'. 

Die  Schaf  rin  schritt  durch  Wiesen  und  Wald, 
Ein  Jägersmann  folgte  der  Holden  bald 
Und  hat  sie  umfasst,  und  hat  sie  geküsst, 
Sie  hielt  fein  still,  als  ob  es  sein  müsst* . 

Da  dachte  ich  mir:  das  muss  wohl  so  sein, 
Ein  Narr  ist,  der  da  wandert  allein, 
Und  habe  mein  Liebchen  geherzt  und  geküsst, 
Auch  das  hielt  fein  still,  als  ob  es  sein  müsst1. 

.Armin  Werherr.  . 


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Möcht'  dir  gefallen. 


W?enn  ich  die  Flut  wär*, 

Möchf  ich  dir  winken, 
Auf  dass  du,  durstig, 
Kämst,  mich  zu  trinken. 

War'  ich  die  Rose, 
Möcht1  ich  dich  stechen, 
Damit  du  Lust  hast, 
Mich  drum  zu  brechen! 

War*  ich  das  Vöglein, 
Laut  würd*  ich  singen, 
Dass  mich  zu  fangen, 
Du  legtest  Schiingen! 

War*  ich  der  Rasen, 
Bückt1  ich  mich  nieder, 
Auf  mir  zu  betten 
Weich  deine  Glieder! 

Doch  da  ich  gar  nichts 
Bin  von  dem  allen, 
Möcht9  ich  nur  eines: 

4 

Dir  —  recht  gefallen! 

Sidonie  Grünwald-Zerkowitz. 


Ein  Ewachen. 

Jen  lag  ihm  am  Herzen  die  letzte  Nacht  — 
O  Mutter,  hütr1  ich  an  dich  gedacht! 

Verschliesst  euch,  Augen,  vor  diesem  Tag, 
Dass  euch  die  Sonne  nicht  sehen  mag. 

Euch,  gute  Schwestern,  dir  und  dir 
Gehör1  ich  nimmer  und  ihr  nichts  mir. 

Die  alten  Gassen,  die  sind  es  noch 

Und  kennen  mich  nimmer,  und  bin  es  doch, 

Und  schreien  mich  an  und  sagen:  »Neinlc  — 
O  hülle,  du  Nacht,  vor  Nacht  mich  ein. 

Und  wenn  ich  die  Höchste  im  Lande  wär1, 
Ich  bin  meiner  Mutter  Kind  nicht  mehr. 

Joh.  Georg  Fischer 


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Dir  glänzen  Rügen  und  Wangen  glühheiss. 


ir  glänzen  Augen  und  Wangen  glühheiss, 


Die  Haut  und  Zähne  schimmern  blühweiss, 
Doch  schwarz  wie  die  Hölle  ist  dein  Herz, 
Voll  Tücke,  Falschheit  und  losem  Scherz. 

Und  doch  mich  der  eine  Wunsch  nur  entflammt, 

In  diese  Hölle  zu  sein  verdammt. 

Ich  hätte  nach  keinem  Himmel  Begehr, 
Wenn  ich  so  ein  serger  Teufel  wär\ 

Anain  Werbern 


Ist  das  Glück  der  Liebe; 
Alles,  was  der  Himmel  schuf, 
Fühlet  ihre  Triebe. 
Wenn  umher  der  Käfer  irrt, 
Sucht  er  sich  ein  Weibchen, 
Wenn  ein  Tauber  einsam  girrt, 
Locket  er  sein  Täubchen. 

Blumen  Öffnen  ihre  Brust 
Lauen  Abendwinden; 
Epheu  schlinget  sich  mit  Lust 
Um  bemooste  Linden; 
Liebemurmelnd  eilt  der  Bach, 
Unter  den  Gebüschen, 
Einem  andern  Bache  nach, 
Sich  mit  ihm  zu  mischen« 

Liebe  tönt  der  Sänger  Heer 
Von  den  Zweigen  nieder; 
Weibchen  flattern  um  sie  her, 
Sträuben  das  Gefieder, 
Locken,  schmachten  und  entfliehn 
Schamhaft  zu  Gesträuchen, 
Wo,  mit  zärtlichem  Bemühn, 
Männchen  sie  erreichen. 


Beruf  zur  Liebe. 


nser  süssester  Beruf 


ÖS 


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Seelen,  die  der  Himmel  schuf, 
Fähig  edler  Triebe, 
Folgt  dem  süssesten  Beruf, 
Schmeckt  das  Glück  der  liebet 
Sie  nur  kann  euch  freudenreich 
Diese  Wallfahrt  machen; 
Sie  nur  führet  lächelnd  euch 
Zu  dem  schwarzen  Nachen. 

Friedr.  Wilh.  Gotter. 
(1746-17M.) 

Fatum. 

Und  sträubst  du  dich,  mein  Lieb  zu  sein, 

So  soll  mich  das  nicht  kränken; 
Ich  weiss,  du  musst  doch  nächtens  mein 
Im  Fiebertraum  gedenken. 

Und  hältst  du  auch  ein  andres  Weib 
Und  küsst  auch  fremde  Wangen, 
Du  liebst  doch  nur  den  einen  Leib, 
Den  niemals  du  umfangen. 

Und  nehme  ich  dein  Herzblut  hin  -r- 

Du  kannst  nicht  widerstreben. 

Du  fühlst,  dass  ich  dein  Schicksal  bin  —  — 

Und  du  mein  Leben  I 

Frida  Spandow. 

0  dass  ich  einmal  noch  — 

Q  dass  ich  einmal  noch 

Dich  wiedersähet 
Ich  trüge  Not  und  Schmach 
In  deiner  Nähe. 

Grau  gehn  die  Tage  hin 
In  dumpfem  Frieden, 
Seit  jener  Sommernacht, 
Da  du  geschieden.  .  .  . 

O  ging*  mir  Heim  und  Herd 
In  Rauch  und  Flammen, 
Und  dürft*  ich  betteln  gehn  — 
Mit  dir  zusammen. 

Maidv  Koch 


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Lied. 

Jch  hab  mir  ein  Märchen  erdacht 

Aus  einem  einzigen  Blick  .  . . 
Und  eine  einzige  Nacht 
Verwehte  all  mein  Glück  ... 

Ich  träumte  den  seligsten  Traum 
Von  Liebe,  die  nimmer  vergeht  .  .  . 
Ein  Hauch  —  ich  fühlte  ihn  kaum  - 
Da  war  er  schon  verweht. 

Maidy  Koch 


Du  schaust  so  gross  und  fragend. 

J}u  schaust  so  gross  und  fragend 
Noch  in  die  Welt  hinein, 

Ein  holdes  Rätsel  scheint  noch 
Das  Leben  dir  zu  sein. 

O  dürft1  ich  dir  es  lösen 

Und  dir  es  machen  kund 

Mit  tausend  heissen  Küssen 
Auf  deinem  roten  Mund/ 


Wenn  ich  zwei  Flügel  hätt'. 

^^?enn  ich  zwei  Flügel  hätt9, 
Meinst,  ich  würd'  reisen  1 
Adlergleich  ziehn  in  bedächtigen  Kreisen? 
Glaubst,  ich  entflöge  dir  —  husch!  —  aus  dem  Bau? 
Bist  mir  ein  argwöhnisch  Ding,  du,  —  schau,  schau! 

Mitten  in  Freud  und  Leid 
Mag  nüVs  behagen, 

Dich  in  den  Armen,  was  sollt*  ich  erjagen? 

Bin  ja  kein  flatterhaft  thörichter  Knab', 

Wenn  ich  zwei  Flügel  hätt*,  —  schnitt*  ich  sie  ab! 

AKrcd 

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flmors  Klage. 

Sonst,  wenn  mir  L  Bogen 

Goldne  Pfeile  flogen, 
Acht  wie  heiss  und  wahr 
Liebte  sich  ein  Paar! 

Noch  sind  alle  Herzen 
Rasch  zu  Minnescherzen; 
Aber  laulich,  kalt, 
Treulos,  o  wie  bald! 

Mich  ergreift  Entsetzen. 
Menschen!  Euch  ergetzen, 
Unstät  von  Natur, 
Meine  Flügel  nur. 

Joh.  Chr.  Fricdr.  Hauff. 
(1761-1828.) 

i 

Qieb  achtl 

£Jnsre  Freundschaft  ist  ein  Brücklein 

Ohne  Brüstung,  schmal  und  schwank  — 
Drunter  stürzt  der  Liebe  Wildbach, 
Drein  manch  Herz  vom  Brücklein  sank  . .  .! 

Angstvoll  reich'  ich  dir  die  Hände; 

Gieb  nun  acht  auf  jeden  Schritt  1 

Trägt  das  Brücklein  dich,  trägt/s  mich  auch; 

Fällst  hinein  du,  —  fall'  ich  mit 

Sidonie  Grünwald-Zerkowits. 

Zur  Rosenzeit. 

]^)ie  Liebe  bleibt  wie  Rosen  immer  neu, 

Ob  ihre  Blüte  morgen  auch  vorbei 
Und  wir  von  gestern  keiner  uns  erinnern. 

Die  Lieb*  ist  voll  wie  einer  Rose  Schoss, 
Woraus  sich  hundert  Blätter  ringen  los, 
Und  hundert  andre  glühen  noch  im  Innern. 

Die  Lieb'  ist  feurig  wie  ein  Rosenbiatt, 

Das  seine  Flammen  angezündet  hat 

Am  ersten  Morgenstrahl  der  Hhnmclsrose* 

91 


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Die  Lieb'  ist  himmlisch,  wie  ein  Bild  genau 
Vom  Himmelsrund  in  jedem  Tröpfchen  Tau 
Die  Rose  trägt  in  ihrem  tiefen  Schosse« 

Die  Lieb'  ist  süss  wie  würz'ger  Rosenduft, 

Der  unsichtbar  beseelt  die  warme  Luft 

Und  trunken  macht  die  honigdurstJgen  Bienen. 

Doch  Lieb'  ist  kurz  auch  wie  der  Rose  Tag, 
Der  schneller  endet  als  der  süsse  Schlag 
Der  Nachtigall,  die  sie  beweint  im  Grünen. 

Wolfgang  Menzel. 
(1798-1873) 

f 

Der  Geliebten. 

2)o  wisst  einmal,  ich  bin  verliebt, 

Und  zwar  in  so  ein  Kind, 
Das  mir  erst  Lust  zu  leben  giebt, 
So  schwer  die  Zeiten  sind. 
Sein  Kuss  ist  meiner  Seele  Kraft 
Und  hat  an  süsser  Glut 
Fast  aller  Schönen  Eigenschaft, 
Nur  nicht  den  Wankelmut. 

Es  schwächt  mir  weder  Geist  noch  Leib« 

Was  denen  sonst  geschieht, 

Die  Amors  stiller  Zeitvertreib 

Am  Narrenseile  zieht: 

Es  redet  mir  in  Lust  und  Leid 

So  klug  als  freundlich  ein, 

Und  las  st  mich  in  der  nächsten  Zeit 

Des  Unsterns  Meister  sein. 

Ach  Hoffnung  I  Ach  du  Engelsbild, 

Du  meiner  Güter  Rest! 

Ach  komm  und  bleib  mein  starker  Schild, 

Da  alles  schlägt  und  presst! 

Komm,  flicht  uns  unsern  Hochzeitschmuck 

Von  deinem  Wintergrün! 

Der  Tod,  sonst  nichts  ist  stark  genug 

Ihn  wieder  abzuziehn. 

Joh.  Christian  Günther. 
(169&-1728) 


92 

» 


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Sie. 

Jhr  Wuchs  ist  nymphenhaft  und  schlank, 

Ihr  Auge  biau,  und  stolx  ihr  Gang; 
Es  bückt  so  freundlich  ihr  Gesicht,  — 
Und  wenn  sie  lächelt,  wenn  sie  spricht, 
Ist  lauter  Huld  und  Anmut  sie: 
Doch  ihren  Namen  nenn'  ich  niel 

Ich  wusste  nicht,  wie  mir  geschah, 
Als  ich  sie  sah  und  wiedersah; 
Mir  war  so  weh,  mir  war  so  wohl, 
Bis  plötzlich  eine  Stimme  scholl: 
Verwegner,  rette  dich  und  flieh  1 
Doch  ihren  Namen  nenn*  ich  nie. 

Ich  wollte  flieh' n,  ich  wollte  fort; 
Wohin,  wohin?    Ach,  hier  und  dort, 
Und  fern  und  nah,  und  dort  und  hier, 
Folgt  ihres  Bildes  Zauber  mir, 
Tönt  ihres  Namens  Melodie: 
Doch  ihren  Namen  nenn'  ich  niel 

Heinr.  Aug.  Ottokar  Rcichard 
<Gefc  17M.) 


Diese  schönen  Qliedermassen  — 

Diese  schönen  Gliedennassen 

Kolossaler  Weiblichkeit 
Sind  jetzt  ohne  Widerstreit 
Meinen  Wünschen  überlassen  1 

War'  ich,  leidenschaftentzügelt, 
Eigenkräftig  ihr  genaht, 
Ich  bereute  solche  Tat! 
Ja,  sie  hätte  mich  geprügelt. 

Welcher  Busen,  Hals  und  Kehle 
(Höher  seh  ich  nicht  genau). 
Eh'  ich  ihr  mich  anvertrau, 
Gott  empfehl'  ich  meine  Seele. 

Heinrich  Heine. 


93 


Digiti 


feil  hat  sie  Rettich  und  Rapunzeln. 


Peil  hat  sie  Rettich  und  Rapunzeln, 

Das  alte  Weib,  ich  seh'  ihr  zu, 
Ich  sehe  unter  ihren  Runzeln 
Die  Schönheit  —  sie  war  schön  wie  du. 

Die  Alte  bläst  ins  Kohlenbecken, 
Es  sprüh' n  die  Funken,  und  sie  lacht: 
Die  kleinen  Flammengeister  wecken 
Erinn'rung  mancher  Liebesnacht. 

Sie  seufzt,  ihr  rotes  Aug*  wird  trüber, 
Es  zittern  ihre  alten  Knie'  — 
O  Klara,  gehn  wir  rasch  vorüber, 
Sonst  denk'  ich:  du  wirst  einst  wie  sie. 

Eduard  Grisebach. 

In  Ewigkeit. 

(Aus  der  Cantate:  »Die  verliebte  Geduld«.; 

^is  die  schwere  Zunge  stammelt, 
Bis  mich  ein  gedrungnes  Haus 
Zu  der  Väter  Beinen  sammelt, 
Sprech  ich  deinen  Namen  aus; 
Deine  Schönheit,  dein  Gemüte, 
Deine  Tugend,  deine  Güte 
Soll  mit  mir  zu  Grabe  gehn. 
Dich  nur  nochmals  zu  umfangen, 
Will  ich,  wenn  die  Welt  vergangen, 
Wieder  rüstig  auferstehn. 

Joh.  Christian  Günther. 
(1696-1728.) 

Lied. 

Jch  zog  mir  einen  Falken, 

Wohl  langer  als  ein  Jahr. 
Ihr  wisst,  wie  zahm  und  sittig 
Der  schöne  Vogel  war. 

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Als  ich  ihm  sein  Gefieder 
Mit  Golde  reich  umwand, 
Hub  er  sich  in  die  Wolken 
Und  flog  in  fernes  Land. 

Mein  Falkl  Ich  sah  dich  wieder, 
Stolz  war  dein  Flug  und  hoch. 
Dü  führst  an  deinem  Fusse 
Den  seid'nen  Riemen  noch, 
Und  Gold  um  dein  Gefieder? 
Doch  mich  vermeidest  du. 
Gott  sende  jedem  Herzen 
Sein  holdes  Liebchen  zul 

Bewegt  ist  meine  Seele, 
Mein  Auge  thränenvoll, 
Dass  ich  von  meiner  Schönen 
Und  Guten  scheiden  soll. 
Verleumder,  die  mich  trennten, 
Euch  stürze  Gott  in  Leid! 
Gott  lohne,  wer  mich  aussöhnt, 
Mit  Lieb'  und  Seligkeit! 

Nach  dem  von  Kürenberf. 

(ia.  Jahrh.) 

Konzert. 

fyjitten  aus  der  Menge  im  Saal, 

Uniformen  und  Roben, 
Schiesst  deiner  Augen  Segenstrahl 
Nach  oben. 

Ringsum  schaukeln  und  wogen  dicht 
Federn,  Frisuren,  Maschen; 
Kaum  vermag  ich  dein  süss  Gesicht 
Zu  haschen. 

Heimlich  tauschen  wir  Blick  um  Blick, 
*  Lockende,  züngelnde  Flammen.  — 
Lachend  kuppelt  uns  Frau  Musik 
Zusammen! 

Arthur  von  Wallpach. 


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■ 


Hochzeitlich  Lied. 

Jjass  Akaziendüfte  schaukeln, 

Rosen  durch  die  Fenster  gaukeln, 
Blötenfee  —  das  bist  nun  dul 
Deine  buchenroten  Locken 
Läuten  mir  wie  Märchenglocken, 
Und  die  weiten  Thäler  locken  .  • 
Komm,  mein  Kind,  wir  zieh'n  zur  Ruh. 

In  das  Land  der  blassen  Farben 
Zieh'n  wir  ein  .  .  und  Purpurgarben 
Fächeln  stille  Flammen  zu; 
Horch,  schon  zittern  weiche  Lieder, 
Mond  enthüllt  sein  Schneegfieder  — 
Fieberheiss  die  reifen  Glieder, 
Zieh'n  wir,  Hand  in  Hand,  zur  Ruh, 

Leise  Scham,  so  schüchtern  gleitend, 
Lichte  Rosenflügel  spreitend, 
Deckt  die  Aeuglein,  deckt  dich  zu; 
Klingt's  im  Park  von  Zymbeln,  Zinken, 
Will  durchs  Fenster  Venus  winken,  — 
Müssen  Band  und  Seide  sinken  .  . 
Komm,  mein  Kind,  wir  zieh'n  zur  Ruh. 

Anton  Lindner 


Komm,  falsche  Dirnel 

p^omm,  falsche  Dirne,  lass  dich  küssen  l 

So  falsch  du  bist,  —  du  bist  doch  süss; 
Dein  Mund  hat  all  an  sich  gerissen 
Den  Honig  aus  dem  Paradies. 

Ich  herze  dich,  und  sollte  hassen; 
Ich  hasse  dich,  doch  ach,  wie  mild! 
Ich  sollte  dich  auf  ewig  lassen, 
Und  fasse  dich,  so  wild,  so  wild! 

Und  ist  in  alle  diese  Wonnen 
Mein  Leben  und  mein  Geist  getaucht  — ■ 
Was  mir  dein  Herz  für  Qual  ersonnen, 
Ist  alles  in  den  Wind  gehaucht! 

Fried.  Daumer. 


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Der  Wunsch. 


u  holder  Gott  der  süssen  Lust  auf  Erden, 


Der  schönsten  Göttin  schöner  Sohn! 
Komm,  lehre  mich  die  Kunst  geliebt  zu  werden; 
Die  leichte  Kunst  zu  lieben  weiss  ich  schon. 

Komm  ebenfalls  und  bilde  Phyllis  Lachen, 

Cythere,  gib  ihr  Unterricht; 
Denn  Phyllis  weiss  die  Kunst,  verliebt  zu  machen; 

Die  leichte  Kunst  zu  lieben  weiss  sie  nicht. 


Qprödes,  knospenscheues  Mädchen, 

Könnt'  ich  einmal  noch  dich  küssen 
Scheu  wie  einst,  da  du  errötet, 
Hab1  auch  selbst  erröten  müssen! 

Die  gesenkte  braune  Wimper 
Hielt  den  süssen  Groll  zusammen, 
Hielt  die  zage  Glut  verborgen, 
Deines  Busens  erste  Flammen. 

Könnt1  ich  einmal  noch  beklommen, 
Reinen  Herzens  so  dich  schauen, 
Da  ich  reuevoll  und  bangend 
Hing  an  deinen  Augenbrauen! 

Was  ich  gierig  je  genossen, 
Trüben  Lebens  wilde  Lüste, 
Gab'  ich  hin  für  jenes  Zagen, 
Da  ich  scheu  zuerst  dich  küsste. 


Fried r.  von  Hagedorn 
(1708-1754.) 


Ein  Sehnen. 


Otto  Erich  Hartleben. 


7 


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ÜNTE  IilEDER. 


»Ulli« 


Sie. 

Qjeduld  ist  nötig,  mit  ihr  zu  gehn: 
Wo  was  ist,  das  muss  sie  sehn; 
Da  geht  kein  Bünder  durch  die  Stadt, 
Dem  sie  nicht  nachzutrauern  hat 

Ein  Wagen  im  Trab,  ein  bellender  Hund! 
Da  strahlt  sie,  da  steht  sie  mit  offenem 
Und  wo  eine  Katze  am  Kellerloch  hockt, 
»Tidietzl  Komm  Pussl«  Da  wird  gelockt. 

Begegnen  wir  gar  dem  »hohen  Gast«, 
Zerreisst  sie  mir  den  Aermel  fast; 
Und  baden  sich  wo  Spatzen  im  Dreck, 
Spatzen!  Da  kommt  sie  garnicht  vom  Fleck. 

Und  erst  ein  Begräbnis  mit  Musik! 

Da  hält  sie  kein  Kanonenstrick, 

Da  drängt  sie  sich  durch  mit  Puff  und  Schub, 

Es  ist  ein  unglaublicher  Gassenbub! 

Leo  Sternberg. 

Der  Ehe-Hasser. 

jjehweiget  mir  vom  Frauen -Nehmen, 

Es  ist  lauter  Ungemach: 
Geld  verthuen,  wiegen,  grämen, 
Einmal  Juchl  und  drei  Mal  Acht 
Ist  sie  reich,  so  will  sie  rechten, 
Ist  sie  arm,  wer  schafft  dann  Brod? 
Ist  sie  jung,  so  will  sie  fechten, 
Ist  sie  alt,  so  ist's  der  Tod. 


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Ich  will  doch  nicht,  dass  man  sage, 
Dass  ich  nicht  recht  männlich  bin, 
Weü  ich  mich  des  Weib's  entschlage; 
Buhlen,  buhlen  ist  mein  Sinn; 
Heute  die,  die  and're  morgen, 
Das  ist  eine  Lust  für  mich; 
Brauch  für  keine  so  zu  sorgen. 
Jede  sorgt  schon  selbst  für  sich. 

Denkt,  was  kosten  Kasten,  Kisten, 
Hochzeit,  Taufe,  Teller,  Rost! 
Mägde,  die  uns  kochen  müssten! 
Denket,  was  der  Hauszins  kost! 
Was  die  Betten,  Tische,  Bänke, 
Kannen,  Handtuch,  Heizung,  Licht 
Stühle,  Schüsseln,  Küchenschranke  i 
Und  was  kost  die  Kleidung  nicht  l 

Wer  wird  sich  denn  so  betrüben  ?! 
Ich  will  bleiben,  wer  ich  bin; 
Ich  will  keine  herzlich  lieben  — 
Buhlen,  buhlen  ist  mein  Sinnl 
Buhlen  ist  mir  honig-süsse, 
Buhlen  ist  es,  was  ich  thu, 
Und  verbuhr  ich  schon  die  Füsse, 
So  behaltf  ich  doch  die  Schuh! 

Nach  Georg  Greflinger. 

<ti«n.) 

Gassenhauer. 

^iele  schelten,  dass  mein  Lied, 

Nach  bekannten  Weisen, 
Immer  hin  und  wieder  zieht. 
Wollen  drum  das  arme  Lieü 
Gassenhauer  heissen. 
Liedlein,  Liedlein,  Liedlein  kling' 
Nach  bekannten  Weisen! 

Durch  die  Gassen  haut  sich  schwer, 

Nach  bekannten  Weisen, 

Solch  ein  Lied;  denn  kreuz  und  quer 

Kommen  viele  Gegner  her, 

Die  zurück  es  weisen. 

Liedlein,  Liedlein,  Liedlein  kling 

Nach  bekannten  Weisen! 


357989a 


Aber  hat  sich's  Bahn  gemacht, 
Nach  bekannten  Weisen, 
Schwirrt  es  fort  bei  Tag  and  Nacht  J 
Freut  sich  herzlich  und  verlacht 
Neid,  auf  lusr'gen  Reisen  l 
Liedlein,  Liedlein,  Liedlein  kling"1 
Nach  bekannten  Weisen! 

Karl  Holtet 

Unbefangen. 

Jen  bin  ein  Mädchen,  fein  und  jung, 

Und  bin  gottlob  noch  frei; 
Ich  weiss  nichts  von  Romanenschwung 
Und  hass'  Empfindelei. 

Leicht  fliesst  mein  Blut«  Ich  liebe  Scherz, 
Ich  liebe  Sang  und  Tanz. 
Mein  Reichtum  ist  ein  frohes  Herz, 
Mein  Schmuck  ein  Blumenkranz. 

Ich  schlage  nicht  aus  Evens  Art, 
Leichtglaubig,  eitel,  schwach; 
Und  Neugier,  liebe  Neugier,  ward 
Mein  Erbteil  siebenfach. 

Auch  flieh9  ich  nicht  der  Männer  Spur. 
Mir  sagte  die  Mama: 
Wir  armen  Mädchen  wären  nur 
Um  ihretwillen  da. 

Drum  schleicht  in  meinen  schlichten  Sinn 
Kein  blöder  Stolz  sich  ein. 
Wohl  mir,  dass  ich  ein  Mädchen  bin! 
Lasst  Andre  Engel  seinl 

Fricdr.  Wilh*  Götter 
(1745-17») 

Warnung. 

Qjravitätisch  einen  Storch 
Seh  ich  dort  spazieren, 
Mädchen  blicken  halbverschämt, 
Möchten  gern  sich  zieren. 

100 


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Holde  Kinder,  hütet  euch, 
Ihm  ist  nicht  zu  trauen, 

Eh'  ihr  noch  es  überlegt, 
Werdet  ihr  am  Frauen. 

Ad.  Pichl«. 

Nota  benel 


or  mir  Flaschen  flüss'gen  Goldes  — 


Nota  bene:  Wein  vom  Rhein, 
Und  dazu  ein  Kind,  ein  holdes  — 
Nota  bene,  welches  mein: 
Bin  ich  froh,  ein  Epikur  — 
Nota  bene:  heute  nur. 

Heut!    Das  Morgen  bringt  ja  Sorgen  — 
Nota  bene:  dem,  der  sorgt; 
Fehlt  mir  Geld,  werd  ich  rxuVs  borgen  — 
Nota  bene,  wenn  man  borgt 
Glücklich  machen  lieb1  und  Wein  — 
Nota  bene:  sie  allein. 

Will  mit  dem  Geschick  nicht  handein  — 
Nota  benel  heda!  halt! 
Doch  zur  Scheuche  darf  s  nie  wandeln 
Meines  Liebchens  Huldgestalt. 
Schönheit  ist  mir  Lebensbrot  — 
Nota  bene:  bis  zum  Tod. 


fjes  Frühlings  erstes  Ahnen 

Zieht  leise  durch  mein  Gemüt, 
Seh  ich  auf  dem  alten  Pfade 
Den  ersten  Strauch  erblüht. 

Sie  sind  so  kahl  die  Bäume, 
Es  ist  so  schwarz  das  Land. 
Zwei  Krähen  dort  auf  der  Eiche, 
Die  haben  mich  wiedererkannt. 

Und  sie  fliegen  vorbei  und  krächzen 
Und  spotten,  dass  ich  allein. 
Denn  selber  die  Krähen  und  Raben, 
Sie  wollen  zu  zweien  sein. 


C.  M.  Bellman. 


Krähenspott. 


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Zweierlei. 

^es  Morgens  tat  sie  sehr  empört, 
Als  ihren  schönen,  weissen  Arm 
Entblösst  zu  sehen  ich  begehrt, 
Und  grollte  mir  in  bittrem  Harm. 

Des  Abends  kam  sie  dekolletiert, 
Trug  Nacken,  Busen,  Arme  bloss 
Und  kokettierte  ungeniert 
In  ihrer  Tänzer  reichem  Tross. 

J.  Leuiser. 

IT 

Sie  geht  in  aller  Frühe. 

j^ic  geht  in  aller  Frühe, 

Noch  eh'  die  Dämmerung  schwand, 
Den  Weg  zur  Tagesmühe 
Im  ärmlichen  Gewand. 
Die  dunkeln  Nebel  feuchten 
Noch  in  der  Strasse  dicht, 
Sonst  sähe  man  beleuchten 
Ein  Lächeln  ihr  Gesicht. 
Die  Götter  mögen  wissen, 
Warum  sie  heimlich  lacht  — 
Es  weiss  es  nur  das  Kissen, 
Drauf  sie  geträumt  heut*  Nacht. 

Hermann  Lingg 

IT 


Das  Lied  vom  welken  Herzen, 

S*e  trug  bunte  Blumen  im  braunen  Haar, 

Die  waren  verblüht, 
In  ihrer  jungen  Brust  das  Herz 

War  welk  und  müd. 

Wem  sollte  sie  reichen  die  Blumen  vom  Haar? 

Sie  blühten  nicht  mehr. 
Wem  sollte  sie  geben  ihr  Herz,  ihr  Herz, 

So  leer  —  so  schwer? 


102 


* 

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War  keiner,  der  je  ihr  Glück  verstand, 

Nicht  ihren  Schmers, 
Da  warf  sie  verzweifelnd  in  den  Staub 

So  Blumen,  so  Herz. 

Kurt  tod  Rohrscheidt. 

Rm  Himmelsthor. 

FyTir  träumt1,  ich  komm'  ans  Himmelsthor 

Und  finde  dich,  die  Süsse  1 
Du  sassest  bei  dem  Quell  davor 
Und  wuschest  dir  die  Füsse. 

Du  wuschest,  wuschest  ohne  Rast 
Den  blendend  weissen  Schimmer, 
Begannst  mit  wunderlicher  Hast 
Dein  Werk  von  neuem  immer. 

Ich  frug:  »Was  badest  du  dich  hier 
Mit  thränennassen  Wangen?« 
Du  sprachst:  »Weil  ich  im  Staub  mit  dir, 
So  tief  im  Staub  gegangen.« 

Conr.  Ford.  Meyer. 

Rusforderung. 

Jjjine  hohe  Hahnenfeder 

Steck'  ich  auf  meinen  Hut! 
Mein  Hut  hat  grüne  Farbe, 
Mein  Herz  hat  frischen  Mut. 

Was  will  die  Hahnenfeder? 
Sie  ruft  zum  Kampf  und  Streit, 
Sie  ruft:  Ich  lieb'  die  Beste 
Im  Lande  weit  und  breit! 

Und  kennst  du  eine  bessere, 
Und  ist  sie  deine  Wahl: 
Steck*  auf  eine  höh're  Feder, 
So  raufen  wir  einmal. 

Und  ist  dein  Dirnel  schöner, 
So  trag**  zur  Stadt  hinein, 
Zum  Markte,  zum  Verkaufe, 
Für**  Dorf  ist's  halt  zu  fein  I 

103 


Und  ist  dein  Dirnel  braver, 
So  fuhr'  es  gleich  nach  Rom, 
Und  lass  es  heilig  sprechen, 
Zur  lieb'  ist's  halt  zu  fromm  1 

Wilhelm  Müller. 


Schlummerlied  für  manche  Schöne. 

Schlummre,  mein  Püppchent 

Was  gackert  im  Stallt 
Heute  war  Kranzchen, 
Und  morgen  ist  Ball. 
Lebten  und  webten 
Die  Hühner  wie  du: 
Sicher  noch  liess  uns 
Ihr  Gackern  in  Ruh. 

Schlummre,  mein  Püppchen!  — 
Am  Fenster  zu  stehn, 
Schnippchen  zu  schlagen, 
Nach  Laffen  zu  sehn, 
Papchen  zu  füttern, 
Und  Möpschen  dazu, 
Braucht  man  bis  Mittag 
Erholung  und  Ruh. 

Schlummre  mein  Püppchen  1 
Die  Mutter  mag  schreinl 
Lasst  sie  das  hässliche 
Schmählen  nicht  sein: 
Schön  zu  thun  weisst  du, 
Die  Betten  sind  da, 
Nimm  dir  ein  Aeffchen 
Und  werde  Mama! 

Joh.  Benjamin  Michaelis. 
(174&-1772.) 

Das  Fehlende. 

J)u  trägst  auf  der  Wange  den  Mai, 
Ich  trage  im  Herzen  die  Jugend, 
Hab'  ich  Verstand  für  zwei, 
So  hast  du  für  zwei  die  Tugend 

104 


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Was  fehlt  uns  denn  im  Grand, 
Dass  wir  so  klagen  und  dulden? 
Ich  sag  dirs  frank  und  rund: 
Nur  hunderttausend  Gulden. 

Herrn.  Gilm. 

Der  böse  Keim. 

Jch  sah  dich  —  ach  so  schlank,  so  wonnig, 

Im  rosenfarbnen  Lenzgewand; 
Rings  lag  die  Welt  so  maiensonnig, 
Und  selig  küsst*  ich  dir  die  Hand. 

Da  hat  zermalmend  im  Gemüte 
Der  Qualgedanke  mich  erschreckt, 
Dass  auch  in  dir,  du  goldne  Blüte, 
Der  Keim  zur  Schwiegermutter  steckt 

Ernst  Eckstein 

Wie  der  Thaler  blankt  und  blinkt 

ie  der  Thaler  blankt  und  blinkt, 
Wenn  er  aus  der  Münze  springt  1 
Ging  er  lang  durch  schmutzige  Hände 
Wird  er  schmutzig  selbst  am  Ende. 

Kind,  du  warst  zu  viel  umgeckt, 
Hast  zuviel  geleckt,  geschleckt 

Zwar,  du  bist  wohl  noch  ein  Thaler, 
Doch  ein  schmutziger,  kupfrigfahler. 

Armin  Werherr. 

Bedingungsweise. 

^wei  Scheitel  trägt  sie,  hochmodern, 

Der  Cleo  gleich, 
Und  Augen  hat  sie,  sapperlot  — 
Mir  wird  ganz  weich! 

Und  dieses  Füsschen,  diese  Hand, 

Das  Näschen,  achl 
Das  allerliebste  Mündchen  erst  — 
Mir  wird  ganz  schwach! 


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Und  schlank  ist  sie,  geschmeidig  wie 

Ein  Lilienstengel; 
Sie  wäre  —  wenn  sie  Mitgift  hart'  — 

Der  reine  Engeil 

Gisa  Tacchi. 


Aufmunterung, 

glühende  Herzen, 

Lasset  uns  scherzen, 
Singen  und  lieben, 
Ohne  Verschieben! 
Lauten  und  Geigen 
Sollen  nicht  schweigen  l 
Eilig  zum  Tanze  1 
Pflücket  vom  Kranze  1 

Drücket  die  Händel 
Freut  euch  ohn'  Endel 
Labt  euch  mit  Küssen, 
Schwelgt  in  Genüssen  1 
Spornet  euch  fröhlich  1 
Machet  euch  eh' lieh  1 
Lasset  die  Narren 
Langer  noch  harren  l 

Eh'lich  zu  werden 
Ziemt  sich  auf  Erden. 
Ledige  finden 
Lust  nur  in  Sünden. 
Jeder  muss  sterben; 
Schaffet  euch  Erben, 
Erben  dem  Gute, 
Namen  und  Blute« 

G.  Greflinger. 
(f  1077.) 


Guter  Rat 

£)teck  dir  die  Rose  an  die  Brust, 

Lache  und  tanze  in  junger  Lust, 
Lass  es  flattern,  dein  duftend  Haar  - 
Bist  ja  nicht  immer  zwanzig  Jahrl 


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Streue  mit  reichen  Händen  aus 
Deiner  Jugend  Blütenstrauss, 
Lasse  schäumen  den  goldenen  Wein  — 
Wird  ja  nicht  immer  so  köstlich  seinl 

Lass  dir  küssen  den  jungen  Mund! 
Kommt  einmal  deine  dunkle  Stund', 
Wirst  du  wissen,  wie  schön  es  war  — 
Bist  ja  nur  einmal  zwanzig  Jahr! 

Thekla  Lingen. 

Junggeselle. 

Jch  bin  ein  Junggeselle  — 

Die  Mutter  sprach  zu  mir: 
»Es  flieht  wie  Wind  und  Welle 
Die  Liebe,  sieh  dich  furl 
Sie  schafft  nur  Angst,  sie  schafft  nur  Pein, 

Das  muss 
Der  Liebe  Art  wohl  sein.« 

Ich  sass  auf  meiner  Schwelle, 
Da  kam  ein  schönes  Kind. 
»Gott  grüss  dich,  Junggeselle!« 
»»Ich  danke,  liebes  Kind!«« 
Ich  winkte  ihr,  sie  kam  herein, 

Das  muss 
Der  Liebe  Art  wohl  sein. 

»Ei«,  rief  sie,  »Junggeselle, 
Kennst  du  die  liebe,  wie?« 
»»Ach  nein,  wie  Wind  und  Weile, 
Spricht  Mutter,  wechselt  sie.«« 
Da  lachte  sie  und  rief  nein,  nein! 

Das  kann 
Der  Liebe  Art  nicht  sein. 

Sie  schlang  den  Arm  zur  Stelle 

Um  mich  und  küsste  mich. 

Ich  fühle,  wie  Wind  und  Welle 

Aus  dem  Gedächtnis  wich. 

Das  Herz  schlug  mir  zum  Hals  hinein, 

Das  muss 
Der  Liebe  Art  wohl  sein. 

X07 


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Da  nahte  von  der  Quelle 

Des  Nachbars  Jörge  sich. 

Sie  liess  mich  auf  der  Schwelle 

Und  küsßte  ihn  wie  mich. 

Ich  zürnte  sehr,  doch  fiel  mir  ein, 

Das  muss 
Dar  liebe  Art  wohl  sein! 

Alex.  Frhr.  t.  Ungern-Sternbtrg. 

v  Klage. 

J^chlaffe  Lider,  welke  Wangen, 

Graue,  dünngesäte  Haare 
Bilden  schon  seit  Adams  Zeiten 
Das  Gefolg*  der  reifern  Jahre. 

Alle  diese  Herbsteszeichen 
Will  ich  ohne  Murren  tragen; 
Nur  das  Eine  trifft  mich  härter 
Als  ein  Dutzend  Altersplagen: 

Dass  der  Frauen,  die  mir  hold  sind, 
Immer  weniger  auf  Erden, 
Während  jetzt  die  Ehemänner 
Immer  liebenswürd'ger  werden. 

S.  Fritz. 

Brautnacht. 

Jm  Schlafgemach,  entfernt  vom  Feste, 

Sitzt  Amor  dir  getreu  und  bebt, 
Dass  nicht  die  List  mutwüTger  Gäste 
Des  Brautbetts  Frieden  untergräbt. 
Es  blinkt  mit  mystisch  heil'gem  Schimmer 
Vor  ihm  der  Flammen  blasses  Gold; 
Ein  Weihrauchswirbel  füllt  das  Zimmer, 
Damit  ihr  recht  geniessen  sollt. 

Wie  schlägt  dein  Herz  beim  Schlag  der  Stunde, 

Der  deiner  Gäste  Lärm  verjagt; 

Wie  glühst  du  nach  dem  schönen  Munde, 

Der  bald  verstummt  und  nichts  versagt. 

Du  eilst  um  alles  zu  vollenden 

Mit  ihr  ins  Heiligtum  hinein; 

Das  Feuer  in  des  Wächters  Händen 

Wird  wie  ein  Nachtlicht  still  und  klein. 

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Wie  bebt  vor  deiner  Küsse  Menge 
Ihr  Busen  und  ihr  voll  Gesicht; 
Zum  Zittern  wird  nun  ihre  Strenge, 
Denn  deine  Kühnheit  wird  rar  Pflicht. 
Schnell  hilft  dir  Amor  sie  entkleiden, 
Und  ist  nicht  halb  so  schnell  als  du; 
Dann  hält  er  schalkhaft  und  bescheiden 
Sich  fest  die  beiden  Augen  ra. 

Wolf*.  Goethe. 

Lied. 

Phreift  zum  Becher  und  lasst  das  Schelten! 

Die  Welt  ist  blind  .  . . 
Sie  fragt,  was  die  Menschen  gelten, 

Nicht,  was  sie  sind. 

Uns  aber  lasst  zechen  .  .  .  und  krönen 

Mit  Laubgewind 
Die  Stirnen,  die  noch  dem  Schönen 

Ergeben  sind! 

Und  bei  den  PosaunenstÖssen, 

Die  eitel  Wind, 
Lasst  uns  lachen  aber  Grössen, 

Die  keine  sind! 

Heinrich  Leuthold 

Lebensgenuss. 

prüder,  lasst  uns  fröhlich  sein, 

Weil  der  Frühling  währet, 
Und  der  Jugend  Sonnenschein 
Unser  Laub  verkläret; 
Grab  und  Bahre  warten  nicht, 
Wer  die  Rosen  jetzo  bricht, 
Dem  ist  der  Kranz  bescheret 

Rasch  entstürmt  der  Jahre  Flucht 
Mit  verhängtem  Zügel, 
Und  des  Schicksals  Eifersucht 
Leiht  dem  Lenze  Flügel. 
Brüder!  trinkt,  noch  ist  es  Zeit, 
Eh'  der  Herbstwind  Blätter  streut 
Auf  uns'res  Grabes  Hügel. 


Wo  sind  jene,  sagt  es  mir, 
Die  vor  wenig  Jahren, 
Eben  also,  gleich  wie  wir, 
Jung  und  fröhlich  waren? 
Ihre  Leiber  deckt  der  Sand, 
Sie  sind  in  ein  fremdes  Land 
Aus  dieser  Welt  gefahren« 

Wer  nach  unsern  Vätern  forscht. 

Mag  den  Kirchhof  fragen: 

Ihr  Gebein,  das  langst  vermorscht, 

Wird  ihm  Antwort  sagen« 

Uns  auch,  Brüder,  kann  man  bald, 

Eh'  die  Morgenglocke  schallt, 

In  uns're  Gräber  tragen. 

Darum  lasst  uns  fröhlich  sein, 
Weil  der  Frühling  währet, 
Und  der  Jugend  Sonnenschein 
Unser  Laub  verkläret: 
Grab  und  Bahre  warten  nicht; 
Wer  die  Rosen  heute  bricht, 
Dem  ist  der  Kranz  bescheret 

Job.  Chr.  Gunther. 
(1696-1738.) 

■ 

Lachtäubchen. 

Jjachtäubchen  sitzt  hoch  unterm  Dach, 

Ist  fleissig  bis  zur  Nacht, 
Tanzt  flink  umher  im  kleinen  Raum, 
Blickt  schlau  um  sich  und  lacht: 
»Haha,  haha!    Hihi,  nihil« 
Wie  auch  mein  Los  hier  fallt, 
Ich  hab  das  beste  Teil  erwählt, 
Ich  lach  mich  durch  die  Weltl 

Ein  einfach  Futter  mir  genügt, 
Von  Erbsen  und  von  Brot, 
Und  wenn  ich  dazu  Wasser  hab, 
So  hab  ich  keine  Notl 
»Haha,  haha!    Hihi,  hihi!« 
Kein  üpp'ges  Mahl  mich  schwellt  1 
Mich  plagt  nicht  Gicht  noch  Podagra, 
Ich  lach  mich  durch  die  Welt! 

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Zuweilen  nur  da  fühlt  mein  Her* 

So  einen  kleinen  Stich, 

Dann  ist  mein  Wunsch  ein  Täuberich, 

Froh  angelegt  wie  ich! 

»Haha,  haha!  Hihi,  hihiU 

War'  der  mir  zugesellt, 

Wir  beide  lachten  alles  aus, 

Die  Menschen  und  die  Welt! 

Otto  Hausmann. 

Jeder  nach  seiner  Rrt. 

£\[ie  werden  Trauben  süss  und  schwe 

An  Haselbüschen  reifen, 
Der  Distelfink  lernt  nimmermehr 
Wie  eine  Drossel  pfeifen. 

Sehnsüchtig  klagt  im  Hollerstrauch 
Das  Nachtigallenmännchen, 
Ich  singe  nach  Vagantenbrauch 
Beim  Klapp  der  Deckelkännchen. 

Der  feilt  an  einer  Elegie, 
Der  schmiedet  eine  Fabel, 
Ich  singe  in  die  Winde,  wie 
Gewachsen  mir  der  Schnabel. 

Ich  hab's  gelernt  im  grünen  Wald 
Beim  Rauschen  alter  Föhren, 
Und  wem  mein  Singsang  nicht  gefallt, 
Der  braucht  nicht  zuzuhören. 


Spielmannslied. 

pjerr  Nachbar,  riegelt  die  Thüren  fest, 

Ein  Dieb  steht  auf  der  Lauer, 
Herr  Nachbar,  dass  Ihr  nicht  vergesst, 
Euer  Zeisig  lockt  im  Bauer, 
Steckt  schon  das  krause  Köpfchen  raus, 
Herr  Nachbar,  hütet  Euer  Haus! 
Ting  ting,  pinkperingping, 
Ein  Zeisig  ist  ein  loses  Ding 
Zrrrr  .  .  . 


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Im  Schützenzelt  ist  Tanzmusik, 

Hei,  wie  die  Aeuglein  blinken  1 

Der  Spielmann  geigt  sein  Meisterstück, 

Vergisst  sogar  das  Trinken, 

Muss  immer  nach  der  Dirne  schaun, 

Stünd'  Heber  mit  ihr  am  Gartenzaun  — 

Ting  ting9  pinkperingping, 

Ein  Zeisig  ist  ein  loses  Ding 

Zrrrr  •  •  . 

»He  Jungfer  I«  —  aber  die  Jungfer  lacht, 
Schlüpft  kichernd  durchs  Gedränge, 
Durch's  Hofthor  in  die  Sommernacht, 
Ins  blühende  Gehänge, 
Das  Köpfchen  ward  ihr  gar  zu  warm, 
Nun  träumt's  in  einem  Spielmannsarm  — 
Ting  ting,  pinkperingping, 
Ein  Zeisig  ist  ein  loses  Ding 
Zrrrr  ziul 

Martin  Bo eilte 

Der  kluge  Peter. 

^er  Peter  sass  im  Sonnenschein 

Auf  einem  Stein 
Und  freute  sich  und  lachte. 
Was  freut  sich  Peter  nur  so  sehr? 
Das  Rätsel  schien  mir  wahrlich  schwer  — 

Doch  er  sass  da  und  lachte. 

Als  ich  die  Neugier  nicht  mehr  trug 

Und  endlich  frug, 
Warum  er  denn  so  lachte? 
Sprach  er:  »Die  Welt  ist  wunderschön  1 
Und  ich  darf  drin  spazieren  gehn!« 

Er  sah  mich  an  und  lachte« 

»Ei,  Peter,  du  hast  wirklich  Recht! 

Das  ist  nicht  schlecht!« 
»Nicht  wahr?«  sprach  er  und  lachte, 
»Die  Weisheit  lernet  Ihr  erst  jetzt?« 
Da  hab  ich  mich  zu  ihm  gesetzt 

Und  freute  mich,  und  lachte. 


112 


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Märzsonne. 


j^Jun  wandV  ich  über  Berg  und  Thal, 

Die  Welt  steht  blühend  offen, 
Mich  hat  mit  erstem  Sonnenstrahl 
Der  Lenz  ins  Herz  getroffen. 

Ich  höV  das  kleine  freche  Herz 
Im  dunkeln  Brustkorb  lachen, 
Es  weiss,  es  wird  im  grünen  März 
Eine  selige  Dummheit  machen  .  .  . 

Rud.  Prcsber. 

Von  der  Freude. 

2)*ge,  sprach  ich,  holde  Freude  1 
Sage  doch,  was  fliehst  du  so? 
Hat  man  dich,  so  fliehst  du  wieder  l 
Niemals  wird  man  deiner  froh. 

Danke,  sprach  sie,  dem  Verhängnis! 
Alle  Götter  lieben  mich; 
Wenn  ich  ohne  Flügel  wäre, 
Sie  behielten  mich  für  sich. 

Joh.  Nie.  Göti. 
(1721—1781.) 

*~ 

Die  Wahrheit. 

£)ie  Wahrheit  hab*  ich  stets  gesucht, 
Fand  sie  gesprochen  und  gebucht. 
Doch  mit  der  Zeit  schwand  die  Erscheinung  — 
Die  Wahrheit  war  stets  nichts  als  Meinung. 

Die  Wahrheit  hat  ihr   Für  und  Wider, 
Man  hebt  sie  auf  und  wirft  sie  nieder. 
Nur  eine  echte  ward  mir  kund  — 
Die  küsst*  ich  von  einem  Mädchenmund. 

Franz  Karl  Ginzkey. 

*• 

8 

113 

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Laura. 


Am  Morgen  nach  ihrer  Brautnacht. 


£fin  wenig  blass,  doch  schön  wie  die  belohnte  Liebe, 

Vom  süssesten  der  Träume  kaum  erwacht, 
Schleicht  sie  zum  Garten;  doch  ist  für  des  Morgens  Pracht 
Ihr  schmachtend  Auge  noch  zu  trübe. 
Ihr  Dämon  sieht  ein  Kind  der  letzten  Nacht, 
Ein  Röschen,  eilt  und  bringt  es  ihr  und  lacht, 
Und  küsset  sie  und  spricht:  „O  Laura,  meine  liebe  1 
Wann  bringst  Du  mir  ein  Kind  der  letzten  Nacht?" 


Vorn  an  der  Brust? 
Macht  mir  kein  Brösclein 
Freude,  noch  Lust. 
Trage  du  Dörnelein, 
Trage  du  Hörnelein, 
Die  du  dem  Liebsten  dein 
Aufsetzen  thust; 
Trage  du  Höselein, 
Kleiden  die  Beine  dein 
Zierlich  und  fein. 


Rokoko. 

(jutartige  Naturen, 

Ins  Ehejoch  gespannt, 
Ziehn  friedlich  durch  die  Fluren 
An  Hymens  Band. 

Sie  brauchen  manches  Jährchen 
Nicht  einen  Peitschenhieb; 
Vergebens  lockt  am  Pärchen 
Amor,  der  Dieb. 


Fr.  Wilh.  Gotter. 
(1746-1796) 


Rns  Diendl. 

ragst  du  ein  Röselein 


Fr.  Th.  Vischer. 


114 


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Und  glückte  ihm  doch,  dem  Alles 
Gelingt,  wo  Herzen  jung, 
Hier  wird  es  schlimmsten  Falles 
Ein  Seitensprung. 

Dann  ziehen  beide  wieder, 
Weil  keins  die  Spur  verlor, 
Zusammen  treu  und  bieder 
Ganz  wie  zuvor. 

Theodor  Vulpinut 

Unterschiede. 

ie  Liebste  ist  hellblond, 
Und  ich  bin  brünett,  — 
Sie  wird  immer  schlanker, 
Und  ich  werde  fett. 

Sie  nascht  beim  Conditor, 
Und  ich  trink  a  Bier,  — 
Ich  schiebe  gern  Kegel, 
Und  sie  spielt  Klavier. 

Ich  mache  gern  Verse, 
Und  sie  malt  in  Oel,  — 
Sie  ist  oft  elegisch, 
Und  ich  bin  fidel. 

Sie  hüllt  sich  in  Seide, 
Doch  Loden  schützt  mich,  — 
Sie  schwärmt  jetzt  für  Ibsen, 
Für  Scheffel  bin  ich. 

Wir  sind  gar  verschieden 

In  Sitte  und  Brauch  

Sie  gleicht  mir  nur  darin: 
Kein  Geld  hat  sie  auch! 

Heinrich  Schifter. 

La  renomm^e. 

u  bist  einfach,  du  bist  häuslich, 
Bist  in  Gottesfurcht  erzogen, 
Was  du  sprichst,  das  hast  du  weislich 
Wohl  bedacht  und  wohl  erwogen. 

8. 

116 

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Du  bist  sittsam  und  bescheiden, 
Du  bist  fleissig  wie  die  Biene, 
Weisst  dich  allerliebst  zu  kleiden 
Und  hast  Schalkheit  in  der  Miene. 

Du  bist  schön  gleich  einer  Rose  — 
So  versichern  alle  Kenner, 
Und  hast  eine  beispiellose 
Neigung  für  bornierte  Männer. 

H.  von  Gib* 

Was  fehlte. 

£|ls  ich  sie  sah  zum  erstenmal, 

Erschien  sie  mir  ein  Englein: 
Zwei  weisse  Flöglein  fehlten  blos, 
Dazu  ein  Liliensteng'lein. 

Doch  als  ich  sie  dann  Öfter  sah, 
Erschien  sie  mir  ein  Gänschen  — 
Zwei  weisse  Flüglein  fehlten  blos, 
Dazu  ein  weisses  Schwänzchen. 

Louii  Wolff-Caatel. 

Schneeflocke. 

u  bist  eine  weisse  Flocke, 
Ein  himmelentsprungenes  Kind, 
Und  wirbelst  licht  und  selig  — 
Dahin  durch  Wolken  und  Wind. 

Du  bist  eine  weisse  Flocke, 
Du  stirbst  der  Flocken  Tod: 
Nach  kurzem  Sonnengrusse 
In  Strassenstaub  und  Kot 

Felix  Dörtmmti. 

IT 

Das  deutsche  Mädchen. 

Jhr,  mit  Rosen  auf  den  Wangen, 
Und  die  Haare  goldgeschmückt  I 
Euer  wunderstolzes  Prangen, 
Das  nur  Thoren  hochentzückt, 
Wert  ist's  meines  Lobes  nicht, 
Wenn  euch  teutscher  Sinn  gebricht 


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Hat  die  Göttin  auch  des  Glückes 
Fürstengüter  euch  beschert, 
So,  dass  demutvollen  Blickes 
Alt  und  Jung  Verehrung  schwört  — 
Wenn  euch  teutscher  Sinn  gebricht, 
Acht1  ich  aller  Schatze  nicht 

Eure  höflichen  Geberden, 
Eure  schöne  Redekunst, 
Ob  sie  laut  gepriesen  werden, 
Sind  nur  Spiel  und  eitel  Dunst, 
Und  besteh' n,  ihr  Jungfrau'n,  nicht, 
Wenn  euch  teutscher  Sinn  gebricht. 

Käm't  auch  edeln  Stammes  wegen 
Ihr  den  Königinnen  gleich, 
Dennoch  wahrhaft  überlegen 
Bleibt  ein  teutsches  Mädchen  euch. 
Hoher  Stand  beliebt  uns  nicht, 
Wo  der  teutsche  Sinn  gebricht. 

Heinrich  Albert 
(1604—1639.) 

Der  erste  Kuss, 

Vv?ie  kommt  es,  dass  ich  nichts  gespürt 

Von  jenem  Hochgenüsse, 
Den  jeder  Dichter  schon  besang, 
Bei  ihrem  ersten  Kusse? 

Wie  kommt  es,  dass  mich  nicht  durchzuckt' 
Ein  Zittern  und  ein  Beben, 
Als  sie  ihr  Lippenpaar  gewölbt, 
Den  ersten  Kuss  zu  geben? 

Wie  kommt's,  dass  ich  nicht  glücklich  war. 
Als  Mund  an  Mund  sich  schmiegte? 
Das  kommt  wohl  daher,  dass  den  Kuss 
Ein  —  gänzlich  andrer  kriegte  1 

Alexander  MoszkowsU 

Das  Geheimnis. 

^eckenröslein,  über  Nacht 

Seid  ihr  aufgegangen, 
Schaut  mich  freudig  an  und  lacht 
Mit  verschämten  Wangen. 

117 

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Ein  Geheimnis,  wie  man  spricht, 
Wisst  ihr  zu  bewahren; 
Heckenröslein,  plaudert  nicht, 
Sollt  etwas  erfahren. 

Still,  still, 
Ich  bin  ein  thöricht  Mädel 
Und  weiss  nicht,  was  ich  will. 

Kater,  hast  dich  scheu  versteckt, 
Hör  dich  ängstlich  schreien. 
Dass  du  von  der  Milch  geleckt, 
Will  ich  heut  verzeihen; 
Krieche  aus  dem  Winkel  vor, 
Schrecken  aller  Ratzen, 
Komm,  ich  sag  dir  was  ins  Ohr, 
Aber  darfst  nicht  kratzen. 

Still,  still, 
Ich  bin  ein  thöricht  Mädel 
Und  weiss  nicht,  was  ich  will. 

Schwalbe,  komm  aus  deinem  Bau, 
Will  dir  was  erzählen, 
Aber  deiner  Schwalbenfrau 
Musst  du  es  verhehlen. 
Mein  Geheimnis  würde  bald 
Aller  Welt  zu  eigen, 
Denn  die  Frauen  jung  und  alt 
Wissen  nicht  zu  schweigen. 

Still,  still, 
Ich  bin  ein  thöricht  Mädel 
Und  weiss  nicht,  was  ich  will. 

Rud.  Baumbach. 


1^ 


In  der  Sommernacht. 

J^urch's  offne  Fenster  tanzt  ein  Blütentraum 

Von  schwülen  Düften  her  vom  Lindenbaum. 
Und  dann  dies  Rauschen  in  dem  Garten, 
Das  leise  Atmen,  bange  Warten 
Voll  heisser  rosendunkler  Glut 
Nach  roter  Lippen  wildem  Blut. 

118 


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Mir  ist,  als  läge  neben  mir  ein  Weib, 

In  Liebe  zitterte  der  weisse  Leib, 

Und  aus  dem  wilden  heissen  Beben 

Verspräche  sie  ein  selig  Geben, 

Ihr  Atem  hauchte  keusche  Gier  — 

Frau  Sehnsucht  schläft  und  seufzt  bei  mir 


Alfred  Richard  Meyer.  . 


Frühling. 


^^^ie  ein  Traum  von  mir  zu  dir 

In  der  Flüsterlinde; 
Wie  ein  Traum  von  mir  zu  dir: 
Spatzenlied  im  Winde. 

Wie  ein  Traum  von  mir  zu  dir 
Lispeln  rings  die  Quellen; 
Wie  ein  Traum  von  mir  zu  dir 
In  den  Blütenzellen. 

Und  es  schwellen  Blatt  und  Bast, 
Dürsten  in  den  Zweigen, 
Sonne  quillt  Von  Ast  zu  Ast, 
Und  die  Säfte  steigen. 

Und  das  Blut  der  Scholle  rinnt, 
Und  die  Wurzeln  saugen; 
Und  Natur,  fast  noch  ein  Kind, 
schon  mit  den  Augen. 


Der  Rosenstrauch. 

Jm  Wind,  den  glüh'nder  Sonne  Hauch 

Zur  Ero?  herabgebracht, 

Wiegt  sich  ein  blühender  Rosenstrauch 
Woilüstiglich  zu  Nacht. 

Im  Wind  wiegt  er  sich  her  und  hin 
Anmutig,  sacht  und  stumm, 

Wie  eine  schöne  Tänzerin 
Vor  ihrem  Publikum. 

Alfred  Tenier«. 


119 


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Schusters  Töchterlein. 


p^ab  einen  Meister  Schuster, 

Der  macht  mir  Stiefel  gar  zu  eng, 
Sie  gehn  nit  an  die  Füsse, 
Und  wenn  der  Spann  zersprang1 1 

Ich  Bage:  »Lieber  Meister, 
Zu  enge  muss  der  Stiefel  sein,c  — 
Er  lacht  und  ruft  nur:  »Emma, 
Tritt  ein,  mein  Töchterlein!« 

» —  EU,  guten  Tag,  Herr  Doktor,« 
Sagt  sie  und  schaut  mich  bittend  an; 

—  O  Emma,  Emmma,  Emmmmmalt 
Wuppl  ist  der  rechte  dran! 

Drauf  winkt  er  Tochter  Anna,  — 

»Gäbt  Ihr  Euch  Müh',  Herr  Doktor,  —  ging's!« 

—  O  Anna,  liebe  Annnal! 
Schwupp!  sitzt  der  linke  links. 

Ich  zahle  zween  Kronen 
Und  hüpf  in  wildem  Schmerz  nach  Haus, 
Mir  will  das  Herz  schier  brechen, 
Zieh  ich  die  Stiefel  aus« 

Carl  Einsam. 

r 

Das  Schuhdrücken. 

Proh  sitzen  wie  die  Götter  wir, 

Bei  Vollgenuss  und  Reben. 
Wer  uns  so  sieht,  der  dächte:  hier 
Möcht1  ich  wohl  ewig  leben! 
Doch  unter* n  Tisch,  mein  Freund,  geblickt, 
Ob  hie  und  da  ein  Schuh  nicht  drückt 

Die  Füsse  geh*  von  A  bis  Z 

Die  Reih'  hinauf,  hinunter, 

Ich  setze  meinen  Kopf  zur  Wert*, 

Nicht  zweie  sind  darunter, 

Wo,  sei  es  noch  so  sehr  geglückt, 

Der  eine  Schuh  nicht  etwas  drückt 


Digitized  by  Google  j 


Ob  gross,  ob  klein,  ob  arm,  ob  reich, 

Ob  Wohl-,  ob  Hochgeboren, 

Dem  Schicksal  ist  dies  alles  gleich,  — 

Der  Mensch  ist  auserkoren, 

Dass,  wird  er  auf  die  Weit  geschickt, 

Der  Schuh  ihn  immer  etwas  drückt 

Verschreibe  sie  dir  aus  Paris, 

Aus  London  und  Manchester, 

Der  Schuster  dennoch  Fäitchen  Hess,  — 

Und  war's  nur  eins,  mein  Bester, 

So  klein,  dass  man  es  kaum  erblickt, 

Die  Zeit  kommt  doch,  wo  dich  es  drückt. 

Die  Abart  selbst  vom  Schuhe  blieb 

Hiervon  nicht  ausgenommen; 

Hab*  Weibchen  oder  Mädchen  lieb, 

Die  Zeit  wird  dennoch  kommen, 

Wo,  ist's  dem  Schuhe  nicht  geglückt, 

Dich  etwas  der  Pantoffel  drückt 

Erst  dann,  wenn  man  die  letzten  Schuh' 
Uns  von  den  Füssen  ziehet, 
Hat  man  vor  ihrem  Drücken  Ruh, 
Doch  sind  wir  dann  verblühet: 
Drum,  lieben  Freunde,  seid  beglückt, 
Dass  alle  euch  der  Schuh  noch  drückt! 


ebt  mir  ein  Mädel  und  gebt  mir  ein  Geld, 


Dann  flieh  ich  hinaus  in  die  tosende  Welt 
Und  wenn  die  Wälder  in  Sonne  stehn, 
Wollen  wir  leise  vorübergehn, 
Ganz  leise  und  sacht, 
Bis  die  Mitternacht 
Ihre  weichen  duftenden  Hände  faltet 
Und  in  den  Städten  das  Leben  erkaltet. 

Dann  singt  mir  mein  Mädel  den  schönsten  Sang, 
Der  je  durch  die  zitternde  Mitternacht  klang, 
Und  drückt  mir  die  lechzenden  Lippen  zu 
JJnd  drückt  mir  die  flammenden  Augen  zu, 


Hcinr.  Grünig. 
(1781-184Ü.) 


Ein  Künstlerlied. 


121 


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So  leise  und  sacht, 
Bis  der  Tag  erwacht, 

Der  uns  die  schimmernden  Blumen  breitet 
Und  sie  zur  ewigen  Sonne  leitet. 

Adolph  Donath. 

Lebenslust. 

Unschuldige  Jugend 

Dir  sei  es  bewusst: 
Nur  Feinde  der  Tugend 
Sind  Feinde  der  Lust! 

Denn  Tugend  und  Freude 
Sind  ewig  verwandt; 
Es  knüpfet  sie  beide 
Ein  himmlisches  Band! 

J.  W.  L.  Gleim. 
(171S-1808.) 

Arn  Teeticsh 

j^ie  sassen  und  tranken  am  Teetisch, 

Und  sprachen  von  Liebe  viel. 
Die  Herren  die  waren  ästhetisch, 
Die  Damen  von  zartem  Gefühl. 

»Die  Liebe  muss  sein  platonisch«, 
Der  dürre  Hofrat  sprach. 
Die  Hofrätin  lächelt  ironisch, 
Und  dennoch  seufzet  sie:  »Ach!« 

Der  Domherr  öffnet  den  Mund  weit: 
»Die  Liebe  sei  nicht  zu  roh, 
Sie  schadet  sonst  der  Gesundheit.« 
Das  Fräulein  lispelt:  »Wieso?« 

Die  Gräfin  spricht  wehmütig: 
»Die  Liebe  ist  eine  Passion!« 
Und  präsentieret  gütig 
Die  Tasse  dem  Herrn  Baron. 

Am  Tische  war  noch  ein  Plätzchen, 
Mein  Liebchen,  da  hast  du  gefehlt; 
Du  hättest  so  hübsch,  mein  Schätzchen, 
Von  deiner  Liebe  erzählt. 

Heinrich  Heine. 

122 


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Der  braune  Hirtenknab. 


ß.  ««  Im  weichen  Waldesmoos 

Ein  junger  brauner  Hüte, 
Der  hat  ein  Mädchen  auf  dem  Schoss, 
Weiss  wie  die  Blöt*  der  Myrte. 

Sie  trinkt  mit  ihm  aus  einem  Krug 
Die  Milch  von  seinen  Ziegen 
Und  küsst  ihn  drum  nach  jedem  Zug 
Mit  Augen  voll  Vergnügen. 

Ich  gäbe  alles,  was  ich  hab, 
Armbänder,  Ring  und  Schleier, 
War'  ich  der  braune  Hirtenknab' 
Und  hätr'  im  Aug*  sein  Feuer. 

Herrn.  Gilm. 

Eilig. 

fjerr  Vetter  und  Frau  Base, 

Lebt  wohl!  Ich  bin  pressiert  1 
Es  giebt  so  manche  Strasse, 
Drauf  ich  noch  nicht  marschiert; 
Die  Welt  hat  viele  Ecken, 
Die  Namen  kenn'  ich  nur, 
Die  Eisenbahn  hat  Strecken, 
Die  ich  noch  nie  durchfuhr; 
Es  harren  lusr'gc  Brüder, 
Dass  ich  die  Schenke  find1 
Ich  hab1  viel  Schelmenlieder, 
Die  noch  zu  singen  sind; 
Noch  giebt's  viel  harte  Schädel, 
Die  ich  verkeilen  müsst', 
Auch  blüht  manch  rosig  Mädel, 
Das  ich  noch  nicht  geküsst. 
Drum  macht  nicht  viele  Worte  1 
Lebt  wohll  Ich  bin  pressiert  — 
Am  Rhein  giebt's  manche  Sorte, 
Die  ich  noch  nicht  probiert. 
Mir  winkt  auf  dieser  Erden 
Kein  Rasten  und  kein  Ruh'n  .  .  ♦ 
Wie  soll  ich  fertig  werden? 
Ich  hab'  xu  viel  zu  thunl 

Heinr  Schäffer. 


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Der  Spittelleute  Klagelied. 

^y^^ir  armen  Spittelleute, 

Was  haben  wir  zu  thunl 
Wir  müssen  morgens  früh  aufstehn, 
Und  wenn  wir  das  Gebet  gesprochen, 
Zwei  Eimer  Wasser  holen  gehn 
Und  unsre  Morgensuppe  kochen* 

Wir  armen  Spittelleute, 

Was  haben  wir  zu  thunl 

Dann  müssen  wir  um  halber  zehn 

An  unser  Tagewerk  gleich  schreiten, 

Und  wied'rum  an  dem  Herde  stehn 

Und  unser  Mittagsmahl  bereiten. 

Wir  armen  Spittelleute, 

Was  haben  wir  zu  thunl 

Kaum  ist  das  Mahl  genommen  ein, 

Kaum  kann  man  sich  des  Schlafs  erwehren, 

Gleich  muss  man  wieder  munter  sein. 

Das  Vesperbrötchen  zu  verzehren. 

Wir  armen  Spittelleute, 

Was  haben  wir  zu  thunl 

Ist  nun  auch  endlich  das  geschehn, 

So  wird  es  Abend  unterdessen; 

Wir  möchten  gern  zu  Bette  gehn, 

Und  müssen  noch  zu  Nacht  erst  essen. 

Wir  armen  Spittelleute, 

Was  haben  wir  zu  thunl 

Gottlob,  bald  endigt  sich  die  Notl 

So  denkt  man  wohl,  o  ja  —  mit  nichtenl 

Wir  müssen  nach  dem  Abendbrot 

Erst  unsre  Andacht  noch  verrichten. 

Wir  armen  Spittelleute, 

Was  haben  wir  zu  thunl 

Nun  ist  es  doch  zum  Ausruhn  Zeitl 

O  neinl  wir  dürfen  noch  nicht  schlafen; 

Der  Spittelmeister  lärmt  und  schreit: 

Erst  reinigt  Teiler,  Krug  und  Hafen! 

Hcinr.  Hoffmann  tob  Fallersleben. 


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■ 


Mahnung. 

icht  wie  der  Tor,  den  man  weise  genannt, 
Birg  in  der  Tonne 
Dich  vor  der  Welt : 
Lassv  von  der  Sonne 
Das  Herz  dir  bescheinen, 
Bleibe  den  Reinen 
Fröhlich  gesellt! 

Schöpf  aus  des  Lebens  ureigenstem  Quell 

Reichlicher  Lehren 

Frischesten  Trank; 

Denn  die  Chimären, 

Die  schwächlichen  Grillen, 

Lähmen  den  Willen, 

Machen  dich  krank. 

Weisst  du,  was  auch  noch  im  Alter  dir  hilft, 

Hilft  zu  der  Jugend 

Feurigem  Schwung? 

Übe  die  Tugend 

Des  Liebens  im  Busen 

Und  an  den  Musen 

Küsse  dich  jung! 

Justus  Frey. 
(1799  1878; 

Seladons  Rrmut, 

(Gekürzt.) 

Plora,  meines  Lebens  Leben, 

Sieh  doch  nicht  auf  Glanz  und  Pracht, 
Deren  keines  mir  gegeben, 
Deren  Lob  bei  mir  verlacht: 
Mir  geliebt  ein  treuer  Sinn 
Und  was  ich  wohl  selber  bin. 

Trag  ich  schon  nicht  neue  Kleider, 
Ei,  so  mahnet  mich  auch  nicht 
Weder  Schuster,  weder  Schneider, 
Wie  wohl  manchem  oft  geschieht: 
Hab  ich  keinen  guten  Hut, 
So  ist  das  darunter  gut) 

Georg  Greilinger, 
(t  1677.) 

136 


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Wenn  die  Vöglein  sich  gepaart. 

enn  die  Vöglein  sich  gepaart, 
Dürfen  sie  gleich  nisten, 
Ohne  Sorg',  auf  welche  Art 
Sie  sich  werden  fristen. 

Ach,  dass  auch  der  Menschen  zwei 
Also  könnten  wohnen 
Wie  die  Vöglein  frank  und  frei 
In  den  Laubeskronen  1 

Brauchte  mit  der  Liebsten  ja 
Nur  ein  kleines  Nestchen, 
Doch  kein  Nahrungszweig  ist  nah, 
Der  mir  böt  ein  Aestchen. 

Fr.  RUckert 


Die  Ehre  hüte  allezeit! 

(Aus  dem  Mittelhochdeutschen  übersetzt  von 

J.  Leusser.) 

j^ie  Ehre  hüte  allezeit  ! 

Die  Armut  lässt  sich  wenden; 
Doch  wer  verlor  der  Ehre  Kleid, 
Dem  kann  man's  nimmer  spenden. 

Mag  er  sich  müh'n  mit  aller  Kraft, 
Sie  wird  ihm  nimmer  werden: 
Die  Ehre  und  die  Jungfernschaft 
Blüh'n  einmal  nur  auf  Erden. 

(Von  einem  unbekannten  Minnesänger.) 


Lied  eines  fahrenden  Schülers. 

£Jerr  Schmied,  Herr  Schmied,  beschlagt  mir  mein  Rössletn, 
Und  habt  nVs  beschlagen,  so  macht  mir  ein  Schlösslein, 
Ein  Schlösslein  so  fest  und  ein  Schlösslein  so  fein, 
Und  muss  bei  dem  Schlösslein  ein  Schlüssel  auch  sein. 

]» 

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Das  Schlösslein,  das  will  ich  vor*s  Herze  mir  legen, 
Und  habJ  ich's  verschlossen  mit  Kreuz  und  mit  Segen, 
So  werf  in  den  See  ich  den  Schlüssel  hinein, 
Darf  nimmer  ein  Wort  mehr  heraus  noch  herein. 

Denn  wer  eine  selige  Liebe  will  tragen, 
Der  darf  es  den  alten  Jungfern  nicht  sagen: 
Die  Dornen,  die  Disteln,  die  stechen  gar  sehr, 
Doch  stechen  die  Altjungfernzungen  noch  mehr. 

Sie  tragen* s  zur  Bas'  hin  und  zur  Frau  Gevattern, 
Bis  dass  es  die  Gans'  auf  dem  Markte  beschnattern, 
Bis  dass  es  der  Entrich  bered't  auf  dem  See, 
Und  der  Kukuk  im  Walde,  und  das  thut  doch  weh. 

Und  war  ich  der  Herrgott,  so  liess  ich  auf  Erden 
Zu  Domen  und  Disteln  die  Klatschzungen  werden; 
Da  fräss'  sie  der  Esel  und  hatr's  keine  Not, 
Und  weinte  mein  Schatz  sich  die  Augen  nicht  rot« 

Emanucl  Gcib«L 

Krähenlied, 

j^rei  Krähen  fliegen  übers  Feld  — 
Sie  kreischen,  dass  es  weithin  gellt: 

Kra  —  kra  —  kral 
Mit  seinem  Schätzchen  lieb  und  traut 
Sitzt  wohlig  sich's  im  Heidekraut, 
Der  Himmel  ist  uns  nah  — 

Kra  —  kra  —  kral 

* 

Drei  Krähen  fliegen  übers  Feld  — 
Was  kümmert  uns  die  ganze  Welt? 

Kra  —  kra  —  kral 
Wenn  das,  o  Kind,  die  Mutter  wüssr*, 
Dass  du  den  Burschen  hast  geküsst, 
Als  er  ins  Aug*  dir  sah.  — 

Kra  —  kra  —  kral 

Drei  Krähen  fliegen  übers  Feld, 
Die  Liebe  selten  Treue  hält  — 

Kra  —  kra  —  kral 
Die  eine  sprach:  Hier  ist  der  Ort; 
Die  zweite  rief:  Der  Bursch  ist  fort; 
Die  dritte  machte:  kra  — 

Gevatter  Storch  ist  dal 

Richard  Zoozmann. 

IC 

127 


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Brennende  Liebe. 


J^u  braune  Schöne,  deren  Haut 

Von  Tropenglut  geröstet, 
Wie  viel  hab'  ich  dir  anvertraut, 
Wie  hast  du  mich  getröstet  1 
Wenn  ich  dir  heimlich  —  sel'ge  Stund1 1 
Den  Gürtel  abgerissen, 
Wie  hingst  du  heiss  an  meinem  Mund 
Zu  schweigendem  Geniessen. 

Wie  weich  und  warm  dein  Atem  flog  .  . 
Dein  Wuchs  schlank,  ohne  Fehle  •  .  • 
Mit  nie  gestilltem  Durste  sog 
Ich  mich  in  deine  Seele. 
Ein  Duft  des  braunen  Körpers  schlich 
Sich  schmeichelnd  durch  die  Räume; 
Auf  weissen  Wölkchen  wiegte  sich 
Der  Genius  meiner  Traume. 

Nun  hat  der  Feinde  blutig  Heer 

Die  Heimat  dir  genommen, 

Und  du  wirst  nimmer  übers  Meer 

Zu  deinem  Freunde  kommen. 

Der  Traum  von  manchem  Dämmertag 

Liegt  kalt  und  grau  in  Asche, 

Und  nur  dein  schlechtes  Abbild  trag 

Ich  seufzend  in  der  Tasche. 

Ach,  schilt  mir  nicht  die  Unmoral, 
Wenn  laut  mein  Schmerz  verkündigt, 
Wie  wir  zwei  Beide  manchesmal 
Im  Kämmerlein  gesündigt, 
Wie  oft  ich  vorzog  deine  Näh' 
Dem  Nektar  selbst  und  Manna, 
Du  schlanke,  braune  —  Henry  Clay, 
Du  Tochter  der  Havannal 

Rudolf  PresUet 


TT 


128 


Digitiz 


Die  Vielgeliebte 


feiner  Vielgeliebten  gleich 

Ist  kein  Madchen  in  dem  Reich; 
Eine  bessre  Beute 

Macht  kein  Fürst;  drum  trag  ich  sie 
Auf  den  Händen,  lasse  nie 
Sie  von  meiner  Seite. 

Früh,  eh  noch  der  Morgen  graut, 
Hängt  die  Liebliche  vertraut 
Schon  an  meinem  Munde; 
O  wie  brennt  sie  heiss  für  mich! 
Wer  ist  froher  dann  als  ich 
Auf  dem  Erdenrunde? 

Dieses  süsse  Lippenspiel 
Wird  mir  nimmermehr  zu  viel; 
Und  in  langen  Zügen 
Schlürf  ich  gierig  manche  Stund* 
Aus  dem  schön  geformten  Mund 
Labung  und  Vergnügen. 

Manches  Silberkettchen  wand 
Meine  pflegerische  Hand, 
Manches  Band  von  Seiden 
Um  den  schönen  Hals;  es  muss, 
Wer  sie  sieht,  mir  den  Genuss 
Dieser  Holden  neiden. 

Schwirrt  der  Sorgen  düstrer  Schwann 
Mir  vor  Augen,  drückt  der  Harm 
Meine  Seele  nieder: 
O  dann  fühl1  ich  ihren  Wert; 
Denn  aus  ihrem  Munde  kehrt 
Ruh  und  Friede  wieder. 

Abends  bei  dem  Mondenschein 
Lieg1  ich  oft  mit  ihr  allein 
Hingestreckt  im  Grase; 
Manches  Mädchen,  jung  und  schön, 
Rümpft  dann  im  Vorübergehn 
lieber  sie  die  Nase. 


- 


129 


Mancher  reiche  Muselmann 
Schafft  sich  deren  viele  an, 
Liebt  sie  alle  treue. 
Wird  von  einer  heut  beseelt, 
Und  am  andern  Morgen  wählt 
Er  sich  eine  neue. 

Lass,  o  Schicksal,  sie  mir  nur! 
Sie  ist  mir  von  der  Natur 
Eine  süsse  Gabe. 
Feste,  Gunst  der  grossen  Herr'n, 
Tanz  und  Spiel  verlass  ich  gern, 
Wenn  ich  sie  nur  habe. 

Wenn  man  schmählich  von  ihr  spricht, 
Thu  ich,  als  bemerkt'  ich's  nicht, 
Ob  ich's  gleich  begreife; 
Mag  sie  auch  verschmähet  sein, 
Sie  bleibt  dennoch  immer  mein:  — 
Meine  Tabakspfeifet 

Von  einem  Ungenannten  (Ende  d.  18.  Jahrb.). 


rossmutter  rühr  zum  Schlot  hinaus; 


Wie  spornte  6ie  ihren  Besen! 
Nun  treibt  allein  im  dunkeln  Haus 
Das  schlimmere  Hexlein  sein  Wesen. 
Sie  sitzt  an  des  Herdes  züngelnder  Glut 
Und  plaudert  mit  ihren  Raben, 
In  goldiger  Ringellocken  Flut 
Das  Rosengesicht  vergraben. 

Dem  Büttel  hat  sie  es  angetban, 

Den  Richter  hat  sie  gefangen, 

Behext  den  Küster  und  den  Kaplan; 

Nun  trägt  sie  nach  mir  Verlangen. 

O  Mädel,  lass  ab;  ich  rate  dir  gut, 

Lass  ab,  mich  zu  bethören; 

Sonst  brech  ich  den  lachenden  Uebermut; 

Auch  ich  kann  Zauber  beschwören. 


Die  Hexe. 


130 


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Ich  kenne  Sprüche,  davon  dein  Herz 

In  seinen  Tiefen  sich  wendet, 

Davon,  was  du  begonnen  im  Scherz, 

In  bitf  ren  Schmerzen  sich  endet 

Ich  weiss  Gesänge,  deren  Kraft 

Wirft  dich  zu  meinen  Füssen; 

Dann  musst  du  mit  Thränen  der  Leidenschaft 

Das  Lächeln  der  Lüge  büssen. 

A.  Fitger« 

- 

Gustchen. 

Jch  schwör*  cuVs,  Herzenskönigin, 

Bei  meinem  Bart, 
Dass  durch  und  durch  ich  Kenner  bin 

Von  seltner  Art 

Nicht  ohne  trift'ge  Gründe  schneid* 

Ich  dir  die  Cour, 
Denn  manche  schöne  Einzelheit 

Gab  dir  Natur. 

Vor  deinem  Wuchs  und  Augenpaar 

Macht  jeder  Front, 
Und  was  betrifft  dein  Rabenhaar, 

So  ist  es  blond. 

Doch  was  besonders  mich  entzückt 

Gar  wunderbar, 
Das  ist:  Mit  Grübchen  ist  geschmückt 

Dein  Wangenpaar. 

Nun  bitt*  ich  dich,  wenn  dies  ich  mir 

Erlauben  darf: 
Mit  diesen  Grübchen  kokettier* 

Nicht  gar  so  scharf! 

Schon  manches  Mädchen  hat's  erlebt 

Zu  grosser  Pein: 
Wer  andern  solche  Grübchen  gräbt, 

Fällt  selbst  hinein! 

Tulius  Stetten  heim. 

ff 

4 

131 


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Hering  und  Rüster. 

2  in  Hering  liebt*  eine  Auster 

Im  kühlen  Meeresgrund, 
Es  war  sein  Dichten  und  Trachten 
Ein  Kuss  von  ihrem  Mund. 

Die  Auster,  die  war  spröde, 
Sie  blieb  in  ihrem  Haus; 
Ob  der  Hering  sang  und  seufzte: 
Sie  schaute  nicht  heraus. 

Nur  eines  Tags  erschloss  sich 
Ihr  duftig  Schalenpaar, 
Sie  wollt*  im  Meeresspiegel 
Beschau'n  ihr  Antlitz  klar. 

Der  Hering  kam  geschwommen, 
Steckt*  seinen  Kopf  herein, 
Und  dacht1:  an  einem  Kusse 
In  Ehren  sich  zu  freu'n. 

O  Harting,  armer  Harung, 
Wie  schwer  bist  du  blamiert;  — 
Sie  schloss  in  Wut  die  Schalen, 
Da  war  er  guillotiniert. 

Jetzt  schwamm  sein  toter  Leichnam 
Wehmütig  im  grünen  Meer 
Und  dacht:  »In  meinem  Leben 
Lieb1  ich  keine  Auster  mehrlc 

J.  V.  ▼«  Schafft!. 

Im  Vorübergehn. 

ßs  hing  eine  Blüte  am  Baum, 

So  lose,  so  leise  1 
Es  kam  der  Wind  und  streifte  sie  kaum 
Und  nahm  sie  mit  auf  die  Reise. 

Dir  hing  ein  Kuss  am  Mund, 
Ich  nahm  ihn  vermessen. 
Er  wurzelte  in  keinem  Grund, 
Wirst  ihn  wie  ich  vergessen  I 

Em  il  Claar 

132 


Wie  lieb'  ich  es,  wenn  ich  im  Wagen. 


ie  lieb'  ich  es,  wenn  ich  im  Wagen 
Allein,  ihr  Halstuch  umgeschlagen, 
Im  Mund  die  glimmende  Zigarre, 
Auf  meine  späte  Freundin  harre. 

Es  träumt  sich  hübsch  in  diesen  Kissen, 
Die  auch  von  ihren  Träumen  wissen, 
Hübsch  schaukelt's  sich  auf  diesen  Federn, 
In  Seidenpolstern,  Juchtenledern. 

Zuweilen  weht,  vom  Wind  getragen, 
Musik  herunter  in  den  Wagen, 
Zuweilen  hau'n  der  Rappen  Hufe 
Auf  des  Palastes  breite  Stufe. 

Und  wenn  sie  kommt,  schon  auf  der  Treppe 
Erkenn'  ich  an  der  Hast  die  Schleppe, 
Die  Stimme,  die,  noch  fern  der  Schwelle, 
Wegschickt  der  Fackeln  falsche  Helle. 

Den  Tritt  herab!  Mit  einem  Satze 
Mir  an  den  Hals,  die  Tigerkatze! 
Den  Mantel  fort!  Mit  süssem  Zwange 
Mir  um  den  Leib,  die  Königsschlange. 

Wie  glüh'n  vom  Tanz  ihr  Stirn  und  Backen, 
Wie  marmorähnlich  perlt  ihr  Nacken, 
Wie  fliegt  ihr  Atem,  wie  im  Dunkeln 
Die  weissen  Augen  auf  mir  funkeln! 

So  durch  der  Strassen  lichte  Zeile 
Hinauf,  hinab  mit  Windeseile, 
So  in  die  Nacht,  die  mondenhelle, 
Hinein,  hinaus  mit  Zauberschnelle! 

Wahrhaftig,  mir  ist  oft  zu  Sinn, 
Als  führ'  ich  durch  ein  Märchen  hin; 
Sie  selbst,  in  Tränen  und  in  Scherzen, 
Liegt  mir,  ein  Rätsel,  auf  dem  Herzen. 

Frau*  ▼  Dittelstedt. 


133 

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Der  Herr  von  Ueberall. 

bist  der  Herr  von  Ueberall, 
Wo  Lichterglanz  zu  schauen, 

Bei  jedem  Fest,  auf  jedem  Ball, 

Im  Hause  schöner  Frauen. 

Das  ist  der  Titel,  reich  an  Hohn, 
Den  mir  die  Leute  schenken; 
Doch  Menschenkenner  dürften  schon 
Gerechter  mein  gedenken. 

Du  bist  der  Herr  von  Nirgendrast, 
So  mfissten  sie  wohl  sagen 
Zu  mir,  dem  ruhelosen  Gast, 
Dem's  nirgends  will  behagen; 

Der  ewig  zwischen  Jagd  und  Flucht 
Im  Sonnenschein  des  Lebens 
Nach  einer  einz'gen  Freude  sucht  — 
Und  immerfort  vergebens  1 

s.  FritJ. 


Abgeblitzt. 

as  Weiblein  spricht  in  Gnaden: 
»Vielliebes  Männchen  du, 
Ach,  kauf  mir  dort  im  Laden 
Die  süssen,  kleinen  Schuh'! 

Mit  blitzenden  Agraffen, 
Höchst  elegant  im  Bau, 
Sind  sie  so  recht  geschaffen 
Für  deine  kleine  Fraul«  — 

Da  lacht  der  Mann  verfänglich: 
»Bei  deiner  Schneiderin 
Die  Rechnung  war  sehr  länglich; 
Da  schmilzt  das  Geld  dahin  1 

Weshalb  denn  viel  verschwenden 
Für  solche  lütje  Fru? 
Ich  trag*  sie  auf  den  Händen, 
Drum  braucht  sie  keine  SchuhU 

Heiur.  Schäffcr. 

154 


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Soldaten  kommen. 

^Jörner  und  Pfeifen  hab'  ich  vernommen,  — 
Mutter,  nimms  Brod  weg,  Soldaten  kommen! 
Frieden  und  Ruh  verscheucht  ihre  Näh', 
Bringt  unserm  Städtchen  nur  Ach  und  Weh. 
Schlugen  die  Feinde  sie  unaufhaltsam, 
Sind  sie  auch  gegen  die  Freunde  gewaltsam, 
Denken,  alles  rings  auf  der  Welt 
Wäre  ihr  eigen,  wenn's  ihnen  gefällt. 

Hörner  und  Pfeifen  hab'  ich  vernommen,  — 
Mädel,  nimms  Herz  weg,  Soldaten  kommen! 
Gehen  so  stolz  in  der  Waffen  Schmuck, 
Werben  mit  Kuss  und  mit  Händedruck; 
Wissen  zu  rühren  und  zu  verführen, 
Schmeicheln  mit  tausend  Liebesschwüren. 
Weh*  dir,  wenn  du  dem  Schmeichler  getraut, 
Wirst  du  sein  Schatz,  aber  nie  seine  Braut. 

Hörner  und  Pfeifen  hab*  ich  vernommen,  — 
Fort  mit  den  Jungen,  Soldaten  kommen  I 
Schauen  die  Alten  schon  freudig  darein, 
Ach,  unsre  Jungen  verlocket  der  Schein! 
Seht,  wie  sie  laufen  und  wie  sie  gaffen, 
Wie  sie  sich  freu'n  an  den  blitzenden  Waffen! 
Mädel,  dein  Bräutigam,  Mutter,  dein  Sohn, 
Mit  den  Soldaten  zieht  er  davon. 


/ju  Oldenburg  im  Tor, 

Da  steh  ich  auf  der  Wacht. 
Schau  rechts  und  links  und  vor 
Und  hab'  auf  alles  acht. 

Major  und  Kommandant 
Und  Hauptmann  noch  viel  mehr 
Sind  mir  von  fern  bekannt; 
Schnell  greif*  ich  ans  Gewehr. 

Und  kommt  mit  Saus  und  Braus 
Der  Grossherzog  heran, 
So  schrei  ich  gleich:  Heraus! 
Und  zieh  die  Flinte  an. 


Alexis  Aar. 


Selbstbeherrschung. 


135 


Gern  rief  ich,  geht  mein  Schatz 
Vorüber,  auch:  Heraus I 
Sie  spitzt  den  Mund  zum  Schmatz; 
Ich  —  schaue  grade  aus. 

Sie  knüpft  am  Schuh  das  Band 
Und  tut  nicht  sehr  pressiert; 
Ich  —  rühre  nicht  die  Hand: 
Mein  Herz  nur  präsentiert. 

Karl  Aug.  Mayer. 


Der  Ichthyosaurus. 

2»s  rauscht  in  den  Schachtelhalmen, 

Verdächtig  leuchtet  das  Meer, 
Da  schwimmt  mit  Thränen  im  Auge 
Ein  Ichthyosaurus  daher. 

Ihn  jammert  der  Zeiten  Verderbnis, 
Denn  ein  sehr  bedenklicher  Ton 
War  neuerlich  eingerissen 
In  der  Lias-Formation. 

»Der  Plesiosaurus,  der  alte, 

Er  jubelt  in  Saus  und  Braus, 

Der  Pterodactylus  selber 

Flog  neulieb  betrunken  nach  Haus 

»Der  Iguanodon,  der  Lümmel, 
Wird  frecher  zu  jeglicher  Frist, 
Schon  hat  er  am  hellen  Tage 
Die  Ichthyosaura  geküsst. 

»Mir  ahnt  eine  Weltkatastrophe  j 
So  kann  es  ja  länger  nicht  gehnl 
Was  soll  aus  dem  Lias  noch  werden, 
Wenn  solche  Dinge  geschehn?« 

So  klagte  der  Ichthyosaurus, 

Da  ward  es  ihm  kreidig  zu  Mut; 

Sein  letzter  Seufzer  verhallte 

Im  Qualmen  und  Zischen  der  Flut. 


Digitiz 


Es  starb  zu  derselbigen  Stunde 
Die  ganze  Saurierei  — 
Sie  kamen  zu  tief  in  die  Kreide, 
Da  war  es  natürlich  vorbei. 

Und  der  uns  hat  gesungen 
Dies  petrefactische  Lied, 
Der  fand's  als  fossiles  Albumblatt 
Auf  einem  Koprolith. 

Victor  t.  Sch«ffeL 


Studententraum. 

£V^ir  träumt',  ich  harr*  einen  Onkel 

In  Süd-Amerika, 
Der  wäre  als  reicher  Kaufherr 
Gestorben  am  Podagra. 

Auf  seinem  Totenbette, 

Da  hätr1  er  röchelnd  gesagt: 

»Ihr  Herren,  's  ist  alles  eitel, 

Darum  man  sich  schindet  und  plagt. 

»Ich  habe  Millionen  gesammelt 
Und  muss  nun  doch  hinweg; 
So  will  ich  mein  Geld  denn  vermachen 
Für  einen  milden  Zweck! 

»Ich  hab1  einen  lieben  Neffen 
Im  durstigen  deutschen  Land: 
Dem  sei  mein  grosses  Vermögen 
Grossmütiglich  zugewandte 

Doch  härt*  er  eine  Klausel 
Voll  frommen  Sinns  erdacht: 
Ich  müsste  das  Geld  verzechen 
In  einer  einzigen  Nacht. 

Mit  glühend  durstiger  Kehle 
Wacht1  ich  vom  Schlummer  auf: 
Ach,  lebtest  du,  guter  Onkel, 
Und  stürbst  auch  gleich  darauf! 

Ataris  Aar. 


137 


Das  Krokodil  zu  Singapur. 

Jm  heil' gen  Teich  zu  Singapur 

Da  liegt  ein  altes  Krokodil 
Von  äusserst  grämlicher  Natur 
Und  kaut  an  einem  Lotosstiel. 

Es  ist  ganz  alt  und  völlig  blind, 
Und  wenn  es  einmal  friert  des  Nachts, 
So  weint  es  wie  ein  kleines  Kind, 
Doch  wenn  ein  schöner  Tag  ist,  lacht* s. 

Hermana  Lingg . 

Bacchus. 

Jch  habe  den  Vater  der  Lieder, 

Den  freundlichen  Bacchus  gesehn. 
Steh!  rief  er  und  taumelte  nieder; 
Der  Wankende  konnte  nicht  stehn. 
Ich  reichf  ihm  die  helfenden  Hände: 
Ach,  aber,  wie  war  er  so  schwer! 
Ich  fiel,  und  da  sagt'  er,  er  fände, 
Ich  sei  noch  berauschter  als  er. 

Der  boshafte  Vater  der  Wahrheit 
Betrog  sich  für  diesmal  gewiss. 
Ich  sah  ja  mit  völliger  Klarheit, 
Dass  er  nur  zu  Boden  mich  riss. 
Doch,  um  ihn  nicht  Lügen  zu  strafen, 
Und  weil  er  sich  selten  betrügt: 
Bin  ich  gleich  gefallig  entschlafen,  — 
Und  eben  erwach  ich  vergnügt  1 

Johann«  Charlotte  Unzer. 
(1723—178«.) 

Das  Heilserum. 

(J^un  ist  besiegt  der  Menschheit  Leid! 
Ein  Serum  ward  geschaffen, 

Das  gegen  Spitz  und  Kater  feit, 

Unmöglich  macht  die  Affen. 

Es  ist  Bacili-Anti-Toxin 

Und  heisst  mit  Namen  »Katerlin.c 
O  jerum,  jerum,  jerum, 
Hoch  leb*  das  neue  Serum  t 

12« 


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Durch  Impfung  oder  Injection 

Ward  es  versucht  an  Tieren  

Triumphl    Beim  ersten  Male  schon 
Liess  Wirkung  sich  verspüren. 
Ein  älterer  Karnickelbock 
Trank  schadlos  20  Gläser  Grog. 

O  jerum,  jerum,  jerum. 

Welch  wunderbares  Serum. 

Und  ein  Kanarienvogel  trank 

Zehn  Flaschen  Assmannshäuser, 

Blieb  gänzlich  nüchtern  —  Gott  sei  Dank  — 

Und  sang  nicht  einmal  leiser. 

So  weit  war  er  noch  bei  Verstand, 

Dass  er  den  Heimweg  selber  fand. 
O  jerum,  jerum,  jerum  1 
Das  nennt  man  doch  ein  Serum! 

An  Menschen  ward  versucht  alsdann 
Der  neue  Heil-Artikel. 
Sich  selbst  bot  an  manch  durstfger  Mann 
Gern  als  Versuchs-Karnickel. 
Ein  Schreiberlein  getrunken  hat 
Den  ganzen  Biervorrat  der  Stadt 

O  jerum,  jerum,  jerum  1 

Hoch  leb'  das  neue  Serum! 

Ist  jetzt  geimpft  der  Ehemann, 
So  kann  ihm  nichts  passieren, 
Weil  nie  sein  Weib  taxieren  kann, 
Was  er  verknackt  an  Bieren. 
Kommt  er  nach  Hause  noch  so  spat, 
Sein  Schritt  bleibt  fest,  die  Haltung  grad\ 

O  jerum,  jerum,  jerum! 

Hoch  leb*  das  neue  Serum! 

» 

Wie  ist  jetzt  morgens  frisch  und  klar 
Der  brave  Forstverwalter, 
Und  beim  Termin  der  Referendar, 
Der  Postmann  auch  am  Schalter, 
Der  Lehrer  ist  verkatert  nie, 
Wie  sonst  gar  oft  am  Montag  früh. 

O  jerum,  jerum,  jerum! 

Heü  HeÜ  Heil  Heil  Heil-Serum! 

1*9 


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Was  ist  C4  Ht  0# 

In  schnapsgefüllter  Tonne, 

Was  ist  das  feurigste  Gewächs 

Aus  heisser  Tropensonne? 

Gott  Bacchus  kann  uns  nichts  mehr  thun. 

Trink,  Bruder,  trink,  wir  sind  immun  1 

O  jerum,  jerum,  jerumt 

Hoch  leb  das  neue  Serum  I 

Jonas. 

(Aus  «bor  alt-Mtrmch«  Keiliobr*.) 

Im  schwarzen  Walfisch  zu  Ascaion 

Da  trank  ein  Mann  drei  Tag, 
Bis  dass  er  steif  wie  ein  Besenstiel 
Am  Marmortische  lag. 

Im  schwarzen  Walfisch  zu  Ascaion 
Da  sprach  der  Wirt:  »Halt  anl 
Der  trinkt  von  meinem  Bactrer-Schnaps 
Mehr  als  er  zahlen  kann.« 

Im  schwarzen  Walfisch  zu  Ascaion 
Da  bracht*  der  Kellner  Schar 
In  Keilscüfift  auf  sechs  Ziegelstein'n 
Dem  Gast  die  Rechnung  dar. 

Im  schwarzen  Walfisch  zu  Ascaion 
Da  sprach  der  Gast:  »O  wehl 
Mein  bares  Geld  ging  alles  drauf 
lia  Lamm  zu  Ninivehl« 

Im  schwarzen  Walfisch  zu  Ascaion 
Da  schlug  die  Uhr  halb  vier, 
Da  warf  der  Hausknecht  aus  Nubierland 
Den  Fremden  vor  die  Thür. 

Im  schwarzen  Walfisch  zu  Ascaion 
Wird  kein  Prophet  geehrt, 
Und  wer  vergnügt  dort  leben  will, 
Zahlt  bar,  was  er  verzehrt 

Victor  t.  Schcffd 


Digitiz 


TANZLIEDER. 


Vom  Tanz. 

Er. 

Jch  hasse  das  müssig  verdriessliche  Sitzen, 
Und  liebe  das  Singen  und  Springen  zu  nutzen 
Für  meinen  Gewinn. 

Sie. 

Da  trinken  die  Männer  nach  ihrem  Belieben; 
Wir  wollen  im  Frühling  im  Tanzen  uns  üben 
Mit  fröhlichem  Sinn. 

Er. 

So  zieret  und  rühret  die  lieblichen  Saiten, 
Und  lebet  erfreulich  in  mailichen  Zeiten  1 
Die  Jugend  entflieht 

Sie. 

So  klinget  und  springet  mit  Lachen  und  Scherzen; 
Wir  folgen  zum  Tanze  den  künstlichen  Terzen, 
Mit  Willen  bemüht. 

Er. 

Lasst  schnarren  Guitarren,  und  Geigen  nicht  schweigen! 
Wir  wollen  den  Schönen  in  Tönen  bezeugen: 
Wir  beten  sie  an. 

Sie. 

Wir  hüpfen  und  schlüpfen,  wir  singen  und  springen, 
Wir  wollen  das  Drehen  wie  Feen  vollbringen. 
Uns  folge,  wer  kannl 

Johann  Wilhelm  von  Stubenberg. 
(1631-1688.) 

f 

Ml 


Digitiz 


Tanzliedchen. 


Qar  sehr  lieblich  kommt  der  Maien, 

Angethan  das  Blumenkleid, 
Weisse  Blüten  lasst  er  schneien; 
Eil  zum  lieben  und  zum  freien 
Ist  es  jetzt  die  schönste  Zeit 
Lasst  uns  drum  den  Reihen  schlingen 
Und  die  flinken  Füsse  schwingen, 
Lasst  mit  Singen 
Und  mit  Klingen 

Unsern  Gruss  dem  Lenze  bringen  1  — 
Reiche  die  Hand  nun  dem  Burschen,  mein  Kindchen, 
Kehr'  dich  nicht,  wehr*  dich  nicht,  zieh'  nicht  das 

Mündchen, 
Tanze  und  hüpfe  zur  mailichen  Zeitl 

Gar  sehr  lieblich  bist  du,  Kleine, 

Der  entgegentanzt  mein  Herz; 

Heb'  das  Röckchen,  denn  auf  deine 

Zartgeformten  schlanken  Beine 

Kannst  du  stolz  sein  allerwärts. 

Lass  mich  denn  mit  dir  mich  schwingen, 

Lass  die  kleinen  Füsschen  springen, 

Lass  mit  Singen 

Und  mit  Klingen 

Unsre  Lust  dem  Lenze  bringen. 
Reich'  mir  dein  Händchen,  du  niedliches  Kindchen, 
Lach'  mit  dem  roten,  dem  kirschroten  Mündchen, 
Komm1  an  die  Brust  mir,  und  komm'  an  mein  Herz! 

Gar  sehr  lieblich  ist's,  zu  Zweien 
In  der  blauen  Mondespracht 
Still  zu  freuen  sich  des  Maien, 
Wenn  die  Sternlein  ihren  Reihen 
Leuchtend  ziehen,  glutentfacht. 
Da  die  Sterne  nun  sich  schwingen, 
Sollst  du,  Liebchen,  nicht  mehr  springen, 
Sollst  mit  Singen 
Und  mit  Klingen 

Mir  dein  hüpfend  Herzchen  bringen. 
Reich'  mir  dein  Händchen,  du  reizendes  Kindchen, 
Reich  mir  dein  quellendes,  schwellendes  Mündchen  — 
O  du  vielglänzende,  lenzende  Nacht  l 

Rieh.  Zoozinann 

«r 

W2 


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Kirchweih  auf  dem  Dorf. 


J^s  mögen  die  gelehrten  Aefflein  klagen, 

Ich  sei  ein  Thor,  den  Liebesgrillen  plagen, 
Wohlan,  so  will  ich  meine  Thorheit  tragen 
Und  nichts  nach  aller  Aefflein  Weisheit  fragen. 
Fiedeldibum. 

Eis  mögen  überfromme  Weiblein  flennen 
Ob  meiner  Sünden,  zahllos,  nicht  zu  nennen 
Vor  keuschen  Ohren,  so  vor  Tugend  brennen: 
Niemals  seht  ihr  mich  in  den  Beichtstuhl  rennen. 
WäV  mir  zu  dumm! 

In  unbussfertiger  Thorheit  will  ich  leben 
Und  lachend  aller  Reue  mich  begeben: 
Nur  du  allein  sollst  mich  gen  Himmel  heben 
Und  um  den  Sünder  Gnadenschleier  weben 

In  seligem  Liebestanz. 

Mädele,  kumm!  Fiedeldibum. 

Michael  Georg  Conrad. 


Dideldum. 

ie  Geigen  spielen  dideldumdum, 
Dideldumdumdundeie, 
Die  Paare  drehen  im  Kreis  sich  um, 
Dideldumdumdundeie. 
Es  juchzt  der  Bursche,  es  lacht  die  Dirn1. 
Eia,  wie  lustig  ist  heut1  die  Kirml 
Dideldumdum,  dideldumdum, 
Dideldumdumdundeie. 

Die  Bursche  sind  stattliche  Leute  all, 

Dideldumdumdundeie, 

Den  Dirnen,  den  steht  das  Mieder  drall, 

Dideldumdumdundeie. 

Sie  halten  und  wiegen  sich  Arm  in  Arm, 

Sie  drücken  und  küssen  und  herzen  sich  warm. 

Dideldumdum,  dideldumdum, 

Dideldumdumdundeie. 

148 

Digiti. 


Und  rascher  geht  es  dideldumdum, 

Dideldumdumdundeie, 

Der  Wein,  der  geht  in  den  Köpfen  um, 

Dideldumdumdundeie« 

Ihr  Bursche  und  Dirnen  mit  jungem  Blut, 

Das  Tanzen  und  Küssen,  es  thut  nicht  gut 

Dideldumdum,  dideldumdum, 

Dideldumdumdundeie. 

Fricdr«  Hindersin. 


Der  Tanz. 

flatternde  Röcke  und  wogende  Brüste, 

Mühsam  verborgene  freche  Gelüste, 
In  den  Augen  ein  fiebernder  Glanz: 
Heissa  hurra,  das  ist  der  Tanz! 

Tolles  Gemenge  von  dampfenden  Leibern, 
Weiber  an  Männern,  Männer  an  Weibern, 
Röchelndes  Schnaufen,  süsses  Gestöhn', 
Bänder  und  Schleifen  winken  und  weh'n; 
Und  aus  dem  schweissbedeckten  Getriebe 
Schreit  es  so  grell  und  brünstig  nach  Liebe. 

Mitten  im  stampfenden,  brausenden  Tosen 
Aechzen  welke,  zertretene  Rosen 
Aus  dem  zerfetzten,  modrigen  Kranz. 
Heissa  hurra,  das  ist  der  Tanz! 

Leo  Heller. 


Rufforderung, 

fjörst  du  nicht  singen  sie,  fiedeln  und  schreien? 

Willst  du  nicht  springen  wie  ich  in  die  Reihen? 
O  du,  mein  Mädchen  schön,  lass  doch  dein  Rädchen  stehn, 
Lass  doch  dein  Fädchendrehn,  tanze  mit  mirl 


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Aufwärts  die  Reih*  geschwind,  abwärts  dann  munter 
Tanzen  wir  zwei,  mein  Kind,  auf  und  hinunter; 
Wenn  dann  ermatten  wir,  wirst  du  verstatten  mir, 
Dass  ich  im  Schatten  hier  ruhe  bei  dir. 

Dann  unterm  Fliederstrauch  raub'  ich,  mein  Schätzend. 
Straubst  du  dich  schüchtern  auch,  sicher  ein  Schmätzchc  u. 
Doch  ohne  Fährlichkeit,  fern  von  Begehrlichkeit, 
Alles  mit  Ehrlichkeit,  wie  sich's  gebührt. 

Lebrecht  Dreves 

Tanzlied. 

p^linget  der  Flöten  süsser  Klang 

Hell  durch  die  Abendkühle, 
Schwinget  sich  rasch  das  Thal  entlang 

Lustiges  Tanzge  wühle: 
Eine  nur  ist's  von  allen  hier, 

Welche  mein  Herz  kann  rühren, 
Meine  nur  ist's  1  sie  winket  mir, 

Rasch  sie  zum  Tanz  zu  führen! 

Heftiger  wirbeln  der  Schalmei'n 

Schmetternde  Jubellieder, 
Kräftiger  schliesst  mein  Arm  sie  ein, 

Fest  um  das  volle  Mieder! 
Sprühende  Blicke  locken,  droh'n, 

Suchen  zugleich  und  meiden, 
Glühende  Küsse  schweben  schon 

Heiss  um  den  Mund  uns  Beiden. 

Flimmernde  Aeuglein,  süss  und  weh, 

Brennet  mich  fast  zu  Kohlen! 
Schimmernde  Brüstlein,  weiss  wie  Schnee, 

Habt  mir  das  Herz  gestohlen! 
Prächtiger  strahlt  die  Sonne  nicht 

Hoch  an  dem  Himmelsbogen, 
Mächtiger  hat  des  Mondes  Licht 

Nimmer  mich  angezogen! 

Staunende  Blicke  rings  im  Kreis! 

Jünglinge  schauen  lüstern, 
Raunende  Dirnen,  laut  und  leis', 

Horch,  wie  sie  stehen  und  flüstern  I 


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Fasse  du  fest  und  halte  mich, 
Zärtlicher  mich  umschlungen, 

Lasse  die  Wehl  was  kümmern  dich 
Neidische  Lästerzungen? 

Siehe,  hier  hält  uns,  plötzlich  hier 
Hält  uns  der  Wald  umfangen: 

Fliehe  mir  nicht!    Nicht  wehre  mir 
Busen  und  Mund  und  Wangen! 

Ferne  nur  hör*  ich  durch  die  Nacht 
Leise  Musik  noch  hallen, 

Sterne  nur  über  uns  und  sacht 

Girrende  Nachtigallen! 

IL  K.  Pruts. 

Tanzlied. 

^)es  Goldbauern  Hiesel, 

Dem  ging  es  recht  schlecht, 
Er  liebte  die  Liesel, 
Die  Liesel  den  Knecht. 

Des  Goldbauern  Hiesel 
Hatr*  Thaler,  die  echt; 
Er  gab  sie  der  Liesel, 
Sie  gab  sie  dem  Knecht 

Des  Goldbauern  Hiesel 
Sagt,  dass  er  sie  möcht'; 
Da  lachte  die  Liesel 
Und  küsste  den  Knecht 

Des  Goldbauern  Hiesel 
Hat  alles  verzecht, 
Da  Hess  ihn  die  Liesel 
Und  ging  zu  dem  Knecht 

Des  Goldbauern  Hiesel 
Ward  dennoch  gerächt; 
So  wie  ihn  die  Liesel, 
Verriet  sie  der  Knecht 

Hcinr.  Leuthold. 

146 


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Dörpertanzweise. 

en  Finken  des  Waldes 
Die  Nachtigall  ruft: 
Vom  Geigenstrich  hallt  es 
Goldrein  durch  die  Luft. 
Ihr  Zwitschrer,  ihr  Schreier, 
Spart  nur  den  Diskant, 
Der  Heini  von  Steyer 
Ist  wieder  im  Land. 

Flickschuster  in  Gaden 
Schwingt's  Käppiein  und  spricht: 
Der  Himmel  in  Gnaden 
Vergiss  unsrer  nicht. 
Sohlleder  wird  teuer, 
Bundschuh  platzt  am  Rand, 
Der  Heini  von  Steyer 
Ist  wieder  im  Land. 

Schon  schwirren  zur  Linde, 
Berückt  und  entzuckt, 
Die  lieblichen  Kinder 
Mit  Kränzen  geschmückt 
Wo  säumen  die  Freier, 
Manch  Herz  steht  im  Brand, 
Der  Heini  etc. 

Der  aber  hebt  schweigend 
Die  Fiedel  zur  Brust, 
Halb  brütend,  halb  geigend 
Des  Volks  unbewusst. 
Leis  knisternd  strömt  Feuer 
Um  Saiten  und  Hand, 
Der  Heini  etc. 

Im  Gärt  lein  der  Nonnen 
Auf  blumiger  Höh* 
Lehnt  eine  am  Bronnen 
Und  weint  in  den  Klee. 
O  Gürtel,  o  Schleier, 
O  schwarzes  Gewand, 
Der  Heini  etc. 

J.  V.  SchcffcL 

ja* 

147 

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Tanzlied. 


un  wind*  um  deine  Stirne 
Den  vollen  Rosenkranz  I 
Nun  schürz*  dich,  blanke  Dirne, 
Und  komm'  mit  mir  zum  Tanz! 

Der  Mond  grüsst  durch  die  Zweige, 
Die  Linde  schauert  sacht; 
Da  singt  und  klingt  die  Geige 
Hell  jauchzend  durch  die  Nacht. 

Da  springen  wir  den  Reihen 
In  lustig  -  tollem  Schritt: 
Es  hüpft  vor  Lust  uns  zweien 
Das  Herz  im  Takte  mit. 

Albert  Sergel. 


Galopp. 


§onder  Rasten 

In  das  Hasten! 
Alle  Lasten 
Wirf  beiseitl 
Bald  verronnen 
Ist  der  Bronnen 
Holder  Wonnen  — 
Brauch'  die  Zeit! 


Wie  sich 
Der  Minuten 
Tolle  Fluten 
Ohne  Ruh: 
Nach  den  Spenden, 
Die  sie  senden 
Deinen  Händen, 
Greife  zul 


Nicht  Besinnen 
Wird's  gewinnen; 
Rasch  Beginnen 
Führt's  hinaus  — 
Drum  in's  Jagen 
Ohne  Zagen 1 
Lass  dich  tragen 
Vom  Gebraus  1 

Friedrich  Adler. 


IT 


143 


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Bauerntanz. 


Hans  und  <3rei 

^Jacht  Platz  meinem  Schatz 

Und  mir,  ihr  LeutM 
's  ist  Kirmess  im  Dorf  und  Hochzeit  heut 
Da  kommen  die  Mädel  aus  ihren  Stub'n, 
Da  singen  und  springen  die  lustigen  Bub'n: 

Wille,  walle,  lustig  alle, 

Alle,  alle,  wille,  walle  l 

Macht  Platz  meinem  Schatz 
Und  mir,  ihr  LeutM 

Wir  zwei  sind  im  Dorf  die  ersten  heut! 
Mein  Schatz  ist  geputzt  wie  eine  Prinzess, 
Und  ich  hab'  den  Kopf  voll  lustiger  Späss': 

Wille,  walle,  lustig  alle, 

Alle,  alle,  wille,  walle  I 

Macht  Platz  meinem  Schatz 
Und  mir,  ihr  LeutM 

Uns  hat  unser  Liebsein  noch  niemals  gereut 
Wir  zwei  sind  wie  eins,  wie  eins  sind  wir  zwei, 
Und  der  Pfarrer  sagt  auch,  dass  es  richtig  so  sei: 

Wille,  walle,  lustig  alle, 

Alle,  alle,  wille,  walle! 

Macht  Platz  meinem  Schatz 
Und  mir,  ihr  LeutM 

Musikanten  spielt  auf!  's  ist  Kirmess  heut! 
Dem  schmucken  Gretel  sein  lustiger  Hans 
Will  tanzen  zuerst  einen  Extratanz: 

Wille,  walle,  lustig  alle, 

Alle,  alle,  wille,  wallet 

Macht  Platz  meinem  Schatz 
Und  mir,  ihr  Leur* ! 

's  ist  Kirmess  im  Dorf  und  Hochzeit  heut! 
Ihr  Mädel,  was  soll  das  Gered  und  Geschau? 
Die  Grer/  hat  'nen  Mann  und  der  Hans  eine  Frau: 

Wille,  walle,  lustig  alle, 

Alle,  alle,  wille,  walle! 

Theodor  Vulpinut. 


Reigen. 

§agt  mir  an,  was  schmunzelt  ihr? 

Schiebt  ihr's  auf  das  Kirmessbier, 
Dass  ich  so  vor  Freude  krähe 
Dnd  auf  einem  Bein  mich  drehe? 

Schurken  um  und  uml 

Kommt  die  schmucke  Binderin 
Euch  denn  garnicht  in  den  Sinn, 
Die  mich  wirft  mit  Haselnüssen 
Und  dann  schreit:  Ich  will  nicht  küssen! 
Nun  so  schert  euch  zum  •  .1 

Diesen  Strauss  und  diesen  Ring 
Schenkte  mir  das  kleine  Ding! 
Seht,  sie  horcht!  Komm1  her,  mein  Engel! 
Tanz'  einmal  mit  deinem  Bengell 
Dudeldidel  dum! 

Fiedler,  fiedelt  nicht  so  lahm; 
Wir  sind  Braut  und  Bräutigam  1 
Fiedelt  irisch;  ich  mach'  es  richtig! 
Und  bestreicht  den  Bogen  tüchtig 
Mit  Kalfonium! 

Polisch  muss  hübsch  lustig  geh'n, 
Dass  die  Röcße  hinten  weh'nl 
Wart1,  ich  werd1  euch  'mal  kuranzen! 
Meint  ihr,  Trödler:  Bären  tanzen 
Hier  am  Seil  herum? 

Heissa  lustig!  nun  kommt  her! 
Unten,  oben,  kreuz  und  quer, 
Lass  uns  Arm  in  Arm  verschränken 
Und  an  unsern  Brauttanz  denken  1 
Heissa!  rund  herum! 

Ha!  wie  schön  das  Hackbrett  summt, 
Und  der  alte  Brummbass  brummt! 
Ha!  wie  dreh'n  sich  rings  ohn'  Ende 
Hör1  und  Hauben,  Thür  und  Wände! 

Dudeldidel,  dudeldidel  dum! 

Dudeldidel  dum  dum  dum! 

Joh.  Heinr.  Vosa. 
(1751-1Ä2Ä.) 

150 


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paTIREN. 


Mesalliance. 


j^ie  war  ein  Mädchen  von  hohem  Stande, 

Den  Namen  will  ich  verschweigen. 
Tät  des  Sommers,  wo  es  chik  auf  dem  Lande, 
Im  Fasching  bei  Hofe  sich  zeigen; 
Doch  dort,  encouriert  von  Prinzen  und  Grafen, 
Empfand  sie  nur  Neigung  —  zum  Gähnen  und  Schlafen, 
Und  trug  sie  auch  stets  die  neueste  Mode, 
Sie  langweilte  sich  schier  dabei  zu  Tode. 
Die  einzige  Freude  in  ihrem  Leben 
Schien  die  zu  sein,  täglich  fünf  Körbe  zu  geben;  — 
Sogar  den  Mucki  hat  sie  verschmäht, 
Der  doch  „im  zweiten  Teill"  vom  fürstlichen  Gotha  steht! 

Da  kam  einmal,  wie  von  ungefähr, 

Ein  ganz  gewöhnlicher  Kerl  daher, 

„Ein  Dichterling"  oder  sonst  so  ein  —  Genie; 

Den  lernte  sie  kennen,  man  weiss  nicht  wie, 

Ich  glaube  gar,  auch  irgend  wo  auf  dem  Lande, 

Wo  er  Hauslehrer  war  bei  zwei  Rangen  vom  Stande. 

Der  hat  ganz  frech  sie  angelacht 

Und,  der  Teufel  weiss!  Hokuspokus  gemacht; 

Und  hat  ihr,  unf asslich!  den  Kopf  verdreht  — 

Obwohl  er  gar  nicht  einmal  im  Gotha  steht. 

Natürlich  bleibt  so  was  nicht  lange  verborgen; 

Die  ganze  Gesellschaft  von  Abend  zu  Morgen, 

Die  Anverwandten,  die  Eltern,  die  Tanten 

Rastlos,  ratlos  durcheinander  rannten. 

Herrgott!   War  das  eine  richtige  Rage 

Bei  der  hohen  und  höchsten  Cousinage! 

Bis  der  hohe  Familienrat  beschloss, 

Sie,  umgeben  vom  wachsamen  Tantentross, 

Recht  weit  von  jenem  —  jenem  Herrn 

In  ein  fernes  Familienschloss  zu  versperrn.  — 

Damit  ihr  die  dumme  Caprice  vergeht, 

Für  den  Kerl,  —  der  nicht  einmal  im  Gotha  steht. 

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„Es  doch  nicht  möglich lM  —  „Sie  kann  ihn  nicht  lieben!" 

„Wo  wäre  die  gute  Erziehung  geblieben!"  

Mit  weisen  Gesprächen  die  Anverwandten, 

Mit  Seufzen  und  Salbung  die  guten  Tanten, 

Mit  Seelen-Sanftmut  und  Herzensmilde 

Bemühte  sich  ängstlich  die  gütige  Gilde  —  — 

Und  preist  so  .  .  .  unmerklich  .  .  .  das  Klosterleben, 

Unter  sanften  Schwestern,  still,  gottergeben. 

„Für  die  Weit  leider  ist  sie  ja  doch  verloren.4* .  .  . 

„Man  muss  sich  ja  schämen  .  .  .  bis  über  die  Ohren  .  .  ." 

„Jedes  Kind  muss  doch  einseh'n,  dass  das  nicht  geht, 

Mit  dem  Kerl,  der  nicht  einmal  im  Gotha  steht!44 

Da  fand  eines  Tags  man  im  Schlosshofteiche 
Die  Komtesse  als  scheussliche  Wasserleiche. 
Da  war  erst  Entsetzen  und  Händeringen, 
Dann  —  musste  man  „seinen  Schmerz  bezwingen44, 
Vom  Teichschlamm  reinwaschen  das  Grafenkrönchen, 
Die  Presse  beschwichtigen  mit  einem  Milliönchen. 
War  ein  peinliches  Hin-  und  Widerhuschen  — 
Um  den  schrecklichen  Skandal  zu  vertuschen! 
Nur  Tante  Amalie,  die  ruhigste  der  Damen, 
Fasst  so  ihre  Impressionen  zusammen: 
„Unbegreiflich!  .  .  .  Dass  Eine  ins  Wasser  geht, 
Für  einen,  der  nicht  einmal  im  Gotha  steht!44 

Karl  Freiherr  von  Leveuow. 

Der  leere  Titel. 

(Gott.  Mus.  Alm.  f.  1793.) 

as  Kind  der  Finsternis  und  Nacht, 

Die  Dummheit,  ward  einst  aufgebracht, 
Dass  sie  auf  unsrer  Erde 
Längst  nicht  geschätzt  mehr  werde. 
Von  Räch'  und  Zorn  entbrannt 
Erstieg  sie  den  Olymp,  wo  sie  die  Götter 
An  hoher  Mittagstafel  fand. 

„O  Vater  Zeus,44  sprach  sie,  „sei  du  der  Unschuld  Retterl 
Ich  hab*  es  nicht  verdient,  dass  Stadt  und  Land 
Mich,  wie  bisher  gescheht,  verachtet  und  verkannt. 
Ganz  wider  Fug  und  Recht  lässt  man  auf  Assemblern 
Und  Gastereien  mich  stets  an  der  Türe  stehen. 
Gibt's  denn  kein  Mittel  mehr  auf  Erden 
Für  mich,  geehrt  und  angesehn  zu  werden?44 

152 


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„Die  Frage,"  sprach  der  Gott,  „ist  einer  Antwort  wert. 
Ihr  Götter  gebt  mir  Rat,  durch  welches  Mittel 
Wird  auf  der  Unterwelt  dies  Weib  geehrt?" 

Minerva  sprach:  „Das  beste  Mittel, 

0  Vater  Zeus,  ist  wohl  —  ein  leerer  Titel; 

Denn  heutzutage  will  durch  Schein 

Das  Publikum  getäuscht  stets  sein. 

Ein  Weiser  trägt  den  Stern  in  sich,  doch  diese  Fratze 

Wird  nur  bemerkt,  wenn  sie  ihn  zeigt  am  Latze." 


Ballade  vom  verkauften  Assessor. 


Am  Platze,  wo  Herr  Wolter  steht, 
Zur  Zeit,  da  schon  die  Kirschen  reifen, 
So  Mitte  Mai  —  und  abends  spät 

Die  grellen  Bogenlampen  strahlten, 
Fahlgelb  erschien  der  Mond  vor  Neid  — 

Die  Gäste  stunden  auf  und  zahlten, 
Dieweil  um  zehn  Uhr  Schlafenszeit 

Nur  einer  schnippelt  mit  dem  Messer 

An  seinem  Käse  noch  herum, 
Aus  Luckenwalde  ein  Assessor, 

Und  schaut  ins  Bierglas  stier  und  stumm« 

Und  ihm  zur  Seite  sitzt  die  Gattin  — 
Auch  aus  der  Gegend,  wie  es  scheint  — 

Erst  ehegestern  nämlich  natt*  ihn 
Des  Himmels  Segen  ihr  vereint 

Allein  kein  taubenhaft  Gebahren 
Zeugt  von  so  jungem  Ehebund  — 

Sie  sind  ja  Nacht  und  Tag  gefahren, 
Das  bringt  die  Stimmung  auf  den  Hund. 

Ihn  kann  man  etwas  üppig  finden, 

Ihr  mangelt  jeder  Fülle  Spur; 
Es  unterscheidet  vorn  und  hinten 

Nur  wenig  sich  in  der  Kontur. 

Die  Augen  grau,  der  Mund  gewöhnlich, 
Kinn  flüchtig  und  die  Nase  breit, 

Der  ganze  Stil  höchst  unpersönlich, 
Von  selbstbewusster  Nichtigkeit 


P.  F.  Weddigen. 


153 


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Dagegen  erl    Ein  Vollgermane, 
Noch  jeder  Zoll  ein  Corpsstudent, 

Der  unentwegt  hochhält  die  Fahne 
Des,  was  man  »höchste  Güter«  nennt. 

Ein  forscher  Kerl  mit  sieben  Schmissen, 
Und,  bis  aufs  Fettherz,  kerngesund, 

Der  trotz  enormen  Hindernissen 
Zwei  Staatsexamina  bestund  1 

Harmonisch  floss  bisher  sein  Leben, 

Wie  ein  Armeemarsch  stramm  dahin  .  •  « 

Nicht  jeder  Jüngling  sieht  so  eben 
Den  Weg  vor  sich  von  Anbeginn« 

Doch,  ach,  die  Existenz  hienieden 
Fast  nie  ganz  tadellos  verläuft  — 

Auch  des  Assessors  Seelenfrieden 
Ward  eines  Tages  jäh  ersäuft 

Sein  alter  Herr,  der  stets  solvente, 
Stiess  den  bewährten  Usus  um 

Und  reduziert/  des  Sohnes  Rente 
Urplötzlich  auf  ein  Minimum. 

Und  da  der  Staat  die  Assessoren 

Nicht  standesmässig  unterhält, 
Sah  unser  Freund  sich  wie  verloren 

In  dieser  rücksichtslosen  Welt. 

Welch  Ausweg  steht  dem  Manne  offen« 

Der  pekuniär  am  Rande  ist? 
Nur  von  der  Eh1  ist  was  zu  hoffen, 

Zumal  wenn  er  vom  Stande  ist 

So  rettete  der  Freund  auch  balde 
Mit  kühnem  Sprung  sich  in  die  Eh\ 

Ein  Fräulein  zart  aus  Luckenwalde 
Besass  das  grosse  Portemonnaie. 

Vereinigt  werden  Herz  und  Hände, 

Man  kann  wohl  sagen:  Vom  Fleck  weg, 

Des  Schwiegersohnes  Aussenstände 
Bereinigt  durch  des  Vaters  Check. 

Die  Sehnsucht  nach  dem  Süden  trieb  sie, 
Bis  Bozen  man,  wie  üblich,  fuhr; 

Postkarten  viel  mit  Ansicht  schrieb  sie, 
Er  kneipte  Bier  teils,  teils  Natur. 

IM 


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Er  saugt  an  seinem  Weichselrohre 

Und  auch  am  fünften  Glase  schon, 
Da  flüstert  sie  an  seinem  Ohre: 

»Nein,  Otto,  sieh  blos  die  Person  U 

Er  schaut,  —  dort,  wo  die  Schatten  dunkeln 

Um  einen  Oleanderstrauch, 
Sieht  er  vier  schwarze  Augen  funkeln, 

Vernimmt  ein  ruchlos  Kichern  auch« 

Ein  Mädel  vom  Ampezzothale, 

In  blütenweissem  Faltenhemd 
Und  schwarzem  Mieder,  auf  das  schmale 

Wieghüftlein  keck  die  Faust  gestemmt.  — 

So  kokettiert  die  kleine  Schlange 

Mit  einem  hübschen  Lieutenant, 
Der  streichelt  ihr  die  braune  Wange 

Und  löst  ihr  seidnes  Schürzenband 

Von  ihrer  Brust  dem  Schnurrbartträger 

Die  schönste  Rose  just  sie  reicht  .  .  . 
Wie  thut  ein  flotter  Kaiserjäger 

Sich  doch  bei  diesen  Mädeln  leicht! 

Assessor  Otto  starrt  erblassend, 

Wie  auf  ein  Schrecknis,  auf  dies  Paar, 
Und,  die  Cigarre  ausgehn  lassend, 

Fährt  er  sich  durch  das  Borstenhaar. 

War's  etwas  länger  nur  gewesen, 

Vor  Wut  bätr*  er  sich's  ausgerauft: 
Ein  Mann  zum  Höchsten  auserlesen  — 

Und  nun  um  schnödes  Geld  verkauft! 

Wie  duftete  die  blütenschwere, 

Die  südlich  süsse  Maiennacht! 
Um  ihn  nur  gähnt  die  öde  Leere  —  — 

Und  dies  ist  seine  Hochzeitsnacht! 

Man  muss  doch  seiner  Pflicht  genügen, 

Ihn  schaudert,  wenn  er  nur  dran  denkt! 
Vermutlich  wird  sie  Kinder  kriegen, 

Soviel  als  ihr  der  Himmel  schenkt! 

Das  werden  lauter  Sauertöpfe, 

Plattnasig  wie  die  Frau  Mama, 
Philister,  freudenarme  Tröpfe, 

Gleichwie  ihr  Krämer-Grosspapa! 

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.Indessen  auf  der  Ehrenleiter 

Steigt  er  empor  zur  Excellenz  — 

Und  sie  verknöchert  immer  weiter 
Mit  der  ihr  eignen  Konsequenz. 

Dafür  hat  man  sich  nun  geschunden, 

Dafür  biereifrig  stets  gestrebt! 
Die  roten  Adern  unterbunden  — 

Mit  zweiunddreissig  ausgelebt! 

War  man  zur  Herrlichkeit  geboren, 
Nicht  auch  wie  jener  Lieutenant? 

Zum  Rosenbrechen  nicht  erkoren? 
Den  Erdengöttern  nicht  verwandt? 

O  heil'ger  Brahma!  welch  Entzücken 
In  dieser  Wetechiands-Ueppigkeit 

Ein  süsses  Weib  ans  Herz  zu  drücken, 
Sei  sie  auch  nur  Bedienungsmaid  1 

Heiliger  Bimbam !  o  wie  wollt/  er  ...  • 
Da  zupft  die  Gattin  ihn  am  Rock. 

»Hier,  Otto!«  .  .  .  unterschreiben  sollt  er 
Der  Ansichtskarten  erstes  Schock. 

»Ach,  bitte,  schreib  nach  Posemuckel 
An  Tante  Jettchen  einen  Gruss  — 

Weisst  du  nicht  mehr?    Die  mit  dem  Buckel 
Und  mit  dem  etwas  kurzen  Fuss. 

Er  unterschreibt   Ein  blöd  Gethue. 

Sie  lächelt  dumm,  er  lacht  gequält  — 
Und  dann  begiebt  er  sich  zur  Ruhe 

Mit  ihr,  die  er  sich  auserwählt 

Era»t  von  Wol zogen. 


Wer  weiss. 

ie  Schwalben  sitzen  in  langen  Reihen 
Hoch  auf  dem  Telegraphendraht; 
Sie  zwitschern,  als  ob  sie  versammelt  seien 
Zu  einem  grossen  Familienrat.  — 

166 


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^Gefährlich  und  weit  ist  euere  keise, 
Der  Himmel  gebe  euch  Kraft  und  Mut! 
Doch  die  grösste  Gefahr,  ich  sag's  euch  leise, 
Die  droht  euch  von  dem  Damenhut 

Die  Frauen  sind  von  zartem  Gemüte, 
Auch  lieben  sie  die  Vögel  sehr, 
Wer  weiss,  ihr  feiert  als  Schmuck  der  Hüte 
Im  Frühling  eure  Wiederkehn« 


Zum  Vogelschutz. 

Jjasst  die  kleinen  Vögel  singen 

Und  sich  froh  zum  Himmel  schwingen, 
Lasst  sie  Nester  bau'n  und  brüten, 
Doch  vertreibt  sie  von  den  Hüten  1 

Schwer  bestraft  den  Vogelfanger, 
Der  uns  raubt  die  kleinen  Sänger; 
Wer  mit  Ruten  sie  und  Netzen 
Fängt,  verfalle  den  Gesetzen. 

Wer  den  Sängern  schafft  Bedrängnis, 
Fort  mit  ihm  in  das  Gefängnis  l 
Alles  andre  wird  nichts  nützen  — 
Strenger  Richter,  lass  ihn  sitzen  1 

Doch  was  soll  man  denen  sagen, 
Die  auf  Hüten  Vögel  tragen, 
Die,  zu  Lieb  der  argen  Mode, 
Schuldig  sind  an  ihrem  Tode? 

Was  soll  mit  der  Maid  geschehen, 
Die  mit  Vogelhut  wir  sehen, 
Die,  um  thöricht  sich  zu  schmücken, 
Uns  zerstört  das  Lenz- Entzücken  l 

Gegen  die  verkehrte  Sitte 
Hilft  nicht  Mahnung  oder  Bitte, 
Alles  andre  kann  nichts  nützen  — 
Deutscher  Jüngling,  lass  sie  sitzenl 

JohaanM  Trojan. 

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Die  Schlange. 

ie  sie  behäbig  im  Fauteuil  der  Loge 
Mit  halbgeschlossnen  Augenlidern  liegt 
Und  ihr  von  Sättigung  vergnügtes  Lächeln 
Durchs  Antlitz  fliegt  1 

Die  Schlange  ist  es  auf  der  Fächerpalme, 
Die  lange  um  ein  Opfer  ausgeschaut 
Und  eben  einen  Menschen  hat  verschlungen 
Und  nun  verdaut! 

H«m.  Gila. 

IT 


Börsen-Romantik. 

jfyjein  Liebster  ist  ein  Börsenmann 

Und  nennt  sich  Isidor; 
Wenn  er  es  irgend  machen  kann, 
So  kommt  er  bei  uns  vor. 

Er  liebt  mich  sehr,  doch  das  Geschäft 
Versäumt  er  nie  dabei. 
Ganz  sicher  an  der  Börse  trefft 
Ihr  ihn  von  eins  bis  zwei. 

Dort  mit  Effekten  handelt  er 
Und  handelt  schlau  und  kühn. 
Nie  hat  gefallen  mir  so  sehr 
Ein  Jüngling  in  Berlin. 

Sein  Name  ist,  so  viel  ich  weiss, 
Ein  Name  guten  Klangs. 
Mein  Liebster  gilt  im  Freundeskreis 
Als  Jobber  ersten  Rangs. 

Schön  ist  mein  Liebster,  selten  schön, 
Die  Nase  fein  gekrümmt. 
Auch  wenn  die  Kurse  niedrig  stehn, 
Erscheint  er  nicht  verstimmt 

Nein,  ob  das  Agio  steigt,  ob  fallt, 
Mich  liebt  er  immer  doch. 
Noch  hat  er  nicht  das  ganze  Geld, 
Allein  er  kriegt  es  noch. 


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Für  den  mein  Herz  beständig  schlägt, 
Wie  hab'  ich  ihn  so  gern! 
Hochfein  ist  alles,  was  er  trägt, 
Sein  Hut  stets  hochmodern. 

Und  was  er  denkt,  das  ist  so  hehr, 
Und  was  er  spricht,  so  süss. 
Zwar  ein  klein  wenig  lispelt  er, 
Doch  mir  gefallt  auch  dies. 

Noch  hat  er's  nicht  so  weit  gebracht, 
Dass  er  mich  könnte  frei'n; 
Doch  wenn  er  glücklich  Pleite  macht, 
Dann  soll  die  Hochzeit  sein. 

Johanne«  Trojan. 


Frage. 

£)ie  reiche  Frau  Kommerzienrätin  sass, 

Die  Lieblingskatze  auf  dem  Schoss,  und  las 
Und  kniff  dabei  ihr  Hänschen 
Etwas  zu  derb  ins  Schwänzchen. 
Das  Tier  versteht  nicht  Spass 
Und  kratzt  die  Herrin  ins  Gesicht, 
Die,  statt  zu  strafen,  freundlich  spricht: 
I,  pfui!  was  machst  du,  Kleine? 
Du  Schelm!  kennst  du  denn  deine 
Kommerzienrätin  nicht? 

Richard  Rooa. 

Letztes  Bedürfnis. 

Qewinner  des  grossen  Loses 
Urplötzlich  geworden  war 
Mein  Nachbar  Hersch  Amseln  Moses 
Und  sprach  zum  Antiquar: 

»Als  Mann  von  feinem  Tone 

Bin  ich  jetzt  wie  Rothschild  möbliert, 

Von  meinem  reichen  Saione 

Sind  Gott  und  die  Welt  enchantiert 

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Es  kümmen  gescheite  Leute 
Und  Künstlerbagage  zu  mir; 
Drum  senden  sie  mir  noch  heute 
Zwei  Centner  Litteratür!« 

Rad.  Job.  Hiwch. 

Die  göttliche  Liebe, 

^Jerr  Schmidt  hat  eine  Tochter, 

Herr  Muller  einen  Sohn, 
Herr  Fischer  stiftet  Ehen 
Für  mäss'ge  Provision. 

Herr  Müller  giebt  Zehntausend, 
Herr  Schmidt  das  Gleiche  nach* 
»Dürft*  ich's  wohl  arrangieren?« 
Herr  Fischer  eifrig  sprach. 

Herr  Müller  sagt*  am  Sonntag, 
Herr  Schmidt  am  Montag  Ja, 
Am  Dienstag  Muller  junior 
Die  Jungfer  Schmidt  besah. 

Am  Mittwoch  war  Verlobung; 
Herr  Fischer  bracht1  beim  Schmaus 
Aufs  Göttliche  der  Liebe 
Ein  Hoch  in  Versen  aus. 

S.  Frit«. 

fr 

■ 

Kommerzienrats  sind  in  der  Loge  . 

f^ommerzienrats  sind  in  der  Loge, 

Wie  Freitags  stets  um  sieben  Uhr. 
Vorn  auf  der  Bühne  lauscht  der  Doge 
Der  Desdemone  Liebesschwur. 
Sie  liebt  den  wilden  Mohrenknaben, 
Was  ihr  der  Rat  nicht  Übel  nimmt; 
Die  letzten  Kursberichte  haben 
Ihn  vor'm  Theater  mild  gestimmt. 

Die  Tochter  seufzt  mit  müder  Miene: 
»Ich  kann  das  Mädchen  nicht  versteh'n. 
»Ich  habe  jüngst  auf  and'rer  Bühne 
»Als  Romeo  den  Kainz  geseh'n. 


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»Ach,  das  war  die  von  Gott  geschürte, 
»Die  Leidenschaft  zur  Glut  entfacht. 
»Wie  mich  das  packte,  wie  mich's  rührte  — 
»Ich  hab'  geweint  die  halbe  Nacht!  € 

Der  Vater  legt  den  Operngucker 
Bedachtig  lächelnd  aus  der  Hand: 
»Mein  liebes  Kind,  ich  bin  kein  Mucker, 
»Doch  über  Alles  —  der  Verstand  1 
»Behüt1,  das  man  die  Kunst  verachtet; 
»Doch  ganz  entkleidet  des  Gedichts, 
»Der  Romeo  als  Mensch  betrachtet, 
»Er  ist  doch  nichts,  er  hat  doch  nicht?! 

»Er  lebt  wie  auf  dem  Feld  die  Lilie, 
»Hat  nicht  Geschäft  noch  Stand  dabei; 
»Und  die  Montecchi  als  Familie 
»Sind  auch  nicht  völlig  einwandfrei  .  .  . 
»Wenn  Shakespeare  nicht  in  Versen  schriebe, 
»Wie  man  uns  Märchen  gern  erzählt, 
»Es  wäV  zum  Lachen  mit  der  Liebe, 
»Der  jede  rechte  Basis  fehlt. 

»Ein  Schwiegersohn,  der  Mohrenhorden 
»Entstammt,  ist  auch  kein  Wunderglück. 
»Na,  lieber  Gott,  er  hat  doch  Orden, 
»Ist  General  der  Republik. 
»Gut,  er  ist  schwarz,  doch  wohlgestaltet. 
»Und  schliesslich  glaub' :  tout  comme  chez  nous; 
»Wenn  er  nur  Cypern  klug  verwaltet, 
»Dukaten  decken  Alles  zu. 

»Glaub'  deinem  welterfahr'nen  Vater: 
»Es  steckt  nichts  hinter  dem  Gestöhn« 
»Die  Romeo's  sind  füiJs  Theater, 
»Und  auf  der  Bühne  —  Alles  schön  l 
»Man  freut  sich,  wenn  sie  Gunst  erworben 
»Und  keck  ein  hübsches  Kind  verführt; 
»Man  weint,  wenn  sie  an  Gift  gestorben  — 
»Denn  dafür  ist  man  abonniert. 

»Man  nimmt  als  Abonnent  und  Leser 
»Mit  Dank  die  hübschen  Verse  hin, 
»Doch  ein  verbannter  Veroneser 
»Als  Schwiegersohn  in  West-Berlin  — ? 


»'ne  Hochzeit  in  Lorenzo's  Klause  — 
»Und  so  'ne  Ehe  per  Balkon  — 
»Nee,  bleib1  mir  damit  bloss  zu  Hause, 
»Das  war*  für  mich  kein  Schwiegersohn! 

»Ich  geb'  ja  zu,  wenn  Einer  schriebe, 
»Wie  Tante  Hartert  Menschen  paart, 
»Es  fehlt  in  solchem  Stück  von  Liebe 
»So  manche  hübsche  Redensart 
»Doch  davon,  was  da  weltvergessen 
»Die  Raserei  der  Dichter  spricht, 
»Davon  baut  man  kein  Mittagessen 
»Und  Equipagen  vollends  nicht  1 

»Sieh*  dort  den  Leutnant  von  den  Garden  — 
»Was?    Steht  ihm  gut  das  bunte  Kleid? 
»Nick'  zu,  er  scheint  darauf  zu  warten. 
»Sein  Wappen  stammt  aus  Kreuzzugszeit  1 
»Den,  Kindchen,  werd'  ich  Dir  besorgen, 
»Der  hat  getobt  und  ausgeschnauft  — 
»Ich  hab'  der  »Tante«  heute  Morgen 
»AU*  seine  Wechsel  abgekauft  .  •  .€ 

Rudolf  Pre«b«r 

Beinahe  gerüstet I 

Qie  Wintersaison  hat  begonnen. 

Ich  bin  bereits  equipiert 
Und  habe  sogar  meinen  Magen 
Auf  Reh  und  Trüffel  trainiert; 
Nur  eines  fehlt  noch  zu  allem, 
Gott  schenk*  imVs  in  seiner  Huld: 
Für  den  ersten  faden  Tischherrn 
Die  nötige  Geduld! 

L.  Marco. 

Ruf  der  Höhe  der  Saison. 

]§ieh  dort  die  tausend  Lichter  glänzen  1 
Dort  schweben  sie  in  holden  Tänzen 
Nach  süsser  Melodien  Schall  1 
Kein  Löwe  fehlt  und  keine  Schöne, 
Dass  sie  das  Fest  der  Feste  kröne: 
Beim  Herrn  Kommerzienrat  ist  Ball! 

1R2 


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Zwar  sass  sein  Ahne  in  der  Bude 

Dereinst  als  kleiner  Kleiderjude, 

Zwar  kam  sein  Vater  schwer  zu  Fall, 

Er  selbst  —  doch  still  und  heut*  kein  Tadel! 

Er  borgt  den  Grossen,  leiht  dem  Adell 

Beim  Herrn  Kommeradenrat  ist  Balll 

Wie  ist  die  Rahel  heut*  umworben! 

Ein  Graf  lein,  in  der  Welt  verdorben, 

Umschwirrt  sie  mit  der  Worte  Schwall, 

Nicht  kann  er  länger  sich  gedulden  1 

Ihr  Ruf?  Je  nun  —  doch  man  hat  Schulden! 

Beim  Herrn  Kommerzienrat  ist  Ball! 


Im  Konzertsaal. 

^eufzend  mussr1  ich  jungst  gedenken, 

Wie  einst  Felix  Mendelssohn  es 
Anmutvoll  bewegtes  Stabchen 
Zauberquell  schien  jeden  Tones; 

Wie  so  ruhevoll  den  Künstlern 
Er  durch  uns  verborgene  Zeichen 
Seine  Seele  gab,  —  dem  Stücke 
Klare  Schönheit  ohnegleichen. 

So  modern  sein  Zepter  neulich 
Schwang  ein  Leiter  der  Konzerte, 
Dass  der  Anblick  uns  die  Ohren 
Für  die  Lauscherandacht  sperrte. 

Denn  weit  minder  mit  dem  Taktstock 
Wirkt*  er  des  Orchesters  Lenkung, 
Als  mit  seines  ganzen  Leibes 
Kautschukmännischer  Verrenkung. 

Wunder  nahm's,  dass  nicht  minütlich 
Er  das  Schweisstuch  aus  dem  Sack  riss, 
Dass  bei  solchem  Turngezappel 
Keine  Naht  in  seinem  Frack  riss. 

Aus  den  Aermeln  in  die  Logen 
Rechts  und  links  zu  fliegen  drohte 
Je  ein  Arm,  wenn  Becken,  Pauke 
Schmettern  sollten  ihre  Note. 

183 


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Wenn  es  galt  ein  Flüsterpiano, 
Schien  er,  mit  gespreizten  Fingern 
Wehrend,  in  die  Kniee  knickend, 
Sich  zum  Zwerge  zu  verringern« 

Dann,  Fortissimos  entfesselnd, 
Reckt'  er  ängstlich  hoch  die  Pranken, 
Fast  als  wuchtet*  er  herkulisch 
Auf  der  Sundflut  Schleusenplanken« 

Kurz  er  that,  als  ob  er  alles 
Mit  grotesker  Sinnbild-Geste, 
Statt  aus  Instrumenten,  magisch 
Aus  dem  eignen  Leibe  presste. 

Willi.  Jordu. 


Frauentypen. 

Die  Herzlose. 

2)ie  war  bedacht  mit  allen  Gaben, 

Mit  Schönheit,  Geist  und  Witz;  —  allein, 
Wo  andre  ihre  Herzen  haben, 
Da  sass  bei  ihr  ein  grosser  Stein. 

Sie  glaubte  nicht  an  reine  Neigung, 
Sie  leugnete  der  Liebe  Macht, 
Und  über  jede  Gunstbezeigung 
Hat  unbarmherzig  sie  gelacht. 

»Nur  der«,  so  rief  sie  einst  beim  Plaudern, 
Könnt'  brechen  meinen  Widerstand, 
Der  unverzüglich,  ohne  Zaudern 
Mir  opfern  würde  seine  Hand.« 

Als  tags  darauf  ein  Jüngling,  schaurig, 
Mit  abgehau'ner  Hand  erscheint, 
Sagt  lächelnd  sie  zu  ihm:  »Wie  traurig I  — 
Ich  habJ  die  andere  gemein/.« 

Die  Gutmütige. 

Jhr  Gatte  hat  mit  Schmerz  gehört, 
Dass  sie  ihn  kürzlich  hat  betrogen; 
Er  ist  entrüstet  und  empört, 
Es  wallen  seines  Zornes  Wogen. 

164 


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Sic  fleht  ihn  um  Vergebung  an 
Und  sagt  in  schüchternem  Erröten: 
»Ich  hab*  es  wirklich  nur  gethan, 
Weil  er  mich  gar  so  sehr  gebeten-« 

Die  Rufrichtige. 

Verabschiedet  hat  sie  die  Gäste, 

Zu  Ende  ist  glücklich  ihr  Jour, 
Und  übrig  bleibt  von  dem  Feste 
Ein  einziger  Leutnant  nur. 

Es  glühen  erregt  seine  Wangen. 
Er  lasst  sich  vor  ihr  aufs  Knie, 
Er  will  sie  in  Liebe  umfangen, 
Doch  sie  —  sie  schellt  um  Marie. 

Marie  ist  eilig  zur  Stelle; 
Sie  nimmt  sie  bei  Seite  und  spricht: 
»Wenn  später  ich  wiederum  schelle, 
Dann  kommen  sie  freundlichst  —  nicht!« 

Die  Unberechenbare. 

£)ie  sah  in  ihren  jungen  Tagen 

Zwei  Werber  für  den  Ehestand; 
Sie  hat  den  Reichen  ausgeschlagen 
Und  gab  dem  Armen  ihre  Hand. 

Sie  hielt  den  heil'gen  Schwur  der  Treue 
Im  ersten  Jahre  fest  im  Sinn, 
Im  zweiten  —  ebenso,  aufs  neue, 
Im  dritten  —  auch  und  weiterhin. 

Sie  blieb  —  ich  bin  kein  Uebertreiber  — 
Sich  gleich,  bis  sie  gestorben  war;  — 
Man  sieht  nur,  das  Geschlecht  der  Weiber 
Ist  eben  unberechenbar. 

Die  Abergläubische. 

ie  litt  an  starkem  Aberglauben; 
Man  mühte  sich,  ihn  ihr  zu  rauben, 
Und  mehr  als  eine  riet  der  Schönen, 
Sie  möge  sich  ihn  abgewöhnen. 


Allein  sie  sprach:  »Das  geht  nicht  gut; 
Er  steckt  mir  so  in  Fleisch  and  Blut, 
Dass  ich  zum  Beispiel  meinen  Mann 
Am  Freitag  nicht  betrügen  kann.c 

Arthur  Pserhofer. 

Der  Spiegel. 

^ort  im  Entree  bei  Excellenz 
~  Häng*  ich  an  einer  Wand, 
Und  niemand  ahnt  wohl,  was  ich  dort 
Für  Unterhaltung  fand. 

An  beide  Seiten  hat  man  mir 
Zwei  Wandleuchter  gehängt, 
Damit  auch  jeder  Gegenstand 
Sich  strahlend  in  mir  fangt. 

Des  Freitags  ist  —  wer  weiss  warum? 
Bei  Excellenz  jour  fix; 
Da  kommen  Damen  und  viel  Herren 
Im  allerhöchsten  Wichs. 

Der  Diener  nimmt  die  Mäntel  ab, 
Die  Zofe  hilft  dabei; 
Dann  zupft  sich  jeder  erst  zurecht 
Und  treibt  noch  mancherlei. 

Ist  dieses  Mancherlei  besorgt, 
Tret*  ich  erst  in  Aktion  — 
Man  dreht  die  Leuchter  vorteilhaft 
Und  geht  zur  Revision. 

Herr  Leutnant  Kurt  von  Tittchentei 
Sich  stets  vor  mir  erst  schnauzt; 
Zwei  kleine  Bürstchen  holt  er  'raus, 
Die  Beine  stehn  gespreizt. 

Der  Schnurrbart  und  das  Kopfhaar  wird 
Nach  rechts  und  links  gepflügt. 
Genug I   Monocle  fest!   Ein  Blick  1 
Er  geht  und  lacht  vergnügt.  — 

Herr  Egon  Versler,  Litterat 
Und  Dichter  von  Beruf, 
Der  jedes  Jahr  ein  Trauerspiel 
Und  zehn  Pfund  Lyrik  schuf, 

l« 


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Herr  Versler  braucht  geraume  Zeit, 
Sich  gründlich  zu  beschau' n. 
Er  spuckt  sich  immer  in  die  Hand 
Und  streicht  die  Augenbrau'n.  — 

Frau  Wanda  Gans  von  Schnattersheim, 
Die  macht  es  auch  nicht  schnell, 
Drückt  das  Gebiss  fest,  reckt  sich  stolz 
Und  pudert  lang  ihr  Fell. 

Der  Herr  Assessor  Biegdichrecht, 
Der  hat  von  weissem  Rips 
Seit  Jahren  einen  einzigen 
Salongerechten  Shlips. 

Mit  einem  schwarzen  kommt  er  an 
Und  bindet  sich,  nicht  dumm, 
Vor  mir  mit  vieler  Präzision 
Erst  stets  den  weissen  um,  — 

Comtesse  Julie  von  Passe, 
Gewachsen  wie  ein  Schlot, 
Macht  sich  geschwind  mit  einem  Stift 
Vor  mir  die  Lippen  rot 

Und  Fräulein  Aenni  Wendehals, 
Kokett  und  kalt  wie  Eis, 
Reibt  sich  mit  ihrem  Taschentuch 
Rasch  noch  die  Zähne  weiss.  — 

Der  grosse  Tenorist  Hochzeh, 
Der  eben  jetzt  en  vogue 
Und  der  die  ganze  Damenwelt 
Begeistert  an  sich  zog, 

Der  bringt  chinesische  Tusche  mit 
Und  malt  mit  sichrer  Hand 
Ganz  unbemerkt  um  jedes  Aug* 
Sich  einen  dunkeln  Rand. 

Herr  Hauptmann  Druff,  ein  schneid'ger  Herr 

Und  riesig  selbstbewusst, 

Der  zupft  und  zerrt  ins  beste  Licht 

Die  Orden  auf  der  Brust.  — 

So  sehe  ich  von  meiner  Wand 
Mehr  als  mir  manchmal  lieb  — 
Und  wenn  jour  fix  gewesen  ist, 
Ist  mir  mein  Glas  ganz  trüb; 

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Getrübt  von  Puderstaub  und  Fett, 
Durch  Hauch  von  jedem  Wicht  — 
Besonders  aber  durch  den  Blick 
Von  manchem  —  Schafsgesicht.  — 

Doch  still  —  ich  weiss  ein  holdes  Kind  

Auch  6ie  kommt  zum  jour  fixl 
So  oft  sie  naht,  sie  würdigt  mich 
Gar  niemals  eines  Blicks. 

Und  wenn  auch  —  ich,  ich  sehe  sie: 
So  lieb,  so  schön,  so  reinl  — 
Und  war1  ich  nicht  bei  Excellenz, 
Möchr1  ich  ihr  Spiegel  seinl  — 

Johannes  Cotta. 

Höhere  Töchter. 

J[Jm  Büchlein  zum  Blättern, 

Ein  Liedlein  zum  Schmettern, 
Ein  Stücklein  zum  Klimpern, 
.  Zwei  Aeuglein  zum  Wimpern, 
Mit  diesen  vier  Dingen 
Muss  es  jeder  gelingen! 

Theod.  Vuloinu«. 

Die  Hofequipage. 

£Juf  hohem  Rosse  hält  voll  Ruh 

Der  Schutzmann  und  schaut  dem  Treiben  zu; 
Die  Menschen  eilen,  es  humpeln  vorbei 
Die  Rösslein  der  Droschkenklasse  II, 
Es  sausen  die  Equipagen. 

Urplötzlich  hebt  der  Gewalt'ge  die  Hand, 
Die  Menschen  stehen  wie  festgebannt, 
Der  Droschkengaul  hemmt  gern  den  Lauf, 
Die  elektrischen  Wagen  reihen  sich  auf, 
Es  halten  die  Equipagen. 

O  seht,  vom  Potsdamer  Bahnhof  heran 
Im  Steppschritt  braust  ein  Rappengespann: 
Das  Geschirr  ist  reich  mit  Silber  geschmückt, 
Der  Kutscherkragen  mit  Adlern  bestickt: 
Es  ist  eine  Hofequipage. 

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Und  wie  das  Gespann  voll  Feuer  und  Mut 
Vorbei  braust,  lüftet  mancher  den  Hut, 
Manch  Mägdlein  fasst  in  einem  Kmx 
Zusammen  die  Wonne  des  Augenblicks. 
Es  ist  eine  Hofequipage. 

Das  Grüssen  hatte  keinen  Sinn, 
Denn  niemand  sass  im  Wagen  drin. 
Doch  war's  auch  ein  leerer  Wagen  bloss, 
So  bleibt  der  Moment  doch  immer  gross: 
Es  war  eine  Hofequipagel 

.Kladderadatsch". 

Philister. 

Philister  sind  charmante  Leute, 

Immer  die  gleichen,  gestern  wie  heute, 
Immer  dieselben,  heute  wie  morgen, 
Die  für  ihren  Nachwuchs  sorgen. 
Philister  sind  charmante  Leute, 
Die  vor  fremden  Thören  kehren 
Und  im  Schmutz  die  eigne  lassen; 
Andern  einen  Trunk  verwehren, 
Und  am  oflhen  Spundloch  prassen; 
Flecken  zählen  an  den  andern, 
Aber  selbst  im  Schlamme  wandern; 
Die  Unendliches  mit  Ellen  messen, 
So  sie  die  Brille  nicht  vergessen; 
Wenn  Bastillen  stürzen  sollen, 
Mit  dem  Stocke  stützen  wollen; 
Wenn  man  einen  Kraftgedanken 
Ihnen  schenkt,  wie  Trunkne  wanken; 
Vor  der  Wahrheit  hellem  Scheinen 
Hinterm  Sonnenschirme  greinen;  — 
Wo  Begeisr'rungsflammen  brennen, 
Mit  der  Feuerspritze  rennen; 
Die  mit  ihrer  Dummheit  prahlen,  — 
Aber  .  .  .  aber  —  bar  bezahlen. 

Ludw  Pf  v« 


169 


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Tod  den  Philistern  I 


as  eben  ist's,  dass  es  euch  gleich  ist, 
Dass  euer  Wille  windelweich  ist, 
Und  dass  ihr  schlaft  am  hellen  Tag! 
Dass  ihr  das  Schneckenhaus  nur  kennet, 
Dass  ihr  nichts  Höh'res  euer  nennet, 
Dass  euch  kein  Zornruf  wecken  mag! 
Wir  sind  im  tiefsten  Hass  geschieden, 
Viel  lieber  Kampf  als  faulen  Frieden! 
Tod  den  Philistern! 

Es  scheinen  ehrenwerte  Herren, 
Die  an  dem  alten  Karren  zerren, 
Nun  ja,  sie  schlugen  keinen  tot! 
Sie  schlafen  nur  bei  ew'gen  Fragen, 
Und  geht*8  nicht  ihnen  an  den  Kragen, 
So  schlafen  sie  bei  fremder  Not. 

Wir  sind  im  tiefsten  Hass  geschieden, 
Viel  lieber  Kampf  ab  faulen  Frieden! 
Tod  den  Philistern! 

Sie  sammeln  Schatze,  nicht  dem  Wissen, 
Kein  Zweifel  hat  ihr  Herz  zerrissen, 
Kein  ewiges  Rätsel  quälet  sie! 
Sie  essen,  trinken,  freien,  lachen, 
Und  wenn  sie  nur  Geschäfte  machen, 
So  fragen  sie  nach  andern  nie! 

Wir  sind  im  tiefsten  Hass  geschieden, 
Viel  lieber  Kampf  als  faulen  Frieden! 
Tod  den  Philistern  1 

Sie  lachen  über  alle  Künste, 
Die  scheinen  ihnen  Nebeldünste 
Und  Zeitvertreib  des  Künstlers  Thun! 
Es  schlägt  ihr  Herz  so  träg  und  trübe, 
Es  schlägt  kaum  schneller  bei  der  Liebe, 
Die  Seele  liebt  nur  träges  Ruh'n. 

Wir  sind  im  tiefsten  Hass  geschieden, 
Viel  lieber  Kampf  als  faulen  Frieden! 
Tod  den  Philistern! 


170 


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Das  Philisterparadies. 

kjttl  im  Philisterparadies 

Giebfs  grade  Wege  mit  gelbem  Kies, 
Unkraut  wird  nicht  darin  gelitten, 
Die  Hecken  sind  alle  fein  beschnitten, 
Die  Baume  gleichen  an  Wuchs  Grenadieren, 
Damit  man  möge  darunter  spazieren 
Im  Gefühle  persönlicher  Sicherheit 
Zu  jeder  anständigen  Tageszeit 
Am  Eingang  grüsst,  statt  Versgeschwafel, 
Eine  bildsaubere  Warnungstafel, 
Worauf  Verordnungen  und  Strafen 
Zu  lesen  in  deutlichen  Paragraphen: 
Du  sollst  deinen  Mops  an  der  Leine  führen, 
Du  sollst  nicht  etwa  Lust  verspüren, 
Dich  irgendwo  ins  Gras  zu  legen, 
Oder  im  Tanzschritt  dich  zu  bewegen. 
Du  sollst  auch  nur  mit  gestärktem  Kragen 
Dich  unter  honette  Leute  wagen  — 
Macht  nichts,  wenn  der  den  Hals  dir  ritzt, 
Wenn  nur  der  Shlips  hübsch  grade  sitzt. 
Verboten  ist  Oberhaupt  und  allen, 
Im  Paradiese  aufzufallen. 
Civil-  und  Weibspersonen  zumal  — 
Richten  sich  nach  dem  Modejournal, 
Doch  zeigt  sich  echte  Gesinnung  nur 
In  Uniform  und  in  Montur. 
Kinder,  ferner,  sind  nur  erlaubt, 
Soweit  das  legitime  Familienhaupt 
Sich  allseitig  verbürgt  für  seine  Sprossen. 
(Natürliche  Kinder  sind  ausgeschlossen.) 
Weiters,  obliegt  es  dem  Herrn  Gendarm, 
Von  Liebespaaren,  die  Arm  in  Arm 
Betroffen  werden  auf  einsamen  Wegen, 
Die  Papiere  (schriftlichen  Elternsegen), 
Sowie  die  Trauringe  zu  erfordern, 
Mangelndenfails  sie  hinaus  zu  beordern. 
Die  vorschriftsmässige  Sittlichkeit 
Erheischt  nach  Einbruch  der  Dunkelheit 
Reinliche  Trennung  der  Geschlechter 
Durch  den  zuständigen  Herrn  Nachtwächter 
Verschlossen  ist  streng  das  Paradies 
Für  Malcontente  und  für  Genies, 
Doch  steht  es  offen  für  jedermann, 
Der  seinen  Stumpfsinn  beweisen  kann. 

Ernst  von  WoUogen. 

171 


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Das  Muster- Exemplar, 

(\^ein  alter  Freund,  der  Rechnungsrat, 

Ist  doch  der  echte  Bureaukrat! 
Er  brachte  glücklich  es  so  weit, 
Dass  er  schon  seit  geraumer  Zeit 
Auch  mit  sich  selber  —  wie  man  hört  — 
Nur  »auf  dem  Dienstwege  noch  verkehrt 
Und  ist  die  Köchin  mal  gehässig, 
Die  Scheuerfrau  nicht  zuverlässig, 
Das  Kindermädchen  liebestoll, 
Vernimmt  er  sie  zu  Protokoll. 
Sobald  ein  Rock  ist  auszuklopfen, 
Ein  Loch  im  Strumpfe  ist  zu  stopfen, 
Verfugt  er's  schriftlich  jedes  Mal 
Und  bucht  dies  Schriftstück  im  »Journal« 
Die  Gattin  selbst,  die  treue,  brave, 
Belegte  er  mit  Ordnungsstrafe; 
Anträge,  Bitten  und  dergleichen 
Hat  sie  stets  schriftlich  einzureichen, 
Und  oft  passiert  es  ihr  hienieden, 
Dass  sie  abschlägig  wird  beschieden.  — » 
Wird  einst  der  Rat  gestorben  sein, 
Dann  richtet  er  sich  noch  so  ein, 
Dass  man  ihn  ja  zu  Grabe  trage 
An  einem  Sonntag-Nachmittage, 
Damit  die  dienstfreien  Kollegen 
Kein  Stündchen  schwänzen  seinetwegen. 

einrieb  Sc^"i«fc ffc r . 


Kompensationen, 

Jen  liebe  die  deutsche  Gründlichkeit, 

Sie  kann  keinen  Apfel  essen, 
Sie  wisse  denn,  von  welchem  Baum 
Sein  Urkern  fiel  vordessen. 

Sie  denkt  und  denkt,  doch  bis  sie  sich 
•Das  tiefe  Wissen  erworben  — 
Die  Aepfel  sind  verfault  seit  lang, 
Die  Menschen  sind  gestorben. 


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»Doch«  —  spricht  sie  —  »es  ist  besser  so, 
Dass  die  Schweine  die  Aepfel  fressen, 
Als  dass  wir  sie  selbst  ohne  Vorbedacht 
Und  ohne  Nachbedacht  essen. 

Jetzt  können  wir  unsern  deutschen  Schmerz 
Doch  klagen,  und  das  ist  lyrisch; 
Doch  zu  geniessen  so  gradezu, 
So  ohne  Vernunft,  ist  tierisch.« 

Schad'  ist's,  dass  Adam  kein  Deutscher  war, 
Er  hätte  so  lang  nicht  gebissen, 
Bis  er  die  Zähne  verloren  hätt9  — 
Wir  würden  von  Not  nichts  wissen. 

Drum  lieb*  ich  die  deutsche  Gründlichkeit, 
Die  leider  zu  spät  geboren; 
Hat  sie  zu  kurze  Beine  auch, 
So  hat  sie  doch  lange  Ohren. 

Ludwig  Pfau. 

Ein  harmloses  Rätsel. 

ie  heisst  der  Mann,  den  Alle  lieben, 
Die  guten  Deutschen  doch  zumeist, 
Und  der  doch  nie  etwas  betrieben, 
Was  irgend  gross  und  tüchtig  heisst? 

Mir,  ich  gesteh's,  ist  er  zuwider, 
Denn  überall  drängt  er  sich  ein, 
Lässt  in  den  Sorgenstuhl  sich  nieder, 
In  jedem  Haushalt  muss  er  sein; 

Die  Kanzel  hat  er  auch  betreten, 
Er  exerziert,  sitzt  zu  Gericht, 
Er  liest  an  Universitäten 
Und  hat  im  Staatsrat  viel  Gewicht 

Schlafmütze  nennt  sich  seine  Krone; 
Er  hasst  genialen  Uebermut; 
Er  blinzt  und  lächelt  nur  zum  Lohne, 
Wenn  jeder  stets  wie  alle  thut.  — 

Wenn  einer  macht  mit  hundert  Schritten« 
Was  man  mit  einem  Sprunge  kann, 
Das  .  sind  ihm  alte,  gute  Sitten, 
Das  sieht  er  sich  behaglich  an. 

173 


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Doch  willst  du  grosses,  eignes  schaffen, 
Da  wird  der  Stumme  plötzlich  laut, 
Er  wird  dich  schmäh'n  und  dich  beklaffen, 
Bis  allen  Menschen  vor  dir  graut» 

Und  willst  du  fassen  ihn  beim  Kragen, 
Gleich  Ober  dich  fallt  alles  her, 
Du  wirst  gescholten,  wirst  geschlagen, 
Denn  alle  lieben  ihn  zu  sehr. 

Ein  Kerl,  so  lappig  und  so  schmächtig, 
So  gänzlich  ohne  Witz  und  Mark! 
Und  dennoch  herrscht  er  fast  allmächtig; 
Wer  ihn  besiegt,  ist  löwenstark« 

O  lag1  er  lieber  doch  zerschlagen, 
Zerquetscht  auf  einer  Eisenbahnt 
»Wie  heisst  er  denn?«  —  Ich  will's  euch  sagen: 
Es  ist  —  der  alte  Schlendrian. 

Friedr.  v.  Sollet. 
(1812-184a) 

Skat. 

{^Jnd  als  an  das  blaue  Meer  ich  trat, 
Da  standen  drei  Männer  drinnen, 
Die  spielten  während  des  Badens  Skat, 
Und  einer  schien  zu  gewinnen. 
Der  Skat  dabei  auf  dem  Wasser  schwamm, 
Mich  aber  dünkte  das  wundersam. 

Und  als  ich  kam  in  die  Baumannshöhl1, 

Da  fand  ich  wider  Erwarten 

Drei  Männer  unten,  bei  meiner  Seel', 

Dasitzend  über  den  Karten. 

Die  reizten  einander  beim  Grubenlicht  — 

Ich  ging  davon,  mir  gefiel  das  nicht. 

Und  als  ich  kam  auf  des  Faulhorns  Höh', 

Wohl  über  Klippen  und  Grate, 

Da  fand  ich  drei  Männer  im  ewigen  Schnee, 

Die  sassen  schon  lange  beim  Skate. 

Der  eine  gab  schon  zum  hundertsten  Mal  — 

Da  floh  ich  schaudernd  hinab  ins  Thal. 

174 


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Es  sitzen  da  im  geheimen  Rat 

Drei  strenge  Richter  der  Toten. 

Sie  sollen's  sein,  doch  sie  spielen  Skat, 

Obgleich  es  Pluto  verboten. 

O  ßagt,  wohin  kann  der  Mensch  noch  geh'n, 

Um  nicht  drei  Männer  beim  Skat  zu  seh'n? 

Johanne«  Trojan. 

Kritik  der  Weltschöpfung. 

yyenn  ich  der  liebe  Herrgott  wär\ 

Dann  möchte  ich  mich  schämen, 
Und  würde  noch  einmal  die  Welt 
Zu  schaffen  mich  bequemen. 

Denn  wahrlich  recht  misslungen  scheint 
Sie  mir  in  manchem  Teile, 
Was  mich  durchaus  nicht  Wunder  nimmt, 
Denk*  ich  der  grossen  Eile, 

In  der  Gott  dies  sein  Erstlingswerk 
Vollbracht  in  nur  sechs  Tagen, 
Anstatt  mit  seiner  Schöpfung  sich 
Noch  manches  Jahr  zu  plagen.  — 

Das  Welterschaffen  ist  wohl  schwer! 
Drum,  wenn  ich's  recht  betrachte, 
Muss  ich  gestehn,  dass  Einzelnes 
Gott  nicht  so  übel  machte. 

Zu  früh  nur  fand  er  alles  gut 
Mit  selbstgefall'ger  Miene. 
Nicht  leugnen  lässt  sich  sein  Talent, 
Ihm  fehlte  bloss  Routine. 

Maximilian  Bern. 

Schein  und  Wesen. 

(Morgenlandisch.) 

J^er  Lehrer  sprach  zum  Schüler:  Sieh1, 

Mein  Sohn,  den  Schatten  dort  vom  Zelt, 
Er  gleicht  dem  Dasein  dieser  Welt, 
Ist  ganz  so  wesenlos  wie  sie, 

175 


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Beachte,  wie  ich  meine  Hand 
Jetzt  auf  zum  Licht  der  Sonne  hebe 
Und  unter  uns  dem  Wüstensand 
Selbst  mit  den  Fingern  Schatten  gebe: 
Er  scheint  dir  greifbar  und  bezirklich, 
Allein  du  siehst,  er  ist  nicht  wirklich; 
Denn  alles  Wirkliche  besteht, 
Derweil  der  Schatten  schnell  vergeht, 
Zieh*  ich  die  ausgestreckte  Hand 
Zurück  ins  hüllende  Gewand« 
Und  wie  der  Schatten  wesenlos 
Ist  Alles,  Täuschung  unsrer  Sinne, 
Vorstellung  des  Gehirnes  blos, 
Und  nichts  zu  bleibendem  Gewinne. 
Selbst  jener  Glutenborn  am  Himmel 
Und  nachts  die  leuchtenden  Gestirne, 
Das  ganze  atmende  Gewimmel 
Des  Weltalls  lebt  blos  im  Gehirne, 
Im  Schau' n  des  inneren  Gesichts; 
Wird  dies  vernichtet,  so  bleibt  Nichts. 

So  sprach  und  ging  der  Lehrer  weiter 

Mit  seinem  grübelnden  Begleiter, 

Der,  durch  die  Lehren  ganz  verwirrt, 

Vom  rechten  Weg  sich  bald  verirrt 

Im  endlos  dürren  Wüstenraum, 

Wo  keine  Quelle  und  kein  Baum 

Im  Sonnenbrande  Kühlung  bot. 

Da  fernher  tauchte  bräunlichrot 

Ein  Felsblock  auf,  der  schmal  und  scharf 

Gerade  so  viel  Schatten  warf, 

Den  Schüler  vor  der  Glut  zu  schützen. 

Dem  Lehrer  könnt*  er  nichts  mehr  nützen, 

Er  kam  zu  spät,  doch  fleht'  er  kläglich: 

Mach  Platz,  die  Glut  ist  unerträglich  1 

Ich  kann  nicht  weiter  vor  Ermatten, 

Sei  menschlich»  teil'  mit  mir  den  Schatten! 

Darauf  der  Schüler:  Du  verkehrst 

Die  eigene  Lehre:  —  eben  erst 

Sprachst  du,  der  Schatten  sei  nur  scheinbar, 

Nur  eine  Vorstellung,  ein  Nichts, 

Ein  Bild  des  inneren  Gesichts; 

Dein  Wunsch  ist  nicht  damit  vereinbar; 

Dir  sitzt  der  Schatten  im  Gehirne, 

Mir  kühlt  er  meine  glüh'nde  Stirne, 

Ich  find'  ihn  wesentlich  und  wirklich, 


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Sehr  fühlbar  und  genau  bezirklich, 
Für  mich  ist  er  ein  wahrer  Schars. 
Doch  räum1  ich  dir  sogleich  den  Platz, 
Wenn  du  gestehst,  dass  du  geirrt 
Und  deine  Lehre  nur  verwirrt 

Nein  —  rief  mit  zornigem  Gesicht 
Der  Lehrer  —  nein,  das  thu'  ich  nicht! 
Was  meine  höh're  Einsicht  fand, 
Weicht  nicht  dem  platten  Volksverstand 

Der  Schuler  sprach:  Ich  warne  dich, 
Leicht  wirst  du  deines  Irrwahns  Beutet  — 

Der  Lehrer  starb  am  Sonnenstich, 
Der  munt're  Schüler  lebt  noch  heute. 

Friedr.  Bodenstedt. 

Theosophie. 

Jch  denke  Gott  mir,  sprach  die  Mücke, 

Vieltausendmal  so  gross  als  mich; 
In  ewigem  Glanz,  in  ew'gem  Glücke 
Susurrend  tanzt  und  sonnt  er  sich. 
Kein  Spinngewebe  droht  ihm  Haft; 
Selbst  Meister  Spatz  hat  mind're  Kraft. 
Ich  bin  —  sagt  meine  Bibel  —  nur 
Sein  Ebenbild  in  Miniatur. 

O  Blasphemie!  sprach  da  die  Katze: 
Gott- Vater  ist  wie  tausend  Leu'n 
Mit  Stahlgebiss  und  Eisentatze, 
Und  maut  er,  schallt's  wie  Sturmesdräun; 
Selbst  wenn  er  selig  ruhend  schnurrt, 
Erdröhnt's,  wie  wenn  der  Donner  murrt 
Ich  bin  - —  sagt  meine  Bibel  —  nur 
Sein  Ebenbild  in  Miniatur. 

O  Blasphemie  1  sprach  da  der  Weise, 
Der  Denker  Mensch:  die  Hand  des  Herrn 
Hält  liebend  alle  Welt  im  Gleise, 
Sie  fuhrt  den  Wurm  und  lenkt  den  Stern. 
Wie  ich  als  Kinderstubenheld 
Treibt  er's  im  Grossen  in  der  Welt. 
Ich  bin  —  sagt  meine  Bibel  —  nur 
Sein  Ebenbild  in  Miniatur. 


177 


O  Blasphemie  t  sprach  da  im  Chore 
Der  Himmel;  doch  der  Riesenschall, 
In  meinem  staubgebornen  Ohre 
Fand  er  nur  schwachen  Widerhall. 
Myriaden  Sonnen  im  Gedräng, 
Sie  sangen  alle  den  Refrain: 
Ich  bin  —  sagt  meine  Bibel  —  nur 
Sein  Ebenbild  in  Miniatur. 


in  dürres  Weib,  gewohnt  ihr  Leben 


Im  Elend  und  im  Schmutz  zu  waten, 
Verkauft  sich  an  der  Grossstadt  Grenze 
An  trunkne  Männer  und  Soldaten. 

Der  Bursche,  den  sie  halb  aus  Liebe 
Und  halb  zum  Schutz  sich  musste  wählen, 
Geht  abends  heimlich  mit  dem  Messer 
Zur  Stadt  zu  rauben  und  zu  stehlen. 

Die  Angst,  Begierde  und  das  Elend 
Sind  riesenhaft  die  drei  Gewalten, 
Die  trotz  des  Zanks  und  trotz  der  Prügel 
Die  beiden  stets  zusammenhalten. 

Der  Abschaum  der  Kultur,  der  schönen, 
Die  man  verficht  mit  kühner  Stirne, 
Geniessen  sie  des  Lebens  Fusel, 
Am  Abgrund  wandelnd  —  Dieb  und  Dirne 


Auf  weichen,  weissen  Kissen  dehnt  sich 
Ein  Weibchen  noch  im  Morgenkleide 
Und  zeigt  kokett  das  schlanke  Beinchen 
Im  Strumpf  aus  glänzend  schwarzer  Seide. 

Der  Mann  ist  fort,  auch  der  Geliebte, 
Den  solche  Frauen  haben  müssen; 
Sie  aber  schwelgt  im  Geist  schon  wieder 
In  unerhörten  Hochgenüssen. 


A.  7'ngn 


Dieb  und  Dirne. 


173 


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Sie  nimmt  Besuche  an,  und  lächelnd 
Gewährt  sie  auch  die  tollsten  Sachen, 
Nur  darf  man  später  nicht  vergessen, 
Ein  reich*  Geschenk  dafür  zu  machen. 

Der  Gatte  muss  den  Luxus  schaffen, 
Bedürfnis  ist  er  ihnen  beiden, 
D'rum  muss  er  wuchern,  unterschlagen 
Und  muss  die  rechten  Wege  meiden. 

Die  Frau  betrügt  ihn  täglich,  stündlich, 
Wie  er  die  Leute  muss  betrügen, 
Und  so  „gemessen"  sie  das  Leben 
Stets  lächelnd  mit  verzerrten  Zügen. 

Die  Angst,  Begierde  und  die  Habsucht 
Sind  riesenhaft  die  drei  Gewalten, 
Die  trotz  des  Zanks  und  trotz  der  Lügen 
Die  beiden  „treu"  zusammenhalten. 

Dasselbe  wie  dort  in  der  Gosse, 
Trotz  Seidenkleid  und  Glühlichtbirne, 
Der  Rahmen  anders,  doch  im  Innern 
Das  gleiche  Pärchen  —  Dieb  und  Dirne. 

Robert  Eysler. 

1? 


Die  Modepuppe. 

(Gekürzt.) 

o  zierlich  wie  ein  Marzipanfigürchen, 

So  niedlich,  reizend,  schmiegsam  und  charmant, 
Adrett,  exakt,  so  trippelt  wie  am  Schnürchen 
Durchs  Leben  die  Prinzessin  aus  Tragant. 

Doch  hinter  diesen  Marzipan-Allüren 
Liegt  eine  Katze,  lüstig  und  voll  Glut, 
Die  Phantasieen  spinnt,  die  auszuführen 
Das  frechste  Dämchen  hätte  nicht  den  Mut. 

Das  Surren  dieser  Katze  kann  man  hören 
Oft  im  Salon  beim  Flirt  mit  dem  Galan, 
Doch  sucht  sie  nur  die  Männer  zu  betören; 
Mehr  will  sie  nicht  —  damit  ist's  abgetan. 

12* 

179 


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Denn  Leidenschaft  ist  nichts  für  ihresgleichen, 
Es  reizt  sie  stets  nur  die  verbotene  Frucht, 
Sie  schnuppert  dran,  sie  will  sie  nicht  erreichen 
Und  hat  noch  nie  zu  knuspern  dran  versucht. 

Sie  hat  den  Gatten  niemals  noch  betrogen, 
Sie  ist  der  Tugend  Bild,  das  nur  so  strahlt, 
Von  Anstandsfirnis  glänzend  überzogen 
Und  —  was  die  Hauptsach  ist  —  famos  gemalt. 

Es  wird  ihr  leicht  von  Sünde  frei  zu  bleiben 
(Schon  weil  dies  oftmals  der  Figur  nicht  frommt); 
Nur  etwas  könnte  sie  zum  Treubruch  treiben: 
Wenn  offiziell  er  in  die  Mode  kommt. 

Robert  Eyslcr. 

Frauenlogik 

P^rauensinn  ist  wohl  zu  beugen, 

—  Ist  der  Mann  ein  Mann  und  schlau  — 
Aber  nicht  zu  überzeugen: 
Logik  gibt's  für  keine  Frau; 
Sie  kennt  keine  andern  Schlüsse, 
Als  Krämpfe,  Tränen  und  Küsse. 

Friedr.  Bodenstedt. 

Guter  Rat. 

(jieb  ihren  wahren  Namen  immer 
In  deiner  Fabel  ihren  Helden; 
Wagst  du  es  nicht,  ergeht's  dir  schlimmer: 
Zu  deinem  Eselbilde  melden 
Sich  gleich  ein  Dutzend  graue  Toren  — 
»Das  sind  ja  meine  langen  Ohren!« 
Ruft  jeder,  »dieses  grässlich  grimme 
Gebreie  ist  ja  meine  Stimme  1 
Der  Esel  bin  ich!    Obgleich  nicht  genannt, 
Erkennt  mich  doch  mein  Vaterland, 
Mein  Vaterland  Germania! 
Der  Esel  bin  ich!    I-A!    I-AU  — 

» 

Hast  einen  Dummkopf  schonen  wollen, 
Und  zwölfe  sind  es,  die  dir  grollen. 

Heinrich  Heine. 

1? 

180 


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Höchste  Autorität. 

^as  Lieschen,  unsres  Nachbars  Kind, 

Ist  klug  wie  selten  Kinder  sind; 
Doch  Sonntagsruh'  und  Polizei, 
Die  waren  ihr  noch  einerlei, 
Bis  jungst  ereilt  den  Vater  hat 
Ein  recht  gestrenges  Strafmandat, 
Weil  er  verkauft  so  mancherlei 
Am  Sonntag,  als  zehn  Uhr  —  vorbei.  — 
Nachdenklich  steht  zur  Kirchenzeit 
Sie  hinter  den  Gardinen  heut1, 
Die  alle  Waren  streng  verhüllt, 
Auf  dass  die  Sonntagsruh1  erfüllt 
Sie  starrt  auf  einen  grünen  Baum, 
Und  ganz  begeistert,  wie  im  Traum, 
Fragt  sie:  »Sagt,  wer  lässt  wachsen  nur 
Die  Bäume  draussen  auf  der  Flur?c 
»Der  liebe  Gott!  mein  liebes  KindU 
Doch  Lieschen,  ängstlich  und  geschwind, 
Fragt  weiter:  »Ist's  beim  Herrgott  Brauch, 
Dass  er*s  lässt  wachsen  Sonntags  auch?« 
»Gewiss,  mein  Kindl    Ganz  ohne  Frage, 
Er  lässt  es  wachsen  alle  Tage!« 
Doch  Lieschen  lacht:  »Wer  Euch  das  glaubt! 
Hat  das  der  Schutzmann  denn  erlaubt?« 

L.  Marco. 

Die  öffentliche  Meinung, 

J^)u  Zwitterwesen  mit  dem  Januskopfe, 

Bald  unbestechlich,  edel,  keusch  und  zart; 
3ald  ähnelnd  dem  vertierten,  blöden  Tropfe, 
Der  nimmer  ahnt,  wie  Geist  sich  offenbart! 

Heut  bist  ein  Riese  du,  der  falscher  Grösse 
Das  Schwert  zerbricht  und  Brünne,  Schild  und  Helm 
Und  morgen  liegst  in  krüppelhafter  Blosse 
Schweifwedelnd  du  im  Staub  vor  einem  Schelm. 

Du  bist  ein  Herrscher,  wunderbar  geboren, 
Und  unsichtbar  regierst  du  Stadt  und  Land; 
Noch  selten  hast  du  eine  Schlacht  verloren, 
Und  deine  Feinde  haben  harten  Stand. 


16  i 


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Und  doch  ein  Feigling  bist  du,  der  den  Schwindel, 
Der  frech  sich  spreizt,  nicht  anzutasten  wagt! 
Wenn  dich,  den  Fetischdiener,  das  Gesindel 
Nur  keck  bedroht,  so  duckst  du  dich  verzagt. 

Hier  gehst  du  blind  vorbei  dem  scharfen  Denker, 
Dein  Fussfall  dort  der  feilen  Dirne  gilt; 
Heut  hebst  den  Helden  du  und  Schlachtenlenker, 
Und  morgen  einen  Affen  auf  den  Schild. 

Querköpfiges  Scheusal!  deinem  Lob  und  Tadel 
Trotz1  ich,  und  spotte  deines  Regiments!  — 
So  deklamierte  voll  Gesinnungsadel 
Der  neue  Kandidat  des  Parlaments. 

Drauf  ging  er  hin  und  streute  der  Vereinung 
Der  Wähler  aus  6ein  Kompromiss-Konfekt; 
Und  am  Altar  der  öffentlichen  Meinung 
Geopfert  lag  des  Braven  Intellekt 

Gerhard  von  Amyntor 

Publikum, 

as  Publikum,  das  ist  ein  Mann, 
Der  alles  weiss  und  garnichts  kann; 
Das  Publikum,  das  ist  ein  Weib, 
Das  nichts  verlangt  als  Zeitvertreib« 
Das  Publikum,  das  ist  ein  Kind, 
Heut1  so  und  morgen  so  gesinnt; 
Das  Publikum  ist  eine  Magd, 
Die  stets  ob  ihrer  Herrschaft  klagt; 
Das  Publikum,  das  ist  ein  Knecht, 
Der,  was  sein  Herr  thut,  findet  recht; 
Das  Publikum  sind  alle  Leur9, 
Drum  ist  es  dumm  und  auch  gescheit. 
Ich  hoffe,  das  nimmt  keiner  krumm, 
Denn  einer  ist  kein  Publikum. 

Ludw.  Robert. 
^  (1779-1S32L) 

Publikum. 

^as  Publikum  ist  eine  einfache  Frau, 

Bourgeoishaft,  eitel  und  wichtig, 
Und  folgt  man,  wenn  sie  spricht,  genau» 
So  spricht  sie  nicht  'mal  richtig. 

182 

- 


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Eine  einfache  Frau,  doch  rosig  und  frisch, 
Und  ihre  Juwelen  blitzen, 
Und  sie  lacht  und  führt  einen  guten  Tisch, 
Und  es  möchte  sie  jeder  besitzen. 

Theodor  Fontane. 


Kritikaster, 

^a  hast  du  was  und  freust  dich  dran, 

Meinst  du,  damit  sei's  abgethan? 
Pass1  aufl  du  bist  noch  nicht  am  Schluss, 
Musst  hören  erst  den  Kritikus. 
Der  kommt  dir  ungebeten  ins  Haus, 
Misst  deine  Freud'  mit  dem  Ellmass  aus, 
Wiegt  auf  der  Goldwag*  haar  und  scharf, 
Wie  sehr  dein  Herz  bewundern  darf; 
Oder  rechnet  dir  gar  mathematisch  vor, 
Was  massen  du  ein  rechter  Thor, 
Dich  zu  ergötzen  an  solchem  Schund, 
Dass  du  erschrickst  im  Herzensgrund 
Und  dir  fürnimmst  mit  teurem  Schwur, 
Mit  seiner  hohen  Erlaubnis  nur 
Inskünftig  wieder  erbaut  zu  sein.  — 
So  macht  er  dich  gebildet  fein, 
Dass  du  mit  Zweifel  nur  und  Grauen 
Noch  wagst,  das  Schöne  anzuschauen. 
Das  nenn1  ich  einen  christlichen  Wandeil 
Nur  Eines  int  mich  bei  dem  Handel, 
Nur  Eines  kann  ich  nicht  unterscheiden  — 
Wer  der  grösste  Narr  ist  von  euch  beiden. 

Ludwig  Pfau. 


Recensenten. 

jßläulich  breitet  sich  der  See  bis  zum  Firmamente; 
Meine  Seele  dehnt  sich  weit  mit  dem  Elemente. 

Alten  Zeiten  sinn1  ich  nach,  längst  verrauschter  Fabel  — 
Eine  Ente  schwimmt  herbei  mit  profanem  Schnabel. 

Fängt  das  Tier  zu  schnattern  an :  »Zwar  der  See  ist  bläulich, 
Aber  in  der  Tiefe  haust  Wurm  und  Schnecke  gräulich. 

183 


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Ist  es  nicht  ein  gross  Verdienst,  so  den  Teich  zu  säubern  r 
Und  es  lohnt  die  Arbeit  sich  gleich  an  unsera  Leibern.« 


Ja  du  bist  ein  kluges  Tier,  Muhme  Schnatter-Ente, 
Wirst  von  fremden  Fehlern  dick,  bist  ein  Recensente. 

Könnte  diese  man,  wie  dich,  rupfen,  braten,  fressen, 
Was  die  Kerle  fett  gemacht,  wollt'  ich  gern  vergessen! 

Richard  Leander. 

Die  Naive. 

sprach:  „Ich  möchte  erfahren, 
Wer  war  denn  der  herrliche  Mann, 
Mit  dem  im  Theater  waren 
Die  Schwestern  Auerhahn?" 

Ihr  Nachbar  bei  Tische  erklärte, 
Entsprechend  der  Wirklichkeit: 
„Der  Bruder  war  es,  Verehrte, 
Ich  kenn*  ihn  seit  längerer  Zeit." 

Sie  sagte:  „Sie  werden  sich  schneiden, 
Ich  fall*  Ihnen  nicht  hinein  — 
Es  kann  ja  doch  nicht  von  beiden 
Der  Bruder  gewesen  sein." 

Arthur  Pserhofer. 

Die  Frage. 

(Gött.  Mus.  Alm.  1781.) 

Jn  Strassburg  stieg  ein  Kavalier 

Aufs  Münster :  Blitz,  wie  hoch !  mir  grauet, 
Sprach  er  zum  Türmer,  sag*  er  mir, 
Herr  Landsmann,  ward  es  hier  gebauet? 

Pfcffcl. 

Spindelmanns  Recension  der  Qegend. 

jNJäher  muss  ich  jetzt  betrachten 

Diese  Gegend  durch  das  Glas; 
Sie  ist  nicht  ganz  zu  verachten, 
Nur  die  Fern'  ist  allzublass. 

im 


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jene  Burg  auf  steiler  Höhe 

Nenn'  ich  abgeschmackt  und  dumm, 

Meinem  Auge  thut  sie  wehe, 

Wie  der  Fluss,  der  gänzlich  krumm. 

Jene  Mühl'  in  wüsten  Klüften 
Giebt  mir  gar  zu  rohen  Schall, 
Aber  ein  gesundes  Duften 
Weht  aus  ihrem  Eselsstall. 

Dass  hier  Schlüsselblumen  stehen, 
Hä«*  ich  das  nur  eh*  gewusst! 
Muss  sie  schnell  zu  pflücken  gehen, 
Denn  sie  dienen  meiner  Brust. 

Kräuter,  die  zwar  farbig  blühen, 
Doch  zu  Thee  nicht  dienlich  sind, 
Doch  nicht  brauchbar  sind  zu  Brühen, 
Ueberlass*  ich  gern  dem  Wind. 

Juitinui  Kern«. 

Urteil. 

L)er  Frühling  kam  zum  Kritikaster 

Und  bat  um  sein  Urteil.  —  Der  sann  und  sann, 
Endlich  an  seine  Brille  fasst*  er, 
Rückte  sie,  blähte  sich  und  begann: 

»Ihr  seid  noch  jung .  .  der  Mut  ist  zu  loben  .  • 
Die  Form  .  .  hm  .  .  nicht  übel  .  .  die  Leidenschaft  glüht .  . 
Nur  seid  ihr  zu  .  .  wild,  müsst  zu  Ende  erst  toben: 
Vielleicht,  dass  dann  euch  der  Lorbeer  blüht .  .1« 

—  »Ich  dank*  euch, '  mein  lieber  Herr  Magister, 
Doch  das  will  mir  garnicht  in  den  Sinn! 
Ihr  macht  mich  wahrhaftig  nicht  zum  Philister  — 
Dann  bleib'  ich  der  Stümper,  der  ich  binl« 

Leonhard  Wetzlar. 


las 


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Irrtum. 


^ie  Halben  und  die  Zahmen, 

Die  Krüppel  und  die  Lahmen, 
Sie  hinken  zum  Parnass! 
Am  Quell  sie  niedersinken  — 
So  wähnen  sie  —  —  und  trinken 
Aus  einem  Regenfasst 


Talent. 

^alent  hiess  einst  in  alter  Zeit 
Von  Gott  verlieh'ne  Fähigkeit 

Drauf  ward  Talent 

Ein  Kompliment, 
Und  das  verlangt  heut  Jedermann, 
Der  schmieren  oder  klimpern  kann. 

E.  Fr.  Ludw.  Robert. 
(177»- 1832.) 

f 

Guter  Rat, 

(Einem  »angebenden«  Dichter.) 

plannst  du  auch  mit  Engelszungen  singen, 

Die  Philister  bleiben  unbewegt, 
Wenn  dich  nicht  auf  ihren  breiten  Schwingen 
Zu  den  Wolken  die  Reklame  trägt  1 

Statt  zu  plagen  dich  mit  Folianten, 
Träumend  in  das  Abendbrot  zu  schau*  n, 
Lern,  o  Freund,  vom  Pillenfabrikanten, 
Opernsänger  oder  Cirkusclownl 

Keinen  Deut  ja  hilft  dir  alle  Rührung, 
Hilft  dir  deiner  Strophen  kühnster  Schwung;  — 
Mehr  Furore  macht  schon  die  Entführung 
Einer  Millionärin,  schön  und  jung. 

Auch  ein  Press-Skandälchen  ist  nicht  ohne, 
Ganz  besonders  folgt  drauf  ein  Duell; 
Wunder  wirkt  oft  eine  blaue  Bohne, 
Einem  Kritikus  gebrannt  aufs  Fell« 

186 


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Doch  das  Beste  bleibt,  das  Höchstreelle 
Trink1  ein  Cyankalifl  aschchen  aus, 
Spring*  hinab  die  Niagarafalle 
Oder  stirb  als  Narr  im  Irrenhaus  1 

Deinen  Namen  nennt,  ganz  ohne  Frage, 
Schleunigst  jedes  Winkeiblattchen  dann, 
Und  du  bist  zum  mindesten  drei  Tage 
Was  du  wolltest:  ein  berühmter  Mann. 


Einwirkung  der  Dichtkunst  auf  das  Portemonnaie, 

Jn  Monaco  die  Rouletten, 

Auf  dem  Rennplatz  hohe  Wetten 
Sind  nur  für  die  Reichen  da, 
Sammlungen  sich  anzulegen, 
Alpen-Klettersport  zu  pflegen, 
Höllisch  teuer  wird  es  jal 
Auf  der  Treibjagd  ohne  Zweifel 
Manches  Goldstück  geht  zum  Teufel 
Mit  der  grössten  Eleganz; 
Und  als  kostspielig  zu  tadeln 
Ist  sogar  das  liebe  Radeln, 
Dieser  Sport  des  kleinen  Mann's. 
Erst  die  Abzahlung  in  Raten, 
Dann  ein  Berg  von  Strafmandaten! 
Hundert  Thaler  zahlt  man  wohl 
Für  des  Arztes  Honorare, 
Für  die  Apotheker- Ware, 
Für  Kompressen  und  Karbol. 
Ist's  kein  Absturz  in  den  Steinbruch, 
Kommt  doch  wohl  ein  kleiner  Beinbruch 
Oefters  bei  dem  Radler  vor« 
Heut  macht  Muskelzerrung  Sorgen, 
Knochenhaut-Entzündung  morgen  — » 
Futsch  geht  langsam  der  Humor. 
Und  mit  steigendem  Verdrusse 
Sieht  der  Mensch  am  Jahresschlüsse 
Seine  Kostenrechnung  an; 
Schauernd,  trauernd,  traumverloren, 
Kratzt  sich  hinter  beiden  Ohren 
Mancher  brave  Strampelmann. 


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Wie  viel  bill'ger  ist  das  Dichten! 
Jede  Konkurrenz  vernichten 
Wird  es  auf  der  Erde  hier. 
50  Pfg.  Barauslagen 
In  360  Tagen 

Reichen  aus  für  Schreib-Papiert 
Wer,  bei  den  Penaten  weilend, 
Selbstgeleimte  V  feilend, 
Seinen  Durst  nach  Schönheit  stillt, 
Der  werwichst  kein  Geld  in  Bieren, 
Braucht  im  Skat  nichts  zu  verlieren, 
Seine  Kasse  wächst  und  schwillt 
Kein  frivoler  Kater-Einfall 
Schadigt  ihn  durch  einen  Reinfall, 
Bringt  um  das  Ersparte  ihn. 
Wenn  die  Andern  klagen,  weinen, 
Sieht  man  ihn  mit  Kassenscheinen 
Schwer  bepackt  zur  Sparbank  zieh'n. 

Heinr.  Schaffe!. 

Ruf  einen  verhungerten  Dichter, 

1^)0  war  es  dir  bescheret, 
Du  lebtest  kummervoll, 
Du  hast  dich  aufgezehret, 
Recht  wie  ein  Dichter  solL 

Das  gab  die  Pieride 
An  deiner  Wiege  kund, 
Sic  weihte  dir  zum  Uede, 
Zu  andrem  nicht,  den  Mund. 

Die  Mutter  starb  dir  frühe; 
Man  sah  an  dem  Verlust, 
Dass  dir  kein  Heil  erblühe 
Von  einer  ird'schen  Brust. 

Die  Welt  mit  ihren  Schätzen, 
Mit  allem  Ueberfluss 
Soll  nur  dein  Auge  letzen; 
Für  andre  der  Genuss! 

Der  Frühling  war  dein  Leben, 
Die  Blüte  war  dein  Traum; 
Ein  andrer  presst  die  Reben, 
Ein  andrer  leert  den  Baum. 


Da  hast  an  manchem  Tage 
Den  Wasserkrug  gestürzt, 
Indes  man  Festgelage 
Mit  deinem  Lied  gewürzt. 

Du  warst  schon  hier  verkläret 
Und  wenig  mehr  als  Geist, 
Nun  bist  du  heimgekehret, 
Wo  man  Ambrosia  speist. 

Zu  Grab  getragen  .werde, 
Was  einem  Leichnam  gleicht  1 
Du  drücktest  nicht  die  Erde, 
Sei  dir  die  Erde  leicht  1 


ang  war  die  Nacht.    Ich  schlief  mit  nichten; 


Mir  raubt  mein  Trauerspiel  die  Ruh. 
Noch  gilt's  den  fünften  Akt  zu  dichten  — 
Auroral  meine  Morgenschuhl 

Der  Held  muss  selbstverständlich  sterben, 
Doch  überlebt  ihn  die  Idee. 
Mit  kräfVgen  Tinten  will  ich  färben  l  — 
Auroral  einen  Schluck  Kaffee! 

Glück  auf  1    Drei  kalte  Leichen  liegen 
Dahingestreckt  vom  tragischen  Todl  — 
Schon  zehn  Uhr?    Wie  die  Stunden  fliegen  1 
Schnell,  Fraul  ein  kleines  Schinkenbrot  t 

Die  Feder  schwirrt,  die  Verse  klingen; 
Jetzt  ein  Effekt-Tableau  zum  Schluss  .  .  . 
Das  muss,  das  muss  Erfolg  errringenl  — ■ 
Auroral  einen  Fidibus I 

Den  bunten  Vorhang  hör1  ich  rauschen, 
Ich  sehe,  wie  von  Akt  zu  Akt 
Die  Hörer  atemloser  lauschen  — 
Das  packt,  ihr  Leute,  gelt,  das  paktt 


L.  Uhland. 


Der  fünfte  Rkt. 


189 


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In  Thränen  schwimmen  die  Gesichter, 
Ein  toller  Beifallssturm  erschallt, 
Man  ruft  berauscht  den  kühnen  Dichter  —  - 
»Komm,  Mannt  sonst  wird  die  Suppe  kaltl« 

Edwin  Bonnann. 

Hoch  einmall 

(Lied  einer  Modegröise.) 

Einst  rauschten  wilde  Frühlingswetter 

Durch  dieses  Herz  voll  Ungestüm  — 
Heut  schreib'  ich  für  Famüienblätter 
Histörchen  auf  von  »ihr«  und  »ihm«. 
Einst  träumt*  ich  kühn  von  heissen  Siegen 
Von  Leidenschaft,  die  fehlt  und  irrt,  — 
Heut  sorg1  ich  nur,  dass  »sie  sich  kriegen« 
Und  die  Moral  gerettet  wird. 

Einst  Gast  im  Gatten,  drin  die  Schlange, 
Grell  den  Erkenntnisbaum  umschlingt, 
Spazier1  ich  nun  im  Thal  schon  lange, 
Wo  noch  der  Storch  die  Kinder  bringt. 
Ich  schwärme  brav  mit  Fritz  und  Kätchen; 
Dass  Liebe  sündigt  —  ahn'  ich  kaum 
Und  leg*  dem  bleichsuchtblassen  Mädchen 
Sein  Büchlein  unteren  Weihnachtsbaum. 

Einst  stürmt1  ich  keuchend  mit  Titanen 

Der  Götter  Burg  in  Sturm  und  Not, 

Heut  roll'  ich  hin  auf  glatten  Bahnen 

Und  bin  ein  guter  Patriot. 

Mein  Hirn  wirft  eine  hübsche  Rente, 

Ich  lobe  Staat  und  Unterricht; 

Und  dass  man  wo  was  bessern  könnte 

An  dieser  Welt  —  ich  ahn'  es  nicht. 

Nennst  du  mich,  strahlen  die  Gesichter; 

Ich  werd*  gekauft,  gelobt,  besucht; 

Ich  bin  ein  »erster  deutscher  Dichter«, 

Als  solcher  am  Parnass  gebucht .  .  . 

Nur  —  wenn  mich  Siebzehnjähr'ge  preisen 

Und  alte  Weiber  jubeln  laut, 

Ist  nuVs,  ich  müsst*  zusammenschmeissen, 

Was  ich  in  dreissig  Jahr'n  gebaut; 

190 


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Ein  Echo  von  verwehten  Stürmen, 

Ein  Feuerxorn  reisst  mich  davon  — 

O  Gott,  ich  mö'cht1  noch  einmal  türmen 

Den  Ossa  auf  den  Pelionl 

Möcht*  ein  von  Hass  und  Neid  Zerraufter, 

Bei  kargem  Brot  und  schlechtem  Wein 

Ein  ganz  Verfluchter,  Ungekaufter 

In  einem  kalten  Stübchen  seinl 

Rad.  Preiber. 

Consilium  Medicum. 

au«.) 

Prau  Poesie  war  krank, 

Verwitwet  schon  seit  manchem  Jahr, 
Wuchs  scheinbar  stündlich  die  Gefahr. 
Die  Stirne  heiss, 
Die  Zunge  weiss, 

Die  Haut  bald  Frost  und  bald  in  Sch weiss; 
Im  ganzen  Leib  ein  schmerzlich  Jucken, 
Von  Krämpfen  alle  Nerven  zucken, 
Obschon  noch  rüstig  und  nicht  alt, 
Schien  nah  des  Todes  Nachtgewalt. 

Doktores  kamen  von  allen  Seiten, 

Die  erst  sich  begrüssen  und  dann  bestreiten; 

Hippokratisch,  homöopathisch, 

Allopathisch,  hydropathisch, 

Antipathisch, 

Philosophisch  gebrüstet, 

Historisch  gerüstet, 

Dogmatisch,  kritisch, 

Klassisch,  britisch; 

Schreiben  Rezepte  in  langen  Zeilen. 

Umsonst,  —  die  Kranke  war  nicht  zu  heilen  1 

■ 

Da  kam  ein  Bader  vom  Land  herein, 
Besieht  die  Kranke  beim  Tagesschein, 
Erforscht  den  Puls,  die  Zunge  auch, 
Befühlt  die  Weichen  und  den  Bauch; 
Zuletzt  hebt  er  mit  Lachen  an: 
»Die  Wissenschaft  hier  wenig  kann, 
Der  guten  Dame  fehlt  ein  Mannlc 

Frans  Grillparxer. 


IM 


Unsterblichkeit 

Unsterblichkeit?  —  Gewiss!    Da  kann  ich  dienen! 

Ich  hübe  Proben  hier  von  jeder  Art, 
Salon-Berühmtheit  1  —  die  empfehl*  ich  Ihnen, 
Von  leichter  Qualität,  doch  farbenzart. 
Von  besserem  Stoff  sind  diese  beiden  Sorten: 
Saison-Unsterblichkeit  und  Zeitungsruhm  1 
Gar  feine  Muster  mit  Reklameborten, 
Und  das  Dessin  ist  unser  Eigentum  — 
Hier  ist  'ne  andre,  aber  schwere  Ware, 
Ist  teuer  und  hat  kaum  ein  Publikum: 
Das  ist  Unsterblichkeit  für  mehrere  Jahre; 
Der  kleine  Vorrai  setzt  nur  schwer  sich  um. 
Saison!  —  Das  gehtl  —  Das  lass*  ich  mir  gefallen! 
Das  trägt  sich  schön  und  kleidet  Jeden  gut; 
D'rum  ist  die  Sorte  auch  beliebt  bei  Allen  — 
Sie  glauben  gar  nicht,  was  ein  Muster  thut  — 
Wie?  —  Echte  war's,  mein  Herr,  um  die  Sie  baten? 
Die  halt*  ich  nicht,  denn  sie  verkauft  sich  schlecht; 
Wenn  Sie  die  suchen,  Herr,  da  möcht*  ich  raten, 
Sie  machen  sie  sich  selbst,  dann  ist  sie  echt! 

Friedrieh  August  Leo. 

Satans  List. 

J3n>  Luthers  geistgewalr'ge  Waffen 

Die  neue  Zeit  der  Welt  geschaffen, 
Geschah's,  dass  Satan  zur  Erde  kam. 
Und  als  in  Augenschein  er  nahm 
So  Burg  und  Dorf,  so  Stadt  und  Land, 
Er  freudig  viele  Sünde  fand  .  .  • 
Nun  kam  er  einst  in  eine  Stadt, 
Daselb9t  vernahm  er  gross  Gechrei, 
Die  Leute  riefen:  Grosses  sei 
Erfunden,  das  nichts  Gleiches  hat. 
Und  als  er  hinschaut*,  sah  er  bald: 
Ein  Mann,  gar  würdig  von  Gestalt, 
Verstand  das  Wort  ins  Buch  zu  bannen, 
Das  tausendfach  es  zog  von  dannen. 
Hans  Gutenberg,  so  hiess  der  hehre, 
Des  deutschen  Namens  schönste  Ehre« 
Nun  braucht  nicht  mehr  in  enger  Zelle 
Der  Mönch  die  Jahre  durch  zu  sitzen, 

192 


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Nicht  langsam  malend  mehr  zu  schwitzen, 
Und  selber  zu  des  Aermsten  Schwelle 
Dringt  rasch  des  Geistes  frische  Welle. 
Darob  war  Satan  sehr  betrübt 
Und  nattf  gern  Gegenlist  geübt  .  .  . 
Er  sann  viel'  Jahre  schwer  und  tie*; 
Nach  langem  Sinnen  aber  rief 
Er  lustig:  »Ha!  Das  ist  nicht  schief! 
Ich  schlag*  sie  mit  den  eig*nen  Waffen, 
Die  grübelnden  Erfinder-Laffen  l 
Ich  mach1  durch  ihre  eig'ne  Kunst 
Ihnen  einen  grossen  Dunst; 
Ich  will  sie  dadurch  ganz  verwirren, 
Dass  ihre  Köpfe  grausig  schwirren,  c 
Und  sieh!    Mit  höllischer  Begleitung 
Schuf  er  im  Nu:  Die  erste  Zeitung! 

Max  Hoffmann. 


Das  unheimliche  Wesen. 

Jn  mannigfaltiger  Gestalt 

Treibt  heimtückisch  sein  Wesen 
Ein  Ungetüm,  von  dem  im  Brehm 
Und  Häckel  nichts  zu  lesen. 

Ganz  harmlos  ist  es  äusserlich, 
Obwohl  es  reich  an  Mängeln; 
Mit  ihm  verglichen  ähneln  selbst 
Die  Raubtiere  noch  Engeln. 

Oft  scheint  es  zahm  .  .  doch  trau1  ihm  nicht! 
Denn  —  heuchelt  es  auch  Treue, 
Urplötzlich  wieder  überfallt 
Es  grundlos  dich  aufs  neue. 

Es  freut  sich,  wenn  dir  was  misslingt, 
Und  hat  Erfolg  dein  Streben, 
Dann  knurrt  es,  brächte  gerne  dich 
Um  jedes  Glück  im  Leben. 

Es  gönnt  dir  nichts  auf  weiter  Welt, 
Nicht  Ehre  und  nicht  Habe,  — 
Verfolgt  geheim  mit  seinem  Hass 
Dich  bis  zu  deinem  Grabe. 

IS 

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Ja,  selbst  bei  deinem  Nekrolog 
Wird  oft  sein  Neid  noch  rege. 
Dag  unheimliche  Wesen  heisst  — 
Recht  treuherzig:  Kollege. 

Maximilian  Bern. 

Der  alte  Streber  an  seinen  Sohn. 

^^as  bürgt  dem  Menschen  das  Gedeih' n 

Im  Steeplechase  des  Lebens? 
Das  ist  die  edle  Kunst  allein 
Des  »unentwegten«  Strebens. 
(Natürlich  nach  realem  Ziel; 
Das  andre  gilt  wie  Pappenstiel 
Im  Süden  wie  im  Norden 
Dem  edlen  Streberorden  1) 

Ob  du  bezopfter  Mandarin. 
Ob  preussischer  Assessor, 
Ob  du  ein  Glied  in  Russlands  »Tschin «, 
Ob  deutscher  Kunstprofessor:  — * 
In  jedem  Stand  und  jedem  Reich 
Bleibt  das  Recept  probat  und  gleich, 
Mein  Sohn,  um  hier  auf  Erden 
Geehrt  und  satt  zu  werden. 

Vor  allem  sei  dein  Rückgrat  nicht 
Gleich  Lineal  und  Tischbein  1 
Geschmeidigkeit  ist  erste  Pflicht; 
Vom  Kautschuk  drum  und  Fischbein 
Zu  biegen  und  zu  beugen  lern' 
Dich  vor  den  vorgesetzten  Herren, 
Nicht  minder  vor  den  »Massen«, 
Willst  du  dich  wählen  lassen« 

Bedenke  stets,  wer  du  auch  seist: 
Gar  leicht  scheint  zu  gescheit  man, 
Wenn  man  verrät  zu  vielen  Geist, 
Drum  kommt  damit  nicht  weit  man. 
Denn  besser  als  das  klügste  Wort 
Hilft  oft  die  dümmste  Phrase  fort, 
Was  schliesslich  sehr  erklärlich;  — 
Ein  —  Lamm  scheint  nie  gefahrlich. 

1W 


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kassierst  du  einen  Rüffel  ein, 
Verbeug'  dich  höchst  verbindlich; 
©n  rechter  Dummkopf  zeigt  allein 
Nach  oben  sich  emfindlich. 
Drum  bleibt  er  ewig  subaltem 
Und  titeUos  und  ohne  Stern, 
Indes  der:  Lebenskluge 
Emporfcriecltf  wie  im  Fluge. 

Bist  du  erst  oben,  dann»  mein  Sohn, 

Kannst  du  dich  revanchieren, 

Mit  Grobheit  und  mit  gitfgem  Hohn 

Plebejer  kujonieren. 

Für  alles,  was  dein  Stolz  einst  litt, 

Erquickst  du  dich  durch  manchen  Tritt 

Nach  abwärts  von  der  Leiter; 

Drum  strebe  weiter,  weiter! 


Aschermittwoch. 

treu*  Asche  auf  dein  Haupt,  du  blonde  Schöne! 
Noch  hebt  erregt  vom  letzten  wilden  Tanze 
Dein  Busen  sich,  noch  strahlt  im  feuchten  Glänze 
Bacchantscher  Lust  dein  Blick,  auf  deinem  Munde 
Brennen  die  Küsse  noch  der  tollen  Stunde. 
Da  mischt  sich  in  der  Geigen  sturmisch  Locken 
Schon  dumpf  der  Klang  der  frommen  Kirchenglocken, 
Und  jäh  verstummen  die  Sirenentöne  — 
Streu'  Asche  auf  dein  Haupt,  du  blonde  Schöne! 

Die  Welt  ist  falsch*    Du  kannst  ja  noch  nicht  fassen, 

Dass  jene,  die  dort  sittsam  durch  die  Strassen- 

Zur  Kirche  geh'nf  vor  wenigen  Minuten 

Im  wilden  Taumel  dir  am,  Herzen  ruhten. 

Nun  beten  sie,  dass,  wenn  die  guten  Sitten, 

Das  Seelenheil  durch  sünd'ge  Lust  gelitten, 

Der  Himmel  doch  das  sündige  Fleisch  versöhne  — 

Streu*  Asche  auf  dein  Haupt,  du  blonde  Schöne! 

Die  Welt  ist  feig,  denn  sie  wird  alt  und  prüde, 
Weil  Jugendkraft  und  Jugendlust  verglühte, 
Nicht  mehr  wie  einst  zu  Aphroditens  Tagen 
Kann  sie  die  Schönheit  unverhüllt  ertragen. 

13* 

1% 


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Was  einst  Begeisfrung  schuf,  weckt  heute  Grauen, 
Verstohlen  nur  darf  Schönheit  uns  erbauen. 
Die  Lüge  herrscht  und  will,  dass  man  sie  kröne  — 
Streu1  Asche  auf  dein  Haupt,  du  blonde  Schöne  I 

Die  Welt  ist  schlecht    Sieh1,  wie  im  finstern  Schweigen 

Die  Frommen,  die  Gerechten  auf  dich  zeigen. 

Sie  fluchen  dir,  du  Qpp'ges  Kind  der  Sünde. 

Die  Flitter  weg!  Ein  Trauerkleid  geschwinde. 

In  strenge  Falten  leg'  die  heitern  Züge, 

Und  kannst  du  beten  nicht,  nun  denn,  so  lüge 

Und  heuchle  Reu',  dass  keiner  dich  verhöhne  — 

Sreu'  Asche  auf  dein  Haupt,  du  blonde  Schöne  1 


Gesellschaft. 

^iner  im  feinsten  Westen, 
Viel  Diamanten-Glanz, 
Es  nippten  vom  Schönsten  und  Besten 
Die  Lippen  der  Haute-Finanz. 

Satt  strahlte  aus  allen  Mienen 
Die  runde  Zufriedenheit  — 
Und  mitten  zwischen  ihnen 
Sass  meine  Wenigkeit. 

Ich  hatte  der  Dame  des  Hauses 
Mein  kleines  Buch  dediziert, 
s    Drin  ich  viel  Wirres  und  Krauses 
Zusammenfabuliert. 

„Ach  bitte  lesen,  lesen  I" 

Bat  man  mich  nach  dem  Dessert. 

Ich  machte  ein  wenig  Wesen, 

D  ann  nahm  ich  das  Büchlein  her. 

Ich  las,  man  war  begeistert, 
Ein  zweites,  ein  drittes  Gedicht, 
Dann  hab*  ich  mich  bemeistert: 
„Meine  Damen,  genug!  mehr  nicht  1" 

196 


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Des  freundlichen  Hausherrn  bejahrte 
Rundliche  Schwiegermama, 
Die  einst  an  Mitgift  nicht  sparte, 
Sass  tief  ergriffen  da. 

Was  ich  gelesen,  gedichtet, 
Das  rührte  auch  sie,  wie  mir  schien. 
Zum  Danke  hält  sie  sich  verpflichtet, 
Mich  ins  Gespräch  zu  ziehn. 

Sie  naht  mir,  erregt  sich  fächelnd, 

—  O  Macht  der  Poesie!  — 

Und  fragt  mich,  verständnisvoll  lächelnd : 

„Was  für  ein  Geschäft  haben  Sie?41 

Gustav  Hochstetten 

r 

Eines. 

u  verlachst  die  Tagesmode? 
Du  verachtest  ihren  Sold? 
Narr!  Es  geht  die  Kunst  nach  Brote, 
Und  die  Schönheit  geht  nach  Gold. 

Tanze  vor  der  Bundeslade, 
Knixe  vor  dem  Weltidol, 
Räuchre  gut  und  zeig'  die  Wade, 
Sei  servil  und  sei  frivol! 

Und  es  wird  die  Welt  dich  krönen, 
Wird  dir  Rang  und  Ruhm  verleih'n, 
Und  du  wirst  dich  rasch  gewöhnen, 
Vor  dir  selbst  ein  Lump  zu  sein. 

Wilh.  Jensen. 

Der  Mond  als  Liebespostillon. 

undert  nicht  euch,  lieben  Leute, 
Wenn  ich  gar  so  langsam  schreite; 
Ach,  ich  bleicher  Junggeselle 
Kann  nicht  schneller  von  der  Stelle. 


197 


Denket  nur,  was  Ich  *u  tragefl, 
Ach,  es  ist  nicht  auszusagen  1 
Tausend  Briefe,  Grüsse,  Fragen 
Und  Millionen  Seufzerklagen. 

Ruhig  ziehen  lässt  mich  keiner, 
Alles  schleppen  soll  ich  einer; 
Wo  ich  komme,  meiner  warten 
Hundert  schon  m  Habs  und  Garten. 

Hat  mir  vor  dem  Weiterziehen 
Eine  Wolke  Schutz  geliehen, 
Um  ein  wenig  nur  zu  rasten, 
Gleich  erhalt1  ich  neue  Lasten: 

»Ihr  und  ihm  viel  hundert  Grüsse  U 
»Ihr  und  ihm  ach,  tausend  Küsse  1« 
»Er  soll  ewig  mein  gedenken!« 
»Sie  soll  ganz  ihr  Herz  mir  schenken  1« 

So  geschieht's  seit  ew*gen  Zeiten, 
Seit  aus  liebe  ich  begleiten 
Muss  die  jungfräuliche  Erde,  — 
Wahrlich,  bald  mir  zur  Beschwerde. 

Selbst  aus  Liebe  nachtzuwandern 
Und  noch  Bote  sein  den  andern: 
Nein,  da  wundert  nicht  euch,  Leute, 
Wenn  ich  bleich  und  langsam  schreitet 

Witold  Leo. 


Hinter  den  Kulissen. 

J^er  Saal  erstrahlt  im  Lichterglanz, 

Die  Herrschaft  hat  jour  fix  mit  Tanz.  • 
Zum  Schlüsselloch  schleicht's  Zöfchen  sacht 
Und  lauscht  hinein  in  all  die  Pracht. 
Sie  seufzt;  ihr  Herze  wird  so  schwer: 
„Wenn  ich  doch  auch  ein  Fräulein  wär  I 
Wie  sie  sich  fein  und  zierlich  drehn, 
Wie  ihre  lichten  Kleider  wehn! 
So  fein-gemessen  lächeln  sie, 
So  kühl  und  vornehm  fächeln  siel"  — 
Sie  meint,  sie  spürt  die  Kühle  noch, 
Die  zu  ihr  strömt  durchs  Schlüsselloch. 

198 


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Da  schallen  Schritte  hinter  ihr,  — 
Das  ist  ihr  Schatz,  der  Grenadier! 
Der  nimmt  sie  um  die  Mitte  rund 
Und  küsst  sie  mitten  auf  den  Mund.  — 
Da  geht's  ihr  glühend  durch  den  Sinn : 
„Gottlob,  dass  ich  kein  „Fräulein"  bini"  — 

Otto  Kindt. 


Rrme  Natur! 

ie  »süsse,  heilige  Natur«, 
Die  Künstlern  einst  so  schön  erschienen, 
Ist  nun  entwertet;  Stümpern  nur 
Kann  heut*  sie  noch  zum  Vorbild  dienen. 

Entwickelt  haben  sich  zu  dritt 
Die  Malerei,  Musik  und  Dichtung; 
Doch  die  Natur,  de  hielt  nicht  Schritt 
Und  blieb  getreu  der  alten  Richtung. 

In  Form  und  Farbenton  blamiert 

Sie  Tag  für  Tag  sich  drum  abscheulich; 

Die  Bäume  sind  nicht  stylisiert, 

Die  Schatten  nicht  genügend  bläulich, 

Die  Wolken  viel  zu  wenig  bunt, 
Die  Berge  völlig  falsch  gestaltet; 
Was  sie  erzeugt,  ist  Kitsch  und  Schund, 
In  Stoff  und  Kolorit  veraltet. 

Oft  thut  mir  die  Natur  recht  leidl 
Die  arme  ist  schon  ganz  marode, 
Lernt  nichts  von  Künstlern  neuer  Zeit 
Und  kommt  missachtet  aus  der  Mode. 

Maximilian  Bern. 

Der  Floh  und  der  Riese. 

£Juf  einem  Riesen  sass  ein  Floh, 

Der  wurde  nimmer  herzlich  froh; 
Wie  er  auch  saugte  Zug  um  Zug, 
Es  war  dem  Schlingel  nie  genug. 

199 

4 

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Der  Riese  hatte  dichtes  Fell, 
In  das  der  kleine  Springgesell 
Nicht  immer  konnte  nach  Belieben 
Den  leckerhaften  Rüssel  schieben; 
Doch  wenn's  gelang,  dann  mit  Behagen 
That  er  in  Hast  gar  wackre  Züge 
Und  füllte  gierig  seinen  Magen. 
Gesättigt  hub  er  an  zu  lästern: 
»Mein  Wohlgefühl  ist  frevle  Lügel 
Was  sorg*  ich  heute  mich  wie  gestern, 
Zu  fristen  dieses  Daseins  Not? 
Am  besten  war*  ich  nie  geboren, 
Denn  all  mein  Mühen  ist  verloren; 
Man  quält  sich  doch  nur  für  den  —  Tod. 
Fluch  dem  unselig  blinden  Willen, 
Dem  unvernünftigen  Schöpfungsdrang, 
Der,  seine  Müsse  auszufüllen, 
Mich  und  den  Kerl,  drauf  ich  schmarotze, 
Gesundem  Denken  just  zum  Trotze 
Zu  dieses  Lebens  Posse  zwang! 
Der  Unsinn  hat  uns  nur  erschaffen, 
Und  sinnlos  vegetiert  die  Zunft 
Der  Menschen,  Vögel,  Fische,  Affen; 
Nur  ich,  der  Floh,  bin  mit  Vernunft 
Begabt  und  seh*  bei  ihrem  Schein 
Des  Weltprinzipes  Irrwahn  einlc 

So  schmählt  er  oft    Doch  einmal  traf 

Herr  Pulex  eine  gute  Stelle 

Und  füllte  mit  der  süssen  Welle 

Des  Blutes  sich  sein  Wänstlein  brav; 

Doch  als  er  sich  recht  toll  und  voll 

Gesoffen,  wie's  ein  Floh  nicht  soll, 

Da  folgte  Uebelkeit  der  Lust, 

Und  an  des  guten  Riesen  Brust 

Hat  er  sich  krampfhaft  angeklammert, 

Sein  Irren  reuevoll  bejammert 

Und  sich  mit  seinem  Intellekt 

Zur  ewigen  Ruhe  ausgestreckt. 

Er  starb  als  seines  Vaters  Sohn 

An  einer  —  Indigestion, 

Der  Riese  unsre  Erde  ist; 

Der  Floh  darauf  —  der  Pessimist. 

Gerhard  v.  Amyntor. 


?00 


Das  verzweifelte  Flaschenkind. 

»Es  krampft  sich  in  Titanen  weh  das  Hers, 
Vom  Daseinsekel  angepackt,  rusammen.« 

H.  Conradi 

lieg1  ich  nun  und  schrei  mich  matt, 
Keine  MenschenseeF  erwacht. 
Wie  ist  das  Leben  so  schaal  und  leer! 
Ich  hab'  es  mir  anders  gedacht 

Man  hat  mich  getauft,  ich  weiss  nicht  wie, 
Man  hat  mich  geimpft  sogar, 
Obgleich  ich  gegen  das  Taufen  sowohl 
Wie  gegen  das  Impfen  war. 

Drei  silberne  Löffel,  die  sind  mein, 

All  mein  Vermögen  bis  jetzt. 

Wer  weiss  aber,  wo  die  heut  schon  sind  — 

Sie  sind  gewiss  schon  versetzt  1 

Nur  Milch  bekomm1  ich  und  nichts  als  Milch, 
Ich  mag  sie  schon  gar  nicht  mehr. 
Keine  Abwechslung  im  Ernährungsgang, 
Niemals  der  kleinste  Likör  l 

Nur  Milch,  nur  Milch  und  nichts  als  Milch, 
Niemals  ein  and'res  Getränk  1 
Und  die  Masern  steh'n  mir  auch  noch  bevor, 
Mich  schaudert,  wenn  ich  dran  denk! 

Und  dieselbe  Umgebung,  blöd1  und  stumpf, 
Glotzt  Tag  für  Tag  mich  an. 
Davon  laufen  möcht'  ichl    Wehe  mir, 
Dass  ich  noch  nicht  laufen  kann! 


Das  Leben  ist,  ich  merk' 
Ein  ewiges  Einerlei: 
Man  wird  nass  und  wird 
O  wär*  erst  alles  vorbei! 


es  schon, 

wieder  trocken  gelegt 

Johannes  Trojan. 


201 


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Der  Gimpel,  pfeifend  sein  gelerntes  Lied. 
Er  hängt  im  Sonnenschein  dort  an  der  Mauer, 
Er  hat  es  gut  und  gar  nichts  fallt  ihm  sauer, 
Er  ist  zufrieden,  wie  man  deutlich  sieht 

Das  ist  die  Kunst  1   Sie  führt  zu  hohen  Ehren: 
Man  hat  das  kleine  Tier  bezahlt  mit  Gold. 
Kann  man  die  Nachtigall  wohl  Lieder  lehren? 
Man  kann  es  nicht  1  Drum  soll  den  Gimpel  ehren, 
Wer  wahrer  Kunstvollendung  Beifall  zollt  1 

Nun  leiert  er  sein  Lied,  der  brave  Gimpel, 

Wie  er's  gelernt  hat,  alle  Tage  her, 

Pfeift  seine  Melodie  so  rein  und  simpel, 

Dass  alles  jauchzt:  »Wie  schön  singt  unser  Gimpel 

Das  Liedchen  doch:  ,Wenn  ich  ein  Vöglein  wärN 


£jr  sagte  jüngst,  ich  wäre  nur 

Ein  ganz  unwissend  Kind, 
Das  nie  gefragt,  was  die  Natur 
Und  Gott  in  Wahrheit  sind« 

Er  sprach  so  schön,  so  bildervoll 
Und  gab  mir  auch  ein  Buch, 
In  dem  ich  fleissig  lesen  soll, 
Sei's  auch  nur  zum  Versuch. 

Ich  las  und  las;  mir  ward  davon 
Ganz  wunderlich  zuletzt: 
Der  liebe  Herrgott  wurde  schon 
Im  Eingang  abgesetzt: 

»Es  ist  kein  Gott,  der  denkt,  der  wie 
Ein  Künstler  wirkt  und  schafft, 
Was  Gott  ich  nenne,  ist  nur  die 
Im  Stoff  latente  Kräfte 

Als  ich  im  Walde  diese  Stell' 

Mit  lauter  Stimme  las, 

Sprang  von  den  Buchenwipfeln  schnell 

Der  Sonnenschein  ins  Gras. 


SeideL 


Er  sagte  jüngst. 


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fcr  lacht,  als  er  aufe  nasse  Moos 
Mit  Silberzehen  tritt  — 
Und  alle  Blätter  brechen  los 
Und  lachen  herzlich  mit. 

Ich  schlug  beschämt  ob  diesem  Spott 
Das  Buch  unwillig  m  — 
Und  seitdem  hat  der  liebe  Gott 
Von  meiner  Sehe  Ruh'. 

H.  GKltn. 

Entwkklungsgrenze. 

^Jicht  schreckt  mehr  die  moderne  Frau 
Der  schwierigste  Beruf  des  Mannes  I 
Was  immer  einer  leisten  mag, 
Das  echte  Ueberweib  auch  kann  esl 

Bald  gibt  es  keine  Wissenschaft 
Und  keine  Tätigkeit  auf  Erden, 
In  der  die  Mitbewerberin 
Gefährlich  nicht  beginnt  zu  werden 

Jurisprudenz  und  Medizin, 
Astronomie  selbst  und  so  weiter 
Sind  ihr  bequehie  Sprossen  nur 
An  geistiger  Entwicklungsleiter.  — 

Wer  sagt's  voraus,  wie  weit  sie  noch 
Uns  als  Rivalin  überflügelt, 
Wenn  Mitleid  mit  dem  schwachen  Mann 
Nicht  rechtzeitig  ihr  Streben  zügeh?! 

Erlernt  sie  alles  dochl  .  .  .  nur  nicht 
Das  einfachste  von  allen  Dingen: 
Vom  Wagen  einer  Strassenbahn 
Korrekt  nachvorne  abzuspringen. 

Maximilian  Bern. 

VC 


203 


Ruferstehung. 


Jm  freundlichen  Heiligen-Geist-Spital, 
Da  lagen  im  reinlichen  Totensaal 
Zwei  Männer  von  Nummer  Zehn  und  Sieben; 
Die  waren  unter  dem  Messer  geblieben, 
Das  ihnen  das  Gedärme  zerstückt. 
Die  Operation  war  gut  geglückt; 
Ein  schwieriger  Eingriff  ohne  gleichen, 
Wie's  der  Professor  selbst  gewusst. 
Dann  kam  das  Fieber,  der  Blutverlust  — 
Na,  und  jetzt  waren's  Leichen. 

Der  von  Nummer  Zehn  war  ein  alter  Baron; 

Trug  noch  um  die  bläulichen  Lippen  den  Hohn, 

Mit  dem  er  der  Welt  von  oben  herab 

Im  Leben  die  Meinung  zu  wissen  gab. 

Die  Nasenflügel  blähten  sich  hohl, 

Als  röch*  er  im  Tod  noch  das  viele  Carbol 

Und  misse  peinlich  in  dieser  Luft 

Ein  Spürchen  französischen  Fliederduft, 

Mit  dem,  eh*  er  sich  ins  Himmelbett  legte, 

Sein  Konrad  zu  parfümieren  pflegte. 

Sein  Bart  war  nicht  mehr  recht  frisch  in  der  Farbe; 

Quer  über  dem  Auge  die  Säbelnarbe, 

Die,  vom  Rotspon  begossen,  so  dunkel  geblüht, 

War  eingesunken  und  abgeglüht 

Und  an  den  Schläfen  die  Silberfädchen, 

An  denen  die  lustigen  kleinen  Mädchen 

Ihn  nach  dem  Souperchen  so  gerne  gezupft, 

Die  waren  von  kaltem  Schweiss  betupft. 

In  sonsten  lag  ein  seltsamer  Frieden 

Auf  weisser  Stirn.  So  schien  er  fast 

In  einer  Gesellschaft,  die  sonst  er  gemieden, 

Ein  stiller,  doch  ein  zufriedener  Gast. 

Nur  an  des  Nachthemds  gesticktem  Kragen, 

Wie's  ziemt  einem  Enkel  aus  stolzem  Stamm 

Ruhmvoller  Helden  aus  Kreuzzugstagen: 

Die  Krone  über  dem  Monogramm! 

Auf  dem  Nachbarbett  ein  Diätar, 
Dem  sauber  das  Kinn  gebunden  war. 
Die  Hände  ums  Kruzifix  gedreht, 
Im  Hemdlein,  grob  und  oft  genäht, 
Die  Beine  unter  dem  Tuch,  dem  glatten, 
Mager  und  schwunglos  wie  Eichenlatten. 
Die  Wangen  gefallen,  die  Augen  hohl, 


204 


Di 


So  lag  er  da.  Dem  Aermsten  war  wohl. 
Er  hart*  im  Ringen  nach  Brot  und  Segen 
Sein  Lebtag  nicht  so  ruhig  gelegen 
Und  schien  nach  hartem  und  herbem  Tun 
Gewillt,  sich  in  Ewigkeit  auszuruh'n. 
Und  dass  im  dämmernden  jungen  Tag 
Im  Nebenbett  ein  Reichsfreiherr  lag, 
Das  war  ihm  wirklich  zum  ersten  Mal 
Total  egal. 

Die  Uhr  schlug  acht.  Auf  den  Korridoren 
Begannen  die  Studios  schon  zu  rumoren; 
Mit  dem  alten  Diener  der  Anatomie 
Spassten  die  künftigen  Medici. 
Noch  fröhlich  von  gestrigen  Gelagen 
Taten  sie  höchst  verfängliche  Fragen, 
Kamen  dann  mit  dem  Alten  herein 
Und  besahen  gemütlich  das  stille  Gebein. 
Taten  prüfend  die  Laken  verschieben  — 
Einer  war  mager,  und  einer  war  fett; 
Lagen  so  friedlich  Bett  an  Bett 
„Nummer  Zehn"  und  „Nummer  Sieben".  .  . 

Es  kam  der  Professor:  „Meine  Herr'n, 

Die  Operation  ist  trefflich  geglückt, 

Auch  war  ich  vom  Heilverlaufe  entzückt. 

Sind  beide  gestorben.  Da  wüsste  man  gern, 

Was  in  diesem  Körper  die  Kräfte  gemindert 

Und  die  vorschriftsmässige  Heilung  verhindert." 

So  sprach  der  Treffliche  ohne  gleichen 

Und  liess  sich  die  zierlichen  Messer  reichen, 

Mit  denen  in  ihrer  sterblichen  Blosse 

Die  geistverlassenen  Erdenklösse, 

Bevor  sie  wieder  fahren  zur  Erden, 

Noch  wissenschaftlich  durchstöbert  werden; 

Auf  dass  man  kann  zu  der  Menschheit  Segen 

Mit  neuen  lateinischen  Namen  belegen, 

Was  noch  zum  Trotz  aller  Menschenlist 

Seltsamerweise  unheilbar  ist. 

Das  Tote  wird  das  Lebende  lehren, 

Kadaver-Weisheit,  nicht  zu  umgeh'n  — 

So  schnitten  und  spalteten  Messer  und  Scheren 

„Nummer  Sieben"  und  „Nummer  Zehn". 

Und  als  geöffnet  der  Diätar, 

Erwies  sich's,  dass  Krankheitsart  und  Gefahr 

Zwar  von  der  Wissenschaft  nicht  gebannt, 

205 

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Doch  vom  Professor  mit  Scbartsian  erkannt 
„Der  Schüttelfrost  und  die  nächüichen  Schweisse, 
So  wahr  ich  ein  Professor  heisse, 

des  Recurreosspiriils 
Und  dann  die  bedeutende  Schwellung  der  Mü»  — • 
Ein  Stümper,  wer  diese  Zeichen  verkennt: 
Am  Hungertyphus  starb  der  Patient  T 
Mit  diesen  Worten  bog  sich  zur  Seite 
Der  Professor  und  legte  die  Eingeweide 
Des  sanft  entschlafenen  Diätars 
(Ein  schrumplig  ärmliches  Päckchen  war's) 
In  eine  Schüssel  mit  sorglosen  Händen, 
Um  dann  sich  zum  Baron  zu  wenden» 

Beim  Schneiden  hat  er  durch  die  Zähne  gepfiffen: 

„Die  edlen  Organe  sind  angegriffen. 

Der  Rotspon,  der  Sekt  in  offener  Schale, 

Die  Cate-Chantants  und  die  Balllokale, 

Die  Weiber  raffiniertester  Sorten, 

Die  Trüffelpasteten  und  schweren  Importen, 

Das  Nächtedurchwachen,  das  Zechen  und  Lieben, 

Hat  diesen  Körper  allmählich  zerrieben, 

Bis  sehr  begreiflicher  Weise  zuletzt 

Das  Herz  seine  Tätigkeit  ausgesetzt." 

Mit  diesen  Worten  bog  sich  zur  Seite 

Der  Professor  und  legte  die  Eingeweide 

Des  Reichsfreiherrn  —  ein  Zufall  war's  — 

Zu  dem  Leibesinhalt  des  Diätars. 

Die  sich  nun,  schillernd  in  blutigen  Krusten, 

In  einer  Schüssel  vertragen  mussten. 

So  lag  das  Herz,  das  in  Lust  geglüht, 

Von  Sekt  und  prickelnden  Weibern  entfacht^ 

Dicht  bei  dem  andern,  das  kummermüd' 

Vom  Hungertyphus  zum  Stillstand  gebracht  .  .  . 

Und  als  dann  kam  der  Totenschjein, 
Da  packten  die  Diener  die  beiden  ein 
Und  gaben  jedem  unter  dem  Schnitt 
Ein  Päcklein  Eingeweide  mit, 
Ohne  zu  prüfen  erst  hin  und  her, 
Welches  das  Herz  eines  jeden  war'; 
Wenn  nur  ein  jeder  wieder  gefüllt  war 
Und  in  die  üblichen  Tücher  gehüllt  war, 
Und  der  Pfarrer  sein  Wörttein  sprach,  — 
Keiner  schaut  ja  im  Brustkorb  nacht 


Der  Baron  fuhr  Schnellpost  zur  Hölle, 
Weil  er  als  leidiger  Junggeselle 
Oft  in  schlechten  Häusern  gewohnt 
Und  nur  selten  die  Tugend  geschont. 
Dahingegen  der  D  i  ä  t  a  r 
Wandelt'  auf  Wegen  sternenklar 
Mit  der  Engel  Empfehlung  versehen 
Ueber  die  himmlischen  Wolkenhöhen. 
Petrus  grüsst'  mit  dem  HeiTgenschein, 
Trat  zur  Seite  und  Hess  ihn  herein. 

Seltsam,  der  Kömmling  (es  hiess,  er  sei  schüchtern, 

Aeusserst  moralisch  und  immer  nüchtern!) 

Wollt*  Sankt  Peter  zu  seinem  Entsetzen 

Irdische  Mikoschwitze  versetzen, 

Schuf  unter  den  Engeln  ein  grosses  Gequieks 

Und  macht  der  heü'gen  Cäcilie  „Kieks". 

Und  als  er  die  heil'ge  Veronica 

In  frommer  Erbauung  wandeln  sah, 

Hat  er  ihr  —  ob  Ihr  das  glauben  mögt  — 

Keck  seinen  Arm  um  die  Taille  gelegt 

Und  geflüstert :  „Was  soll  nu  das  Zimpern  und  Zieren, 

Kleine  Krabbe,  komm',  geh'n  wir  soupieren!" 

Petrus,  als  er  den  Schaden  gewahrt, 
Rauft  sich  wütend  den  silbernen  Bart: 
„Nein,  wie  soll  ich  des  Schlüsselamts  walten 
Und  hier  oben  die  Ordnung  halten, 
Wenn  da  unter  den  Wolken  die 
In  der  Berliner  Anatomie 
Biedermännern,  die  aufersteh'n, 
Durch  Nachlässigkeit  und  übles  Verseh'n, 
Durch  Schleuderarbeit  und  Uebereilen 
Das  falsche  Herz  in  den  Brustkorb  keilen!" 

Das  hörte  der  Teufel  und  seufzte  und  sprach : 

„Ach  ja,  Sankt  Peter,  das  führ  ich  dir  nach. 

Bei  mir  zum  Exempel  ist  jetzt  ein  Baron, 

Der  verdirbt  in  der  Hölle  den  ganzen  Ton. 

Ich  hart*  mich  gefreut  auf  den  leckern  Braten; 

Jetzt  sitzt  er  da  und  gibt  uns  zu  raten 

Knackmandeln  für  Kinder  und  Rösselsprünge 

Und  andere  ähnlich  erbauliche  Dinge 

Und  erzählt  Geschichtchen  für  Gross  und  Klein 

Aus  dem  Evangelischen  Jüngling?verei  n." 

Rudolf  Presber, 

ao7 


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Das  Fest  im  Kuhstall. 

(1828) 

j5ent  mir  doch  die  blanken  Rinder, 
Wie  sie  steh'n  in  vollem  Glanz! 
Reich  geschmückt  wie  Christtags-Kinder, 
Kopf  und  Nacken  ziert  der  Kranz. 

Herren  geh'n  herum  und  Frauen, 
Fein  von  Sitten  und  Gewand: 
Und  um  Ohr  und  Hörner  krauen 
Sie  mit  schmeichelnd  weicher  Hand, 

Sonst  von  Rohen  nur  misshandelt 
Und  geplagt  von  Magd  und  Knecht: 
Hat  die  Welt  sich  so  verwandelt? 
Ward  der  Mensch  mit  eins  gerecht?  — 

Armes  Volk!  du  hebst  den  Nacken, 
Und  es  wächst  dir  neu  der  Mut? 
Morgen  wird  man  neu  dich  placken, 
Heut  ist  man  zum  Scherz  dir  gut. 

Wenn  nicht  eigne  Lust  sie  triebe, 
Deine  lockte  sie  wohl  nie; 
Armes  Volk!  Nicht  deine  Liebe, 
Deine  Milch  verlangen  sie. 


Der  Besuch  der  Qräfin. 

3enötel  so  draussen  wie  drinnen  welch'  Leben! 

Im  Pfarrhof  flog  Teller  und  Tuch! 
Die  gnädige  Gräfin  Hess  melden  soeben, 

Sie  komme  zum  Mittagsbesuch. 

Frau  Pfarrer  hielt  Rat  mit  der  Tochter  Luise; 

Galt's  doch,  an  so  wichtigem  Tag 
Zu  zeigen  an  Speisen,  Gedeck  und  Service, 

Was  Küche  und  Keller  vermag. 

Abstaubte  den  Saal  man,  die  Prachtkonterfeie 
Der  Vorfahr'n,  altfränkisch  und  steif: 

Hochwürd'ge  mit  Bibeln,  Matronen  voll  Weihe, 
Geschnürten  Korsetts  und  im  Reif. 


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Der  Hausherr  trug  heut*  seine  schönste  Perücke, 

Frau  Pfarrer  ihr  Seidengewand, 
Luise  vom  besten  —  dass  sie  auch  sich  schmücke  l  — 

Was  nur  in  der  Truhe  sich  fand. 

Da  endlich  erschien  an  dem  Gitter  vor'm  Hause 

Die  Gräfin  mitsamt  der  Komtess  — 
Der  Pfarrer  empfing  sie  im  nobelsten  Flause, 

Devot  zwar,  voll  Würde  indes. 

Vergnügten  Gesichts  knixten  tief  auf  der  Treppe 

Frau  Pfarrer  und  Tochter  bereits, 
Sich  bückend,  als  wollten  sie  küssen  die  Schleppe 

Des  aristokratischen  Kleids, 

Den  Saal  nun  betraten  die  vornehmen  Gäste; 

Der  Pfarrer  beschrieb  voller  Glut 
Die  Ehre,  die  man  durch  dies  Fest  aller  Feste 

Dem  Haus  zu  erweisen  geruht, 

Drauf  wurde  die  Herrschaft  zur  Tafel  geleitet, 
Die  unter  der  Last  brach  —  so  schien's. 

Herablassend  hat  sich  die  Gräfin  verbreitet, 
Zuviel  sei  es  hier  des  Bemüh'ns, 

Der  Pfarrerin  Kochkunst,  wie  lobte  sie  diese, 

Das  Essen  in  jeglichem  Punkt, 
Dann  neckte  sie  taktlos,  doch  gnädig  Luise 

Mit  des  Hauses  gelehrtem  Adjunkt 

Die  Finger  Komtesschens,  wie  Schnee  zum  Erblinden, 

Sie  lösten  vom  Küchlein  ein  Stück 
Des  Flügels  zur  Spende  dem  Hündchen,  Belinden  — 

Sie  selbst  wies  fast  alles  zurück. 

Die  Gäste  sah'n  stehen  den  Hauspotentaten 

(Mit  Blicken  sich  sendend  Rapport), 
Wie,  Schweiss  auf  der  Stirn,  er,  das  Messer  im  Braten, 

Sich  bückte  bei  jeglichem  Wort. 

Dann  reichte  Frau  Pfarrer  mit  herzlichem  Nötigen 

Die  Schüsseln  herum,  die  gehäuft, 
Die  rötlichen  Erdbeeren,  die  leckeren  Brötchen  — 

Der  Segen  des  Herrn,  wie  er  träuftl 

Spritzkuchen  und  Pontac  sind  auch  nicht  zu  tadeln: 

So  gab  es  hier  manchen  Genuss; 
Die  Herrschaft  sass  aber  zuletzt  wie  auf  Nadeln, 

Doch  da  war  der  Mahlzeit  Beschluss. 

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Auf  Vaters  Gehelss  kam  nun  hastig  gesprungen 

Ein  Rudel,  tiefbräunlich  und  feist; 
Drauf  gnädig  Gefragt  nach  den  Namen  der  Jungen  - 

Und  Antworten  tölpisch  und  dreist. 

Frau  Pfarrer,  die  Arme  gekreuzt,  ganz  behäbig, 

Sie  rühmte  in  Tönen  so  weich 
Der  Tochter  Talente,  im  Lobe  freigebig, 

Als  käme  Luisen  nichts  gleich. 

Die  mustert  indes  der  Komtess  Toilette, 
Die  Spitzen  und  Schleifen  am  Kleid, 

Erwägend,  wie  gern  sie  die  Herrlichkeit  hätte, 
Den  Freundinnen  allen  zum  Neid. 

Zuletzt  gab's  Kaffee  aus  altmodischer  Kanne 
—  Geschenk  des  Hochsel' gen!  —  Im  Ton 

Der  Parentarion  hielt  der  Pfarrer  dem  Manne, 
Dem  trefflichen,  einen  Sermon. 

Er  pries  ihn  als  Heros,  wie  Gott  ihn  nur  schicke 
Und  man  ihn  nicht  wieder  hier  trifft, 

Vergass  auch  nicht,  dass  er  die  Rede  brav  spicke 
Mit  Stellen  der  heiligen  Schrift 

Nachseufzte  geziemend  die  Gräfin  dem  Toten, 
Zog  schnell  aus  der  Tasche  ihr  Tuch, 

Sprach  gnädig  davon,  das9  man  viel  ihr  geboten,  — 
Und  fort  ging  der  hohe  Besuch. 

Geleit  gab  der  Pfarrer  der  Herrschaft  als  Rittet« 

Frau  Pfarrer  und  Tochter  jedoch, 
Sie  knixten  am  Thor,  und  sie  knixten  am  Gitter 

Und  knixen  und  knixen  wohl  noch  I 

Anna  Maria  Lenngren. 

Internationale  Raufefei. 

(UM) 

Jch  sah  einen  Rudel  Gassenbuben, 

Wie  kaum  entschlüpft  aus  des  Lehrers  Stuben, 
Die  warfen  sich  mit  Ballen  von  Schnee 
Und  lachten,  that's  Einem  im  Fallen  weh. 
Sie  waren  mit  Ekelnamen  nicht  faul 
Und  streckten  die  Zunge  aus  dem  MauL 
»Ei«,  dacht'  ich  in  meinem  Sinne,  *ei, 
Und  so  was  duldet  die  Polizei?« 
Da  gewahrt'  ich  Gold  in  ihren  Haaren 
TTnd  sah  erst,  dass  es  —  Könige  wäreil. 

Frau  GriHpamr. 

* 

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Dte1  Rtnflctif 


ȣj[ch,  wie  ungemein  poetisch 

Die  Ruinen  auf  den  Höh'nU 
Fräulein,  Sie  sind  sehr  ästhetisch; 
Ja,  Ruinen,  die  sind  schön, 

Und  das  Fräulein  —  drob  geschmeichelt 
Fährt  in  der  Ekstase  fort, 
Während  sie  den  Bulldog  streichelt, 
»Wie  poetisch  ist  es  dortlc 

»Grüner  Wald^  das  eVge  Leben, 
Immer  sprossend,  immer  jung, 
Und  der  greise  Stein  daneben: 
Träumende  Erinnerung  U 

»Epheu  schlingt  sich  um  die  Blosse* 
Will  sie  grün  erhalten  noch; 
O  du  Bild  zerfalTner  Grösse, 
Wie  poetisch  bist  du  dochU 

Fräulein,  Sie  sind  sehr  ästhetisch; 
Sie  emi  jfinden  schön  und  wahr, 
Und  Sie  sagen's  so  pathetisch, 
Dass  es  selber  mir  wird  klar. 

Ja,  ich  sehe:  auf  den  Höhen 
Sind  nur  noch  Ruinen  da! 
Wo  die  alten  Zwinger  stehen, 
Rauscht  der  Wald  Hallelujah! 

In  die  Burgen  der  Tyrannen 
Drang  der  Geist  zerstörend  ein, 
Trieb  die  Räuberbrut  von  danneil, 
Warf  hinunter  Stein  auf  Stein. 

Heil'ger  Geist,  du  eta'ge  Dreiheit, 
Gott  im  Menschen,  habe  Dankt 
Auf  den  Bergen  schon  ist  Freiheit, 
Herrscht  im  Thal  auch  noch  der  Zwang! 

Heiser  schreien  dort  die  Raben 
Um  den  Schutt  der  Tyrannei: 
Ihre  Knochen  sind  begraben, 
Und  der  Geist,  der  Geist  ist  frei! 


zu 


Ja,  mein  Fräulein,  gottvertrauend 
Schau1  ich  auf  die  stolzen  Höh'nl 
Hochpoetisch,  herzerbauend 
Sind  Ruinen,  —  wunderschön  1 

Wunderschön  die  düstren  Mienen 
Durch  das  grüne  LaubgewindM 
Doch  das  schönste  an  Ruinen 
Ist.  dass  sie  Ruinen  sind! 

Adolf 


Der  Rdelige. 

j^ieser  Mann  mit  wicht'ger  Miene, 

Einen  Orden  auf  der  Brust, 
Trägt  die  Nase  hoch  und  rümpft  sie 
Ueber  die  gemeine  Lust. 

Wie  sie  plaudern  rings  und  lachen* 
Er  bleibt  immer  ernst  und  stumm; 
Er  hat  zweiunddreissig  Ahnen 
Und  ist  ungeheuer  di 


IMMII 


Weiter  ist  er  nichts  hienieden; 
Doch  ist  sein  Verdienst  nicht 


m 

3 

[7 

Wird  er  auch  ein  Ahne  sein. 


Moderner  Dichterling. 

in  glühend  heisser  Sommertag. 
Der  Jüngling  im  blühenden  Grase  lag 
Im  goldenen  Sonnenschein. 
Da  war  ein  Blühen,  ein  heisses  Weben, 
Alles  durchglüht  von  verlangendem  Leben, 
Von  Lebenskraft  und  Ueberfluss, 
Von  üppiger  Schönheit  und  tollem  Genuss. 
Der  Jüngling  selber  blühend  und  rot, 
Schrieb  in  sein  Buch  ein  Lied  —  vom  Tod ! 

Alice  Bercnd. 


212 


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Der  Backfisch. 


K  ichernd 

Und  wispernd, 
Geheimnisse  flüsternd, 
Vor  Lachen  erstickend, 
Verlegen  sich  drückend, 
Vor  Neugierde  zitternd, 
Unpassendes  witternd, 
In  Liebesgram  härmend, 
Für  Lehrer  schwärmend, 
Immer  schleckend  und  naschend,  — 
Mit  Notentaschen, 
Mit  langem  Zopf 
Am  zappligen  Kopf, 
Bestrebt,  zu  probieren 
Das  Kokettieren, 
Ganz  ohne  Sorgen 
Für  heut  oder  morgen 
Und  zehnmal  klüger  als  Mama, 
Schwupp  —  so  steht  der  Backfisch  da. 


qus  Gottes  Herzen  ist  die  Welt  entsprungen, 
Als  seiner  Liebe,  seiner  Huld  Erscheinung  I 
So  spricht  die  Katze,  wenn  ihr  Fang  gelungen  — 
Die  Maus  doch  ist  nicht  ganz  der  gleichen  Meinung. 
Zwar  täglich  kommt  ein  frommes  Buch  heraus, 
Doch  nirgends  fand  ich  widerlegt  die  Maus. 


Alice  Bercnd. 


Fromme  Bücher. 


Hieronymus  Lorm. 


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VaoaBUNt>ENLIBfiE.R. 


Bettlerlied. 

j^etracht'  ich  auch  jedes  Geschäft  in  der  Welt, 

^    Ich  weiss  mir  kein  besser* s  als  betteln; 

Da  kann  ich  bequem  und  so  wie  nuVs  gefallt, 

Das  Leben,  die  Tage  verzetteln; 

Den  Bettler  nenn'  ich  den  freiesten  Mann, 

Der  nichts  besitzt,  nichts  verlieren  kann. 

Die  Arbeit,  äh  jeder  Vernünftige  scheut, 

Die  heiss'  ich  vom  Halse  mir  bleiben; 

Der  Gott,  der  dem  Sperling  sein  Futter  streut, 

Lässt  mich's  wie  die  Sperlinge  treiben: 

Sie  fliegen  und  flattern  munter  und  frei, 

Hungern  ein  bischen  —  und  leben  dabei 

Und  eigentlich  treib*  ich,  was  jeglicher  thut; 

Es  betteln  die  ehrlichsten  Leute; 

Doch  hat  nicht  jeder  den  seligen  Mut, 

Zu  sorgen  bot  immer  für  heute; 

Betrachtet  das  Treiben  der  Menschen  nur  recht  — 

Es  ist  mir  ein  völliges  Bettlergeschlecht 

Der  bettelt  um  Reichtum,  um  Ehren  und  Macht, 

Und  jener  um  gnädige  Worte; 

Der  Liebende  lauert  in  schweigsamer  Nacht 

Und  bettelt  sich  ein  in  die  Pforte; 

Es  quält  sich  der  Künstler  am  Musenaltar, 

Erbettelt  sich  Beifall  von  thörichter  Schar, 

Das  hilflose  Kind,  eh1  es  sprechen  noch  kann, 

Es  bettelt  mit  Mien1  und  Geberde, 

Damit  es  dereinst  als  völliger  Mann, 

Ein  völliger  Bettler  auch  werde; 

Schenk*  diesem  die  Erde,  so  weit  sie  bewohnt, 

Er  will  noch  die  Sterne  und  will  noch  den  Mond! 

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Ich  aber  will  fürder  mit  fröhlichem  Sinn 

Durch's  Leben  als  Bettier  nur  schleichen; 

Demütig  reich'  ich  die  Mütze  dir  hin, 

Und  seh'  ich  den  glücklichen  Reichen, 

So  denk'  ich  mir  lächelnd:  Du  Stolzer,  nur  zu! 

Ein  Bettelmann  bist  doch  am  Ende  auch  du. 

Ed.  v.  Bauernfeld. 


Der  Vagabund. 

£)taubig  <tie  Stiefel  und  schmutzig  der  Rock, 

Drunter  die  Bluse  zerrissen, 
In  den  Händen  den  Knotenstock 
Und  mit  leichtem  Gewissen, 
Frage  mich  keiner,  warum  ich  mich  so 
Treibe  umher  auf  der  Strassen, 
Ohne  Gewerbe  und  ohne  Geld, 
Durstig  über  die  Massen. 

Liebeslust  und  Liebesverdruss, 

Habe  sie  beide  erfahren, 

Aelter  ward  ich,  doch  klüger  nicht, 

Reicher  allein  an  Jahren. 

Ziehe  ich  nun  von  Stadt  zu  Stadt, 

Auf  dem  Rücken  den  Ranzen, 

Acht9  ich  das  ganze  Lumpenpack 

Mehr  nicht  als  Ratten  und  Wanzen. 

Eines  doch  hielt  ich  am  Wege  fest, 
Was  mir  ein  Schreiber  verzählet, 
Der  ohne  Amt,  mit  Sack  und  mit  Pack 
Lange  mit  mir  sich  gequälet: 
Lumpen,  das  sind  die  Menschen  all1, 
Wie  sie  auf  Erden  wandern. 
Offen  sagt  es  der  Vagabund, 
Leise  sagen's  die  andern. 

Friedrich  v  Hindersin. 


215 


Ich  schleiche  meine  Strassen  — 

Jch  schleiche  meine  Strassen 

Mit  müdem  Fuss  einher, 
Sie  dehnt  sich  ohne  Massen, 
Das  Ranzel  wird  mir  schwer. 

Doch  hab*  ich  drin  geborgen 
Kein  Silber  und  kein  Gold, 
Nur  meine  stillen  Sorgen 
Hab'  ich  darein  gerollt. 

Ob  mir  der  Himmel  blaue, 
Ob  ich  im  Nebel  geh'  — 
Ich  weiss  nicht,  was  ich  schaue 
Nur,  dass  ich  dich  nicht  6eh'l 

Wilh.  Gräfin  Wickenburg- Alma*y. 

Vagantenfrühling. 

Ecce  gratum 

Et  optatum 

Vcr  reducit  gaudial 

f^olde  Triebe, 

Lust  und  Liebe 
Sind  im  Lenzeshauch  entfacht. 
Bunt  zu  schauen 
Flur  und  Auen, 
Und  die  helle  Sonne  lacht! 
Weg  drum,  was  uns  traurig  macht  1 
Winters  Wüten 
Wich  den  Bluten, 

Wiederkehrt  des  Sommers  Pracht  I 

Flocken,  Schlössen 
Und  Genossen 
Flohen  fort  ins  Nebelland. 
Lenz,  der  Knabe, 
Findet  Labe, 

Wachsend  an  des  Sommers  Hand. 

Wer  da  noch  kein  Liebchen  fand, 

Um  zu  herzen 

Und  zu  scherzen, 

Ist  nicht  richtig  bei  Verstand! 


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Jubelnd  dürfen 
Wonnen  schlürfen, 
Honigsüsse  Seligkeit, 
Tapfre  Knaben, 
Die  sich  haben 

Treu  Kupidos  Dienst  geweiht  I  — 

Venus  wÜl  es;  seid  bereit, 

Froh  zu  siegen 

Und  zu  liegen, 

Eine  Helena  zur  Seit! 

Theodor  Vulpiuus. 


Der  Wanderlump. 

^[un  fahrt  mir  alle  aus  dem  Sinn 

Mit  Klagen  und  mit  Quälen, 
Ihr  bringt  nicht  Trost  mir,  noch  Gewinn, 
Will  and'res  mir  erwählen. 
Nun  werd'  ich  nichts  mehr  als  ein  Lump 
Voll  Wanderlust  und  Leben; 
Aus  eurem  Moderbrunnen  pump* 
Ich  niemals  Saft  der  Reben! 

Vergass  ich  heut  in  dem  Revier 
Die  Welt  mit  ihren  Wegen, 
Grüsst  aus  dem  Becher  doppelt  mir 
Die  ganze  Welt  entgegen. 
Und  wandr*  ich  ein  in  jenes  Thal, 
Bin  ich  zu  Haus  auch  drüben, 
Find'  ich  nur  Wein  und  Liederschall 
Und  Mädchen  so  wie  hüben. 

Ja  scheltet  mich,  ihr  klugen  Herren 
Mit  hochgelahrten  Nasen  1 
Ich  gönne  eure  Weisheit  gern 
Den  alten  Muhmen  und  Basen. 
Ich  sag's  euch  grade  ins  Gesicht: 
Ihr  seid  zerfressene  Bücher 
Und  riechet  doch  die  Weisheit  nicht, 
Ihr  hoch  wohlweisen  Riecher! 


217 


Die  freie  Welt  ist  nun  mein  Hau«! 

Gegrüsst  an  meiner  Schwelle; 

Wer  mit  mir  ziehet  ein  und  aus, 

Er  sei  mein  Lustgeselle. 

Ein  echter  Lump  zieh'  ich  herum, 

Und  scheint  euch  das  geringe, 

So  scheer*  ich  mich  den  Teufel  (Trum 

Und  wand're  frei  und  singe  1 

Otto  Roa nette. 


Landstreicher. 

^^[ein  Weib  und  ich,  wir  zieh'n  daher 

So  leicht  wie  lose  Blätter, 
Uns  macht  kein  Gut  Sorg1  und  Beschwer, 
Kein  Wind  und  auch  kein  Wetter. 

Wir  haben  keine  fahr'nde  Hab1, 
Kein  ganzes  Kleid  im  Bündel, 
Die  Strassen  zieji'n  wir  auf  und  ab, 
Wir  sind  halt  nur  Gesindel  1 

Giebt  uns  der  Wirt  auf  Borg  fcein  Pier, 
So  borgt  uns  doch  die  Quelle, 
Und  hungert  uns,  so  stebjen  wir 
Das  Schaf  mitsamt  <Jem  Felle. 

Was  kümmert's  mich,  wenn  mir  das  Weib 
Entgegen  bringt  ein  Kindel, 
Es  war  ein  schöner  Zeitvertreib9 
Wir  betteln  halt  die  Windeil 

Sperrt  auch  der  Amtmann  ans  dann  ein, 
Lässt  uns  schon  wieder  laufen; 
Wir  wärmen  uns  im  Sonnenschein, 
Den  braucht  man  nicht  zu  kaufen. 

So  geht's  jahraus,  so  geht's  jahrein, 
Und  kommt  dann  unser  Sandel, 
Ei  was,  sie  graben  uns  schon  ein, 
Sind  wir  auch  nur  Gesindel  1 


*1» 


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Vagantenlied. 

j^Jun  ist  mir  alles  einerlei, 

Geht  es  empor,  geht's  abwärts  wieder! 
Und  geht  es  gar  nicht,  streck1  ich  mich 
Am  Sp-assenrand  zum  Sterben  nieder. 

Der  Morgen  findet  mich  dann  tot 
Wie  manchen  Vogel  auf  der  Halde, 
Wie  manches  Wild,  gestorben  nachts 
Vereinsamt,  hilflos,  tief  im  Walde. 

Und  streift  der  erste  Frübrotschein 
Die  Wangen  mir,  «iie  leichenfahlen, 
Dann  schimmern  sie,  als  freut'  ich  mich. 
Erlöst  zu  sein  von  meinen  Qualen. 

Maximilian  Bern 

»  »  ■ 

Begegnung. 

»Herr  Postillon,  ei,  nehmt  mich  mitl« 
Drjn  sass  ein  braunes  Kind  allem. 
Nun  fuhren  traulich  sie  zu  zwei'n. 

Er  sprach,  er  habe  (las  Glück  gesucht, 
Doch  sei  das  Glück  noch  auf  der  Flucht; 
Sie  sprach,  nun  sei  auch  die  Mutter  tot, 
Da  suche  sie  jetzt  als  Magd  ihr  Brot. 

Wie  kurz  die  Fahrt  1  Das  Posthorn  klang, 
Der  Bursche  sich  aus  dem  Wagen  schwang. 
Sie  sind  einander  nimmer  begegnet, 
Doch  jedes  hat  still  das  andre  gesegnet 

Paul  Barsch. 

Mit  den  Schwalten. 

Jch  zog  mit  den  Schwalben  einst  fort  von  hier, 
Nun  kommen  die  Schwalben  zurück  mit  mir. 
Sie  finden  die  heimischen  Giebel  und  Bogen  — - 
Mein  Haus  ist  verfallen,  mein  Glück  ist  verflogen« 

219 


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Zerfetrt  sind  die  Schuh'  und  zerrissen  das  Kleid, 
Meine  Liebste,  die  hat  einen  andern  gefreit, 
Sie  tanzte  mit  Fiedel  und  Klarinett* 
In  ein  behäbiges  Bürgerbett. 

Da  bleibt  mir  wohl  nichts  als  Weitergehen 
Und  nicht  mehr  nach  Dächern  und  Schwalben  seh' 
Meine  Augen,  die  brennen  und  dQrfen's  nit  schau1! 
Wie  die  sich  schnäbeln  und  Nester  bau'n  •  •  . 

Georg  BuMe-Palma 


Vagabunden. 

£Juf  staubiger  Strasse  fanden 

Sich  beide  von  ungefähr; 
Er  kam  aus  welschen  Landen, 
Sie  kam  von  Norden  her. 

Er  war  ein  leichter  Geselle, 
Sie  war  ein  lockres  Blut; 
Sie  küssten  sich  auf  der  Stelle 
Als  wären  sie  längst  sich  gut. 

Zigeuner  mit  Zimbeln  und  Geigen 
Kamen  des  Wegs  heran; 
Die  spielten  den  Hochzeitsreigen 
Auf  blumigem  Wiesenplan. 

Den  Rest  der  Flasche  tranken 
Sie  fröhlich  miteinand, 
Und  weiter  sah  man  wanken 
Das  Pärlein  Hand  in  Hand. 

Nur  wenig  beide  sich  fragen, 
Sie  fanden  leicht  ihr  Glück, 
Und  frohgemeinsam  trugen 
Sie  Lust  und  Missgeschick. 

Einst  in  ein  Dorf 


m 

IST31 

V* 

Im  hohen  Korne  munter 
Harrte  die  Liebste  sein. 

Sie  harrte  bis  zum  Morgen 
Hungernd  auf  den  Genoss. 
Und  er  —  er  sass  geborgen, 
Sass  hinter  Riegel  und  Schloss. 

220 


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Sie  frug  an  allen  Toren, 
Sucht*  ihn  von  Ort  zu  Ort.  . 
Er  blieb  für  sie  verloren, 
Und  einsam  zog  sie  fort. 

Und  als  der  Vogel  entflogen, 
Da  fing  der  Büttel  sie. 
Denselben  Weg  sie  zogen 
Und  fanden  sich  doch  nie. 

Paul  Barsch. 

*• 

Meid. 

j^till  hockt  vor  seiner  Schwelle 

Ein  müder  Bauersmann, 
Ein  wandernder  Geselle 
Blickt  ihn  neidisch  an. 

„Ach,  wer's  doch  auch  so  hätte  1" 
Er  denkt  es  wehmutvoll, 
„Noch  winkt  mir  keine  Stätte, 
Wo  ich  heut  rasten  soll." 

Der  Bauer  in  seinem  Grolle 
Sinnt:  „Schlecht  ist  das  bestellt. 
Ich  quäl'  mich  an  der  Scholle, 
Der  Lump  besitzt  die  Welt!" 

Paul  Barsch. 

Zigeunerliebe. 

Sag*,  wo  ist  der  Durst,  der  Hunger, 

Kälte,  Wind  und  alle  Nöte,. 
Küss9  ich  deine  runden  Brüste, 
Glutentbrannt,  in  Flammenröte? 

Deine  runden,  süssen  Brüste, 
Deine  Lippen,  Hals  und  Glieder,  — 
Und  ich  bin  ganz  lebenstrunken, 
Und  mein  Blut  jauchzt  Schelmenlieder« 

Sieh,  in  deines  Leibes  Schönheit 
Zieh  ich  ein  als  stolzer  Krieger  — 
Hier  mein  Reich,  hier  meine  Stacke  1 
Königin,  empfang  den  Sieger! 

Micha«!  G*org  Conrad. 


Vagabundenlieder. 
I. 

as  fragst  du  den  Mann 
Nach  Heimat  und  Haus? 
Er  hat  sie  nicht  — 
Du  horchest  nach  Vater 
Und  Mutter  ihn  au*, 
Er  kennt  nicht. 
Was  fragst  du  den  Mann 
Nach  Kind  und  nach  Weib? 
Er  klagt  doch  nicht, 
Dass  sie  ihn  verliess 
Mit  Seele  und  Leib 
Um  einen  Wicht  .  .  . 
Was  fragst  du  den  Mann 
Nach  seinem  Gott? 
Er  suchte  Licht!  — 
Warum  blieb  es  dunkel 
In  Elend  and  Spott? 
Er  weiss  es  nifcht.  —  — 

2. 

Musikantenvolk  ist  da 
Mit  der  Harr'  und  Fiedel, 
Und  das  kleine  Mädel  singt 
Hüstelnd  nfcch  ein  Liedel. 
Kamen  weit  vom  Süden  her, 
Eine  ganze  Bande, 
Starben  alle,  bis  auf  drei, 
In  dem  kalten  Lande  •  .  • 
Spielen  in  der  Schenke  auf 
Heut*  vor  grossen  Herren, 
Die  vom  Musikantenvolk 
Lied  um  Lied  begehren. 
Manchem  Zecher  naht  das  Kind, 
Der  da  lärmt  und  kreischet, 
Rauh  giebt  er  den  kargen  Lohn, 
Den  es  schüchtern  heischet. 
Und  im  Winkel  sitzt  es  nun, 
Ueberzahlt  die  Gabe, 
Grollt  und  weint  in  sich  hinein: 
»Lag1  auch  ich  im  Gräbel«  . .  . 

Ad«  Chriitta. 


Wiener  Kappetbuben. 

Burgmusiki  .  .  .  •  In  hellen  Haufen 

Seht  das  Volk  zusammenlaufen, 
Klingen  ihre  Weisen  flott, 
Und  voran  den  Musikanten 
Ziehen  ihre  Leibtrabanten: 
Wiener  Strizzi  und  Falott 

Konfiscierliches  Gelichter! 

Viel  verwegene  Gesichter, 

Schief  die  Mütze  auf  dem  Haupt, 

Schief  im  Munde  qualmt  der  Stummel, 

Den  sie  auf  dem  Strasscnbummel 

Sich  vom  Pflaster  aufgeklaubt. 

Abends  lärmen  die  Halunken 
In  verdächtigen  Spelunken, 
Stören  rings  die  Schlafesruh', 
Und  wer's  Nachtquartier  bezogen, 
Deckt  sich  mit  dem  Brückenbogen 
Oder  mit  dem  Himmel  zu. 

Ohne  Geld  und  ohne  Fundus 
Lebt  Lumpaci-vagabundus 
Sorglos  seine  Tage  hin; 
Wiener  Blut  ist's  und  ein  rechtes, 
Denn  der  Ahnherr  des  Geschlechtes 
Ist  der  liebe  Augustin! 

Keiner  eine  Mtenscheuperle, 
Aber  wahre  Teufelskerle, 
Wenn  es  was  zu  wagen  gilt  — 
Als  es  einst  in  Wälschland  krachte, 
Keiner  da  sich  lang  bedachte, 
Rannten  all1  ins  Schlachtgefild. 

Hei!  die  Wiener  Kappelbuben, 
Als  sie  an  zu  fechten  hüben 
Tapfer  in  Radetzkys  Reih'n, 
Lustig  ging's  da,  wie  zum  Prater, 
Und  der  alte  Heldenvater 
Schmunzelnd  rief  sein  »Bravoc  drein! 

Wie  sie  da  die  Feinde  gerbten 
Und  den  wälschen  Boden  färbten 

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Mit  dem  Wiener  Blute  rot!  — 
Jeder  hat  sich  brav  getummelt; 
Manches  Leben,  das  verbummelt, 
Endete  im  Heldentod. 

Heimgekehrt  vom  fremden  Lande, 
Wieder  zog  die  Lotterbande 
Mit  der  Burgmusik  herum, 
Pfiffen  wieder  frisch  und  munter  — 
Nein,  der  Wiener  geht  nicht  unter, 
Nicht  einmal  im  Lumpentuml 

Alkrecht  Graf  Widnnborg. 

not 

£Jll  euer  girrendes  Herzeleid 
Thut  lange  nicht  so  weh 
Wie  Winterkälte  im  dünnen  Kleid, 
Die  blossen  Fasse  im  Schnee. 

All  eure  romantische  Seelennot 
Schafft  nicht  so  herbe  Pein, 
Wie  ohne  Dach  und  ohne  Brot 
Sich  betten  auf  einen  Stein. 

Ada  Christen. 

Wanderschaft. 

Erster  Wanderer: 

ohin  so  trüb,  o  Freund  am  Wanderstab? 

Zweiter  Wanderer: 

Ein  wenig  durch  die  Welt  und  dann  ins  Grab. 

Erster  Wanderer: 

Denselben  Weg  hab*  ich  ja  auch  zu  machen. 

Zweiter  Wanderer: 

Doch  ist  ein  Unterschied:  ich  kann  nicht  lachen. 

Martin  Gr  »iL 


234 


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flbsynth. 

(^yjein  Lieben,  Träumen,  Grollen, 

Ist  früchtelos  verrauscht. 
Wenn  meine  Segel  schwollen, 
Hat  sie  der  Sturm  gebauscht; 
Gewaltig  klingt  sein  Gellen 
Im  Takelwerk,  den  Raa'n, 
Mein  Schifflein  will  zerschellen  — 
Ei  nu  —  was  geht's  mich  an? 

Es  starb  das  heil'ge  Feuer, 

Das  auf  dem  Mast  gesprüht: 

Die  Hand  verliess  das  Steuer  — 

Sie  war  wohl  allzumüd. 

Sie  sucht  nicht  mehr  durch  Sunde 

Die  klippenfreie  Bahn  .  .  . 

Sie  hebt  das  Glas  zum  Munde  — 

Ei  nu  —  wen  geht's  was  an? 

Und  hab'  ich  nie  besessen, 
Was  je  mein  Herz  begehrt  — 
Du  Taumeltrunk  Vergessen, 
Du  bleibst  mir  immer  wert! 
In  dir  versenkt  zur  Stunde 
Sei,  was  man  mir  gethan  .  .  • 
Ihr  sagt,  ich  geh'  zu  Grunde? 
Ei  nu  —  was  geht's  euch  an? 

J.  J.  Darid. 

Lumpenhochzeit. 

Jn  der  alten  Heideschenke 

Zittern  heute  Diel  und  Decke, 
Reichlich  fliessen  die  Getränke, 
Dass  der  Braten  besser  schmecke« 
Hochzeit  hat  die  rote  Jule 
Mit  Hansjörg,  dem  Pferdediebe,  — 
Sitzen  auf  bekränztem  Stuhle, 
Schon  beseelt  von  Grog  und  Liebe« 

Jules  Bräut'gam  ist  ein  hag'rer, 
Rings  gefürchteter  Geselle, 
Seine  Gäste:  Wegelag'rer, 
Fürchten  sämtlich  sehr  das  Helle. 


Diese  Hochzeit  kam  der  Bande 

Just  zu  frechem  Spiel  gelegen; 

Im  gestohTnen  Messgewande 

Sprach  der  Erzschelm  Schnipps  den  Segen. 

Holla!  braune  Betteljungen, 
Flöten  lasst  und  Fiedeln  tönen! 
Hei!  da  drehten  sich  und  Schwüngen 
Schwarze  Bursche,  wilde  Schönen. 
Auch  der  Bräut'gam  wirbelt  seine 
Dralle  Braut  durch  Flur  und  Stube  — 
Fussgetrampel  und  nicht  feine 
Scherze  full'n  die  Mördergrube. 

Draussen  plötzlich  tönt  ein  Pfeifen  •  •  • 
Schrecken  malt  die  Aneesichter: 
Kreischend  nach  den  Bandeln  greifen 
Sieht  man  rasch  das  Diebsgelichter. 
»Die  Gensdarmen  kommen!  —  munter!«  — 
Und  ein  Fluchen  war's  und  Toben  — 
Stolpernd  ging  es  drauf  und  drunter, 
Eh'  sie  auseinander  stoben. 

Schnapphans  griff  nach  seiner  Tasche, 
Puff  zum  Rock  und  Krack  zum  Hute, 
Lene  nach  der  Branntweinflasche  — 
Hansjörg  schwang  sich  auf  die  Stute 
Und  liess  seine  Braut  im  Stiche, 
Um  bequemer  zu  verschwinden!  — 
Doch  die  kennt  die  Strich1  und  Schliche 
Und  wird  ihn  schon  wiederfinden! 


Berliner  Zigeuner. 


im  Titel  schmücket  meinen  Namen, 
Kein  Orden  meinen  Rock  befleckt, 
Und  hinter  Schurzen  hoher  Damen 
Hab'  ich  mich  niemals  noch  gesteckt 
Vier  Treppen  hoch  bin  ich  geboren, 
Hab'  oft  in  gleicher  Höh'  gehaust, 
Ich  hab'  gehungert  und  gefroren 
Und  war  verludert  und  verlaust 


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Nie  fand  ich  Schutz  und  Gunst  bei  Mächt*  gen, 

Sah  kaum  von  fern  die  grosse  Welt, 

Oft  mussf  bei  Mutter  Grün  ich  nacht*  gen  — 

Zur  Miete  fehlte  mir  das  Geld. 

So  that  ich  frech  die  Welt  durchstreifen 

Und  fasste  ihren  tiefsten  Sinn  — 

Nur  kann  und  kann  ich's  nicht  begreifen, 

Dass  ich  trotzdem  kein  Dichter  bin. 

Conrad  Albord. 

Wiener  Früchtel. 

j^Jur  der  freut  sich  des  Lebens  recht, 

Der  lebt  von  heut*  auf  morgen, 
Ist  niemands  Herr  und  niemands  Knecht 
Und  hat  für  nichts  zu  sorgen! 

Ich  nenne  nichts  auf  Erden  mein 
Und  schleppe  keine  Bürde  — 
Der  grösste  Lump  von  Wien  zu  sein, 
Ist  alle  meine  Würde. 

Ich  brauche  weder  Bett  noch  Schrank, 
Kein  Nest  und  keine  Nische, 
Ich  wohne  auf  der  Wirtshausbank 
Und  schlafe  unterem  Tische. 

Albrecht  Grmf  Wickenborg, 

Zigeunergluck 

glüht  die  Welt  so  mondlichüoh, 
Und  meine  Geige  jubelt  froh, 
Mein  Herz  brennt  so. 

Sie  ruft  und  bittet  durch  die  Nacht, 
Da  sind  zwei  Schwarzaugen  aufgewacht, 
Ein  Mündlein  lacht 

Es  fliegt  ein  süsser  Duft  vom  Rain. 
Mich  ladet  die  Au  im  Sternblumenschein 
Zum  Lager  ein  •  •  • 

• 

Und  schlaf  ich  hinter  dem  Heckenzaun, 
Da  huscht  zu  mir  das  Dirnlein  braun 
Im  Nächtegrau'n. 

16* 

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Ich  winde  dem  Dunkelgelock  den  Kranz; 
Die  Blattlein  sind  von  Sternenglanz 
Versilbert  ganz. 

Ich  habe  Rosen  zu  Ketten  gereiht, 

Die  leg*  ich  reich  um  Nacken  und  Kleid 

Der  armen  Maid. 

Da  sagt  sie  leis':  »Mein  Wildgesell, 
Die  Nacht  ist  warm,  die  Nacht  ist  hell, 
Mein  Blut  geht  schnell,  t 

Und  schauernd  sinkt  sie  an  mich  hin  — 
Da  fliegt  mir  ein  altes  Lied  durch  den  Sinn: 
Dass  ich  König  bin! 

Mein  Tag  ist  arm,  die  Nächte  reich  — 
Zwei  Arme  sind  mein  Himmelreich, 
So  heimlich  weich. 

•  - 

Was  thur'g,  dass  ich  Tages  betteln  muss, 
Wenn  solches  Kosen,  solcher  Kusf 
Der  Nächte  Schluss?! 

Sie  schaut  mich  mit  goldnen  Augen  an  — 
Da  ist's  um  allen  bögen  Wahn 
Und  Leid  gethan. 

* 

Es  wachen  die  Sterne  am  Wolkensaum, 
Und  leise  sinkt  von  Hecke  und  Baum 
Ein  Blütenflaum  .  .  . 

Nun  ruhe,  von  Knospen  und  Mondschein  bedeckt, 
Bis  der  Tag  mit  frühem  Wind  dich  neckt 
Und  mein  Kuss  dich  weckt  .  . . 

Alberta  toü  Puttkmmer. 

Zigeuner. 

Mutter,  die  braune  Zigeunerin, 
Die  führte  mich  an  der  Hand, 
Sie  schritt  wie  eine  Königin 
So  stolz  im  Bettlergewand. 

Als  ich  einmal  sie  fragte, 
Wer  denn  mein  Vater  sei, 
Da  seufzte  sie  und  sagte: 
»Sieh,  dort  zieht  er  vorbei  lc 


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Ünd  als  ich  nach  der  Seite 
Die  Blicke  wandt1  geschwind, 
Sah  ich,  wie  auf  der  Heide 
Hinstrich  der  Morgenwind. 

Hei,  ist  der  Wind  mein  Vater, 
So  singe  ich  sein  Lied! 
Ein  windig  Büblein  hat  er, 
Das  mit  ihm  weiter  zieht. 

Meine  Mutter  sass  verlassen 
Und  weinte  im  Heidekraut, 
Sie  hat  mir  auf  den  Strassen 
Vergebens  nachgeschaut. 

Heinr.  von  Reder. 


Die  Kunstreiterin. 

JJs  zittert  schon  die  Bretterwand, 

Trompetenlärm  erschallt. 
Ein  Bube  glättet  rasch  den  Sand, 
He  hopp!  —  die  Peitsche  knallt. 

Da  jagt  herein  auf  schwarzem  Ross 
Ein  Weib  mit  keckem  Gruss, 
Den  braunen  Arm  und  Nacken  bloss, 
Entblösst  den  braunen  Fuss. 

Die  Kastagnetten  klappern  wild, 
Es  dröhnt  das  Tamburin, 
Wie  ein  belebtes  Bronzebild 
Tanzt  die  Zigeunerin. 

He  hopp!  —  der  heisse  Tanz  ist  aus, 
Sie  gleitet  rasch  zur  Erd'; 
Mit  wildem  Sprung  ins  dünne  Haus 
Eüt  hastig  Weib  und  Pferd. 

Im  Zelt  hockt  sie  auf  Samt  und  Stroh, 
Legt  Karten  in  die  Rund, 
Sie  ist  nicht  traurig  —  ist  nicht  froh, 
Peitscht  gähnend  Ross  und  Hund  .  .  . 

Ada  Christen. 


P29 


Zicjeunerlied. 

{Jeber  die  Heide  braust  der  Wind, 

Hoiho!  der  säubert  die  Haare, 
Wenn  ich  mit  Pack  und  Weib  und  Kind 
Kreuzquer  darüber  fahre. 

Meine  Hann1,  das  lahme  Luder,  schläft, 
Der  andere  hilft  drücken, 
Der  derbe  dritte  aber  heult 
Meiner  Alten  auf  dem  Rücken. 

Die  zieht  mit  mir  und  schimpft  mit  mir 
Vor  dieser  verfluchten  Karre, 
So  keuchen  wir  durch  Moor  und  Wind 
Zur  nächsten  fetten  Pfarre. 

Da  blasen  wir  uns  die  Hände,  puh, 
Und  werden  mal  wieder  heiter, 
Und  betteln  was  in  Topf  und  Pfann' 
Und  lumpen  halt  so  weiter. 

Frits  Lienhard. 

Lied  des  Zigeunerknaben. 

fyJehV  braune  Mutter  ist  eine  Hex', 

Kann  zaubern  und  Karten  schlagen; 
Mein  brauner  Vater  schweigt  und  geigt, 
Ich  muss  die  Trommel  tragen. 

Mein  klein  braun  Brüderlein  läuft  noch  nicht, 
Auf  dem  Rücken  trägt  es  die  Mutter, 
Da  schaut  es  aus  seinem  Sack  heraus; 
Ich  bettle  zusamtn'  ihm  das  Futter. 

Mein  klein  braun  Schwesterlein  tanzt  herum, 
Wenn  die  Fiedel  streicht  der  Vater; 
Mein  klein  braun  Aefflein  hat  roten  Rock, 
Wir  spielen  zusammen  Theater. 

Mein  klein  braun  Aefflein  sollen  sie  nicht 
Um  all'  ihre  Pfennige  haben; 
Ich  glaub',  es  allein  auf  der  ganzen  Welt 
Hat  lieb  mich  armen  Knaben  1 

Theodor  Vulpinus- 

230 


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Engagiert. 

Thor  herein,  zum  Thor  hinaus 
In  die  Welt,  die  blühende,  weite, 
Ein  Rumpelkarren  das  Heimathaus, 
Ein  lachend  Glück  zur  Seite. 

Und  hat  der  gnädige  Himmel  nicht 
Uns  Glanz  und  Gut  gegeben, 
Ein  Narr,  der  sich  den  Kopf  zerbricht, 
Wir  tanzen  hin  durchs  Leben  1 

Die  Geige  rauscht,  es  wogt  und  ringt 
Der  Tonflut  brandende  Welle, 
Maruschka,  horch  1  Die  Luft  erklingt, 
Drauss  wartet  dein  Geselle  1 

Und  ist  es  kein  Schloss,  so  sei's  der  Wald, 
Der  Himmel  hängt  voll  von  Kerzen; 
An  deinem  Busen  lässt  sich  bald 
Ein  goldener  Reif  verschmerzen. 

Das  Feuer  loht,  die  Fackel  glüht, 

He  Spielmann,  unter  die  Linde! 

Ein  Tanz,  ein  Tanz,  eh'  die  Rosen  verblüht, 

Die  Blätter  zerstäubt  im  Windel 

Martin  Boelitx. 


Haltlos. 


^^Joderne  Zigeuner, 
Wüste  Gesellen, 
Vagabunden  des  Lebens, 
Die  ringen 
Und  wandern 
Und  suchen  .  .  . 


Doch  immer  vergebens  1 

Einsame 

Grosse  Kinder 

Mit  halbem  Wissen, 

Todkrankem  Herzen, 

Und  immer  hinaus, 


Immer  weiter  1 

Nach  aussen  keck, 

Nach  innen  verjammert, 

Den  Rücken  zerschlagen  von  der  Hand, 

An  die  sie  vertrauend  sich  geklammert! 


231 


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Fragen. 

P^at  sich  je  das  grosse  Ganze 

Meines  Schicksals  angenommen? 
Ist  mir  aus  des  Lebens  Tanze 
Je  ein  Freadenstrahl  erglommen? 

Hat  die  Menschheit  hold  und  sinnig 
Mich  in  ihren  Kranz  gewunden? 
Gab's  ein  Herz,  das  warm  und  innig 
Meine  Seele  durchempfunden? 

Wenn  ich  strebte,  wenn  ich  wagte, 
Mochte  mich  die  Welt  belohnen? 
Wenn  ich  trauerte,  verzagte, 
Mich  ermuntern  oder  schonen? 

Starrten,  die  mir  That  empfohlen, 
Nicht  zur  That  hinauf  wie  Laffen? 
Die  mich  schmähten  unverholen, 
Haben  sie  gewirkt,  geschaffen? 

Wenn  ich  zu  verschmachten  meinte, 
Lud  ein  Prasser  mich  zu  Tische? 
Wenn  ich  vor  Altären  weinte, 
Sprang  ein  Engel  aus  der  Nische? 

Wenn  ich  d'rum  entfremdet  wandle 
Zwischen  Schatten,  unter  Trümmern, 
Und  dem  Teufel  mich  verhandle 
Hat  sich  jemand  d'rum  zu  kümmern? 

Fercher  von  Steinwand. 


Gassenjungenlieder, 
i. 

HöV  mal,  Mädel!  —  Was  rennst  denn  so? 
Hast  du's  so  eilig?  —  Ich  bin  ja  froh, 
Endlich  ein  Weibsbild  zu  kapern! 
Frohsinn  hab*  ich  und  junges  Blut, 
Kräftige  Muskeln  und  stürmenden  Mut  — 
An  einem  freilich  wird's  hapern: 

232 


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Ich  hab'  keinen  Groschen  im  Portemonnnaie  — 
Da  siehst?  es  ist  leer  — •  Ach  herjehmineh! 
Bin  ich  ein  struppiger  Bengell  — 
Ei  was  —  du  lächelst?  Du  giebst  mir  'nen  Schmatz?  — 
Da,  nimm  meinen  Arm,  mein  teuerster  Schatz! 
Trotz  Schminke  bist  du  ein  Engeil 


2. 

Ja,  ja,  ihr  habt  Recht;  mir  fehlt  die  Moral. 
Ich  treib'  mich  umher  auf  den  Strassen, 
Rede  mit  Dirnen  —  o  welcher  Skandal  1 
Und  lumpe  über  die  Massen! 

Und  doch  —  versprach  ich  niemals  den  Ring, 
Um  schneller  zum  Ziele  zu  kommen; 
Nie  schlau  ich  der  Freunde  Gattinnen  fing, 
Wie  ihr,  ihr  —  Braven  und  Frommen  1 

Ich  habe  kein  Weib,  dem  die  Ehe  ich  brach, 
Ich  betrüg*  nicht  die  eigenen  Kinder  — 
Ich  bin  ja  ein  Lump  —  doch  gemacht  gemach  1 
Vor  euch  bin  ich  wahrlich  kein  Sünderl 


3. 

Hinter  den  Gärten  auf  düsterem  Weg 
Wollen  wir  schleichen; 
Kann  uns  doch  dort  durch  die  Dunkelheit 
Kein  Blick  erreichen  1 
Komm,  Liebchen  1 

Küssen  und  scherzen  können  wir  da 
In  Seelenruh; 

Bäume  und  Sträucher,  Sterne  und  Mond 
Gucken  nur  zul 
Komm,  Liebchen  1 

Musst  ja  erst  morgens  zu  hause  sein  — 
Wir  haben  ja  Zeit!  — 
Keine,  die  bei  mir  in  dunkler  Nacht, 
Hat's  je  bereut  1 
Komm,  Liebchen  I 


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4. 

Hee,  sag*  mal,  Mieze,  was  hast  du  denn  heu»': 
Du  stinkst  ja  mit  einmal  zehn  Meilen  weit 
Nach  Patchouli  —  unausstehlich! 
Und  den  seidenen  Rock  und  die  pikfeine  Taille! 
Eli  sag3  mal  blos,  du  kleine  Canaille, 
Seit  wann  schwimmst  in  Gold  du  so  selig? 

Ach  so  1?  —  hat  vielleicht  der  ddVge  Herr  Graf, 

Den  gestern  Mittag  ich  mit  dir  traf, 

Dich  für  so  viel  Mammon  erhandelt? 

Ich  nehm's  dir  nicht  Übel:  man  braucht  ja  Geld! 

Doch  dass  dir  dieser  Dummkopf  gefallt  — 1 

Nee,  Mieze,  hast  du  dich  verwandelt  1 

5. 

»Du  läufst  ja  wie  ein  Schmutzfink  herum  — 
So  zerlumpt;  —  man  muss  sich  ja  schämen  — c 
—  Ach  papperlapapp!    Seid  nicht  so  dumm! 
Ich  werde  darob  mich  nicht  grämen! 

Die  Kleidung  soll  Schutz  gegen  Regen  und  Schnee 
Und  Hagel  und  Kälte  gewähren  — 
In  Julihitze  könnt*  ich  getrost 
Den  ganzen  Humbug  entbehren! 

Ihr  freilich  wandelt  in  Keuschheit  und  Frack 
Excellent  in  Reinheit  und  Feinheit; 
Da  drin  im  Herzen  sitzt  euch  jedoch 
Schmutz,  Lumperei  und  Gemeinheit! 

Waaas?  —  Ach  verflucht  1   Der  Gendarm!  —  Papiere? 
Wo  sind  die  denn  blos?  —  Ich  hab'  sie  nicht  hier; 
Ich  hol'  sie  schnell!  — 

»Flausen!    Ich  arretiere 
Siel  Marrsch  1  Los! 

—  —  Sie  können  wohl  nicht  dafür ?c 

Ach  lassen  Sie  sich  doch  gleich  morgen  begraben! 
Wenn  ich  nicht  mal  in  der  freien  Natur 
Kampieren  soll  können  im  Strassengraben, 
Dann  pfeif  ich  auf  die  ganze  Kultur! 

Leonhard  Wetzlar. 


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^^-^  ^5^^^=^  *^^m  j£Z± 


Moderne  Pöbeln 


Meer -Pflicht 

^chlammbedeckt  und  tangbezogen 

Schwamm  ein  junges  Seepferd  schnell 
Durch  die  aufgeregten  Wogen; 
Denn  im  Meer  war  KriegsappelL 
Alle  grossen,  alle  kleinen 
Fische  und  was  stammverwandt 
Mussten  punktlich  stets  erscheinen, 
Selbst  wenn  blinder  Lärm  entstand. 
Blass  an  Bauch-  und  Röckenkrusten 
Schwamm  das  Seepferd  ganz  allein; 
Alle  andern  Fische  mussten 
Langst  am  Sammelorte  sein. 
Und  so  war's  auch.    An  dem  Orte, 
Der  zu  diesem  Zweck  bestimmt, 
War  versammelt  zum  Rapporte 
Was  da  Flossen  hat  und  schwimmt; 
Und  das  Seepferd  war  der  Letzte. 
Gleich  beschimpfte  es  der  Hai, 
Dass  es  nur  so  Wogen  setzte: 
»Das  ist  eine  Schweinerei! 
Ist  Ihr  Weg  denn  etwa  weiter, 
Als  der  Weg  der  andern,  Sie? 
So  was  nennt  sich  auch  noch  Reiterl 
Schöne  Meerkavallerie! 
Seedrach  —  (dieser  war  es  nämlich, 
Den  man  zum  Sergeant  erkor)  — 
Diesen  Jockey,  faul  und  dämlich, 
Nehmen  Sie  mal  tüchtig  vor!« 
»Zu  Befehl,  Herr  Oberst!«  sagte 
Seedrach,  der  das  Ding  verstand, 


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Weil  er  immer  Spinnen  jagte; 

Und  zum  Seepferd  dann  gewandt 

Schnarrte  er:  »Sie,  der  den  Namen 

Wellenross  zum  Spotte  trägt, 

Sie  vom  Haus  der  Popo tarnen, 

Der  die  Eier  selber  legt, 

Hartgesott'ner  Schwanzverdreher, 

Sie  einjähriger  Wassergaul, 

Kommen  Sie  gefalligst  näher, 

Aber  halten  Sie  das  Maullc 

Und  das  Seepferd  stand  mit  Beben 

Und  entsetztem  Augenpaar, 

Weil  ihm  im  civilen  Leben 

Fremd  der  Bilderreichtum  war. 

Doch  schon  riss  aus  solchem  Sinnen 

Es  der  Seedrach:  »Sie,  habt  Achtl 

Wenn  wir  mit  dem  Drill  beginnen, 

Wird  gefalligst  nicht  gedacht 

Erst  den  Schwanz  herabgeschlagen! 

Hoch  den  Kopfl    Den  Bauch  herein) 

Alles  muss  da  sozusagen 

Front  und  eine  Linie  sein.« 

Und  dieweil  der  Seedrach  fluchte, 

Blieb  das  arme  Seepferd  stumm 

Und  versuchte  und  versuchte 

Grad'  zu  biegen,  was  da  krumm. 

Doch  umsonst!    Die  harten  Glieder 

Blieben  krumm  so  wie  zuvor, 

Und  es  fuhren  immer  wieder 

Bauch  heraus  und  Schwanz  empor, 

Bis  der  Seedrach  tief  verdrossen 

Die  Geduld  verlor.  »Hierher! 

Kerl,  er  würde  krumm  geschlossen, 

Wenn  er  nicht  so  krumm  schon  wär\ 

Aber  wartM    Ich  bieg1  ihn  grade!« 

Sagte  es  und  that  es  auch, 

Bog  dem  Seepferd  ohne  Gnade 

Schwanz  herab,  herein  den  Bauch. 

Doch  da  knirschte  es  und  krachte, 

Und  dann  gab  es  einen  Schrei, 

Und  noch  eh'  es  jemand  dachte, 

War  das  Seepferd  —  knacks  —  entzwei. 

Erst  bestürzt  und  ohne  Worte 

Sah  der  Seedrach,  was  geschehen. 

Um  gefasst  dann  zum  Rapporte 

Zu  Herrn  Oberst  Hai  zu  geh'n. 


236 


Und  er  meldete:  »Zerbrochen 
Ist  der  krumme  Civiiist, 
Was  doch  sonst  nach  vielen  Wochen 
Unterrichts  erst  möglich  ist.«  — 
Peinlich  war  von  dem  Berichte 
Hai  berührt;  dann  sprach  er  fest: 
»Steht  im  Tangblatt  die  Geschichte, 
Giebfs  für  Sie  zwei  Tag*  Arrest!« 

Friedr.  Werner  van  Oesterau 

Der  Hase  und  die  Katze. 

ine  Katze  und  ein  älterer  Hase 
Wanderten  einst  die  gleiche  Strasse. 
Bald  schlössen  Freundschaft  im  grünen  Revier 
Der  Hase  und  das  Katzentier, 
Und  es  beschlossen  die  wackeren  beiden, 
Vereint  zu  tragen  der  Wanderschaft  Leiden. 

So  sind  sie  denn  an  ein  Wirtshaus  geraten, 
Dran  hing  ein  Schild:  „Frischer  Hasenbraten!" 
Kaum  hatten  die  beiden  dieses  gelesen, 
Hui!  Ist  da  der  Hase  am  Laufen  gewesen! 
Zehn  Spannen  nahm  er  mit  jedem  Satze! 
 Aber  erst  die  Katzel 

Gustav  Hochstetter. 


Motten. 

»^^as  nur  dadrinnen  der  Graukopf  macht? 

Er  blättert  bis  tief  in  die  spate  Nacht 
In  alten  Büchern  hin  und  her, 
Als  ob  drin  was  zu  finden  war9« 
Ei  siehl  er  ist  ja  nicht  zu  Haus, 
Heut  spür1  ich  sein  Geheimnis  aus.« 
Ein  Spätzlein  pieptfs  und  fliegt  hinein; 
Da  liegen  Bücher  gross  und  klein; 
Er  wählt  das  gross te  mit  Bedacht 
Und  hat  an's  Blättern  sich  gemacht. 
»Vergilbt  Papier  und  arg  befleckt  1 
Möchf  wissen,  wo  der  Wert  da  steckt 

23-; 


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Doch  haltl«  —  Sein  kluges  Aeuglein  blitzt, 

Er  hat  sein  Schnäblein  flink  gespitzt. 

»Zwei  Motten  1  und  wie  gross  und  feist  U 

Begierig  hat  er  sie  verspeist 

Und  piept:  »Wer  hätte  das  gedacht: 

Dass  der  auch  Jagd  auf  Motten  macht« 

JuL  Sturm. 

Der  kranke  Löwe. 

JJs  lag  der  gnädige  Löwe  krank. 

In  seiner  Höhle  war  grosser  Stank. 
Sich  zu  zerstreu'n  Hess  seine  Gnaden 
Die  Tiere  zum  Besuche  laden. 
Des  Kämmerers  Ruf  erging  an  drei: 
An  den  Esel,  den  Bock  und  Fuchsen  dabei; 
Die  hätten  sich  gern  der  Ehr1  enthoben, 
So  ward  der  Esel  vorgeschoben, 
Der  zitternd  trat  in  die  Höhle  ein.  — 
Da  lag  der  König  im  Dämmerschein. 
Der  spricht,  indem  die  heisse  Gier 
Aus  seinen  Feueraugen  blinkt: 
«Freund  Baldwyn,  sag',  wie  riecht  es  hier?«  — 
»Herr  König«,  schnuppert  der  Esel,  »es  stinkt!« 
Das  Eselein,  der  Wahrheit  beflissen, 
Ward  fÖr  sein  keckes  Wort  zerrissen.  — 
Kam  drauf  der  Bock  gehüpft,  vor  Graus 
Stehn  ihm  die  Augen  beim  Kopf  heraus. 
»Mein  Böcklein,  sprich,  wie  riecht  es  dir?«  — 
»Herr  König  wie  Bisam  duftet  es  mir.« 
Der  Schmeichler  war  nichts  Besseres  wert: 
Ihm  ward  sein  Inn'res  herausgekehrt  — 
Nun  kam  der  Fuchs  auf  leisen  Sohlen, 
Was  wird  Herr  Reineke  sich  holen? 
»Mein  guter  Fuchs,  du  treue  Seele, 
Sprich  doch,  wie  riecht's  in  meiner  Höhle?« 
Der  Reinhard  niest:  »Ich  kann's  nicht  sagen, 
Mich  thut  ein  arger  Schnupfen  plagen.« 
Der  König  schweigt,  beisst  in  die  Lippe 
Und  reicht  ihm  eine  Eselsrippe: 
»Da  nimm  und  iss,  du  kluger  Mann, 
Ich  sch's,  du  bist  kein  heuriger  Hase; 
Wer  den  Geruch  verleugnen  kann, 
Der  hat  die  allerfeinste  Nase.« 

Eduard  tob  Bauernfcld. 


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Der  alte  und  der  junge  Hase. 

er  junge  Has'  zum  alten  spricht: 
„Ich  muss  den  Menschen  loben, 
Er  ist  im  Grund  so  übel  nicht, 
Ich  habe  davon  Proben. 

Den  Fuchs,  der  unser  Volk  bedroht, 
Den  hat  er  heut  gefangen; 
Ich  sah  den  Räuber  mausetot 
In  einer  Falle  hangen. 

Ein  freies  Leben  führen  wir 
Fortan  in  Klee  und  Kresse. 
Auf,  lohnen  wir  dem  Menschentier 
Mit  einer  Dankadresse!" 

Der  Alte  spricht:  „Du  liebe  Not! 
Den  Menschen  kenn*  ich  besser. 
Ich  weiss  ein  Lied  vom  Hasenschrot, 
Von  Topf  und  Küchenmesser. 

Es  fängt  der  Mensch  mit  Witz  und  List 
Den  roten  Schelm  im  Eisen, 
Denn,  wenn  der  Fuchs  die  Hasen  frisst, 
Kann  sie  der  Mensch  nicht  speisen." 

Rudolf  Baumbach. 

Diplomatischer  Rat. 

2  in  Marder  frass  die  Hühner  gern, 

Doch  wusst*  er  nicht,  wie  sie  erhaschen; 
Er  fragt  den  Fuchs,  'nen  alten  Herrn, 
Dem  Steifheit  schon  verbot  das  Naschen. 
Der  sagt  ihm:  „Freund,  der  Rat  ist  alt, 
Was  hilft  zu  zögern,  brauch  Gewalt!"  — 

Der  Marder  stürmt  in  vollem  Lauf, 
Die  Hühner  aber  flattern  auf, 
Die  einen  gackernd,  kreischend  jene, 
Gerade  in  des  Fuchses  Zähne, 
Der  gegenüber  lauernd  lag 
Und  mühlos  hielt  den  Erntetag. 

Wenn  du  nach  Hühnern  lüstern  bist, 
Frag*  keinen,  der  sie  selbst  gern  frisst! 

Franz  Grillparzer. 

239 


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Sprachenkampf. 

Zu  Aesops  Zeiten  sprachen  die  Tiere, 

Die  Bildung  der  Menschen  ward  so  die  ihre; 
Da  fiel  ihnen  aber  mit  einmal  ein, 
Die  Stammesart  sollte  das  Höchste  sein. 
Ich  will  wieder  brummen  sprach  der  Bär, 
Zu  heulen  war  des  Wolfs  Begehr, 
Mich  lüstets,  zu  blöcken,  sagte  das  Schaf, 
Nur  Einer,  der  bellt,  schien  dem  Hunde  brav. 
Da  wurden  sie  wieder  allmählich  Tiere 
Und  ihre  Bildung  der  Bestien  ihre. 

Eran*  Grillparcer. 

Die  Wachtel  und  ihre  Kinder, 

^5  och  wallte  das  goldene  Weizenfeld 

Und  baute  der  Wachtel  ein  Wohngezelt 
Sie  flog  einst  früh  in  Geschäften  aus 
Und  kam  erst  am  Abend  wieder  nach  Haus. 
Da  rief  der  Kindlein  zitternde  Schar: 
Ach,  Mutter,  wir  schweben  in  grosser  Gefahr  1 
Der  Herr  dieses  Feldes,  der  furchtbare  Mann, 
Ging  heut  mit  dem  Sohn  hier  vorbei  und  begann 
Der  Weizen  ist  reif,  die  Mahd  muss  geschehen, 
Geh,  bitte  die  Nachbarn,  ihn  morgen  zu  mäh'n. 

O,  sagte  die  Wachtel,  dann  hat  es  noch  Zeit! 
Nicht  flugs  sind  die  Nachbarn  zu  Diensten  bereit 
Drauf  flog  sie  des  folgenden  Tages  aus 
Und  kam  erst  am  Abend  wieder  nach  Haus. 
Da  rief  der  Kindlein  zitternde  Schar: 
Ach,  Mutter,  wir  schweben  in  neuer  Gefahr  1 
Der  Herr  dieses  Feldes,  der  furchtbare  Mann, 
Ging  heut  mit  dem  Sohn  hier  vorbei  und  begann: 
Uns  Hessen  die  treulosen  Nachbarn  im  Stiehl 
Geh  rings  nun  zu  unsern  Verwandten  und  sprich: 
Wollt  ihr  meinen  Vater  recht  wohlgemut  seh'n, 
So  helfet  ihm  morgen  sein  Weizenfeld  mäh'nl 

O,  sagte  die  Wachtel,  dann  hat  es  noch  Zeitl 
Nicht  flugs  ist  die  Sippschaft  zur  Hilfe  bereit. 
Drauf  flog  sie  des  folgenden  Tages  aus 
Und  kam  erst  am  Abend  wieder  nach  Haus. 

J40 


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Da  rief  der  Kindlein  zitternde  Schar: 
Ach,  Mutter,  wir  schweben  in  höchster  Gefahr! 
Der  Herr  dieses  Feldes,  der  furchtbare  Mann, 
Ging  heut  mit  dem  Sohn  hier  vorbei  und  begann: 
Uns  Hessen  auch  unsre  Verwandten  im  Stich; 
Ich  rechne  nun  einzig  auf  dich  und  auf  mich* 
Wir  wollen,  wann  morgen  die  Hähne  kräh'n, 
Selbander  uns  rüsten,  den  Weizen  zu  mäh'n. 

Ja,  sagte  die  Wachtel,  nun  ist's  an  der  Zeitl 
Macht  schnell  euch,  ihr  Kinder,  zum  Abzug  bereit; 
Wer  Nachbarn  und  Vettern  die  Arbeit  vertraut, 
Dem  wird  ein  Schloss  in  die  Luft  gebaut; 
Doch  unter  dem  Streben  der  eigenen  Hand 
Erblüht  ihm  des  Werkes  vollendeter  Stand.  — 

Die  Wachtel  entfloh  mit  den  Kleinen  geschwind, 
Und  über  die  Stoppeln  ging  tags  drauf  der  Wind. 

A.  F.  E.  Langbein. 
^  (17S&-1836) 

In's  Reine, 

Jm  Hahnserail  war  gross  Geschrei, 

Es  wurde  viel  gesprochen, 
Die  junge  Henne  härV  die  Treu 
Dem  alten  Hahn  gebrochen! 

»Nein,  was  zu  toll  ist,  ist  zu  tollte 
Rief  laut  der  Schwestern  eine 
Und  pusst*,  dass  jede  Feder  schwoll, 
Und  schimpfte  Stein  und  Beine. 

»Das  ruchlose  Geschöpf!  —  die  Schand'l 
Wir  alle  sind  beleidigt!  — 
Wo  gab's  'ne  Henne  wohl  im  Land, 
Die  solche  Sünd1  verteidigt? 

Die  alte  Frömmigkeit  stirbt  aus?  — 
Grau'nhafte  Frevelthaten ! 
O  Sittlichkeit  im  Hühnerhaus, 
Wo  bist  du  hingeraten  ?c  — 

Sie  drangen  auf  die  Aermste  ein, 
Begannen  zu  versabeln 
Das  hübsche  Ding,  fast  kurz  und  klein, 
Mit  ihren  scharfen  Schnäbeln. 

ti 

241 


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Hoch  flog  der  Schmutz  auf  dort  und  hier 
Staub  gab's  auf  allen  Gassen, 
Kein  gutes  Federchen  ward  ihr 
Am  ganzen  Leib  gelassen.  — 

Der  alte,  lacherliche  Hahn 
Stand  still  auf  einem  Beine 
Und  sah  sich  dumm  die  Sache  an, 
Wie  alles  kam  in's  Reine. 

Otto  IIäu imana. 

Vogelscheuche. 

Jjjs  steht  ein  Mönch  im  Felde, 

Ist  nur  ein  Mönchshabit. 
Die  Stange  schwankt  im  Winde, 
Die  Kutte  dreht  sich  mit. 

Wartl  denkt  der  fromme  Bauer, 
So  schützen  wir  die  Saat; 
Die  Spatzen  respektieren 
Den  geistlichen  Ornat. 

Die  Spatzen  denken:  Mönchlein, 
Dein  Beispiel  fehlte  noch! 
Ei,  säst  denn  du  und  erntest? 
Und  Gott  ernährt  dich  doch! 

Paul  Heys*. 

Elleng  rosse. 

^ie  Pappel  spricht  zum  Bäumchen: 

»Was  machst  du  dich  so  breit 
Mit  den  geringen  Pnaumchen?« 
Es  sagt:  Ich  bin  erfreut, 
Dasa  ich  nicht  blos  ein  Holz, 
Nicht  eine  leere  Stange  I  — 
»Was  !c  ruft  die  Pappel  stolz, 
»Ich  bin  zwar  eine  Stange, 
Doch  eine  lange,  langete 

A.  E.  Fröhlich. 
(1794-1866.) 


243 


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■ 


Duelle. 

y^wei  Ochsen  disputierten  sich 
Auf  einem  Hofe  fürchterlich. 
Sie  waren  beide  zornigen  Blutes, 
Und  in  der  Hitze  des  Disputes 
Hat  einer  von  ihnen,  zornentbrannt, 
Den  andern  einen  Esel  genannt. 
Da  »Esel«  ein  Tusch  ist  bei  den  Ochsen, 
So  mussten  die  beiden  John  Bulle  sich  boxen. 

Auf  selbigem  Hofe  zur  selbigen  Zeit 
Gerieten  auch  zwei  Esel  in  Streit, 
Und  heftig  stritten  die  beiden  Langohren, 
Bis  einer  so  sehr  die  Geduld  verloren, 
Dass  er  ein  wildes  I-A  ausstiess 
Und  den  andern  einen  Ochsen  hiessl 
Ihr  wisst,  ein  Esel  fühlt  sich  tuschiert, 
Wenn  man  ihn  Ochse  tituliert. 
Ein  Zweikampf  folgte,  die  beiden  stiessen 
Sich  mit  den  Köpfen,  mit  den  Füssen, 
Gaben  sich  manchen  Tritt  in  den  Podex, 
Wie  es  gebietet  der  Ehre  Kodex. 

Und  die  Moral?    Ich  glaub',  es  giebt  Fälle, 
Wo  unvermeidlich  sind  die  Duelle; 
Es  muss  sich  schlagen  der  Student, 
Den  man  einen  dummen  Jungen  nennt. 

Hcinr.  Heine. 

Rcncontre. 

^er  junge  Fox  trat  auf  der  Gasse 

Dem  alten  Pintscher  auf  den  Fuss. 
Der  wurde  wütend.    »Herr,  ich  lasse 
Mir  nicht  gefallen  solchen  Grass!« 
»Dann  aus  dem  Wege  1«  »Was?l  Sie  wagen, 
Mich  zu  beschimpfen  obendrein  ?1 
Mein  Herr,  da  müssen  wir  uns  schlagen  1« 
»Es  wird  mir  ein  Vergnügen  sein!« 
Zum  Walde  gingJs  auf  stillen  Wegen« 
Auf  Tod  und  Leben  ein  Duell. 
Der  Pintscher  war  bald  unterlegen 
Und  starb  mit  traurigem  Gebell. 
Der  Sieger  aber  lief  geschwinde 
Zur  Stadt  und  klopft'  bei  Pintschers  an. 

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»Aeh!  Gut,  dass  ich  Sie,  Gnäd'ge,  finde  1 
Duell.  Ich  Sieger.  Tot  Ihr  Mannte 
Die  Witwe  jammerte  und  klagte; 
Doch  sprach  der  Fox  ihr  Trost  und  Mut, 
Bis  sie  zuletzt  geröhrt  ihm  sagte: 
»Ach  lieber  Fox,  Sie  sind  so  gut!« 
Tags  drauf  in  den  Journalen  wehten 
Die  Partezetteln  schwarz  auf  grau: 
—  »Um  stilles  Beileid  wird  gebeten. € 
(Und  unterzeichnet:)  »Fox  und  Frau«. 

Friedr.  Werner  yan  Ocsteren. 


Spatz  und  Spätzin. 

£Juf  dem  Dache  sitzt  der  Spatz, 

Und  die  Spätzin  sitzt  daneben. 
Und  er  spricht  zu  seinem  Schatz: 
»Küsse  mich,  mein  holdes  Leben! 

Bald  nun  wird  der  Kirschbaum  blühn, 
Frühlingszeit  ist  so  vergnüglich; 
Ach,  wie  lieb'  ich  junges  Grün 
Und  die  Erbsen  ganz  vorzüglich  U 

Spricht  die  Spätzin:  »Teurer  Mann, 
Denken  wir  der  neuen  Pflichten, 
Fangen  wir  noch  heute  an, 
Uns  ein  Nestchen  einzurichten  tc 

Spricht  der  Spatz:  »Das  Nesterbau'n, 
Eierbrüten,  Junge  futtern 
Und  dem  Mann  den  Kopf  zu  krau'n  - 
Liegt  den  Weibern  ob  und  Müttern.« 

Spricht  die  Spätzin:  »Du  Barbarl 
Soll  ich  bei  der  Arbeit  schwitzen, 
Und  du  willst  nur  immerdar 
Zwitschern  und  herumstibitzen?« 

Spricht  der  Spatz:  »Ich  will  dich  hier 
Mit  zwei  Worten  kurz  berichten: 
Für  den  Spatz  ist  das  Pläsir, 
Für  die  Spätzin  sind  die  Pflichten  l 

Karl  Maytr 


24« 


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Zwei  Qänse. 


y^ur  weissen  Gans  sprach  einst  vertraulich  eine  graue: 

Lass  uns  spazieren  geh'n  nach  jener  grünen  Aue, 
Dort  thun  wir  beide  uns  im  jungen  Grase  gütlich, 
Denn  in  Gesellschaft  gakt  es  sich  doch  gar  gemütlich. 

»Nein«,  sprach  die  weisse  Gans,  »da  muss  ich  refusieren. 
Mit  meines  Gleichen  nur  geh'  ich  am  Tag  spazieren, 
Vertraulichkeit  mit  dir  gereichte  nur  zur  Schande, 
Zwar  bin  ich  eine  Gans,  doch  eine  Gans  von  Stande.« 

Jul.  Sturm. 

IT 

Qleichnis. 

J^reund,"  sprachen  sie,  „wie  du  es  treibst, 
Kommst  du  bei  Lebzeit  nie  in  Mode! 
Du  sinnst  und  dichtest,  ringst  und  schreibst 
Und  hungerst  dich  dabei  zu  Tode. 
Die  andern  füllen  Sack  und  Pack, 
Du  bleibst  ein  Bettler  unter  ihnen. 
Begreife  doch  den  Zeitgeschmack! 
Lehr  deine  Muse  Geld  verdienen!"  

„Meint  ihr?  Einst  war  bei  aller  Not 

Ein  schönes  Kind  mir  Trost  im  Leide, 

Die  zahlte  einst  das  Mittagbrot 

Aus  ihrem  Beutel  für  uns  beide; 

Das  nahm  mein  armer  Stolz  gar  schwer! 

Es  war  so  gut  gemeint  im  Grunde. 

Ich  aber  liebte  sie  nicht  mehr 

Vor  Scham  und  Groll  seit  dieser  Stunde! 

Die  Kunst  ist  nun  mein  Lieb  und  Licht.  — 
Lasst  doch  die  andern  ruhig  prassen! 
Ich  mag  mein  Mittagbrot  mir  nicht 
Von  der  Geliebten  zahlen  lassen  1" 

Frieda  Schanz. 

Versorgung. 

JJingesperrt  beim  alten  Pferd, 

Das  im  Radlauf  wohlgelehrt, 
Stampft  ein  Kriegsross  voll  Verlangen, 
In  dem  Siegeszug  zu  prangen. 

245 


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»Sei  nicht  thörichtU  sagt  der  Gaul, 
»Hast* s  ja  ruhig  hier  und  lug*, 
Hängt  das  Heu  dir  nicht  ins  Maul? 
Giebt's  nicht  Hafer  überg'nug? 
Einzig  hier  wohnt  wahres  Glück; 
Glaub  es  mir  und  meinen  Jahren! 
Täglich  hab'  ich  das  erfahren.« 

Und  das  Ross  spricht  stolz  zurück: 
»Was  hast  du  denn  für  Erfahrung: 
Nichts  denn  Kreislauf,  Schlaf  und  Nahrung  U 

Abraham  Em  an«  Fröhlich. 


Spinne  und  das  Podagra. 

^as  Podagra  und  eine  Spinne, 

Geführt  von  ihrem  Eigensinne, 
Entschlossen  sich,  die  Welt  zu  seh'n, 
Und  Abenteuern  nachzugeh'n. 
Sie  trafen  unterwegs  sich  an 
Und  grüssten  sich,  da  sie  sich  satfn, 
So  leicht,  so  artig  und  galant, 
Als  hätten  sie  sich  längst  gekannt. 
Ich  dächte,  sprach  das  Podagra, 
Wir  setzten  nach  dem  Dorfe  da 
Zusammen  unsre  Reise  fort 
Es  scheint  ein  wohlgelegner  Ort, 
Und  sind  Madam  so  müd'  als  ich, 
So  wird  uns  beiden,  sicherlich  1 
Jedwede  Herberg*,  gross  und  klein, 
Auf  diese  Nacht  willkommen  sein. 
Der  Spinne  war  das  eben  recht: 
Sie  kamen  an  das  Dorf.  Geschwächt, 
Hinfallig,  kraftlos  und  halb  lahm 
Erlag  das  Podagra  und  nahm 
Sobald  als  möglich,  voll  Begier, 
Beim  ersten  Bauer  das  Quartier. 
Die  Spinne  hielt  sich  für  gescheiter 
Und  nahm  den  "Weg  noch  etwas  weiter 
Bis  zu  des  Edelmannes  Haus; 
Hier  wählt  sie  einen  Saal  sich  aus, 
In  welchem  man  mit  grosser  Pracht 
Ein  Gastmahl  just  zurecht  gemacht. 


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Sogleich  nahm  sie  nach  ihrem  Witz 

Vom  Fensterrahmen  rasch  Besitz; 

Hub  an,  mit  emsigem  Bestreben 

Viel  ihrer  Fäden  anzukleben: 

Doch  eh*  ihr  Netz  noch  fertig  war, 

Nimmt  eine  Stubenmagd  es  wahr, 

Die  mit  dem  Besen  drüber  fahrt 

Und  unbarmherzig  es  zerstört. 

Die  Spinne  hub  von  neuem  an 

Zu  weben,  wie  sie  erst  gethan; 

Da  ward  der  Saal  voll  Herr'n  und  Damen, 

Mit  denen  viel  Lakaien  kamen. 

Ein  naseweiser  Bursche  sah 

Der  Spinne  Netz  und  rief:  »Sieh  dal 

Was  machst  du  hierPc  und  stiess  sogleich 

Den  Hut  quer  durch  ihr  Fadenreich. 

Die  Spinne  Hess  sich's  nicht  verdriessen 

Und  heftete  mit  muntern  Fussen 

Ihr  hangend  halb  zerstörtes  Nest 

Zum  drittenmal  am  Fenster  fest* 

Da  trat  ein  junges  Fräulein  her, 

Das  sah  am  Fenster  ungefähr 

Die  Spinne  hangen  und  schrie  laut: 

»Achl  Herr  Baron,  mir  graut,  mir  graut!« 

Und  wies  mit  Schrecken  auf  die  Spinne. 

Kaum  ward  der  Herr  Baron  sie  inne, 

So  zog  er  wie  ein  Held  den  Degen, 

Fing  an  im  Netz  herum  zu  fegen, 

So  dass  mit  Not  die  Spinn'  entkam 

Und  aus  dem  Saal  den  Abschied  nahm. 

Dem  Podagra  ging's  auch  fast  so, 
Es  ward  der  Herberg'  wenig  froh. 
Nachdem  es  lang  genug  gesessen, 
Sprach  es:  »Ich  möchtf  ein  wenig  essenU 
Der  Bauer  brachte  trocken  Brot, 
Zum  Trunk  dazu  kalt  Wasser  bot; 
Dies  waren  nach  so  langen  Reisen 
Fürs  Podagra  sehr  schlechte  Speisen. 
Es  ass  nicht  viel,  trank  kaum  dazu 
Und  sprach  betrübt:  »Bringt  mich  zur  Ruh\« 
Da  wies  der  Bauer  ihm  zum  Bette 
Gar  eine  harte  Lagerstätte, 
Worauf  ein  wenig  Stroh  nur  lag. 
Hier  wälzte  es  sich,  bis  der  Tag 

■ 

247 


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Im  Osten  an  zu  grauen  fing, 
Und  seufzend  es  von  dannen  ging. 

Es  traf  die  Spinne  wieder  an, 
Die  auch  kein  Auge  zugethan, 
Und  alle  beide  klagten  sich, 
Wie  elend  und  wie  jämmerlich 
Sie  beiderseits  die  vor*ge  Nacht 
In  Furcht  und  Sorgen  zugebracht. 
Ich  seh'  wohl,  wo  der  Knoten  sitzt, 
Sprach  drauf  das  Podagra.    Dir  nützt 
Zum  Aufenthalte  kein  Palast; 
So  wie  ich  niemals  Ruh'  und  Rast 
Bei  schlechten  Bauern  finden  kann. 
Drum  geh  du  zu  dem  armen  Mann, 
Und  ich  will  deine  Junker  seh'n, 
So  soll  das  Ding  wohl  besser  geh'n. 

Dies  waren  beide  wohl  zufrieden, 
Und  beide  gingen  nun  verschieden 
Den  Weg,  so  wie  der  Abend  kam. 
Das  Podagra,  voll  Hoffnung,  nahm 
Zum  Schloss  des  Junkers  seinen  Gang; 
Und  mit  welch  freudigem  Empfang 
Ward  es  von  ihm  nicht  aufgenommen! 
Kaum  sah  er  es  gehinket  kommen, 
So  nahm  er's  höflich  bei  der  Hand, 
Führt's  in  sein  Zimmer;  drinnen  stand 
Ein  Sofa  mit  viel  weichen  Kissen, 
Davon  legt  er  ihm  drei  zu  Füssen 
Und  sprach:  »Ihr  Gnaden  fordern  dreist, 
Was  Ihrem  Gaurn9  willkommen  heisst.« 
Drauf  rief  er  seine  Diener  her; 
Da  ward  der  Tisch  nicht  einmal  leer 
Von  Thee  und  Kaffee  und  Orsade, 
Von  Schokolad*  und  Limonade. 
Alsdann  ward  von  der  Schüsseln  Menge 
Die  grosse  Tafel  fast  zu  enge; 
Denn  alles,  was  die  Schmause  weit 
Für  echte  Leckerbissen  hält, 
War  so  im  Ueberflusse  da, 
Als  war'  es  in  Hammonia. 

Die  Weine,  ja  wer  kann  die  zahlen? 
Gewissl  hier  durfte  keiner  fehlen, 

24« 


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Vom  Franzwein  bis  zum  Vin  de  Cap; 

Sodass  das  Podagra  sogar 

Satt  bis  zum  höchsten  Ekel  war.  — 

Die  Spinne  trat  zum  armen  Mann 

Indes  auch  ihre  Wallfahrt  an. 

Sie  fand  bei  ihm  ein  freies  Leben, 

Fing  an  zu  haspeln  zu  weben 

Nach  Herzenslust  mit  Füssen,  Händen 

An  Thören  Fenstern,  Balken,  Wänden, 

Und  machte  sich  manch  schönes  Netz 

Nach  ihres  Eigensinns  Gesetz: 

Rund,  mit  viel  Strahlen,  krumm  und  schief, 

Gleich,  ungleich,  seltsam,  flach  und  tief. 

So  herrschte  sie  im  ganzen  Haus, 

Und  niemand  stört'  und  trieb  sie  aus. 

Als  drauf  die  beiden  Wanderer 
Nach  kurzer  Zeit  von  ungefähr 
Sich  wiedersah'n,  da  rühmten  beide, 
Mit  welcher  wahren  Lust  und  Freude 
Ihr  Leben  nun  versüsset  sei. 
Jedwedes  blieb  der  Herberg*  treu; 
Vergnügen  war  auf  beiden  Seiten, 
Und  so  wohnt  noch  zu  unsern  Zeiten 
Die  Spinne  bei  dem  Armen  gern, 
Das  Podagra  bei  grossen  Herr'n. 

Fr.  Wilh.  Zacbariä. 
(1726-1777) 


Der  alte  Rar. 

]<Jin  alter  Aar  flog  mit  geschwächter  Schwinge 

Durch  niedres  Holz. 
Da  wurden  rings  die  Kräh'n  und  Krachzerlinge, 
Die  Eulen,  stolz. 

»Er  fliegt  doch  höher  nicht,  als  wir  vermögen 
Die  Bahn  zu  ziehnl 

Es  fehlt,  fürwahr,  ein  wenig  nur,  so  flögen 
Wir  über  ihn  1« 

Der  Aar  vernahm's  und  sprach  mit  bitterm  Hohne: 
»Von  meinem  Schwung 

In  lichten  Raum  blieb  mir  zum  ew'gen  Lohne 
Erinnerung  1 

249  y 

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Die  trägst  mich  noch  empor  auf  Geistesflügen 
In  Sonnennäh'n, 

Die  euer  Flug  in  seinen  niedern  Zögen 
Niemals  gesehnt 

In  meinem  Auge  flammt  des  Lichts  ein  Funken, 
Das  dort  ich  trank; 

Ich  hab  der  Sonne  Licht  und  Luft  getrunken, 
Ihr  Staub  und  Stank  !c  — 

Da  blinzelten  die  Eulen  eine  Stunde 
Ihm  hinter  her, 

Da  flatterten  die  Krähen  in  der  Runde 
Und  krächzten  sehr.  — 

Theod.  Vulpiniw. 

Die  Fledermaus. 

X^ie  Fledermaus  rief:  O  Wiesel! 

Vor  Aengsten  ergreift  mich  ein  FrieseL 
Dein  bin  ich  kein  würdiger  Schmaus, 
Ich  bin  ja  nicht  Vogel,  nur  —  Maus. 
Grossmfltig  sagte  das  Wiesel: 
Die  Mausart,  wahrlich,  ist  neu; 
Doch  hab'  ich  kein  Herz  von  Kieseil 
Und  liesi  die  Fledermaus  freL 

Die  Fledermaus  rief:  O  Schuhu, 
Verschone  mich,  edelster  Uhu! 
Dein  bin  ich  kein  würdiger  Schmaus, 
Ich  bin  ja  ein  Vogel,  nicht  Maus. 
Ei,  sprach  der  Tyrann  der  Mäuse, 
Die  Vogelart  ist  mir  neu; 
Doch  entflieg  aus  unserem  Kreisel 
Und  Hess  die  Fledermaus  frei. 

Die  Fledermaus  rief:  O  Katze! 
Lass  ab  von  mir  seltenstem  Schatze, 
Dem  Adler  dien*  ich  zum  Schmaus: 
Zugleich  bin  ich  Vogel  und  Maus.  — 
Nein,  Prahler,  du  sollst  mir  verderben, 
Nicht  umsonst  hab1  ich  dich  erzielt  1 
Auch  möge  jeder  so  sterben, 
Der  zweierlei  Rollen  spielt! 

Joh.  Ch.  Friedr.  Haug. 
(17»-1829.) 


250 


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Eigene  Grösse. 

p^och  auf  dem  Kirchendach  das  Gras  — 

Der  allerhöchste  Baum  ist  das. 
Es  hebt  die  Hälmlein,  reckt  den  Schaft 
Und  weit  in  alle  Lande  gafft; 
Und  spricht  zum  Eichbaum:  Liebes  Kind, 
Nimm  dich  nur  ja  in  acht  beim  Wind, 
Und  sieh  auf  mich;  ich  zittre  nicht, 
Wenn  alles  um  mich  biegt  und  bricht. 
Was  sich  nicht  selber  hält,  muss  purzeln; 
Es  geht  nichts  über  tiefe  Wurzeini 

Richard  Leander. 

Der  Kater. 

JJin  Kater  lebte  lange  Zeit 

Zufrieden  in  der  Ehe, 
Bis  ihn  die  Ungenügsamkeit 
Erfasst  mit  ihrem  Wehe. 
Er  halt  sein  Leben  für  gering 
Und  sich  für  ein  verächtlich  Ding 
Und  martert  Weib  und  Kinder. 

Der  Kätzin  geht  gar  tief  der  Schmerz 
Des  Gatten  zu  Gemüte, 
Sie  drückt  ihn  weinend  an  das  Herz 
Und  spricht  mit  Lieb'  und  Güte: 
Dort  geht  die  Sonn*  im  Himmelsblau, 
Die  mächtigste,  die  grösste  Frau, 
Geh*  hin,  um  sie  zu  werben. 

Der  Kater  geht  von  Hof  und  Haus 

Und  neigt  sich  vor  der  Sonne: 

Allmächtig  bist  du,  teilest  aus 

Auf  Erden  Licht  und  Wonne. 

Die  Sonne  fallt  ihm  schnell  ins  Wort: 

Nein,  mächtiger  ist  die  Wolke  dort, 

Die  kann  mich  ja  verdunkeln. 

Der  Kater  spricht  zum  Wolkenschiff, 

Das  eben  Anker  löste 

Von  einem  hohen  Felsenriff: 

Halt  an,  du  bist  das  Grösste  1 

Die  Wolke,  ein  geschmeichelt  Kind, 

Errötet  leicht  und  seufzt:  Der  Wind, 

Der  mich  vertreibt,  ist  grösser« 


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Der  Kater  läuft  dem  Winde  zu 
Und  wirft  sich  ihm  zu  Füssen: 
Der  Stärkste  auf  der  Welt  bist  du, 
Lass  mich  als  Knecht  dich  grüssen.  — 
Der  Stärkste  ich?    In  meinem  Lauf 
Hält  mich  die  kleinste  Mauer  auf 
Und  bricht  mir  meine  Flügel. 

Der  Kater  preist  die  Mauerkron' 

Nun  Königin  der  Starke; 

Die  Mauer  aber  zürnt:  Mein  Sohn, 

Du  spottest,  wie  ich  merke  — 

Ist  stärker  doch  als  ich  die  Maus, 

Die  nagt  mich  an  und  höhlt  mich  aus, 

Bis  ich  zusammenbreche. 

Der  Kater  sucht  nun  auf  die  Maus 

Und  spricht  vor  ihrer  Höhle: 

Du  bist  die  Grösste  —  komm'  heraus, 

Das  ich  mich  dir  vermähle. 

Das  Mäuschen  steht  ganz  zitternd  da: 

Mein  Gott,  ich  bin  das  Kleinste  ja, 

Das  Grösste  bist  du  selber. 

Der  Kater  kehrt  nun  schnell  zurück 

Zu  seinem  kleinen  Kreise  — 

Die  Gattin  fragt:  Hast  du  das  Glück 

Gefunden  auf  der  Reise? 

Jawohl,  spricht  er,  's  ist  alles  Trug, 

Ein  jeder  sei  sich  selbst  genug, 

Und  jeder  ist  der  Grösste. 

Hira  v.  Gilt*. 


tialensee. 

J^ieweil  der  Mai  zu  blühn  begann, 

Verschloss  ein  junger  Malersmann 
Am  Nachmittag  sein  Atelier 
Und  fuhr  hinaus  nach  Halensee. 
Die  Frühlingsluft  schwellt  seine  Lungen, 
Er  hat  ein  frohes  Lied  gesungen, 
Durchgondelte  die  klaren  Wogen 
Des  Sees,  auf  dem  die  Schwäne  zogen, 
Und  als  um  Sonnenuntergang 
Ihm  Tanzmusik  entgegen  klang, 
Da  ging  —  das  tun  wir  Alle  mal  — • 
Der  Maler  in  ein  Tanzlokal. 

252 

■ 

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Viel  Jugend  sah  er  dort  sich  drängen. 
Es  wiegten  sich  nach  frohen  Klängen 
Die  niedlichen  Berliner  Pflanzen  .  .  . 
Herrjeh!  Die  Mädel  können  tanzen  1 
Ja,  die  verstehn's  und  sind  dabei  I 
Meist  tanzen  sie  zu  zwei  und  zwei, 
Erst  wenige  mit  ihrem  Schatz  .  .  . 
Der  Maler  sucht  sich  einen  Platz 
So  recht  weit  hinten  in  der  Eck*, 
Und  dann  schaut  er  aus  dem  Versteck 
All  dem  Getriebe  und  Getu' 
Mit  teilnahmsvollem  Auge  zu. 

„Und  welche  von  den  Mägdelein," 

Denkt  er,  „soll  nun  die  Meine  sein? 

„Die  Blonde  mit  der  blauen  Bluse? 

„Nicht  schlank  genug  für  meine  Muse!  .  .  . 

„Die  Schwarze  mit  der  roten  Taille? 

„Zwar  schlank  —  doch  gar  zu  sehr  Kanaille!  .  .  . 

„Vielleicht  die  Kleine  dort  in  weiss? 

„Die  ist  zu  wild,  sie  tanzt  so  heisst  .  .  . 

„Da  drüben  die  Brünette?  Nein,  — 

„Zu  schön!  Das  könnt*  gefährlich  sein!  .  . 

Und  also  prüfend,  wägend,  wählend, 
Mit  Fragen  sich  und  Zweifeln  quälend, 
Sitzt  er  gar  lange  in  Gedanken  .  .  . 
Bis  von  den  Runden  und  den  Schlanken, 
Die  er  so  prüfend  wägt  und  misst, 
Nicht  eine  mehr  zu  haben  ist, 
Weil  so  von  Schlanken  wie  von  Runden 
Nun  jede  einen  Schatz  gefunden, 
So  dass  allein  und  trist  zum  Schluss 
Der  Maler  heimwärts  wandern  muss. 

Nun  glaub*  ich  fast,  dass  ihr  nicht  wisst, 
Warum  dies  eine  Fabel  ist. 
Jedoch,  Herr  Leser,  nimm  mal  an, 
Du  selber  seist  der  Malersmann, 
Und  setze  für  das  Tanzlokal 
Dies  ganze  irdische  Jammertal  .  .  . 
Dann  denke  nach  und  schweige  still, 
Dann  weisst  du,  was  ich  sagen  will; 
Dann  weisst  du,  wie  viel  Schönes  schon 
In  deinem  Leben  dir  entfloh'n, 
Weil  du  zu  lange  überlegt  hast, 

253 

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Zu  viel  bedacht,  zu  viel  erwägt  hast  .  .  . 
Drum  — :  wenn  das  Glück  dir  wieder  winkt, 
Nur  schnell  ihm  nach,  eh'  es  versinkt! 
Dann  denk'  an  unsern  Maler  du 
Und  fasse  an  und  greife  zu, 
Damit  es  dir  nicht  wieder  geh* 
Wie  unserm  Freund  in  Halensee. , 

Gustav  Hochsteuer. 


Die  Spinnen  und  die  Fliegen. 

Jn  einem  Schlösschen,  das  verlassen 

Und  darum  halb  verfallen  stand, 
Herbergten  in  den  öden  Räumen 
Viel  Dutzend  Spinnen  an  der  Wand. 

Gesundheit  halber  aber  mochte 
Der  letzte  der  Insassen  hier 
Zerbrochene  Scheiben  nicht  vertragen 
Und  flickte  alles  mit  Papier. 

Er  schnitt  dadurch  den  vielen  Spinnen 
Der  Nahrung  Zufuhr  gründlich  ab, 
Von  aussen  kam  nicht  eine  Fliege, 
Wie  es  bald  innen  keine  gab. 

Die  netze  webende  Gemeinde, 
Die  wusste  nicht,  wie  ihr  geschah, 
Und  war  nach  langem,  grimmen  Fasten 
Dem  bittern  Hungertode  nah. 

Da  ward  für  den,  der  Kraft  noch  fühlte, 
Die  Selbsterhaltung  zum  Gesetz, 
Er  lud  beim  Schwächern  sich  zu  Gaste 
Und  frass  ihn  auf  im  eignen  Netz. 

Doch  als  zu  höchst  die  Not  gestiegen, 
Da  fügte  sich,  dass  vor  dem  Schloss 
Ein  muntrer  Knab'  vorbeigezogen, 
Den  lange  Weile  just  verdross. 

Er  raffte  Kiesel  auf  vom  Wege 
Und  nahm  die  Fenster  sich  zum  Ziel, 
Nur  wenig  heile  Scheiben  blieben 
Nach  diesem  ritterlichen  SpieL 

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Und  durch  die  Lücken  schwärmten  Fliegen 
In  Hülle  und  in  Fülle  ein, 
Die  Spinnen  sagten:  Gottes  Güte 
Regierte  sichtbarlich  den  Stein  l 

Sie  falteten  die  Vorderbeine 
Und  dankten  ihm,  der  alle  nährt, 
Und  haben  dann  mit  frommen  Sinnen 
Die  Fliegen  reinlich  aufgezehrt 

Doch  meinte  deren  Schwann  hinwieder  — 
Der  rings  bestrickt  vom  Tod  sich  fand  — 
Die  Scheiben  habe  ausgebrochen 
Der  Satan  mit  selbsteigner  Hand. 

Entging  den  grimmen  Stricken  eine, 
Durch  Gottes  Huld  hielt  sie  sich  frei, 
Und  ward  sie  dennoch  aufgefressen, 
So  meint*  sie,  dass  es  Prüfung  sei. 

Das  gilt  von  Fliegen  und  von  Spinnen, 
Die  an  Vernunft  nicht  überreich; 
Doch  sind  wir  klugen  Menschen  ihnen, 
Gottlob,  in  keinem  Punkte  gleich. 

Ludwig  Anzeagruber. 

Das  Infusorium. 

^^ar  einst  ein  Infusorium  — 

Es  war  das  grösste  um  und  um 
In  seinem  Wassertropfen, 
Es  sass  und  dacht*:  »Wer  gleichet  mir? 
Was  bin  ich  für  ein  riesig  Tierl 
Ich  bin  so  gross  1  —  soweit  man  sieht, 
Erschaut  man  meinesgleichen  nicht  1« 

Kam  eine  Maus  an  diesen  Ort  — 
Die  hatte  Durst  und  trank  sofort 
Den  ganzen  Wassertropfen 
Mit  samt  den  Infusorien  all  — 
Fünf  hundertausend  auf  einmal. 
Gar  mancher  Mensch  ist  solch  ein  Thor 

* 

Wie  dieses  brave  Infusor! 

Heinrich  Seidel. 


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Beim  Spiele. 

J^Js  sassen  Hund  und  Schaf  und  Bock 
An  ihrem  Stammtisch  beim  Tarok. 
Der  Bock  gewann  fast  jedes  Spiel. 
Das  ward  den  andern  Zwei'n  zu  viel. 
Der  Hund  sprach  bellend:  »Wau!  Wir  warten 
Die  ganze  Zeit  auf  gute  Karten. 
Man  könnte  aus  dem  Felle  springen! 
Das  geht  nicht  zu  mit  rechten  Dingen. c 
Und  blökend  gab  das  Schaf  ihm  recht 
Der  Bock  ward  rot.    »Das  ist  nicht  schlecht t 
Wollt  ihr  mich  da  des  Schwindels  zeih'n? 
Ihr  Herren,  das  ist  hundsgemein  1« 
Da  knurrt  der  Hund:  »Herr  Bock,  gebt  achtl 
Dies  letzte  Wort  war  unbedacht, 
War  einfach  schafsdumm,  unerwogen. 
Hab*  ich  gesagt,  dass  Sie  betrogen?« 
Jetzt  blökt  das  Schaf:  »Verehrter  Hund, 
Ihr  greift  mich  an  ganz  ohne  Grund« 
Was  ihr  da  sagtet  grad'  von  »dumm«,  — 
Das  macht  mich  vor  Entrüstung  stumm.«  — 
Es  knurrt  der  Hund;  das  Schaf  blickt  weise; 
Bock  meckert  in  den  Bart  ganz  leise. 
Sie  spielen  weiter.  —  »Rotl    Ich  spiele!« 
—  —  Ja,  Ehrenmänner  giebt  es  viele.  —  — 

Friedr.  Werner  Ten  Oesterta. 

Das  Johanniswürmchen. 

^  in  Johanniswürmchen  sass, 

Seines  Demantscheins 
Unbewusst,  im  weichen  Gras 
Eines  Bardenhains. 

Leise  schlich  aus  faulem  Moos 
Sich  ein  Ungetüm, 
Eine  Kröte,  her  und  schoss 
All  ihr  Gift  nach  ihm. 

Ach!  was  hab1  ich  dir  gethan? 

Rief  der  Wurm  ihr  zu. 

Ei,  fuhr  ihn  das  Untier  an, 

Warum  glänzest  du! 

G.  C  Pfcffd. 
(17Ä-1Ä».) 

25« 


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Erziehungsresultate. 

(^Jeckernd  strich  den  langen  Bart 
Vater  Ziegenbock  und  sagte: 
»Söhne,  glaubt,  dass  ich  mich  hart, 
Als  ich  jung,  um's  Futter  plagte! 
Tage  ohne  Klee  und  Gras 
Waren  da  beinahe  Regel. 
Ekler  Abfall  war  mein  Frass 
Und  der  Hirt  ein  grober  Flegel. 
Gott  sei  Dank)  die  Zeit  verrann! 
Ach,  ihr  wisst  es  gar  nicht,  Knaben, 
Was  es  heisst:  von  Jugend  an 
Gute  Streu  und  Futter  haben  U 
Wie  das  Meckern  weise  klang  1 
Und  der  alte  Bock  ging  fressen« 
Seine  Söhne,  predigtbang, 
Machten  sich  davon  indessen; 
Und  ein  freches  Böcklein  lacht: 
»Kinder,  wenn  wir  uns  vermählen 
Und  zu  Vätern  es  gebracht, 
Werden  wir  das  auch  erzählen  U 

Friedr.  Werner  van  Öfteren. 

Tempora  mutantur. 

£)tand  ein  Rosenstrauch  im  Mai 

Blühend  an  sonniger  Halde, 
Flog  ein  lustiger  Fink  herbei 
Aus  dem  schattigen  Walde. 

Und  der  lustige  Finke  sprach: 
»Lass,  o  Rose,  mich  wohnen 
Unter  deinem  Blätterdach, 
Will's  nach  Kräften  dir  lohnen. 

Will  dich  preisen  mit  süssem  Sang, 
Selig  durch  deine  Minne  — 
Will  dir  dienen  mein  Leben  lang, 
Schöne  Frau  Königinne!  — « 

Sprach  die  Rose:  »Ein  Finkenhahn 
Soll  mich  nicht  bethören, 
Wenn  du  wärest  der  Goldfasan, 
Möchtf  ich  vielleicht  dich  erhören. 

17 

257 


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Aber  zwischen  uns  beiden  liegt 
Eine  gewaltige  Schranke, 
Und  kein  Finke  darüber  fliegt;  — 
Nein  —  mein  Herr,  —  ich  danke,  c  — 

Kehrte  der  Finke  zurück  zum  Wald» 
Dachte  nicht  weiter  an  Minne, 
Pfiff  und  sang,  da  kam  ihm  bald 
Röslein  aus  dem  Sinne. 

Als  der  Winter  kam  ins  Land, 
Fand  er  auf  jenem  Flecke, 
Wo  im  Frühling  die  Rose  stand, 
Eine  dornige  Hecke; 

Hingen  nur  wenige  Blättlein  dran« 
Welk  und  halb  erfroren  — 
Wartend  auf  den  Goldfasan, 
Hat  sie  die  Blüte  verloren. 

Als  die  Hecke  den  Finken  erkannt, 
Rief  sie  mit  einer  Verbeugung: 
»Zog  dich  endlich  aus  fernem  Land 
Heim  deine  erste  Neigung? 

Komm,  mein  Trauter,  uns  trennt  fortan 
Keine  hemmende  Schranke  — « 
Sah  sie  der  Fink  bedenklich  an, 
Sprach:  »Mein  Fräulein  —  ich  danke !c  — 

Rudolf  Baumbach. 

Der  Hund  aus  der  Pfennigschenke. 

ßs  ging,  was  Ernstes  zu  bestellen, 

Ein  Wandrer  seinen  stillen  Gang, 
Als  auf  ihn  los  ein  Hund,  mit  Bellen 
Und  Rasseln  vieler  Halsbandschellen, 
Aus  einer  Pfennigschenke  sprang. 
Er,  ohne  Stock  und  Stein  zu  heben, 
Noch  sonst  sich  mit  ihm  abzugeben, 
Hob  ruhig  weiter  Fuss  und  Stab, 
Und  Kliffklaff  Hess  vom  Lärmen  ab. 

Des  Wegs  kam  auch  mit  Rohr  und  Degen, 
Flink,  wohlgemut,  keck  und  verwegen, 


253 


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Ein  Herrchen  Krauskopf  her  spaziert. 
Kliffklaff  setzt  an,  und  hoch  tuschiert 
Hält  von  dem  Hunde  sich  das  Herrchen. 
Und  Herrchen  Krauskopf  ist  ein  Närrchen; 
Fängt  mit  dem  Klaffer  Händel  an, 
Greift  fix  nach  Steinen  in  die  Runde 
Und  schleudert,  was  er  schleudern  kann, 
Und  flucht  und  prügelt  nach  dem  Hunde« 
Der  Köter  knirscht  in  jeden  Stein, 
Zerrt  bald  an  meines  Herrchens  Rocke, 
Bald  an  dem  Degen,  bald  am  Stocke, 
Beisst  endlich  gar  ihm  in  das  Bein, 
Und  bellt  so  wütig,  dass  mit  Haufen 
Die  Nachbarn  alle,  gross  und  klein, 
Zu  Fenstern  und  zu  Thüren  laufen. 
Die  Buben  klatschen  und  juchhein 
Und  hetzen  gar  noch  obendrein. 
Nun  fing  sichs  Herrchen  an  zu  schämen, 
Umsonst  so  sehr  sich  abzumühn. 
Er  musste  sachte  sich  bequemen, 
Um  dem  Hailoh  sich  zu  entziehn, 
Wohl  furbass  seinen  Weg  zu  nehmen 
Und  einzustecken  Hohn  und  Schmach. 
Denn  alle  Strassenbuben  gafften 
Und  alle  Klaffkonsorten  klafften 
Noch  weit  zum  Dorf  hinaus  ihm  nach« 

Dies  Fabelchen  führt  Gold  im  Munde: 
Weicht  aus  dem  Recensentenhunde ! 

G.  A.  Bürger. 
(1748— im) 


259 


17' 

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Sinngedichte. 


Falter  und  Rosen. 

j^prach  eine  wilde  Ros*  am  Zaun: 
Bei  mir  waren  alle  Falter  traun 
Und  alle  Bienen  und  Immen 
Mit  ihren  süssen  Stimmen. 

Sprach  eine  andre  wilde  Ros': 
Nur  einem  bot  ich  meinen  Schoss, 
Einem  jungen  Schmetterlinge; 
Vor  ihm  sind  alle  geringe. 

Am  Tag  darauf  war  keine  mehr, 
Die  Falter  trieben  hin  und  her 
Fern  von  den  blätterlosen: 
Sie  dachten  an  junge  Rosen. 

Martin  Greif. 

Die  Eintagsfliege.  . 

Jm  Jahr  des  Heils,  am  achten  Mai, 
Ward  sie  geboren  früh  um  drei. 
Die  Kinder-,  Schul-  und  Jugendzeit, 
Bis  zur  voilkomm'nen  Mündigkeit, 
Beanspruchten  zwei  volle  Stunden. 
Kaum  war  sie  reif  zum  Flug  befunden, 
Begann  nach  allgemeiner  Mode 
Bei  ihr  die  Sturm-  und  Drangperiode; 
Die  währte,  bis  es  zehn  Uhr  war. 
Die  Sonne  schien  so  warm  und  klar 

260 

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Und  weckte  ihre  Liebesglut: 

Sie  wirbelte  in  toller  Wut 

Durch  Wiesen,  Felder,  Wald  und  Flur 

Bis  gegen  ein -dreiviertel  Uhr 

Und  hat  dabei  den  Keim  gegeben 

Zu  manchem  neuen  Eintagsleben. 

Um  zwei  Uhr  trat  schon  Ruhe  ein;  — 

Den  Schwestern,  welche  erst  um  neun, 

Geboren,  gab  sie  gute  Lehren 

Und  kam  zu  Würden  und  zu  Ehren. 

Das  währte  bis  um  fünf  —  darnach 

Ward  sie  allmählich  altersschwach. 

Voll  war  die  siebente  Stunde  kaumf 

Da  fiel  sie  tot  herab  vom  Baum  — 

Und  hat  in  diesem  Tag  erfahren, 

Was  unsereins  mit  siebzig  Jahren. 

Alois  Wohlmuth. 


Der  Fakir. 

JjJ  in  Fakir,  der  mit  seiner  Kette 

Den  Satan  selbst  gefesselt  hätte, 
Lag  ausgestreckt  auf  seinem  Bauch 
Und  Hess,  die  Sünder  zu  erbauen, 
Sich  nach  dem  alten  Ordensbrauch 
Bis  auf  das  Blut  mit  Ruten  hauen. 
Der  Pöbel  sah  den  Wundermann 
Mit  heiligem  Erstaunen  an. 

Ihr  Götter,  hört  er  einen  sagen, 
Welch  eine  Selbstverläugnung !  —  „Was?" 
Versetzt  der  Schwärmer:  „Glaubt  ihr  das? 
Kein  Fakir  lässt  umsonst  sich  schlagen. 
Geduld  1  Das  Blättchen  wendet  sich: 
Der  Tod  verwandelt  euch  in  Pferde, 
Und  wehe  dem,  auf  welchem  ich 
Im  Paradiese  reiten  werde  I" 

G.  C.  Pfeflfel. 
(1736-1809) 


2<1 


Des  Sultans  Dank. 


y^um  Sultan  Murad  sprach  sein  Grossvezieri 
»Herr,  diese  Schale,  schillernd  wie  Opal, 
—  Gewähr  dem  Knecht  die  Gnade  —  bring  ich  dir 
Als  Wundergabe  für  dein  Königsmahl. 
Gelobt  sei  Allah,  der  mich  würdig  fand, 
Dass  ich  dies  Zauberwerk  für  dich  erstand. 
Ein  Derwisch  der  es  mir  zum  Kaufe  bot, 
Verriet  mir,  wie  geheimnisvoll  es  wirkt  1 
Dies  seltsame  Gefass  wird  feuerrot, 
Wenn  nur  ein  Stäubchen  Gift  die  Speise  birgtc 

Der  Sultan  schweigt,  und  düster  wird  sein  Blick. 
Dann  schreit  er  auf:  »Was  soll  dies  Zauberstück? 
Hinweg  damit!    Du  willst  mein  Diener  sein 
Und  bringst  mir  täppisch  jauchzend  einen  Hort, 
Der  ewig  warnen  soll  vor  feigem  Mord, 
Und  flösst  des  Argwohns  dunkles  Gift  mir  ein? 
Vor  meinem  Thron  zerschmettre  den  Opal, 
Und  frei  von  stumpfer  Angst  schreit9  ich  zum  MahlU 

Emil  Faktor. 

Das  Schiff. 

J[Js  schwimmt  ein  Schiff  auf  hoher  See, 
Sein  Segel  ist  so  weiss  wie  Schnee. 

In  blauer  Ferne  zieht's  vorbei, 
Es  ragt  so  kühn,  es  fährt  so  frei. 

So  einsam  schwebt  es  durch  das  Meer. 
Die  Oede  lauert  rings  umher. 

Von  wannen  kommt's  und  welches  Ziel 
Verfolgt  sein  wanderfroher  Kiel?  — 

Wie  lange  pflügt  es  schon  die  Flut?  — 
Wann  kommt  die  Zeit,  in  der  es  ruht?  — 

Wie  vielen  Stürmen  trotzt*  es  schon?  — 
Wie  vielen  spricht's  noch  ferner  Hohn?  — 

Kehrt  es  zurück  ins  Heimatland? 
Besucht  es  einen  fremden  Strand?  — 

262 


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Es  fährt,  es  fährt.  Mein  Auge  sieht 
Es  kleiner  stets,  je  mehr  es  flieht. 

Da  —  wo  der  Himmel  küsst  das  Meer, 
Versinkt  es  nun.  Die  See  ist  leer. 

Mein  Auge  sucht  vom  Felsenriff 
Noch  immer  das  versunkne  Schiff. 

Mir  kommt's  wie  eine  Seele  vor, 
Die  sich  ins  Weltenall  verlor. 

Frans  Karl  Ginzkey. 


Der  Vogel  Storrebein. 

j^Jein,  nein,  Herr  Vogel  Storrebein. 

Ich  mach'  nicht  auf,  es  kann  nicht  sein! 
Verschont  uns  endlich,  denn  wir  haben 
Genug  bereits  von  euern  Gaben; 
Die  Zeit  ist  schwer,  knapp  ist  das  Brot, 
Fast  leiden  wir  schon  selber  Not! 

Da  schnarrt  der  Vogel  Storrebein: 
Was  ihr  da  sagt,  das  ist  nicht  fein. 
Ich  bring*  bloss  eine  Ansichtssendung; 
Habt  ihr  für  diese  nicht  Verwendung, 
So  nehm  ich  das  gelungene  Stück 
Ganz  ohne  weiters  gern  zurück  1 

Voll  Neugier  öffnet  ihm  die  Frau  — 

Und  aus  des  Kindes  Augen  blau 

Geht  ihr  ins  Herz  ein  froher  Schimmer: 

Ei,  schön  Willkomm,  dich  lass  ich  nimmer! 

Herr  Storrebein,  der  dieses  sah, 

Der  schnarrte  nur:  »ich  wussr1  es  ja!« 

Jotef  Willornitzer. 


'J53 


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Der  Gärtner  und  der  Schmetterling. 

£-Jch  gönne  mir  das  Gluck,  mein  Leben  frei  zu  enden  l 
So  bat  ein  Schmetterling  in  seines  Fängers  Händen, 
Noch  wenig  Tage  sind  zum  Fliegen  mir  erlaubt, 
Was  hilft  die  Grausamkeit,  die  mir  auch  diese  raubt? 
Du  weisst,  der  Blumen  Schmuck  wird  nicht  durch  mich  ver- 
sehret, 

Ein  unvermisster  Saft  ist  alles,  was  mich  nähret. 
»Dein  Flehen  bringt  mich  nicht  zu  unbedachter  Huld,c 
Sagt  ihm  der  Gärtner  drauf,  »stirb  jetzt  für  alte  Schuld; 
Wollt'  ich  der  Raupe  That  dem  Schmetterling  vergeben, 
So  wird  sie  hundertfach  in  deinen  Jungen  leben. c 

Auch  bei  der  Bess'rung  Schein  befiehlt  des  Bösen  Tod 
Das  Uebel,  das  er  that,  und  mehr  noch,  das  er  droht. 

Abraham  Gotthelf  Kästner. 

(i7i»-iaoo.) 

Das  Gelöbnis. 

^^?ill  mir  die  Mädchen  aus  dem  Sinne  schlagen 

Gelobt*  ich  mir.  Doch  als  der  Abend  kam, 
War's  Aphrodite,  die  im  Fackelwagen, 
Von  Rosenduft  und  blauem  Tau  getragen, 
Herniederflog  und  mich  beim  Arme  nahm: 

Die  sanfte  Welt,  in  die  ich  Rosen  streute, 
Hat  dein  Gelöbnis  wie  ein  Fluch  entweiht  I 
Doch  will  ich  wachen,  bis  dein  Herz  bereute  — 
Sieh'  hin,  die  Nacht  ist  voller  Wunder  heute, 
Und  Schauer  schweben,  meinem  Wink  bereit  .  .  . 

Ich  sah  umher  .  .  .  Da  stand  in  schwarzen  Floren 
Das  bleiche  Leid  vor  meinem  weissen  Haus. 
Da  kam  ein  Lied,  wie  Geigenton  zu  hören: 
Man  trug,  umrauscht  von  tiefen  Trauerchören, 
Auf  schwarzer  Bahre  mich  zum  Tor  hinaus. 

Und  dunkle  Mönche,  nächst  dem  Brückenbogen, 

Flüsterten  leise  in  die  laue  Nacht: 

Ein  fromm  Gelübde,  seiner  Brust  entflogen, 

Hat  ihm  der  Frauen  holde  Gunst  entzogen  I 

Das  hat  ein  Bluten  in  sein  Herz  gebracht  .  .  . 

254 

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Die  Chöre  klangen.   Und  voran  dem  Zuge 
Auf  Flammenhengsten  ritt  der  Rache-Gott. 
Fern  sang  die  Orgel  ihre  Geisterfuge  .  .  . 
Doch  auf  die  Bahre,  wie  im  Falterfluge, 
Schwang  leise  gleitend  sich  der  Mädchen  Spott: 

Er  hat  gezweifelt  1   Hat  mit  weisen  Dingen 
Den  Tag  verträumt!   Und  in  des  Wissens  Qual 
Liess  er  das  Glück  im  Tanz  vorüberklingen, 
Liess  uns,  die  Mädchen,  in  den  Hütten  singen 
Und  suchte  sich  ein  Eremitental. 

Die  Rache  kam!   Denn  mit  dem  warmen  Strahle 
Der  Frauenhuld,  die  seinem  Herzen  schwand, 
Starb  alles  Blühen,  wie  mit  einem  Male, 
Und  alles,  alles,  was  sein  Herz  im  Tale, 
Einst  mit  den  Göttern  und  dem  All  verband! 

Ihn  rührte  nicht  mehr  das  geweihte  Schäumen, 
Das  aus  der  Scholle  rings  den  Lenz  gebar; 
Ein  Fremdling  schritt  er  in  entseelten  Räumen 
Und  fühlte  nicht  mehr,  dass  sein  Herz  den  Bäumen, 
Den  Kindern,  Tieren  einst  verschwistert  war. 

Das  grosse  Staunen,  das  ihn  einst  bezwungen, 
Als  seine  Seele  mit  den  Kindern  litt, 
Seit  jener  Stunde  war  es  stumm  verklungen, 
Die  Bäume  schwiegen,  die  ihm  einst  gesungen, 
Die  Tiere  mieden  seinen  kalten  Schritt. 

Der  Götter  Atem,  der  ihn  einst  umfangen, 
Als  er  noch  Pfade  zu  den  Müttern  fand, 
Blieb  nun  verweht  in  alten  Wipfeln  hangen; 
Er  aber  siechte  mit  verhärmten  Wangen 
Und  welkem  Herzen,  bis  es  träge  stand. 

Im  letzten  Frösteln  aber  rief  er  leise 
Ein  Vöglein  an,  das  ihm  von  Liebe  sang: 
Dank,  Vöglein,  Dank  für  Aphroditens  Weise, 
Ich  lebte  nicht  der  schönen  Frau  zum  Preise, 
Da  fror  im  Herzen  mir  der  weiche  Klang. 

Nehmt  meinen  Leib,  gebt  ihn  dem  Flammenmeere, 
Das  schönste  Mädchen  schichte  Scheit  auf  Scheit! 
Zur  Sühne  sei's!  Denn  ich  vergass  die  Lehre, 
Die  göttliche,  dass  uns  vom  Geist  der  Schwere 
Nur  sanfter  Frauen  edle  Huld  befreit! 

265 

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Ja,  sie  beflügeln  unser  armes  Leben, 

Ihr  Hauch  gibt  Schwingen,  gibt  uns  Takt  und  Schall! 

Sie  bringen  uns  ein  Auf-  und  Niederschweben, 

Ein  feines  Klingen  und  ein  leises  Beben  .  .  . 

Denn  Frauen  sind  wie  Melodie  im  A 1 11 

Die  Schauer  schwanden.  Es  begann  zu  tagen. 
Das  Spiel  verhuschte,  als  der  Morgen  kam, 
Und  Aphrodite  auf  bereiftem  Wagen, 
Von  Rosenduft  und  blauem  Tau  getragen, 
Zum  zweiten  Male  mich  beim  Arme  nahm. 

Die  sanfte  Welt  —  sprach  sie  madonnenmilde  — 
Hat  dein  Gelöbnis  wie  ein  Fluch  entweiht. 
Doch  sahst  du  jetzt  im  nächtlichen  Gefilde 
Ein  drohend  Schicksal  wie  im  Spiegelbilde  .  .  . 
Bist  du  vom  Geist  der  Schwere  nun  befreit? 

Ich  schwieg  . .  und  schwieg  . .  und  bin  ins  Knie  gesunken. 
Und  weinend,  weinend  sah  ich  Venus  an. 
Das  war  ein  Knistern  wie  von  tausend  Funken  .  .  . 
Der  Himmel  schien  von  gelbem  Weine  trunken  — 
Und  düftestreuend  flog  sie  leis  hinan. 

Anton  Lindner, 


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ßOGIHLES. 


Die  arme  Else. 

ie  Mutter  spricht:  „Lieb  Else  mein, 
Du  musst  nicht  lange  wählen; 
Man  lebt  sich  ineinander  ein, 
Auch  ohne  Liebesquälen ; 
Manch  Eine  nahm  schon  ihren  Mann, 
Dass  sie  nicht  sitzen  bliebe, 
Und  dünkte  sich  im  Himmel  dann, 
Und  —  alles  ohne  Liebe." 

Jung-Else  hört's  und  schloss  das  Band, 

Das  ew'ge,  am  Altäre, 

Es  nahm  zur  Nacht  des  Gatten  Hand 

Den  Kranz  aus  ihrem  Haare; 

Ihr  war  zu  Sinn,  als  ob  der  Tod 

Zur  Opferbank  sie  triebe, 

Sie  gab  ihr  alles,  nach  —  Gebot, 

Und  —  alles  ohne  Liebe. 

Der  Mann  ist  schlecht;  er  liebt  das  Spiel 

Und  guten  Trunk  nicht  minder, 

Sein  Weib  zu  Hause  weint  zu  viel, 

Und  ewig  schrei'n  die  Kinder; 

Spät  kommt  er  heim,  er  kost,  er  —  schlägt, 

Nachgiebig  jedem  Triebe, 

Sie  trägt's,  wie  nur  die  Liebe  trägt, 

Und  —  alles  ohne  Liebe. 

Sie  wünscht  sich  oft,  es  wär'  vorbei, 
Wenn  nicht  die  Kinder  wären, 
So  aber  sucht  sie  immer  neu, 
Den  Gatten  zu  bekehren; 

267 

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Sie  schmeichelt  ihm,  und  ob  er  dann 
Auch  kalt  beiseit*  sie  schiebe, 
Sie  nennt  ihn  „ihren  liebsten  Mann", 
Und  —  alles  ohne  Liebe. 

Theodor  Fontane. 


Zwei  Frauen, 

Jch  sah  auf  der  Strasse  ein  armes  Weib, 

Krankheit  im  Gesicht  und  Lumpen  am  Leib, 
Ein  Kind  an  der  Hand,  des  Elends  Bild.  — 

„Du  Arme,  o  bleib* 
Und  sag*,  was  dir  fehlt  I"  so  fragt*  ich  sie  mild. 

Sie  sah  ins  Gesicht  mir,  wild  und  bleich: 
„Warum  bin  ich  arm,  und  warum  bist  du  reich? 
Ei  hätt*  ich  wie  du  mein  gutes  Brot, 

Dann  würden  sogleich 
Die  mageren  Wangen  rund  und  rot! 

Ja,  müsst*  ich  nicht  betteln,  wie  ich  es  tu*, 
Und  trüg'  ich  seidene  Kleider  wie  du, 
Dann  säh*  auch  ich  dem  Elend  hier 
Gelassen  zu 

Und  braucht*  nicht  zu  reden,  du  Reiche,  mit  dirl 

Da  der  Bub*  ist  geboren  in  Sünd*  und  Schand*, 

Seinen  Vater,  den  hat  er  nie  gekannt. 

Nun  wächst  er  in  Schmach  und  Elend  heran, 

Zieht  mit  mir  durchs  Land 
Und  wird  sein  Lebtag  kein  ehrlicher  Mann. 

Ja,  das  Kind,  das  ist  meine  schwerste  Not, 

Es  quält  den  ganzen  Tag  mich  um  Brot, 

Und  so  schlepp'  ich  die  Last  mit  mir  herum  — 

0  Iäg'  es  nur  tot, 
Dann  wären  die  hungrigen  Lippen  doch  stumm! 

Umsonst  hab'  ich  ehrliche  Arbeit  gesucht, 
Nur  Spott  und  Hunger,  das  war  die  Frucht  — 
Der  Tag,  da  die  Mutter  geboren  mich, 

Der  sei  verflucht! 
Wer  ist  noch  so  arm  und  so  elend  wie  ich!?'* 

268 


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—  —  Mir  aber  rannen  die  Tränen  herab, 
Weil  ich  ein  eigenes  Kind  nicht  hab', 
Einst  hatt*  ich  eins,  doch  lange  ist's  her, 

Jetzt  liegt  es  im  Grab  .  .  . 
Ach,  wenn  ich  die  arme  Frau  doch  wär'l 

Ernst  Zitelinann. 

Die  Wasserleiche. 

^Jm  Landwehrkanal  ein  Menschenhaufen, 

Aus  weiter  Grossstadt  zusammengelaufen, 
Und  schrilles  Geschrei  —  verworrene  Rufel  — 
Auf  der  nassen  untersten  Treppenstufe 
Schlammüberzogenes  Steingeviert 
Das  Auge  der  müssigen  Gaffer  stiert 
Mit  dem  teilnahmlosen,  widrigen  Blick 
Der  feilen  Neugier  an  fremdem  Geschick. 
Da  unten  aber,  dem  Wasser  entrissen, 
Die  dürftigen  Kleider  zerlumpt  und  zerschlissen, 
Von  dem  stinkigen,  dumpfen  Gewässer  durchnetzt, 
Von  gierigen  Fischen  zerfressen,  zerfetzt, 
Das  Antlitz  gedunsen  und  grün  und  blass, 
Die  Haare  durchzogen  von  Schlamm  und  Gras, 
Liegt  starr  ein  armes  Menschenkind, 
Ein  Menschenkind,  wie  wir  alle  sind. 
Wie  einst  sie  gewesen, 
Ich  kann  es  nicht  seh'n  — 
Mein  Gott,  im  Verwesen 
Ist  niemand  schön! 
Ob  Elend  sie  in  den  Tod  getrieben, 
Ob  Schwäche  der  Seele,  ob  sündiges  Lieben, 
Was  schert  mich  das;  ich  seh',  wie  fest 
Die  Hand  sie  auf  das  Herz  gepresst, 
Seh*  nur,  wie  diese  Hand  geballt, 
Die  Nägel  in  das  Fleisch  gekrallt; 
Da  weiss  ich  genug  1   Solch  Zeichen  schreibt 
Das  Schicksal  nur,  das  zum  Tode  treibt, 
Wenn  nach  marternden,  qualvollen  Kampfesstunden 
Die  letzte  Hoffnung  dem  Menschen  geschwunden.  — 
Ich  seh'  erschüttert  auf  das  Weib, 
Auf  den  unförmig  wassergedunsenen  Leib 
Und  denke :  „du  Aermste,  gepeitscht  und  gehetzt, 
Dein  ganzes  Leben  vom  Glücke  gemieden, 
Im  Tode  nun  endlich  hast  du  erst  jetzt 
Den  langersehnten  Frieden  Frieden."  — 


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Und  neben  mir  Frau  Schulze  spricht: 
„Ersäufen,  nee,  det  tu1  ick  mir  nicht, 
Ick  verjifte  mir  lieber  stille  zu  Haus, 
Da  seh*  ick  nich  nachher  so  eklig  aus." 

Nun  wird  die  Leiche  beiseite  geschafft. 
Es  fallen  im  Pöbel,  der  teilnamlos  gafft, 
Viel  Witzworte,  grausam-gemeine. 
Ein  Bursche,  des  seltenen  Schauspiels  froh, 
Ein  Schusterjunge,  pfeift  frech  und  roh: 
„Fischerin,  du  kleine  I" 

Friedrich  Brauminn.. 


Strassenszene. 

Jn  grellem  Taglärm,  und  in  enger  Strasse, 

Wie  aus  Morästen  ekler  Schuld  entstiegen, 
Sah  ich  ein  trunknes  Weib,  dem  Volk  zum  Spassc, 
An  einer  schmutz'gen  Mauer  sinnlos  liegen. 

Ein  zitternd  Kind  dabei;  —  die  Stirn,  die  blasse, 
Wollt*  sich  beschützend  an  die  Mutter  schmiegen. 
Es  jauchzte  rings  das  Volk;  —  ich  sah  die  Gasse 
Den  Heirgenschein  der  Liebe  überfliegen  .  .  . 

Alberta  v.  Puttkamer. 

Gesegnete  Mahlzeit 

^er  Teufel  sass  auf  einem  Stein 

Und  nahm  sein  zweites  Frühstück  ein. 
Zum  Anfang  langt*  er  tapfer  zu 
Bei  einem  Jesuitenragout, 
Ass  dann  Pasteten,  die  geschickt 
Mit  unnützen  Gigerln  ausgeschmückt 
Als  Braten  speist'  er  hinterher 
Einen  nichtsthuenden  Millionär, 
Der  lag  in  einem  Börsensalat, 
War  einst  geheimer  Kommerzienrat  ' 
Pfuschmediziner  als  Konfekt, 
Aufsichtsräte,  wie  das  schmeckt  I 

270 

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Und  beim  Champagner  schloss  er  später 
Als  Käsestange  mit  einem  Verräter. 
Grossmütterlein  sass  still  in  Ruh' 
Und  sab  dem  lieben  Sohne  zu, 
Und  freute  sich  und  sprach:  »Ja,  ja, 
Lass  (üVs  nur  schmecken,  es  ist  ja  dalc 

August  Sturm. 

„Es  war  halt  wieder  ni*." 

(Ein  Aschermittwoch-Stimmungsbild.) 

£)ie  letzte  Ballnacht  ist  vorbei.  — 

Auf  dem  alten  Kanapee 
Sitzt  fröstelnd  die  Mutter,  und  gierig  schlürft 
Sie  schmatzend  den  heissen  Kaffee. 

Es  wälzt  der  Vater  schläfrig  noch 

Im  Bette  sich  und  gähnt,  — 

Dje  Tochter  stumm  und  trüb'  und  dumpf 

A  n's  Fensterbrett  sich  lehnt. 

An  ihrem  längst  verblühten  Reiz 
Das  dreissigste  Jahr  schon  nagt.  — 
Mit  müden  Augen  schaut  sie  zu, 
Wie's  draussen  langsam  tagt. 

Die  Mutter  löffelt  die  Tasse  leer; 
Dann  vorwurfsvollen  Blick's 
Zur  Tochter  sie  hinüberschielt: 
»Es  war  halt  wieder  nixl« 

Der  Alte  brummt  in  seinen  Bart: 
»Bald  reisst  mir  die  Gedulde 
Die  Mutter  drauf:  »Daran  ist  nur 
Das  blöde  Zieren  schuld«. 

Sie  spreizt  sich  ja,  die  dumme  Gans, 
Wie'n  Backfisch  mit  lange  Zöpf ,  — 
Weisst  nicht,  was  du  uns  schuldig  bist, 
Du  undankbares  Geschöpft?« 

Die  Tochter  lächelt  müd\  —  Man  hat 
Ihr  das  schon  oft  gesagt.  — 
Und  dumpf  und  trübe  schaut  sie  zu, 
Wie'«  draussen  langsam  tagt 

Julius  Scha Ilmberg  er 


271 


Frau  Josephin', 

Prau  Josephin',  Frau  Josephin', 

Was  macht  dein  lieber  Mann? 
Der  jagt  im  nahen  Branntweinhaus 
Zur  Tasche  seinen  Lohn  heraus 
Und  sauft 
Und  sauft 

Und  sauft,  so  viel  er  kann. 

Frau  Josephin',  Frau  Josephin', 
Was  macht  dein  Töchterlein? 
Die  treibt  sich  in  der  Stadt  herum 
Und  schaut  sich  flink  nach  Arbeit  um 
Und  bringt 
Und  bringt 

Und  bringt  uns  Geld  herein. 

Frau  Josephin',  Frau  Josephin*, 
Sag'  an,  was  machst  denn  du? 
Ich  nehme  einen  festen  Strick 
Und  lege  ihn  um  mein  Genick 
Und  zieh' 
Und  zieh* 

Und  zieh'  die  Schlinge  zu. 

Frau  Josephin',  Frau  Josephin', 

Und  kehrt  dein  Mann  nach  Haus? 

Dann  hat  ein  Ende  alle  Not, 

Dann  fürcht'  ich  nichts,  dann  bin  ich  tot 

Und  halt' 

Und  halt' 

Und  halt'  die  Prügel  aus. 

Frau  Josephin',  Frau  Josephin', 
Und  kommt  die  Tochter  'ran? 
Die  opfert  ihre  letzten  Mark 
Und  kauft  der  Mutter  einen  Sarg 
Und  zahlt 
Und  zahlt 

Und  zahlt  den  Herrn  Kaplan  .  .  . 

I«eo  Heller. 


272 


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Rbendlicht. 


£Jm  Waldesrande  ging  ein  armes  Weib, 

Das  jüngste  Kind  lag  an  der  matten  Brust, 
Und  an  der  rechten  Hand  hielt  sie  das  andre. 
Das  jauchzte  auf  in  kindlich  heller  Lust, 
Als  durch  die  Baumeskronen  golden  glänzte 
Das  Abendlicht  der  Sonne  und  den  Pfad 
Mit  einem  lichten,  letzten  Strahl  beschien, 
In  den  der  Fuss  des  armen  Kindes  trat. 

Da  Hess  es  schnell  die  Hand  der  Mutter  los 
Und  beugte  nieder  sich,  den  hellen  Schein 
Mit  seinen  Händchen  zu  erfassen.  Doch 
Die  Mutter  sprach:  »Komm  weiterl  Lass  das  sein! 
Das  da  —  ist  nicht  für  uns!«  —  und  zog  es  auf. 

Und  weiter  schritten  sie,  indes  zur  Rüste 
Die  Sonne  ging,  aufflammend  heiss  und  fahl. 
Des  Weibes  abgehärmte  Zöge  küsste, 
Die  toten  Augen  lind  ihr  letzter  Strahl. 

John  Henry  Mackajr. 


Der  (Seiger. 

Jjocken  und  Busenbänder  weh'n! 

Von  Wangen  und  von  Stirnen 
Strömt  heisser  Duftl    Im  Kreise  dreh'n 
Die  Burschen  sich  und  Dirnen  1 
Die  laute  Freude  macht  sich  breit, 
Geberden  werden  deutlich; 
Die  Burschen  sind  voll  Zärtlichkeit, 
Die  Dirnen  lächeln  bräutlich, 
Die  Schüchternheit,  die  zage,  weicht, 
Der  Taumel  herrscht,  der  kecke  1  

Nur  der  Eine,  der  die  Geige  streicht, 
Sitzt  stille  in  der  Ecke. 

Das  blickt  und  lacht  so  jugendfroh 
In  wirbelndem  Entzücken! 
Das  ist  ein  Jauchzen  und  ein  Hallohl 
Ein  Küssen  und  ein  Drücken! 

u 

273 


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Mit  aller  Scheu  ist  aufgeräumt! 

Wie  sie  sich  fassen  und  schwenken  I 

Der  Becher  des  Lebens  überschäumt I 

Wer  wird  sich  da  bedenken  II 

Frisch  1  Ehe  die  Stunde  vorüberschleicht, 

Und  ausgewirbelt  der  Reigen  1  

Nur  der  Eine,  der  die  Geige  streicht, 
Sitzt  immer  in  eisigem  Schweigen. 

In  seinem  gedankenstillen  Gesicht 

Sorgen  geschrieben  stehen; 

Es  ist,  als  sah  er  die  Menschen  nicht, 

Die  nach  seinem  Takte  sich  drehen; 

Er  schürt  mit  seiner  Kunst  die  Glut 

Im  Busen,  im  sündentiefen, 

Er  reizt  und  lockt  zu  heller  Wut 

Begierden,  die  heimlich  schliefen; 

Die  Dirne  schreit,  der  Bursche  erbleicht! 

Meiser  und  Augen  blitzen!  

Nur  der  Eine,  der  die  Geige  streicht, 
Bleibt  immer  im  Winkel  sitzen. 

So  sitzt  er  nun  seit  langem  schon 

Im  öden  Bann  der  Pflichten. 

Und  er  ist  doch  die  Hauptperson, 

Nach  der  sich  alle  richten. 

Er  ist  nicht  eben  ein  übler  Mann; 

Viel  schmachtende  Blicke  fliegen! 

Ihn  aber  sieht  keine  der  Dirnen  an, 

Die  nach  seinen  Tönen  sich  wiegen! 

Mancher  Mund  wird  zum  Kusse  gereicht, 

Manche  Wange  wird  weich  gestreichelt  

Nur  dem  Einen,  der  die  Geige  streicht, 
Hat  noch  keine  der  Dirnen  geschmeichelt 

Nur  zuweilen,  wenn  man  rasten  muss, 

Und  die  Humpen  überfli essen, 

Da  lässt  man  von  dem  Ueberfluss 

Auch  ihn  sein  Teilchen  geniessen! 

Mit  Grossmannsmienen  reicht  man  wohl 

Ein  Glas,  sein  Spiel  zu  lohnen. 

Am  Musikantentischchen  soll 

Heut  auch  mal  Freude  wohnen!! 

Da  merken  wohl  die  Dirnen  leicht 

Hei  seinem  linkischen  Neigen, 


Dass  der  Eine,  der  die  Geige  streicht, 
Recht  müde  geworden  beim  Geigen. 


Und  wenn  man  ihn  dann  einen  Meister  nennt, 

Was  ist  ihm  dran  gelegen?! 

Nur  Fluch  für  ihn  ward  sein  Talent, 

Und  höchstens  andern  ein  Segen. 

Er  wollte,  er  wüsste  keinen  Ton 

Auf  seiner  Fiedel  zu  geigen  1 

Dann  wäre  er  weiter  im  Leben  schon) 

Dann  tanzte  er  selber  im  Reigen! 

Dann  würde  die  AUerschönste  vielleicht 

An  seiner  Seite  kauern;  

Und  den  Einen,  der  die  Geige  streicht, 
Würde  er  nur  bedauern. 

Marx  Möller. 

Der  Zuchthäusler. 

£)er  Vater  sitzt  im  Zuchthaus  langst, 

Spinnt  Wolle  viele  Jahre  — 
Die  Mutter  legte  im  Spital 
Man  kürzlich  auf  die  Bahre  — 

Die  Tochter  sucht  sich  im  Bordell 
Ein  lustig  Heim  zu  gründen  — 
Und  nur  der  Sohn,  der  blieb  bis  jetzt 
So  ziemlich  frei  von  Sünden* 

Doch  gestern  trat  zum  Alten  hin 

Der  Wärter  beim  Spazieren 

Und  sprach:  »Na,  Claus,  zu  Euerm  Sohn 

Könnt  Ihr  Euch  gratulieren  — 

Denn  wegen  Mord  und  Einbruch  hat 
Man  endlich  ihn  gefangen  — 
Schlimm  steht  die  Sache,  Euer  Sohn 
Wird  sicher  drum  gehangen. c 

Da  lacht  der  Alte  lustig  auf: 

»Nun  ist  mir  wohl  zu  Mute, 

Er  blieb  doch  Fleisch  von  meinem  Fleisch 

Und  Blut  von  meinem  Blute-  c 


Im  Bureau. 


)^er  einst  die  Krone  flotter  Burschen  war, 
Der  Keckste  in  der  übermüt'gen  Schar, 
Dem  keiner  gleichkam,  der  sie  alle  schlug 
Auf  der  Mensur  wie  bei  gefülltem  Krug, 
Dem  selbst  die  Starken  zu  gefallen  strebten, 
Vor  dem  Philister  zitterten  und  bebten 
Wie  Espenlaub,  tiess  er  von  fern  sich  schau'n,  — 
Vor  dem,  wenn  er  nur  zuckte  mit  den  Brau'n, 
Der  Manichäer  voll  Entsetzen  floh: 
Der  sitzt  jetzt  vor  den  Akten  im  Bureau, 
Wo  er  nicht  mehr  als  jeder  andre  gilt, 
Und  vor  ihm  steht  sein  strenger  Chef  und  schilt 
Sein  Chef!  Ein  Männlein,  um  mit  einem  Hauch 
Es  wegzublasen  wie  Cigarrenrauch  l 
Ein  Tropf,  der  nie  die  Klinge  hat  geführt, 
Niemals  gewusst,  was  sich  auf  Tusch  gebührt, 
Der  leise  sich,  von  Weiberhand  gegängelt, 
Durchs  Leben  hat  und  in  das  Amt  geschlängelt, 
Ein  Mensch,  der  nie  als  Zecher  sonder  Wank 
Aus  Hörnern  Bier  in  ganzen  Litern  trank! 
Und  solch  ein  Wicht,  solch  ein  erbärmlich  Wesen 
Nimmt  es  heraus  sich,  ihm  den  Text  zu  lesen, 
Ihn  abzukanzeln,  zu  ermahnen  ihn! 
Weit  ist  führwahr  die  Anmassung  gediehen 
In  unsrer  Zeit,  und  täglich  treibt  sie's  Bunter. 
Welt,  du  erlebst  dies  und  du  gehst  nicht  unter? 

Kann  der  Gescholtne  wirklich  das  ertragen? 
Soll  er  den  Tadler  nicht  zu  Boden  schlagen, 
Ihn  schütteln,  bis  er  auseinander  fallt, 
Der  so  wie  so  nur  schwach  zusammenhält? 
Zum  mindesten  für  diese  Lästerungen 
Ihm  aufzubrummen  einen  dummen  Jungen, 
Dafür,  dass  er  dergleichen  sich  erfrecht, 
War*  doch  nicht  mehr  als  billig  nur  und  recht! 
Indes  —  —  indes  —  —  ein  wenig  tiefer  neigt 
Den  Kopf  er  auf  die  Akten,  schluckt  und  —  schweigt 

Johanne«  Trojan. 


276 

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Lied  der  Enterbten. 


^y^ein  Vater  war  ein  Trunkenbold, 

Er  schlug  mich,  dass  ich  betteln  solh 
Mir  blieb  zum  Trost  die  Mutter  nur; 
Die  Mutter,  die  Mutter  war  eine  Huri 

Hab'  nie  ein  sauber  Kleid  gehabt, 
Kein  guter  Bissen  mich  hat  gelabt; 
Für  mich  sind  nicht  die  zehn  Gebot; 
Das  erste,  was  ich  stahl,  war  —  Brotl 

Sie  haben  mich  zur  Schul  gebracht, 
Der  Lehrer  hat  mich  gering  geacht\ 
Sie  wollten  nicht  sitzen  neben  mir; 
Ich  schien  mir  selbst  ein  unrein  Tier! 

Ich  lief  durchs  Land  auf  blutiger  Sohl, 
Und  war  ich  satt,  so  wars  mir  wohl. 
Mein  Rock  in  hundert  Fetzen  hing, 
Als  mich  der  Büttel  im  Dorfe  fing. 

Weiss  nicht  mehr,  wanns  zuerst  geschah, 
Dass  ich  dem  Richter  ins  Auge  sah. 
Ich  log  ihn  an,  er  schalt  mich  aus; 
Sie  steckten  mich  ins  Besserungshaus. 

Ein  bischen  Lieb  und  Sonnenschein 
Hätten  mir  Retter  können  sein! 
Ach  Gott,  man  war  mir  ungelind 
Und  nannte  mich  ein  Teufelskind! 

Das  war  ich  auch!    Sie  hatten  Recht, 
Und  aus  dem  Kinde  ward  sein  Knecht! 
Die  Hölle  lacht  mir  im  Gesicht, 
Wenn  aus  der  Scheuer  die  Lohe  bricht  1 

Ich  hass'  das  Volk  in  Stadt  und  Land: 
Doch  klebt  kein  Blut  an  meiner  Hand, 
Und  heut  erst  hab  ich,  wie  zum  Trost, 
Ein  kleines  Bettelkind  gekost.  — 

Wir  sind  enterbt  auf  weiter  Welt 
Wie  Laub,  das  von  den  Bäumen  fallt! 
Wir  welken  schnell  im  Sonnenbrand, 
Der  Sturmwind  jagt  uns  durch  das  Land! 


277 


Begrabt  mich  lebend,  schliesst  mich  ein, 
So  ist  doch  eine  Zeile  mein! 
So  will  ich  grübeln  in  enger  Haft, 
Wozu  Gott  Meinesgleichen  schafft? 

In  Bibel  und  Gesangbuch  still 
Sonntags  ich  buchstabieren  will 
Und  warten,  ob  mirs  wiederfahrt, 
Dass  Einer  kommt,  der  mich  bekehrt! 

Theodor  Vulpinus. 


Die  böse  Qrethe. 

£)er  Vater  tot,  die  Mutter  tot  — 

Wer  hilft  mir  in  der  Not? 
Nicht  eine  Seele  kennt  mich  noch  — 
Und  leben  muss  ich  dochl 
Mein  gold'nes  Kreuzchen  hier  — 
Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

»Arbeitel«  der  Herr  Pfarrer  spricht; 
Doch  Arbeit  giebt  es  nicht 
Ich  bin  gegangen  Tag  um  Tag: 
Ist  keiner,  der  mich  mag? 
Die  fleissigen  Hände  hier  — 
Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

Ich  hab*  die  ganze  letzte  Nacht 

Gebetet  und  gewacht. 

Heut  über  Tag  war's  bitter  kalt  .  •  . 

Ich  wollt',  ich  stürbe  bald. 

Denn  so  .  .  .  wem  liegt  an  mir? 

Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

Nun  sitz  ich  da  so  still  und  stumm  — 

Mir  geht  im  Kopf  'was  um. 

Das  Restchen  Kerze  flackert  sehr  — 

Ich  hab'  kein  and'res  mehr  .  .  . 

Thu  ich's,  so  thu  ich's  mir  — 

Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

Da  kommt  der  Hans,  der  liebe  Hans,  ~ 
Er  holt  mich  ab  zum  Tanz. 

278 

V 

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Es  ist  nicht  gut,  es  ist  nicht  schön, 
Ich  sollt*  nicht  mit  ihm  geh'n. 
Doch  bleib  ich  einsam  hier  — 
Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

Um  Mitternacht  —  der  Tanz  ist  aus  — 

Er  geht  mit  mir  nach  Haus. 

Nehm'  ich  ihn  mit  in's  Stübchen  ein? 

Ach  nein,  das  darf  nicht  sein, 

Doch  weis'  ich  ihm  die  Thür*  — 

Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

Ja,  Du  bist  schön,  und  ich  bin  jung, 

Und  das  ist  mir  genung. 

Die  Welt  ist  schlecht,  und  ich  bin  schlecht. 

Und  es  geschieht  nach  Recht. 

Wer  dankt  mein  Leben  mir? 

Wer  giebt  mir  'was  dafür? 

Max  Bernstein. 


Der  alte  Steinschläger. 

Jen  sitze  hier  am  Wege 

Und  breche  Stein  um  Stein, 
Und  höre  des  Hammers  Schläge  — 
Wann  wird's  der  letzte  sein? 

Grau  ist  mein  Haar,  zerzaust  mein  Bart, 
Verschlissen  mein  Gewand, 
Mein  Antlitz  gefurcht  und  wetterhart, 
Und  schwielig  meine  Hand. 

Doch  klopf  ich  wie  es  mir  beliebt, 
Der  freieste  Mann  im  Reich; 
Und  wenn  Erinn'rung  mich  betrübt, 
Schlag*  ich,  dass  hell  der  Funken  stiebt, 
Und  denke,  unter  meinem  Streich 
Zerschell'  manch  steinern  Herz. 

Und  feine  Frau  und  feiner  Mann, 
Die  gehen  fein  bei  SeitM 
Sie  sieht  mich  bangen  Auges  an 
Und  mein  verschimmelt  Kleid. 


27* 


Was  kümmert  ihr  mich,  schöne  Frau? 
Bedarf  nicht  euer  Geld; 
Mir  neigt  sich  der  Baum  in  ganzer  Schau, 
Mein  ist  die  weite  Welt. 

Auch  ich  besass  einst  Kind  und  Weib  — 
Für  Armut  und  für  Not 
War  ach  zu  zart  ihr  süsser  Leib, 
Drum  sind  sie  längst  schon  tot 

Ich  aber  sitz*  am  Wege 
Und  breche  Stein  um  Stein 
Und  höre  des  Hammers  Schläge  — 
Wann  wird's  der  letzte  sein? 

Sie  war  so  lieb  und  war  so  gut, 
Und  manchem  reichen  Mann 
Stand  nach  ihr  der  verliebte  Mut, 
Doch  sie  sah  keinen  an. 

Ich  hatte  wenig  Geld,  doch  war 
Von  Liedern  voll  mein  Sinn; 
Treu  warb  ich  um  sie  manches  Jahr, 
Da  sprach  sie:  »Nimm  mich  hinU 

Wir  zogen  ins  Gebirge  —  ol 
Lieb',  Freiheit,  Einsamkeit  1 
Ein  herrlich  Jahr  gar  schnell  entfloh, 
Da  kam  die  böse  Zeit. 

Das  Geld  ging  aus,  und  ob  ich  auch 
Um  Brot  warb  überall: 
»Taugt  nicht  für  unsern  ernsten  Brauche  — 
So  hiess  es  alle  Mal. 

Vor  bittrer  Not  starb  mir  mein  Kind, 
Mein  Weib  vor  Leid  und  Qual. 
Still  sass  ich  am  Grabe,  und  nur  der  Wind 
Stöhnte  und  schrie  zu  Thal. 

Er  schrie  und  stöhnte:  »Komm  mit,  komm  mit, 
Was  ist's,  das  noch  dich  hält?c 
Da  rüstet1  ich  den  Fuss  und  schritt 
Still  durch  die  weite  Welt 

Und  sitz'  nun  hier  am  Wege 
Und  breche  Stein  um  Stein, 
Und  höre  des  Hammers  Schläge  — 
Wann  wird's  der  letzte  sein? 

Richard  Ham«L 


flrmenball. 

j^er  Saal  erglänzt  in  hellem  Kerzenschein, 

Am  Eingang  steht:  »Ein  Ballfest  für  die  Armen«. 
Der  Schwärm  der  Gäste  wogt  in  bunten  Reih'n, 
Der  Reichtum  xeigt  sich  heute  voll  Erbarmen. 

Von  allen  heischt  man  heute  Menschlichkeit, 

Sie  alle  wollen  Not  und  Elend  mildern; 

Von  Diamanten  leuchtet  jed'  Geschmeid, 

Es  glänzt  der  Prunk  von  stolzen  Ahnenschildern. 

Da  tritt  in  Lumpen  und  vom  Hunger  fahl 
Ein  Bettler  ein.    Schnell  nahen  die  Gendarmen 
Und  weisen  rauh  und  barsch  ihn  aus  dem  Saal  — 
Am  Eingang  steht;  »Ein  Ballfest  für  die  Armen!« 

Frans  Xaver  Seid!. 

Mene  Tekel. 

§itr*ge  Mienen,  weisse  Schminke, 

Greller  Diamantenglanz, 
Halb  verhüllte  üpp'ge  Glieder 
Und  ein  vornehm-freier  Tanz, 

Tief  gesenkte  keusche  Augen, 
Auf  den  Lippen  lockern  Scherz 
Und  französisch-seichte  Phrasen, 
In  der  Brust  ein  leeres  Herz; 

Schlaffe  Züge,  welke  Lippen 
Näselnd  läppisch-träger  Ton, 
Pferd'  und  Hunde  ihre  ganze 
Wissenschaft  und  Passion. 

Und  das  lebt  so  geistverachtend, 
Selbstgenügsam  sorglos  hin, 
Flammt  auch  auf  den  gold'nen  Wänden: 
Mene  tekel  upharsinl 

Ada  Christen. 


281  V 


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Die  Uhr. 


Jm  Cafe  am  Potsdamerplatz, 

Wo  die  Menschen  vorüberfluten, 
Wo  sich  staut  die  treibende  Menge, 
Sitze  ich  oft,  seitab  vom  Gedränge, 
Wärme  mich  in  den  Sonnengluten, 
Lasse  die  Blicke  hinübergleiten, 
Sehe  die  Mädel  vorüberschreiten, 
Sei  es  allein  auf  flüchtigen  Sohlen, 
Sei  es  heimlicherweise,  verstohlen, 
Wenn  sie  erwarten  den  Freund,  den  Schatz 

An  der  Normaluhr  zum  Stelldichein  

Schräg  gegenüber  im  Sonnenschein 

Blinkt  das  Zifferblatt  über  den  Platz  

Sass  ich  dort  oft  wohl  eine  Stunde, 
Blickte  träumend  rings  in  die  Runde: 
Immer  wenn  es  ein  Viertel  war, 
Traf  sich  dort  drüben  ein  liebendes  Paar. 
Und  so  ging  es  die  Viertel  fort, 
Als  gäbe  es  gar  keinen  anderen  Ort, 
Zu  treffen  sich  in  der  Riesenstadt, 
Als  das  einzige  Zifferblatt! 

So  gegen  7  erschien  dann  immer 
Ein  kleines,  niedliches  Frauenzimmer, 
Ein  blutjunges,  frisches,  herziges  Ding. 
Trippelnd  auf  und  nieder  sie  ging, 
Aeugte  verschämt  nach  allen  Seiten. 
Immer  scheu  im  Vorüberschreiten 
Sah  sie  zur  Uhr,  bis  endlich  er  kam 
Und  sie  am  Arme  mit  sich  nahm. 

Er  war  gross  und  schlank  von  Gestalt, 
Zwanzig  und  etliche  Jahre  alt. 
Blonder  Schnurrbart  und  blondes  Haar: 
Es  war  ein  hübsches,  ein  stattliches  Paar. 
Das  erste  Mal,  als  ich  sie  gesehen, 
Blieben  sie  eine  Weile  stehen: 
Förmlich  war  er  zu  ihr  und  gemessen, 
Hatte  zu  grüssen  auch  nicht  vergessen  I 
Langsam  darauf  davon  sie  schritten, 

Nebeneinander  nicht  eingehenkt, 

Seite  nicht  an  Seite  gedrängt, 

Als  ginge  die  Mutter  in  ihrer  Mitten! 


Doch  mit  der  Zeit  ward  er  vertraut, 
Hat  ihr  keck  in  die  Augen  geschaut, 
Grüsste  sie  kaum,  nahm  sie  gleich  beim  Arm, 
Tauchten  unter  im  Menschensch  warm  1 

War  er  zuerst  ganz  pünktlich  erschienen, 
Wartete  bald  sie  mit  finsteren  Mienen  1 
Einmal  kam  er  gar  erst  halb  acht; 
Immer  noch  hielt  sie  drüben  die  Wacht  I 

Er  sagte  etwas  sie  sprach  kein  Wort: 

Stumm  schritten  sie  dann  des  Weges  fort 
Und  endlich  einmal,  als  es  acht  schon  gar, 
Er  immer  noch  nicht  gekommen  war! 
Da  schlich  sie  davon.  Hinüberzuspähn 
Blieb  auf  dem  Trottoir  sie  neben  mir  stehn. 
Sie  wischte  die  Wange  mit  zitternder  Hand, 
Das  Wasser  ihr  in  den  Augen  stand. 

Dann  sah  ich  noch  zweimal  sie  wiederkommen, 
Zwar  hat  er  sie  immer  noch  mit  sich  genommen, 
Doch  gingen  sie  ernst,  von  einander  weit, 
Wie  ich  sie  gesehn  in  der  ersten  Zeit, 
Als  ob  zwischen  ihnen,  in  ihrer  Mitte, 
Die  Reue  mahnend  und  trennend  schritte  1 

Und  eines  Tages,  all  ich  wieder  sass 
Bei  der  Tasse  Kaffee  und  die  Zeitung  las, 
Der  Zeiger  drüben  auf  sieben  stand: 
Den  Platz  an  der  Uhr  ich  verlassen  fand« 

Das  war  vor  zwei  Jahren,  und  wieder  heute 
Sitze  ich  hier  am  gewohnten  Platz, 
Begucke  die  Wagen,  besehe  die  Leute, 
Lasse  die  Blicke  hinübergleiten, 
Sehe  die  Mädel  vorüberschreiten, 
Sei  es  allein  auf  flüchtigen  Sohlen, 
Sei  es  nur  heimlicherweise,  verstohlen, 
Wenn  sie  erwarten  den  Freund,  den  Schätzt 

Wie  ich  drüben  das  Zifferblatt  sehe, 

Denke  ich  an  das  blutjunge  Ding, 

Das  dort  wartend  und  trippelnd  ging, 

Das  dem  Manne  am  Arme  hing. 

Mir  wird  um's  Herz  ganz  weich  und  wehe. 

Ich  warme  mich  in  dem  Sonnenge  flirr, 

Ich  schaue  hinein  in  das  Wagengewirr, 

In  all  das  bunte  Abendgeschwärm, 

Das  Tramwaygeklingel,  den  Strassenlärm! 

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Da  plötzlich  kommt  ein  Dogcart  gerollt, 

Und  Beifall  hat  mein  Auge  gezollt 

Dem  schnittigen  Gaul,  der  davor  gespannt. 

Ich  schütze  mich  gegen  das  Licht  mit  der  Hand: 

Potztausend  wie  chicl    Eine  Dame  lenkt 

Das  flotte  Gespann  wo  in  aller  Welt 

Sah  ich  den  Kopf  ihr  »Heh«  laut  gellt! 

Scharf  um  die  Ecke  hat  sie  geschwenkt.  . 

Da  fallt  es  mir  ein  mich  tauschte  das  Kleid 

Und  das  glitzernde,  glänzende  Ohrengeschmeid. 

Das  gepuderte,  leicht  geschminkte  Gesicht  

Eine  Dame!  Nein,  so  trägt  die  sich  nichi! 

Im  Strassengetriebe  der  Dogcart  verschwand  

Ich  starrte  ihm  lange  nach,  unverwandt  

Die  Lichter  brannten,  und  es  ward  Nacht, 
Mir  war  es,  als  habe  mich  angelacht 
Das  Zifferblatt  drüben,  erleuchtet  matt: 
Der  Kuppler  der  grossen  Riesenstadt! 
Mir  war  es,  als  grinste  die  Uhr  mich  an: 
Glaubst  Du  denn,  dass  ich  dafür  was  kann? 

Georg  Freiherr  ron  Ompteda 

Mach  der  Redoute. 

Schon  war  der  Osten  rosig  rot 
Vom  Sonnenlicht  umwoben, 
Da  habe  ich  nach  süsser  Rast 
Vom  Lager  mich  erhoben, 

• 

Das  Mädel  schlief,  die  Lippen  nur 
Zuckten,  als  ob  ich's  küsste  — 
In  tiefen  Atemzögen  hob 
Und  senkte  sich  die  Büste. 

Dann  «ah  ich  mich  im  Zimmer  um, 
Schien  drinnen  zwar  sehr  reinlich, 
Nur  was  die  Ordnung  anbelangt, 
Gerad1  nicht  allzu  peinlich. 

In  allen  Eicken  türmte  sich 
Ein  Trödelkram,  ein  bunter  — 
Ein  Stiefelchen  lag  auf  dem  Tisch, 
Das  Spkzenröckchen  drunter. 


Vergebens  spähte  ich  umher, 
Ob  nicht  ein  Buch  ich  fände  — 
Fand  nichts,  als  auf  dem  Putztisch  nur 
Zwei  abgegriffene  Bände. 

Auf  einem  stand  von  müder  Hand 
»Die  Mutter  ihrer  Hana.c 
Das  war  das  neue  Testament  — 
Das  and're  —  Zola's  »Nana*« 

Georg  Schaumberg. 

Im  Straf  hause, 

^^[ich  trieb's  trotz  einem  heimlich  stillen  Grauen 

Hinein  ins  Strafhaus,  das  am  Strome  lag, 
Um  die  Gefangnen  und  ihr  Thun  zu  schauen. 
Es  war  im  Herbst  und  golden  klar  der  Tag. 
Ich  wies  am  Thor  den  Pass;  der  Riegel  klirrte. 
Da  stand  ich  nun  in  einem  langen  Gang, 
Den  raschen  Flugs  mein  Auge  scheu  durchirrte. 
Es  folgte  Thür  auf  Thür  die  Wand  entlang. 
Die  erste  wurde  mir  jetzt  aufgeschlossen: 
In  eine  Schreinerwerkstatt  fiel  mein  Blick, 
Darin  ein  Schwärm  Gefangner  unverdrossen 
,  Die  flinken  Hände  rührte  mit  Geschick. 
Ich  suchte  zu  erforschen  ihre  Mienen 
Und  blickte  jedem  tief  ins  Angesicht; 
Allein,  so  seltsam  sie  mir  auch  erschienen, 
Verbrecher  las  ich  doch  aus  ihnen  nicht. 
In  sich  versenkt,  wie  völlig  fremd  dem  Leben, 
Und  ohne  jeden  Blitz  der  Leidenschaft, 
Mit  stiller  Fassung  ihrem  Los  ergeben, 
Dem  immer  gleichen  Tagslauf  ihrer  Haft, 
Dabei  noch  bartlos,  kahl  das  Haupt  geschoren, 
Sah'n  sie,  dem  Kleid  zu  Trotz,  wie  Mönche  aus. 
Die  selbst  die  Abgeschiedenheit  erkoren, 
Die  Sunde  fliehend  und  das  Weltgebraus. 
Es  gab  mir  der  Direktor  das  Geleite. 
Da  fiel  mir's  auf:  that  er  nur  einen  Schritt, 
Rührt1  er  sich  noch  so  leis  an  meiner  Seite, 
So  war's,  als  zuckte  jeder  Sträfling  mit. 
Griff  er  nach  etwas,  um  es  mir  zu  zeigen, 
Gleich  sprangen  alle  dienstbereit  herbei; 
Doch  sah  er  keinen  an  und  wies  mit  Schweigen 
Sic  wieder  fort,  als  ob's  nicht  recht  ihm  sei. 

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Und  weiter  ging's.    Gewerbe  um  Gewerbe 
Fand  ich  geübt  und  blickte  kurz  hinein; 
Dass  keiner  bratend  innerlich  verderbe, 
Sollt*  ihm  ein  Schirm  die  röst'ge  Arbeit  sein. 
Wir  kamen,  mir  zum  Staunen,  gar  am  Ende 
In  eine  Schmiede:  hell  die  Glut  entfacht, 
Und  lauter  Lärm,  geschäftig  alle  Hände; 
Nur  waren  hier  sie  doppelt  stark  bewacht, 
Damit  die  Hammerschwinger  sich  nicht  irren 
Und,  von  dem  Drang  nach  Freiheit  jäh  erfasst, 
Mit  Wucht  die  Waffe  lassen  niederschwirren, 
Zu  brechen  ihrer  eignen  Ketten  Last. 
Jetzt  waren  in  den  Hofraum  wir  getreten, 
Da  —  welch  ein  lieblich  Bild  erschloss  sich  mir! 
Er  war  bepflanzt  mit  Rasen,  Blumenbeeten, 
Und  alles  prangte  rings  in  farb'ger  Zier. 
So  sah  ich  hier  gepflegt  nun  auch  das  Schöne; 
Jedwedem  Sträfling  war  gewährt  die  Gunst, 
Dass  er  des  Schaffens  nimmer  sich  entwöhne, 
Zu  üben  seine  früh  erlernte  Kunst.  —  — 
Der  Boden  stieg  bergan  gemach;  von  oben 
Vermocht*  ich  in  die  Fernen  auszuschauen:  ' 
Da  glänzten  Bergeshäupter,  duftumwoben, 
Und  schimmernd  floss  der  Strom  durch  grüne  Au'n 
Die  ganze  Landschaft  lag  mir  herrlich  offen, 
Als  wie  verklärt  im  lichten  Sonnenbrand; 
Ich  stand  bewegt,  im  Innersten  getroffen, 
Bis  ich  zu  dem  Direktor  mich  gewandt: 
»Was  sollten  die  Gefangnen  hier  vermissen, 
Wie  sehnten  sie  sich  in  die  Not  zurück, 
War*  eins  nur  nicht:  das  nagende  Gewissen, 
Und  gäb's  nur  ohne  Freiheit  je  ein  Glück  1« 
»So  ist's  1    Doch  wer  am  schwersten  wohl  von  alle- 
in diesen  Mauern  hinlebt  Jahr  um  Jahr? 
»Ich  bin'sl«  sprach  jener,  »dem  das  Los  gefallen, 
Zu  walten  über  der  Verlornen  Schar. 
Sie  sah'n,  mit  welcher  kühlen  Handbewegung 
Ich  früher  die  Gefangnen  abgewehrt, 
Wie  unzugänglich  jeder  Herzensregung, 
Als  hätr1  ich  mit  Aussätzigen  verkehrt 
So  mussr*  ich  seinl  Ich  darf  mich  nicht  erweichen; 
Greift  einer  mir  ans  Herz  auch  noch  so  sehr, 
Verriet*  ich  ihm's  nur  mit  dem  kleinsten  Zeichen, 
Ich  säte  Zwietracht,  und  er  büssr*  es  schwer. 
Ihn  träfe  noch  zu  allen  seinen  Bürden 
Der  lauernden  Genossen  Neid  und  Hass, 

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Indes  sie  gegen  mich  zu  Heuchlern  würden, 

Mir  hündisch  schmeichelnd  ohne  Unterlass. 

Wie  drangt  mich's  oft,  den  Bessern  anzusprechen, 

Dem  die  Vergangenheit  und  Gegenwart 

Mit  spitzem  Stachel  in  die  Seele  stechen; 

Doch  muss  ich  lieblos  scheinen,  kalt  und  hart. 

Nur  wenn  die  Stunde  kommt  für  Den  und  Jenen, 

Wo  ich  ihm's  endlich  künden  kann:  Zieh'  fortl 

Dann  darf  das  langverschlossne  Herz  sich  dehnen 

Und  überquellen  warm  im  Freundeswort. 

Ich  geb'  ihm,  was  er  sich  erwarb  durch  Jahre, 

Und  geb*  ihm  Liebe,  die  er  lang  entbehrt; 

Mich  zwingt  nichts  mehr,  dass  ich  mit  Worten  spare, 

Ich  sag*  ihm's:  Du  warst  gut  und  bist  mir  wertl 

Da  seh1  ich  ihn  froh  zitternd  vor  mir  stehen, 

Wie  mir  die  Augen  feucht,  die  Pulse  glühn: 

Leb'  wohll  Was  hinter  dir,  lass  untergehen, 

Und  mög*  ein  neues  Dasein  dir  erblühn!« 


Das  Elend. 

JJfnd  als  kein  Geld  mehr  war  im  Schrein, 

Trat  rasch  das  blasse  Elend  ein 
Und  hockte  lauernd  voller  Gier 
Sich  auf  die  Dielen  nah*  der  Tür. 
Da  sagt  der  kranke  Mann  zum  Sohn: 
„Geh,  Franz,  und  jag*  das  Ding  davon  I4' 
Das  Elend  aber  kichernd  spricht: 
„Schlag  immer  zu,  mich  triffst  du  nicht!" 

Und  als  der  Knabe  ihm  gedroht, 
Nahm  es  ihm  fort  das  letzte  Brot; 
Er  schrie  vor  Hunger  auf  im  Schmerz, 
Da  griff  das  Elend  ihm  ans  Herz. 
Die  Mutter  ruft  der  Mann  voll  Graus: 
„Versuches,  treib  du  das  Ding  hinaus  I4* 
Das  Elend  aber  kichernd  spricht: 
„Schlag  immer  zu,  mich  triffst  du  nicht!4' 

Und  als  das  Weib  dem  Elend  nah, 
Sie  vor  dem  Haus  das  Wasser  sah; 
Das  Elend  bot  ihr  Strick  und  Stein 
Und  wies  den  Weg  ihr:  „Da  hinein!44 

287 


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1 


Da  stöhnt  der  Mann  der  Tochter  zu: 
„Geh,  Grete,  nun  versucht  auch  du!" 
Das  Elend,  diesmal  grinsend  spricht's: 
„Komm  immer  her,  ich  tu*  dir  nichts!'* 

Und  als  die  Maid  zum  Elend  kam, 
Das  Elend  seid'ne  Kleider  nahm 
Und  zog  sie  an  dem  Mägdelein 
Und  führte  sie  zur  Stadt  hinein 
Und  gab  ihr  Geld  und  Glanz  und  Pracht. 
Das  blonde  Gretel  kreischt  und  lacht! 
Das  Elend  aber  spricht  zu  ihr: 
„Lach*  nicht  zu  früh,  ich  bleib*  bei  d  i  r  !" 

Leo  Heller. 

ff 

Ein  Balg. 

ie  alte  Frau  hat  ein  hartes  Gesicht, 
Doch  kluge,  sanfte  Augen, 
Die  wenig  mehr  beim  Pfenniglicht 
Und  nicht  zum  Weinen  taugen. 

Sie  war  ein  Balg  .  .  .  Als  Findelkind 
Verlassner  als  die  Armen, 
Bat  weder  Herren  noch  Gesind 
Um  Futter  und  Erbarmen. 

Sie  griff  fest  zu  und  schaffte  stramm 
Wie  ehrbar-ernste  Leute; 
Dass  nie  sie  Unverdientes  nahm, 
Erfreut  das  Weib  noch  heute. 

Sie  zeigt  auch  jetzt  mit  Bauernstolz 
Erdarbte  Talerscheine: 
„Die  sind  mein  unverbranntes  Holz, 
Meine  ungetrunkenen  Weine  .  .  . 

Die  sind  mein  ungegessnes  Brod, 
Auf  jedem  steht  geschrieben: 
Ein  Alter  ohne  Schand'  und  Not  .  .  . 
Und  was  mir  Gott  schuldig  geblieben." 

Ada  Christen. 

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Berliner  Nachtstück. 

^ie  Sommernacht  ist  hell  und  klar, 

Vom  Himmel  leuchtet  der  Sterne  Schar. 
Die  Leipzigerstrasse  in  leichtem  Trab 
Rollt  eine  offene  Droschke  hinab. 
Erster  Klasse  1  Sie  führt  vom  Cafe 
Einen  Herrn  der  Hautevolee; 
Geld-  oder  Ahnenadel;  Baron, 
Graf  oder  Kommerzienratssohn. 
Ihm  ruht  eine  schöne  Dirne  im  Arm, 
Er  presst  sie  an  sich  wollustwarm  —  —  — 
Da  —  —  Fackelschein  vor*m  Herrenhaus, 
Arbeiter  bessern  das  Pflaster  aus; 
Sie  mühen  sich  eifrig  die  ganze  Nacht, 
Fertig  zu  sein,  wenn  der  Tag  erwacht 

In  dem  Mädchen  regt  sich  das  Mitleid  mit  ihnen, 
Sie  spricht  zum  Begleiter  mit  bittenden  Mienen; 
»Gelt,  Schatz?  du  wirst  irriVs  nicht  verdenken? 
Gieb  mir  doch  'was,  es  den  Leuten  zu  schenken!* 

Er  zieht  die  Börse,  er  giebt  ihr  Geld. 

»Halten,  Kutscheric  die  Droschke  hält 

»Hei  ihr  Leute,  nehmt  dies  hier, 

Trinkt  auf  mein  Wohl  ein  paar  Schoppen  Bierl« 

Die  richten  sich  auf;  der  Fackel  Licht 
Bestrahlt  eines  Greises  durchfurchtes  Gesicht 
» Vater  U  —  —  » Luise  U  Weiter  kein  Wort 
»Fahren  Sie,  Kutscher!«  Die  Droschke  rollt  fort 

Entfallen  ist  aus  des  Mädchens  Hand 
Die  Münze,  als  sie  den  Vater  erkannt 
Der  sucht  das  Geldstück  beim  Fackelschein, 
Und  seufzend  steckt  er's  schliesslich  ein. 

ML  Odern. 

Mein  Machbar. 

£Jn  jedem  Abend,  wenn  die  späte  Stunde 

Die  müden  Glieder  in  den  Schlummer  lockt, 
Und  ich  im  Vorgefühl  der  süssen  Ruhe 
Das  Buch  gesättigt  aus  den  Händen  lege, 
Fängt  über  mir  ein  störendes  Konzert  an. 
Es  gleiten  Finger  über  das  Pianino, 
Und  sonder  Zweifel  ungeschickte  Fingen 


Bald  hör'  ich  eine  Scala,  wie  ein  Schüler 

Beim  Unterrichte  sie  nicht  schlechter  spielt, 

Bald  eine  Melodie  aus  irgend  einer 

Uralten  Oper  oder  Operette,  — 

Das  alles  unterbrochen  oft  durch  Pausen, 

Die  nicht  im  Notenblatte  stehen  mögen, 

Durch  falsche  Griffe,  die  in  wilder  Hast 

Sofort  noch  einmal  falsch  gegriffen  werden  — 

Kurz,  ich  bin  selbst  nicht  sonderlich  empfindlich, 

Kein  streng  geübter  Kenner  der  Musik, 

Doch  nehmt  die  Zeit,  die  Ruhbedürftigkeit, 

Und  denkt  dazu  das  unberufne  Spiel: 

Und  dann  vergebt  mir  nicht,  wenn  ich  am  Ende 

Voll  Aerger  nach  dem  Konzertierer  forsche, 

Die  unbequemen  Klänge  abzuthun. 

Und  was  vernahm  ich?    Ein  bejahrter  Mann, 
Ein  dürftiger,  ist  mein  Pianospieler. 
Den  ganzen  Tag  geht  er  dem  Handwerk  nach, 
Und  abends,  wenn  die  Kinder  eingeschlafen, 
Für  die  er  all1  die  schweren  Sorgen  trägt, 
Uebt  er  Piano. 

Lacht  mich  aus  darum. 
Mir  traten  ein  paar  Thränen  in  die  Augen, 
Mitfühlend  las  ich  in  des  Mannes  Herz. 

Er  kann  nicht  spielen,  und  er  wird's  nicht  können, 

Zu  steif  ist  seine  Hand,  sein  Ohr  zu  stumpf,  — 

Ihr  kennt  das  Sprüchlein  wohl  von  Hans  und  Hänschen 

Und  dennoch  lässt  er*s  nicht    Ihm  ist  das  Spiel 

Die  einzige  Sprosse,  die  aus  Not  und  Kummer 

Des  Öden  Lebens  ihn  nach  oben  leitet, 

Die  einzige.    Und  die  barmherzige  Kunst, 

Sie,  aller  Segenspender  edelste, 

Stösst  ihn  auch  ohne  Trost  nicht  aus  dem  Tempel, 

Der  gläubig  drin  der  Seele  Heilung  sucht 

Aus  falschen  Griffen,  aus  verfehlten  Takten 

Giesst  sie  dem  Lechzenden  Befriedigung 

In  die  geängstigte,  gequälte  Brust  .  .  . 

Spiel'  immerzu,  du  armer  alter  Mann! 

Du  störst  nicht,  nein.    Melodisch  klingt  um  mich 

Die  edle  Weihe  eines  Menschenherzens. 

Friedrich  Adler. 

r 

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Der  kranke  Schreiber, 


>Qo,i  sprach  mein  Arzt,  »so  kannst  du  nicht  genesen 
Du  schriebst  dich  siech  und  hast  dich  krank  gelesen. 
Umwogt  von  Aktenstaub  und  schwüler  Luft: 
Ein  einziges  Mittel  nur  kann  dich  noch  heilen, 
Du  darfst  an  diesem  Pult  nicht  länger  weilen, 
Du  musst  hinaus  aus  deiner  dumpfen  Gruft,  c 

»Hinaus!  hinaus!  —  und  wer  sorgt  für  die  Meinen, 

Wer  bricht,  mein  Weib,  das  Brot  dir  und  den  Kleinen, 

Hält  diese  Hand  auch  einen  Tag  nur  Rast?«  — 

Er  seufzte  tief  und  griff  zum  neuen  Bogen 

Und  schrieb,  den  Blick  mit  Thränenflor  umzogen, 

Dann  wieder  eifrig  fort  in  Fieberhast. 

Und  sah  im  Geist  sein  Weib,  das  ohne  Klagen 

Der  Armut  Jammer  treu  mit  ihm  getragen, 

Und  schrieb  und  schrieb  und  hat  nicht  Rast  gefunden, 

Bis  ihm  die  Nacht  die  Feder  sanft  entwunden 

Und  nun  sein  Tagewerk  vollendet  war. 

So  trieb  er's  noch  geduldig  viele  Wochen, 
Da  endlich  war  das  treue  Herz  gebrochen, 
Sie  legten  in  das  Grab  den  müden  Mann. 
Ein  schlichter  Stein,  der  ärmlichste  von  allen, 
Nennt  seinen  Namen  nur,  doch  dass  gefallen 
Ein  Held  mit  ihm,  zeigt  keine  Schrift  euch  an. 

Julia»  Sturm. 

Die  beiden  Töchter. 

^^an  hatte  begraben  den  reichen  Mann, 

Die  Tochter,  die  weinte  zuhause. 
Da  brachte  der  Diener,  gewohnten  Brauchs, 
Die  Tasse  zum  Vesperschmause. 

Sie  sass  auf  dem  Divan,  beim  warmen  Kamin 
Und  weinte  ins  seidene  Kissen. 
Sie  schob  mit  Ekel  die  Tasse  fort 
Und  ass  keinen  einzigen  Bissen.  

991 


i 

19* 


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Indessen  ist  draussen  ein  Bettlerkind 
Auf  den  Marmorfliesen  gesessen. 
Es  hatte,  dass  gestern  sein  Vater  starb, 
Vor  Hunger  und  Kälte  vergessen. 


»Klippklapp,  klippklapp !«  macht  der  Fuss. 
Von  dem  Keller  bis  zum  Dach 
Sind  die  Holzpantoffeln  wach, 
Treppen  auf  und  Treppen  ab 
Klingt's,  bald  langsam,  bald  im  Trapp: 
»Klippklapp!«  — 

Morgenlied  und  Abendgruss!  — 
Schuh*  hat  keiner  hier  am  Fussl 
Armut  herrscht  hier  im  Revier! 
's  macht  dem  Herrgott  wohl  Plaisir, 
Treibt  uns  Not  treppauf  treppab  l  — 
»Klippklapp!« 

Morgenlied  und  Abendgruss  I  — 

Oft  geht  nackt  auch  unser  Fuss! 

Haben  dann  auf  dieser  Welt 

Nicht  für  Holzpantoffeln  Geld! 

Auch  dem  Magen  geht's  dann  knapp  1  — 

Vorwärts!  —  Hunger  bringt  in  Trabi 

»Klippklapp!« 

Morgenlied  und  Abendgruss!  — 
Wenn  einst  müde  wird  der  Fuss, 
Alt  und  schlottrig  die  Gestalt, 
Rückt  der  Tod  an  mit  Gewalt. 
Schlagt  den  Sargesdeckel  zu! 
Arme  Seel'  hat  endlich  Ruh! 
»Klippklapp!« 


Franz  Karl  Ginzkcy. 


Otto  Hausmann. 


Ruf  totem  Qeteise. 

j^Jenschen  giebt's,  die  durch  Nomengesetz, 

Fremde  Schuld  oder  eigene  Thaten 
Aus  verkehrreichem  Schienennetz 
Auf  ein  totes  Geleise  geraten. 

Ihnen  vorüber  ziehn  in  die  Welt 
Tausende  auf  die  Jagd  nach  dem  Glücke; 
Sie  nur  wie  angekettet  halt 
Unthätig,  hilflos  des  Schicksals  Tücke!  — 

Eingeschränkt,  verbleiben  getrennt 
Sie  für  immer  von  allen  Wegen, 
Wo  der  treibende  Ehrgeiz  entbrennt, 
Zielbewusst  stolze  Kräfte  sich  regen. 

Von  venehrender  Sehnsucht  gequält, 
Mitzustürmen  ins  Freie,  ins  Weite, 
Sterben  auch  die  ihr  Leben  verfehlt 
Unbeachtet,  einsam  ...  bei  Seite. 


Des  Dichters  Muse. 

£)ie  war  so  schön  —  er  war  nur  ein  Poet, 

Ein  unbekannter,  darbender  Prolet, 
Nach  Schönheit  und  nach  Weibesliebe  hungernd. 


Und  als  er  sprach:  »Komm,  ich  bedarf  des  Weibes,« 
Da  kam  sie  zu  ihm,  willig,  süssen  Leibes, 
Bereit  sein  armes  Dichterlos  zu  teilen. 

Sie  war  ihm  alles  —  Magd  zugleich  und  Muse, 
Am  Tage  Magd,  in  dürftig  schlechter  Bluse, 
Und  Muse  nachts,  in  göttlich  nackter  Schöne. 

Der  Rausch,  der  glühend  ihren  Leib  durchbebte, 

In  seiner  Dichtung  zündend  weiterlebte, 

Und  in  die  kahle  Kammer  trat  der  —  Ruhm, 

Er  ging  von  ihr,  da  er  sie  nicht  mehr  brauchte; 
Im  Strom  der  Grossstadt  bald  sie  untertauchte, 
Die  einst  des  armen  Dichters  Muse  war. 

Und  aus  der  Welt  von  Adel  und  Moneten 

Als  Gattin  dem  gefeierten  Poeten 

Folgt  stolz  ein  schönes  Kind  vor  den  Altar. 


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Einst,  Arm  in  Arm  mit  seiner  Gattin  gehend, 

Sah  er  an  einer  Ecke,  zitternd  stehend 

Ein  Weib,  mit  grellen  Lumpen  schlecht  verhüllt. 

Das  starrte  lang1  nach  ihm  mit  heissem  Blicke, 
Und  seine  junge  Frau,  in  bangem  Glücke, 
Sprach:  »Liebster,  sag*  was  will  das  arme  Weib?« 

Er  küsste  sie  auf  ihre  Unschuldsürne: 

»Sieh  fort,  mein  Lieb,  das  ist  nur  eine  Dirne, 

Ist  der  Verlornen  eine,  die  man  flieht! 

Adele  Schreiber 

Das  Konfirmationskleid. 

Jn  Nordberlin,  im  Hinterhaus  vier  Treppen, 

wohnt  ein  Student    Er  war  nicht  reich;  doch 

arm, 

blutarm  war  seine  Wirtin,  eine  Witwe. 
Die  sass  in  ihrem  düstern  Hinterstübchen, 
und  vor  ihr  stand  bekümmert  ihre  Tochter, 
das  bleiche,  hübsche,  vierzehnjähr'ge  Gretchen. 
Sie  stand  vor  ihr,  als  wäiJ  sie  schuldbewusst, 
und  Hess  das  Köpfchen  hängen;  ihre  Mutter 
schalt  auf  sie  ein  mit  ihrer  harten  Stimme: 

^Ein  neues  Kleid  1  Zur  Konfirmation  l 
Für'n  lieben  Gottl  Was?  —  Frag  doch  mal  den 

Pastor, 

ob  denn  auch  die,  die  nicht  mal  so  viel  Geld 
bekamen,  um  in  einem  ganzen  Kleide 
des  Sonntags  in  die  Kirche  gehn  zu  können, 
ob  denn  aach  die  an  Gott  noch  glauben  müssten! 
Geh,  frag  ihn  .  .  aber  bitt  mich  nicht  um  Geld 
Und  Kleider  .  .  freu  dich,  wenn  du  nicht  ver- 
hungerst .  .  .« 
Und  weinend  wendet  Gretchen  sich  zur  Thür. 
Da  kommt  ihr  ein  Gedanke.    »Mutter«,  ruft  sie, 
»ich  will  den  Herrn  Doktor  bitten  —  Mutter  1 
Was  lachst  du?«  —  »Das  ist  recht!  Nur  zu! 
Es  mass  ja  doch  mal  kommen.  Geh  nur  hin  I«  — 
»Ich  glaube,  Mutter,  dass  er*s  thut«  —  »Gewiss j 
Er  wäre  ja  ein  Narr,  wenn  er  sich  zierte!« 
Und  wieder  lacht  sie  bitter  höhnisch  auf. 


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Ein  Bangen  vor  der  Mutter  fasst  das  Kind. 
Es  geht  hinaus  und  leise,  schüchtern  klopft  es 
an  des  Studenten  Thür.    »Herein!«    Und  zagend, 
errötend  überschreitet  sie  die  Schwelle: 
sie  hat  noch  nicht  gebettelt  — 

»Gretchent    Du?  — 
So  komm  doch  näher,  Kind  •  .  was  giebt  es  denn  ? 
Was  hast  du  denn?    O  sieh  —  du  hast  geweint! 
Gieb  mir  die  Hand:  wer  hat  dir  was  gethan?«  — 
Und  freundlich  fasst  er  ihre  Hand  und  schaut 
in  ihre  grossen  braunen  Augen.  Flehend, 
doch  ohne  Scheu  sind  sie  auf  ihn  gerichtet. 
Und  langsam  sagt  sie:  »Nächsten  Sonntag  schon  .  . 
am  Ostersonntag  werd  ich  eingesegnet  .  . 
und  alle  kommen  hin  in  schwarzen  Kleidern  .  • 
in  neuen  schwarzen  Kleidern  .  .  aber  ich  •  . 
ich  bat  die  Mutter  .  .  .  Ach,  wir  sind  so  arm!« 
Von  jähem  Mitleid  mit  sich  selbst  bewältigt, 
bricht  sie  aufs  neu  in  heisse  Thränen  aus, 
und,  wie  nach  Tröstung  suchend,  fasst  sie  fester 
die  Hand  des  jungen  Mannes. 

»Gretchen  1    Komm : 
sei  still!«    Und  ihre  linke  Hand,  mit  der 
sie  ihre  Thränen  trocknet,  zieht  er  sanft 
herab.  —  »Ich  schenk  es  dir,  das  schwarze  Kleid  1« 

Dann  aber  stösst  er  sie  fast  rauh  von  sich: 

»Ich  habe  noch  zu  thun  .  .  .  Komm!    Sei  gescheit! 

Lass  meine  Hand  ...  Ich  habe  noch  zu  thun  .  .  .« 


Am  Ostermontag  früh  —  es  war  bald  drei  — 
kam  der  Student,  der  heut  im  Kreis  der  Freunde 
das  Fest,  wie  sichs  gebührt,  gefeiert  hatte, 
vergnügt  und  aufgeräumt  nach  Hause. 

Tastend  sucht  er  auf  seinem  Nachttisch  nach  dem 

Feuer. 

Er  streicht  ein  Zündholz  an  —  »Was?« 

Alsogleich 

lässt  er  es  wieder  fallen.    »Was  war  das?«  — 
's  ist  wieder  dunkel.    »Bin  ich  denn  bezecht?« 
Und  wiederum  streicht  er  ein  Zündholz  an. 
Doch  diesmal  zittert  seine  Hand.    Er  sieht 
nicht  auf  das  Bett,  bevor  die  Kerze  nicht 
brennt  —  »Himmel  1« 


Auf  dem  offnen  Bette  liegt 
in  festem  Schlafe  Gretchen:  noch  geschmückt, 
wie  sie  es  Gott  zu  Ehren  that.    Das  Kleid 
ist  aufgeknöpft  —  in  ihrem  Schosse  liegt 
noch  der  verwelkte  Strauss,  und  heitrer  Friede 
ruht  auf  dem  zarten  Antlitz.    Halb  geöffnet 
sind  ihre  Kinderlippen,  und  ein  Traum 
spielt  wie  ein  Blütenduft  um  diese  Lippen  •  .  • 

Minutenlang  betrachtet  er  dies  Bild, 
starr,  ohne  Denken.    Glühend  heiss  fühlt  er 
das  Blut  in  seinen  Adern,  wieder  dann 
spürt  er  ein  eiskalt  Schauern  bis  ins  Mark. 
Doch  dann  besinnt  er  sich  und  fahrt  sich  über 
die  Stirne  mit  der  Hand  und  sucht  zu  lachen. 

»Gretchen lc  Sie  lächelt  still  im  Traume.  »Gretchen!« 
Sie  fährt  empor  —  der  Friede  ist  gewichen, 
und  Schreck  und  Scham  malt  sich  auf  ihren  Wangen. 
»Mein  liebes  Kind,  wie  kommst  du  denn  hieher? 
Hast  du  im  Zimmer  dich  geirrt?«  —  Sie  halt  verwirrt 
ihr  Kleid  zusammen,  senkt  das  Köpfchen.  »Nein,« 
sagt  sie,  »die  Mutter  schickte  mich  hierher. 
Ich  sollte  Sie  erwarten  •  .  Ihnen  danken  .  . 
Sie  hätten's  so  gewünscht  — « 

»Ich?l  —  Doch,  jawohl . . 
Ich  .  .  wollte  dich  noch  sehn  in  deinem  Kleide, 
ich  dachte  nicht  .  •  es  ist  so  spät  geworden, 
und  dann,  der  .  .  der  Pastor  gab  euch  jedem  doch 
ein  Bibelwort,  —  nicht  wahr?  Wie  hiess  denn  deins?« 

Sie  knöpft  an  ihrem  Kleide.    »Selig  sind, 

die  reines  Herzens  sind.«    Sie  sitzt  und  knöpft 

an  ihrem  Kleide. 

»Komm,  nun  geh  hinüber. 
Und  schlafe  weiter:  bist  gewiss  recht  müde.« 
Er  fuhrt  sie  an  der  Hand  zur  Thür.    Da  tritt 
die  Alte  ein. 

Sie  lacht  —  verächtlich  fast: 
»Sie  wolTn  sie  nicht?    Auch  gut.    Es  kommt  ein 

andrer  .  . 

der  andere,  der  immer  kommt.    Gut  Nacht! 

Wir  wollten  uns  nicht  lumpen  lassen  . .  •  Komm!«  — 

Und  hinter  ihnen  fallt  die  Thür  ins  Schloss. 


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Rrme  Leute. 

j^ei  düstern  Heidekiefern 

Stehn  spärlich  magre  Aehren, 
An  dürrem  Sande  saugend. 
Verzweifelnd,  sich  zu  nähren. 

Da  kauert  ein  lehmig  Häuschen 
Mit  Dangerhaufen  und  Karren; 
Kläglich  meckert  die  Ziege, 
Und  struppige  Huhnchen  scharren. 

Aus  der  Thüre  humpelt  ein  krummer 
Kleinbauer,  emporxuspähen 
Zur  bleiern  schleichenden  Wolke, 
Zu  hungrig  krächzenden  Krähen. 

Nur  kurze  Mitleidszähren 
Vermag  die  Wolke  zu  schenken; 
Dann  schleicht  sie  trübe  weiter, 
Ohne  Kraft  zu  tränken.  — 

Selber  arm  und  traurig, 
Folg*  ich  der  weinenden  Wolke 
Und  denk'  an  arme  Leute 
Und  leide  mit  meinem  Volke. 


Die  Musik  der  armen  Leute. 


er  Herr  Musikprofessor  spricht: 


»Die  Drehorgeln,  die  dulde  man  nicht  l 
Sie  sind  eine  Plage  und  ein  Skandal!«  — 
Mein  lieber  Professor,  nun  hören  Sie  mal: 

Ein  enger  Hof  —  kein  Sonnenschein 
Fällt  dort  das  ganze  Jahr  hinein. 
Da  herrscht  ein  seltsam  muffiger  Duft, 
Nach  Armut  riecht's  und  Kellerluft 
Da  blüht  keine  Blume,  da  grünt  kein  Laub, 
Die  Kinder  spielen  in  Müll  und  Staub. 
Nun  kommt  der  Leiermann  hervor 
Und  schleppt  seinen  Kasten  durchs  offne  Thor. 
Den  Schunkelwalzer  spielt  er  auf: 
Da  rennt  es  herbei  in  schnellem  Lauf. 


Bruno  Will* 


Da  krabbeln  aas  ihren  Höhlen  heraus 

Die  Kinder  in  dem  ganzen  Haus, 

Und  über  die  blassen,  ernsten  Gesichter 

Fliegt  es  dahin  wie  Sonnenlichter. 

Sie  tanzen  und  wiegen  sich  hin  und  her 

Beim  Schunkelwalzer  —  was  will  man  mehr? 

In  der  KellerthQr  steht  ein  schlumpiges  Weib, 

Ihr  hängen  die  Kleider  um  den  Leib, 

Den  Säugling  hält  sie  auf  dem  Arm, 

In  ein  Wollentuch  gewickelt  warm. 

Sie  lässt  ihn  tanzen,  und  wie  er  sich  regt 

Und  mit  den  magern  Aermchen  schlägt, 

Ist  über  die  vergrämten  Wangen 

Ein  Strahl  von  Mutterfreude  gegangen. 

Das  »Mädchen  für  allesc  im  ersten  Stock, 

Es  fasst  mit  den  Fingerspitzen  den  Rock 

Und  trällert  den  Text  und  dreht  sich  und  lacht: 

An  den  blauen  Dragoner  hat  sie  gedacht« 

Er  war  so  unbeschreiblich  flott 

Und  tanzte  den  Walzer  wie  ein  Gott 

Der  Leiermann  hat  die  Blicke  erhoben 
Und  wartet  auf  den  Segen  von  oben.  — 
Dann  kommt  —  das  hört  ja  ein  jeder  gern: 
»Einst  spielt1  ich  mit  Zepter,  Krone  und  Stern!« 
Der  arme  Sc  hreiber  in  seiner  Kammer 
Vergisst  eine  Weile  den  täglichen  Jammer. 
Er  lässt  die  kritzelnde  Feder  stehn 
Und  seinen  Blick  zu  den  Wolken  gehn, 
Die  über  die  Dächer  dahingezogen. 
So  hoch  sind  einst  seine  Träume  geflogen 
Von  Ruhm  und  Glück  und  Sonnenscjheinl 
»O  selig,  o  selig,  ein  Kind  noch  zu  seinlt 
Der  Leiermann  dreht  seine  Kurbel  um, 
Sein  Blicke  wandern  ringsherum. 
Ein  andres  Stück  nun  stellt  er  ein: 
»Ich  bitt*  euch,  lieben  Vögelein  Ic 
Die  Nähterin  lässt  die  Maschine  stehn, 
Und  ihre  Traumgedanken  gehn 
Zum  letzten  Roman,  den  sie  gelesen: 
Wie  edel  ist  doch  der  Graf  gewesen, 
Dass  er  das  arme  Mädchen  nahm, 
Obgleich  es  doch  fast  zur  Enterbung  kam. 
Dann  seufzt  sie.    Ach,  sie  weiss,  wie  es  geht: 
Die  edlen  Grafen  sind  dünne  gesät! 


Doch  wenn  auch  kein  Graf  —  wenn  einer  nur  käme. 

Den  sie  möchte,  und  der  sie  nähme. 

Draussen  schiessen  die  Schwalben  vorbei 

Sie  blickt  ihnen  nach  und  summt  dabei: 

»Ich  bitr1  euch,  lieben  Vögelein, 

Will  keins  von  euch  mein  Bote  sein?!« 

Der  Leiermann  hat  die  Blicke  erhoben 
Und  wartet  auf  den  Segen  von  oben, 
Zieht  sein  Register  und  spielt  mit  Schall: 
»Es  braust  ein  Ruf  wie  Donnerhall  1« 
In  seiner  Werkstatt  der  Schuster  nun 
Lässt  eine  Weile  den  Hammer  ruh'n. 
Er  war  bei  Wörth  und  bei  Sedan 
Und  vor  Paris  und  Orleans. 
Und  wie  er  denkt  an  jene  Zeit, 
Wird  sein  Soldatenherz  ihm  weit; 
Da  klopft  er  mit  kampfgewohnter  Hand 
»Mit  Gott  für  König  und  Vaterland« 
Gar  mächtig  auf  das  Leder  ein: 
»Lieb  Vaterland,  magst  ruhig  seinl« 

Der  Leiermann  aber  blickt  und  späht, 
Damit  sein  Lohn  ihm  nicht  entgeht. 
Und  sieh,  der  Segen  bleibt  nicht  fern, 
Denn  Armut  giebt  der  Armut  gern. 
Bald  da,  bald  dort  mit  leisem  Klapp, 
In  Papier  gewickelt,  fällt  es  herab. 
Und  ob  der  Herr  Professor  schreit  — 
Hier  fühlt  man  nichts  als  Dankbarkeit, 
Denn  ein  wenig  Licht  ins  graue  Heute 
Bringt  die  Musik  der  armen  Leute! 

Heinrich  Seidel 

r 


Geld  verdienen. 

J^orchl  Auf  Strassen  und  in  Hallen 

Welch  ein  dumpfer  Ton! 
Nicht  wie  Sang  der  Nachtigallen, 

Nein  wie  bittrer  Hohn. 
Wie  aus  einem  Schwärm  von  Bienen 
Brummt's  in  Hütten,  summt's  am  Thron; 

Geld  verdienen I  Geld  verdienen! 


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Aua  dem  Schoss  der  Muttererde 
Schallt's  empor  vom  Schacht, 

Schallt  in  Lüften,  wo  die  Herde 
Ward  zur  Alm  gebracht; 

Und  die  starken  Dampfmaschinen 

Fallen  stampfend  ein  mit  Macht: 
Geld  verdienen  1  Geld  verdienen  1 

Wie  sie  rennen,  traben,  laufen 

Ueber  Berg  und  Tball 
Wie  sie  rechnen,  raffen,  raufen 

Bis  zur  Herzensqual! 
Und  es  steht  auf  allen  Mienen, 
Ob  sie  blühend  oder  fahl: 

Geld  verdienen  1  Geld  verdienen  1 

Und  die  teuern  Ideale, 

Die  die  Kunst  ersann, 
Dass  sie  uns  vom  Erdenthaie 

Hebe  himmelan, 
Hört  man  gar  nichts  denn  von  ihnen? 
Höchstens,  wenn  man  dadurch  kann 

Geld  verdienen  1  Geld  verdienen  1 


Laster. 

^ftj  ie  ihr  nach  eurem  Kleide  greift, 

Wenn  unversehens  ihr  uns  streift, 
Als  hätt'  euch,  sonnenlichtverführt, 
Ein  garstiges  Insekt  berührt. 
Ihr  habt  es  leicht,  mit  Grimm  und  Grau'n 
Auf  unsereins  herab  zu  schau'n. 
Was  kümmert's  euch,  wem  ich  mich  bot! 
Ihr  sasset  warm,  ihr  hattet  Brot, 
Als  ich,  fünf  Treppen,  unterm  Dach, 
Den  Hungerlohn  zusammenstach. 
Der  Eltern  Liebe  euch  umfing, 
Wenn  ich  vor  Tag  zur  Arbeit  ging, 
Den  Winter  durch  im  dünnen  Kleid, 
Vom  Sturm  gepeitscht  und  eingeschneit. 
Hungert  wie  wir  und  steht  allein! 
Dann  werft  auf  uns  den  ersten  Stein! 


Albert  Sergel. 


Ernste  Vortrage 


Nächtliche  Wanderung, 

er  Mond  kommt  spät.  Er  glotzt  mir  tief 
Durch's  Unterholz  entgegen; 
Sein  Antlitz  rot,  verstört  und  schief, 
Als  käm'  er  von  Trunk  und  Schlägen. 

Ich  weiss,  es  wird  durch  diesen  Grund 
Bei  Nacht  nicht  gern  gegangen, 
Seit  sich  der  alte  Vagabund 
An  jener  Kiefer  gehangen. 

Dort  steht  sie  zackig  im  fahlen  Licht: 
Ich  meint',  ich  wär*  schon  weiter  1 
Sie  sagen,  man  hätte  den  toten  Wicht 
Waldauswärts  zum  Begleiter; 

Er  ginge  zur  Seite,  schlotternd  und  blau, 
Just  wie  er  sich  gehangen; 
Der  Förster  sagt's  und  die  Wurzelfrau! 
—  Ich  wollt',  er  käme  gegangen! 

Ich  weiss  nicht,  ob  er  Rede  steht 
Auf  eines  Lebendigen  Fragen: 
Er  sollte,  so  lange  er  mit  mir  geht, 
Von  seinen  Fahrten  mir  sagen! 

Was  ihn  für  ein  Paar  in  die  Welt  gesetzt, 
Was  er  versucht*  und  verübte, 
Wer  ihn  verlockt,  wer  ihn  gehetzt, 
Und  ob  ihn  je  was  liebte; 

301 

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Von  seinem  guten  und  bösen  Glück, 
Von  seinem  Schweifen  und  Wandern 
In  diesem  Leben,  und  nach  dem  Strick  — 
Gott  gnad'  ihm!  —  noch  im  andern! 

—  Die  Hunde  bellen  im  Dorf  fernab, 
Die  Nacht  ist  still  und  öde; 
Die  Toten  schlafen  ruhig  im  Grab, 
Die  Toten  stehn  nicht  Rede. 

Hugo  Freiherr  von  Blomberg. 

Letzte  Beichte. 

j5*e  Hegt  auf  weissem,  welchem  Pfuhl, 

Die  fieberheissen  Adern  kochen, 
Ihr  ist's  im  Haupt  so  dumpf  und  schwül, 
Es  fliegt  der  Puls,  die  Schläfen  pochen. 
Ihr  Leib  einst  straff,  nun  welk  und  schlaff, 
Und  bleich  und  abgezehrt  die  Wangen! 
An  ihrer  Seele  zerrt  der  Pfaff 
Mit  seines  Buss-Sermones  Zangen. 

»Wie  war  dein  Geist  so  hell  besonnt, 
Als  du  in  deinem  kleinen  Stübel 
Noch  herzlich  beten  hast  gekonnt: 
O  Herr,  erlös'  uns  von  dem  Uebel! 
Als  du  am  Feiertag  noch  kamst 
Voll  Frömmigkeit  zur  Seelenbeichte 
Und  mit  gesenkten  Blicken  nahmst 
Das  Abendmahl,  das  ich  dir  reichte! 

Wie  anders  dann,  als  du  geherzt 

Den  Buhlen  zu  der  Seele  Schaden, 

Als  du  in  frevler  Lust  verscherzt 

Des  Himmelsbraut' gams  hehre  Gnaden)  — 

Bekehre  dich,  noch  ist  es  Zeit, 

Doch  nur  zu  bald  ist  sie  vorüber! 

Du  stehst  am  Thor  der  Ewigkeit, 

Schon  wird  dein  Auge  trüb'  und  trüber  U 

Und  mühvoll  hebt  sie  ihren  Leib, 
Und  schmerzlich  seufzt  sie  aus  den  Kissen' 
»Ihr  habt,  o  Herr,  mir  armem  Weib 
Gerührt  das  innerste  Gewissen! 


302 


Verflucht  der  Tag,  verflucht  die  Nacht, 
Wo  ich  an  seiner  Brust  berauscht  war, 
Wo  durch  gewalt*ge  Liebesmacht 
Mein  Herz  und  seins  wie  umgetauscht  war 

Am  Rand  des  Grabes  habt  Ihr  mich 
Gerettet  aus  dem  Sundenpfuhle  1 
Gestattet,  heiliger  Mann,  dass  sich 
Nun  auch  bekehren  darf  mein  Buhle. 
Bringt  mir  ihn  her,  dass  ich  das  Herz 
Ihm  ganz  zerwühle  und  zermalme, 
Bis  er  in  tiefstem  Seelenschmerz 
Entsagt  der  Sunde  wüstem  Qualme  lc 

Und  leise  tritt  ihr  Liebster  ein, 
Und  langsam  naht  er  sich  dem  Bette. 
Da  ruft  sie  laut:  »Nun  bist  du  mein!« 
Und  schlingt  um  ihn  der  Arme  Kette. 
Die  Lippen,  die  wie  angehaucht 
Von  neuen  Lebensgluten  scheinen, 
Hat  heiss  und  brünstig  sie  getaucht 
Voll  Liebeswahnsinn  in  die  seinen. 

»Was  Seligkeit?  was  Himmelslust?« 
Ruft  sie  und  hält  ihn  fest  umfangen. 
»Der  Himmel  ist  an  deiner  Brust 
Und  Seligkeit  an  deinen  Wangen! 
Noch  einmal  küssen  mussf  ich  dich  — 
Nun  fahr'  ich  gern  zur  Hölle  nieder!«  — 
Sie  spricht's,  und  müde  schliessen  sich 
Auf  ewig  ihre  Augenlider. 

Hennann  Marggraft. 

Mama. 

urchs  grün  umrankte  Fenster  blickt 
Die  Sonne  ins  Gemach. 
Grossmutter  sitzt  und  nickt  und  strickt, 
Sie  nickt  den  ganzen  Tag. 
Ihr  Haar  ward  weiss;  es  grub  die  Zeit 
Viel  tiefe  Furchen  ein. 
Zu  ihren  Füssen  tändelnd  kniet 
Ihr  jüngstes  Enkelein. 

„Was  nickst  du  denn  so  immerzu?" 
Die  kleine  Unschuld  spricht; 
„Grossmutter  1  gar  nicht  schön  bist  du! 
Dein  Haar  gefällt  mir  nicht  — 


303 


Und  überm  Auge  auf  der  Stirn 
Die  grosse  Falte  dal 
Es  ist  Mama  viel  schöner  doch! 
Wie  schön  ist  doch  Mama!" 

Grossmutter  sieht  den  Liebling  an: 

„Schönheit  vergehet  bald! 

Das  Alter  hat's  mir  angetan, 

Und  auch  Mama  wird  alt!" 

„Mama!?"  —  Des  Kindes  Aug'  umzieht 

Ein  Hauch  von  Kümmernis  — 

„O  nein!  Mama  bleibt  immer  schön, 

Das  weiss  ich  ganz  gewiss!" 

Karl  SiebeL 


Mutter  und  Sohn. 

»j^Jun  ist  die  Not  geendet, 

Frau  Mutter,  seid  getrost, 
Seht  da,  was  man  mir  sendet 
Aus  München  mit  der  Post: 
Besiegelt,  unterschrieben, 
Ein  fertiger  Kontrakt! 
Kein  Tag  mehr  wird  geblieben. 
Noch  heute  eingepackt!« 

Die  Alte  hob  vom  Lager 
Erstaunt  den  Arm  empor, 
Ein  Aermlein,  welk  und  mager 
Und  zitternd  wie  ein  Rohr; 
Mit  Händen  will  sie  greifen, 
Was  sie  nicht  lesen  kann: 
Aus  sei  das  wüste  Streifen, 
Die  Ruhe  gehe  an. 

Doch  Schreck,  nicht  Freude  spiegelt 
Ihr  Antlitz  totenblass: 
»»Dies  Blatt  ist  schwarz  gesiegelt, 
Kind,  was  bedeutet  das?«« 
»Welch  abergläub'ger  Schauer 
Euch  wieder  einmal  plagt! 
Vielleicht  war  eben  Trauer 
Bei  Hof  dort  angesagt!« 


304 


Wie  heiss  sein  Herz  vom  Hoffen, 
Sein  Kopf  vom  Planen  brennt  1 
Nun  sieht  er  endlich  offen 
Ein  Feld  für  sein  Talent; 
Was  schon  sein  sel'ger  Vater, 
Dann  er  umsonst  begehrt, 
Ein  grosses  Hoftheater, 
Nun  ist's  ihm  doch  beschert  1 

Und  wie  sein  Glück  die  greise, 
Schwerkranke  Mutter  rührt, 
Die  er  auf  jeder  Reise 
Getreulich  mit  sich  führt  1 
Er  ist  zwar  nur  ein  Mime, 
Ein  leichtes  Künstlerblut; 
Doch  was  dem  Sohn  gezieme, 
Das  weiss  und  übt  er  gut 

Sie  faltet  die  Hände  beide 
Und  spricht,  ins  Bett  verhüllt: 
»So  wird,  bevor  ich  scheide, 
Auch  mir  ein  Wunsch  erfüllt, 
Dass  ich,  den  ich  schon  lange 
Mir  schmerzlich  vorenthält', 
Den  Leib  des  Herrn  empfange 
In  beiderlei  Gestalt 

Viel  Kirchen,  gross  und  kleine, 
Und  christlich  alle  wohl, 
Doch  meines  Glaubens  keine 
Giebfs  hier  im  Land  Tirol; 
Wenn  hier  mein  Stündlein  schlüge, 
So  sagt  die  Nachbarin, 
Zur  Kirchhofsmauer  trüge 
Wie  ehrlos  man  mich  hin. 

Herr,  thu  mir  solchen  Schaden 
An  Leib  und  Seel'  nicht  an! 
Herr,  führe  mich  in  Gnaden 
Lebendig  aus  Meran! 
Bis  München  lass  mich  langen 
Auf  meiner  Leidensbahn, 
Und  wenn  ich  heimgegangen, 
Nimm  du  dich  Fritzens  an!« 

Der  Himmel  hört  ihr  Flehen, 
Doch  währt's  noch  ein'ge  Zeit, 


Eh*  de  von  dannen  gehen, 
Und  auch  der  Weg  ist  weit; 
Indes  flog  das  Verderben 
Dem  Wanderpaar  voraus, 
Das  grosse  Völkersterben 
Im  Bayern-Land  und  Haus! 

Eh'  sie  die  Stadt  erreichen, 
Die  alle  andern  floh'n, 
Umweht  es  sie  wie  Leichen- 
Geruch  von  weitem  schon. 
Man  warnt,  man  rät  zu  bleiben; 
Vergebens  1    Ohne  Ruh* 
Und  unaufhaltsam  treiben 
Sie  selbst  dem  Abgrund  zu. 

Spat  abends  fuhr  der  Wagen 
Ins  Isarthor  herein: 
Wie  ausgestorben  lagen 
Die  hohen  HäuserreüYn, 
Verlassen  alle  Gassen, 
Die  sonst  so  lärmend  sind; 
Aus  schwarzen  Wolkenmassen 
Blies  seufzerschwer  der  Wind. 

Der  Sohn  hat  kaum  die  Alte 
Besorgt  zu  Bett  gebracht, 
So  eilt  er  in  die  kalte, 
Die  todesschwangre  Nacht; 
Er  kann  nicht  eher  schlafen, 
Zur  Ruh*  nicht  eher  geh'n, 
Bis  dass  er  seinen  Hafen, 
Das  Schauspielhaus,  geseh'n. 

Und  als  es  hoch  und  helle 
Im  Mondlicht  vor  ihm  stand, 
Da  küsste  er  die  Schwelle, 
Umschlang  der  Säulen  Rand 
Und  rief,  die  Hand1  erhoben, 
Durch  Thränen  vor  sich  hin: 
»Ich  danke  dir  da  droben, 
Dass  ich  am  Ziele  binlc 

Er  war  es.    Nachts  gekommen, 
Erkrankt  am  Morgen  drauf 
Und  abends  —  fortgenommen: 
Gewöhnlicher  Verlauf I 


An  ihres  Sohnes  Bahre 
Sass  wie  ein  Bild  aus  Stein 
Mit  wirrem,  weissem  Haare 
Die  Alte  ganz  allein! 

Ein  Wunder  ist's,  zu  schauen, 
Wie  sich  mit  voller  Kraft 
Die  ärmste  aller  Frauen 
Urplötzlich  aufgerafft, 
Wie  sie,  gestützt  am  Stabe 
Und  mehr  noch  am  Gebet, 
Von  ihres  Einzigen  Grabe 
Zum  Tisch  des  Herren  geht. 

Sie  lebt  noch  heutzutage, 
Wenn  das  ein  Leben  heisst: 
Ein  Leiden  ohne  Klage, 
Ein  Schatten  ohne  Geist! 
Mag's  stürmen  oder  regnen, 
Ob's  Eis,  ob  Blüten  schneit, 
Im  Kirchhof  ihr  begegnen 
Kannst  du  zu  jeder  Zeit 

Sie  hält  in  ihrem  Schosse 
Ein  welkes  Blatt  Papier; 
Das  Siegel  drauf,  das  grossei 
Das  schwarze,  zeigt  sie  dir 
Und  spricht  mit  Stolz:  »Ich  sitze 
Hier  nicht  als  Bettlerin; 
Da  drunten  liegt  mein  Fritze, 
Der  Hof  Schauspieler,  drinlc 

Frans  ron  Dingelttedt 

Schau'  ich  in  die  tiefste  Ferne  . .  . 

^chau1  ich  in  die  tiefste  Ferne 

Meiner  Kinderzeit  hinab, 
Steigt  mit  Vater  und  mit  Mutter 
Auch  ein  Hund  aus  seinem  Grab. 

Fröhlich  kommt  er  hergesprungen, 
Frischen  Muts,  den  Staub  der  Gruft, 
Wie  so  oft  den  Sand  der  Strasse, 
Von  sich  schüttelnd  in  der  Luft. 


S07 


Mit  den  treuen  braunen  Augen 
Bückt  er  wieder  auf  zu  mir, 
Und  er  scheint  wie  einst  zu  mahnna: 
Geh  doch  nur,  ich  folge  dir! 

Denn  in  unsrem  Hause  fehlte 
Es  an  Dienern  ganz  und  gar. 
Doch  die  Mutter  Hess  mich  laufen. 
Wenn  er  mir  zur  Seite  war. 

Besser  gab  auch  keine  Amme 
Je  auf  ihren  Schützling  acht, 
Und  er  hatte  scharfre  Waffen 
Und  gebrauchte  sie  mit  Macht 

Seine  eignen  Kameraden 
Hielt  er  mit  den  Zähnen  fern, 
Und  des  Nachbars  Katze  ehrte 
Ihn  von  selbst  als  ihren  Herrn. 

Doch  wenn  ich  dem  alten  Brunnen 
Spielend  nahte  hinterm  Haus, 
Bellte  er  mit  heller  Stimme 
Meine  Mutter  gleich  heraus. 

Er  erhielt  von  jedem  Bissen 
Seinen  Teil,  den  ich  bekam, 
Und  er  war  mir  so  ergeben, 
Dass  er  selbst  die  Kirschen  nahm. 

Wie  die  beiden  Dioscuren 
Brachten  wir  die  Tage  hin, 
Einer  durch  den  andern  glücklich, 
Jede  Stunde  ein  Gewinn. 

Aber  allzu  bald  nur  trübte 
Uns  der  heitre  Himmel  sich, 
Denn  er  hatte  einen  Fehler, 
Diesen,  dass  er  wuchs  wie  ich. 

Und  an  ihm  erschien  als  Sünde, 
Was  an  mir  als  Tugend  galt, 
Da  man  mich  ums  Wachsen  lobte, 
Aber  ihn  ums  Wachsen  schalt 

Immer  grösser  ward  der  Hunger, 
Immer  kleiner  ward  das  Brot, 
Und  nur  einer  konnte  essen, 
Was  die  Mutter  beiden  bot 


Als  ich  eines  Morgens  fragte, 
Sagte  man,  er  wäre  fort 
Und  entlaufen  wie  mein  Hase, 
Doch  das  war  ein  falsches  Wort 

Noch  denselben  Abend  kehrte 
Er  zu  seinem  Fssund  zurück, 
Den  zerbissnen  Strick  am  Halse; 
Doch  das  war  ein  kurzes  Glück  1 

Denn  obgleich  er  mit  ins  Bette 
Durfte,  ach,  ich  bat  so  sehr, 
War  er  morgens  doch  verschwunden, 
Und  ich  sah  ihn  niemals  mehr. 

Ward  er  an  die  Eisenkette 
Jetzt  gelegt  von  seinem  Herrn, 
Oder  fiel  sein  Los  noch  härter, 
Weiss  ich  nicht,  doch  blieb  er  fernl 

Schau'  ich  in  die  tiefste  Ferne 
Meiner  Kinderzeit  hinab, 
Steigt  mit  Vater  und  mit  Mutter 
Auch  ein  Hund  aus  seinem  Grab. 

Friedrich  Hebbel 

Das  Begräbnis. 

£}uf  der  Gasse  vorm  Giebelhaus 
Drängten  sich  gaffende  Leute, 
Ueber  den  Strom  durchs  Sturmgebraus 
Klang  das  Sterbegeläute. 

Es  hingen  halbmast,  wie  von  Thränen  erschlafft, 

Die  Fahnen  im  Regenschauer, 

Der  alten  Hansestadt  Kaufmannschaft 

Trug  um  Daniel  Ovander  Trauer. 

Zum  erstenmal  sah  ein  Werkeltag, 
Dass  auf  des  Schreibpults  Leder 
Verstaubt  und  still  das  Hauptbuch  lag 
Und  müssig  am  Tintfass  die  Feder. 
Die  goldene  Brille  lag  obenauf 
In  perlgesticktem  Futt'rale, 
Keine  hagre  Hand  schlug  die  Seiten  auf, 
Rast  hielt  sie  zum  erstenmale. 

308 


Weit  offen  standen  überall 
Die  Thören,  die  tannenbekränzten, 
Und  droben,  im  verdunkelten  Saal 
Die  silbernen  Leuchter  glänzten. 
Im  eichenen  Sarge  schlief  immerzu 
Bei  zitterndem  Kerzenscheinen 
Hans  Daniel  Ovander  in  tiefer  Ruh', 
Bewacht  vom  Grame  der  Seinen. 

Er  hörte  nicht  da  draussen  im  Flur 

Der  alten  Standuhr  Schlagen 

Und  nicht  mehr,  wie  durch  den  Thorweg  fuhr 

Zum  Speicher  Wagen  um  Wagen. 

Die  Ballen  und  Kisten  schlugen  schwer 

Gegen  die  grauen  Wände, 

Das  Rufen  der  Kutscher  und  Knechte  klang  her  — 
Er  schlief,  gefaltet  die  Hände. 

Und  man  trug  ihn,  als  sich  der  Tag  gewandt, 

Hinunter  die  breite  Treppe; 

Ueber  Tannen  und  Kalmus  und  weissen  Sand 

Fegte  des  Bahrtuchs  Schleppe. 

Und  hinter  dem  Sarge  des  Vaters  schritt 

Und  gab  ihm  das  letzte  Geleite 

Seine  Erstgeborne,  die  schöne  Brigitta 

Im  düsteren  Trauerkleide. 

Stelz  schritt  sie  und  finster.    Einmal  nur 

Ihrem  Auge  die  Thränen  kamen:  — 

An  der  braunen  Thüre  drunten  im  Flur 

Fehlte  das  Schild  mit  dem  Namen. 

Ueber  Geländer  und  Tannengewind 

Griffen  tröstende  Hände  herüber,  — 

Aber  schweigend  schloss  Daniel  Ovanders  Kind 

Die  Lider  und  schritt  vorüber. 

Es  hielten  die  Träger  sekundenlang 

An  der  Eisenthür  am  Kontore; 

Es  grüssten  den  Chef  zum  letzten  Gang 

Die  Schreiber  und  die  Faktore. 

Dann  schwankte  der  Sarg  in  den  Regen  hinaus, 

Die  Stufen  schrieen  und  knarrten; 

»Nun  geht  der  Herr  aus  seinem  Haust 

Sprachen,  die  draussen  harrten. 

Agnes  Miegcl 


S10 

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Aus  Sturmes  Not. 

Qiskalt  die  Nacht!    Am  Nordseestrand 

Wütet  ein  Sturm  Qber  See  und  Sand 
Die  Brandung  donnert,  die  Wogen  rollen  — 
Wie  Himmel  und  Meer  mit  einander  grollen! 
Die  Fischer  im  Dorf,  von  Sorgen  erfüllt, 
Hören  es,  wie  die  Windsbraut  brüllt, 
Die  wuchtig  über  die  Dünen  fegt, 
Wild  grimmig  auf  Giebel  und  Dächer  schlägt.  — 
Nun  dröhnt  bei  des  Morgens  Dämmerschein 
Ein  Kanonenschuss  in  das  Tosen  hinein. 
Ein  Schiff  in  Notl    Da  springen  sie  auf. 
Alte  wie  Junge  zum  Strand  im  Lauf 
Und  sehen  gescheitert,  fest  auf  dem  Riff 
Ein  unabbringlich  verlorenes  Schiff. 
Das  Rettungsboot  klar!    Hinein  und  fort, 
Wenn's  menschenmöglich,  zum  Schreckensort! 
Doch  wo  ist  Harro?    Der  Führer  fehlt, 
Der  alle  mit  seinem  Mute  beseelt 
Im  nächsten  Dorfe  blieb  er  zur  Nacht, 
Hat  auch  wohl,  statt  zu  schlafen,  gewacht. 
Sie  können  nicht  warten;  dort  gähnt  das  Grab 
Seeleuten  wie  sie  —  so  stossen  sie  ab. 
Sie  legen  sich  in  die  Riemen  mit  Macht; 
Die  Dollen  ächzen,  die  Planke  kracht, 
Die  Wellen  schwingen  und  schleudern  das  Boot1, 
Sturzseen  bringen's  in  grausige  Not, 
Dass  denen  am  Strande  das  Herz  erbebt 
So  haben  noch  keinen  Nordwest  sie  erlebt 
Doch  die  auf  dem  Wasser,  in  Stürmen  erprobt, 
Trotz  bieten  sie  allem,  was  wider  sie  tobt; 
Sie  steuern  dem  Schiffe  näher  und  nah, 
Und  endlich,  endlich  sind  sie  nun  da, 
Von  denen  als  Retter  mit  Jubel  begrüsst, 
Denen  das  Leben  schien  eingebüsst 
Das  Deck  überschwemmt  schon,  versunken  das  Gut, 
Die  Masten  nur  steh'n  noch  in  steigender  Flut, 
Dran  klammern  sich  die  Verschlagenen  und  hanX 
Dass  ihnen  die  Glieder  in  Kälte  erstan^n. 
Die  Fischer  bergen  sie  Mann  für  Mann, 
Nur  Einen  niemand  noch  retten  kann; 
Er  selbst  kann  sich  nicht  regen  mehr, 
Und  das  Boot  ist  voll,  ist  schon  zu  schwer, 
Liegt  schon  zu  tief  in  den  brechenden  Well'n? 
Fort  müssen  sie  ohne  den  armen  GeselTn. 

sn 

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Er  sieht  sie  scheiden  mit  thranendem  Blick, 

Ohne  Hoffnung  besiegelt  sein  traarig1  Geschick. 

Nun  rückwärts  ans  Land!    Es  braust  und  stürmt, 

Dass  Woge  sich  Über  Woge  türmt. 

Der  Himmel  ist  schwarz,  die  See  ist  weiss 

Von  wirbelndem  Schaum;  es  perlt  der  Schweiss 

Auf  all  den  Gesichtern,  wetterbraun, 

Die  um  sich  Tod  und  Verderben  schau'n. 

Doch  keiner  verzagt  und  keiner  erschlafft, 

Sie  kämpfen  sich  durch  mit  Riesenkraft; 

Und  wie  das  Boot  aus  der  Brandung  fliegt, 

Da  sind  sie  am  Land  und  haben  gesiegt.  — 

Da  ist  auch  Harro;  sein  erstes  Wort: 

»Habt  ihr  sie  alle?«    »Nein,  einer  blieb  dort; 

Er  hing  zu  hoch  in  den  obersten  Raa'n, 

Wir  konnten  ihm  nicht  mit  Rettung  nah'n.« 

»So  holen  wir  ihnl«  spricht  er  in  Ruh. 

»Unmöglich,  Harro,  der  Sturm  nimmt  zu, 

Wir  kommen  nicht  ab,  wir  kommen  nicht  an, 

Wir  müssen  preisgeben  den  einen  Mann.« 

So  meinen  sie  alle,  doch  Harro  spricht: 

»An  Bordl  's  ist  unsre  heil'ge  Pflicht  l 

Wer  hilft?«    Sie  schweigen.    »So  fahr9  ich  allein! 

Da  tritt  auf  ihn  zu  sein  Mütterlein: 

»Harro,  dein  Vater  blieb  draussen  in  See, 

Und  nimmer  verwind'  ich  das  bittere  Weh; 

Auch  Uwe,  dein  Bruder,  mein  Jüngster  fuhr  aus 

Und  kommt  nie  wieder,  nie  wieder  nach  Haus, 

Der  brave  Junge!    Ich  hart'  ihn  so  lieb; 

Gott  weiss,  wo  die  Flut  auf  den  Sand  ihn  trieb! 

Nun  willst  auch  du  noch  — «   »Mutter,  ich  mussl 

Und  kam1  ich  aus  Welter  und  Wogenguss 

Wie  Uwe,  dein  Liebling,  nicht  wieder  zu  Land  — 

Wir  stehen  alle,  in  Gottes  Hand.« 

Sie  hält  ihn,  sie  bittet,  sie  weint  und  fleht, 

Dass  er  nicht,  ihr  letzter  Hort  noch,  geht: 

»Denk1  an  mich,  deine  Mutter!    Ich  alte  Frau  -» 

»Ja,  Mutter,  weisst  du  denn  so  genau, 

Ob  der  auf  dem  Wrack  dort  todesmatt, 

Nicht  auch  daheim  eine  Mutter  noch  hat?«  .  •  •  • 

Er  springt  ins  Boot,  vier  Mann  ihm  nach, 

Für  solchen  Seegang  zu  wenig,  zu  schwach; 

Doch  fahren  sie  los  und  versuchen  ihr  Glück. 

Dreimal  wirft  sie  die  Brandung  zurück, 

Dann  sind  sie  hinüber;  bald  hoch  und  steil 

Saust  auf  den  Kamm,  bald  wie  ein  Pfeil 

211 


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Schiesst  tief  ins  Wellenthal  der  Bug 
Des  tapfern  Boots  auf  seinem  Zug, 
Verfolgt  von  den  Blicken  der  Bangenden  hier? 
Atemlos  spähen  sie  starr  und  stier. 

Die  fünf  gelangen  zum  Wrack  und  Mast, 
Noch  hängt  am  Tauwerk  oben  der  Gast 
Harro  nun  entert  die  Wanten  empor, 
Holt  selbst  ihn  herunter,  der  fast  erfror. 
Doch  er  lebt,  und  sie  rudern  mit  ihm  zurück  — 
Das  Schwerste  vom  schweren  Wagestück. 

Sie  kommen  1    Im  Boote,  von  Gischt  umblinkt, 

Erhebt  sich  Harro  am  Steuer  und  winkt; 

Und  ehe  der  Kiel  berührt  den  Grund, 

Legt  er  zum  Rufe  die  Hand  an  den  Mund 

Und  schreit  mit  markerschütterndem  Ton: 

»Mutter,  ich  bring4  ihn!  s*  ist  Uwe,  dein  Sohn!« 

Julia»  Wolffi. 

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Ein  Brief. 

(gedankenlos,  mit  lässig  matter  Hand 

Kramt  sie  wie  ordnend  unter  altem  Tand: 
Verbhchne  Bänder  und  glanzlose  Orden 
Von  manchem  Ball,  farblose  Blumen,  Borden, 
Und  nun?  .  .  .  Von  starrer  Seide  gar  ein  Maskenkleid, 
Des  Rock  zu  kurz,  des  Leibchen  jetzt  zu  weit. 
Ist's  denn  so  lange,  dass  dies  Prachtgewand, 
Die  stolzen  Glieder  schmücken^  sie  umspannt, 
Verrauschten  doppelt  schnell  die  hellen  Zeiten, 
Dass  jetzt  sie  mühsam  aus  dem  Düster  schreiten 
Und  sie  begrüssen  dumpf  und  duftig-schwül, 
Gleich  Schläfern  halberwacht  auf  weichem  Pfühl?  — 

Fast  teilnahmslos  bewegt  sie  nur  das  Haupt 
Und  schaut  ins  Leere  lange,  wie  beraubt 
Des  Rückgedenkens  .  .  .  mahnt  aus  fernen  Tagen 
Auch  all  das  Zeug  mit  ungewissen  Fragen. 
»Dahinter  liegt  so  vieles  wie  ein  Traum  I« 
So  spricht  sie  ruhig,  rührt  die  Lippen  kaum, 
Doch  blähen  zaghaft-langsam  sich  die  Nüstern; 
Sie  saugt  den  Duft  ein,  wie  nach  Küssen  lüstern, 
Und  schaut  und  sucht,  woher  die  Welle  schwebt, 
Der  Wohlgeruch,  der  ihr  entgegenwebt . . . 

313 

i 

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I 

I 


Mit  einemmal,  wie  sie  das  Kleid  berührt, 

Mit  Aug*  und  Fingern  tastend  es  durchspürt, 

Hört  sie  ein  hohles  Rascheln,  Knistern,  Krachen; 

Sie  sucht .  .  .  und  flüstert  dann  mit  kühlem  Lachen: 

»Ei  sieht  ...  Da  in  der  Tasche  steckt  ein  Brief, 

Verschlossen  noch  .  •  .  Die  Lettern  kraus  und  schief, 

Doch  deutlich  ist  mein  Name  da  zu  lesen. 

Steckt'  ich  ihn  ein?  .  .  .  Vergass?  .  . .  Ist's  so  gewesen? . . 

Gewissl  ...  ich  war  doch  nur  ein  einzigmal 

In  diesem  Kleid  auf  einem  Maskenball. 

Ahl!  .  .  .  aus  dem  Briefe  .  .  .  weht  die  schwüle  Luft!  . . 

Wer  gab  ihn  damals  mir?!  .  .  .  Maiglöckchenduft??  


Fastnachtende  189  . 
Loge  rechts  6. 

»Du  bist  nicht  schön  —  doch  wie  mit  Zauberkraft 

Treibt  mich  zu  dir  die  herbste  Leidenschaft; 

Kein  Wimperzucken  hat  es  dir  gestanden, 

Wenn  oftmals  wir  im  Lärm  der  Welt  uns  fanden. 

O,  spotte  nicht,  weil  dieser  erste  Brief 

Auf  einem  Ball  von  Schmerzen  spricht,  die  tie£  — 

Wenn  du  nicht  ehrlich  bist,  unheilbar  sindl 

Hab  nur  Geduld,  ich  bin  kein  greinend  Kind, 

Und  du  vermagst  es,  ernst  und  klug  zu  denken. 

Hör  auf  dies  Wort,  denn  es  ist  frei  von  Ranken!  - 

Was  mir  in  Herz  und  Hirn  unrastend  bohrt, 

Nimm  nicht  als  Fastnachtsscherz  an  diesem  Ort. 

Du  bist  nicht  froh  —  aus  deinen  Zügen  spricht 

Oft  eine  Trauer,  die  den  Mut  zerbricht: 

Ob  deiner  Starrheit  stumm  dich  anzuklagen, 

Um  deiner  Schwermut  dunklen  Born  zu  fragen. 

Doch  Zorn  erfasst  mich  immer,  wenn  du  lachst, 

Gleich  andern  Weibern  öde  Possen  machst. 

Du  bist  nicht  jung  —  und  es  umweht  dich  kalt. 

Oft,  wenn  du  rückwärts  schaust,  wirst  jäh  du  alt. 

Ich  würde  zweifeln,  sprächst  du  mir  von  Liebe, 

Ich  würd'  vergehen,  wenn  ich  bei  dir  bliebe 

Und  du  nie  sagtest,  dass  du  mich  nur  liebst, 

Dass  kein  Atom  von  dir  du  andern  giebst. 

Du  bist  nicht  gutl  —  Doch  nicht  das,  was  du  bist, 

Das,  was  vielleicht  in  dir  gestorben  ist. 

Das  ist  es,  was  ich  hören  will  und  schauen, 

Das  macht  mich  krank  vor  sehnsuchtsvollem  Grauen, 

Die  Seele  will  ich,  der  die  Macht  entstammt, 

Dass  sie  geheimnisvolles  Leid  entflammt, 

814 

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Das  Mitleid  l  —  das  mich  drängt,  dich  zu  umfassen 
Und  nimmermehr  aus  meinem  Ann  zu  lassen, 
Mit  dir  zu  fluchten  in  ein  fernes  Land, 
Mit  dir  zu  sterben  fremd  und  unbekannt. 

Werd'  nur  nicht  müde  dieses  Bleigekritzels 
Inmitten  all  des  Weihrauchs,  des  Gewitzeis 
Der  alten  und  der  knabenhaften  Gecken;  — 
Wie  findest  Lust  du,  solchen  Kram  zu  necken? 
Erbarme  dich!  erkenn'  den  Herzensklang, 
Der  zu  dir  ruft,  so  wahrheitsvoll,  so  bangt 
In  jener  Loge  wart'  ich  fiebernd  dein. 
Ks  braucht  ein  »Ja«  nur  oder  nur  ein  »Nein«  — 
Die  Maske,  die  dir  schnell  das  Blatt  wird  reichen, 
Sie  harret  nicht  auf  Antwort  oder  Zeichen. 
Die  Larve  schützt  —  poch  an  die  Logenthür, 
Nimm  meinen  Arm,  wir  schreiten  für  und  für.  — 
Doch  kommst  du  nicht,  so  reise  ich  allein, 
Und  nichts  gemahnet  je  dich  an  mein  Sein; 
Ich  will  für  alle,  alle  Zeit  dich  meiden. 
Dein  müdes  Herz  sei  stets  bewahrt  von  Leiden, 

Wie  ich  sie  schweigend  bis  zur  Stunde  litt  

Ob  von  mir  —  oder  zu  mir  führt  dein  Schritt?! 


Denk  nicht  an  Wahnsinn,  glaube  an  den  Zug, 

Der  stärker  ist  als  Satzung  —  Menschentrug, 

Und  sage  dir:  Er  suchet  meine  Seelei  — 

O,  komm  mit  mir,  dass  ich  den  Weg  nicht  fehle, 

Ich  baue  weltfern  dir  ein  Heimathaus, 

Unseliges  Weibl  o  komm  und  ruhe  aus!  —  —  — c 


So  schloss  der  Brief,  sie  aber  sann  und  sann: 
*  Maiglöckchenduft?  .  .  .  Wer  war  der  Mann?« 


Moritura. 

Sie  wusste  nicht,  was  ihr  geschehen  war. 

Als  sie  erwachte,  schaute  sie  sich  um: 
So  fremd  geworden  schien  das  traute  Heim, 
Das  sie,  als  wie  ein  Nest  den  Vogel,  barg; 
Und  überall  der  Mutter  frische  Spur! 
Da  flössen  immer  wieder  neu  die  Thränen; 


315 


Das  Kinderherz,  es  wollte  nicht  verstehen, 
Dass  nun  die  liebe,  bleiche  Hand  erstarrt, 
Die  segnend  über  ihren  Scheitel  glitt, 
Und  dass  sie  nun  allein  sei,  ganz  allein!  — 

—  Man  sprach  zu  ihr:  komm,  raff  dich  auf, 
Du  bist  so  jung,  du  hast  ein  hübsch  Gesicht, 
Das  ist  der  Schlüssel  zu  dem  Glück  der  Frauen! 

Da  ging  sie  denn.  —  Sie  hat  kein  Wort  gesprochen. 
Verstössen  aus  der  Kindheit  Paradies 
Begann  den  Weg  sie  durch  das  weite  Leben, 
Im  Traume  wandelnd  ohne  Wandermut! 

■ —  Ein  Weltmeer  ist  Berlin;  sie  tauchte  unter. 
Doch  die  Gefahr  giebt  Mut,  und  Arbeit  stahlt 
Von  neuem  zog  ein  Frieden  bei  ihr  ein, 
Wenn  Frieden  heisst:  Dem  Leben  still  entsagen, 
Wenn  Frieden  heisst:  Das  Leben  ängstlich  fliehni  — 

—  Du  junges  Herz,  was  treibt  so  schnell  dein  Blut, 
Wenn  neue  Säfte  in  die  Zweige  steigen, 

Und  Frühlingsodem  aus  der  Erde  quillt? 

Ihr  riefen's  zu  die  Sperlinge  am  Fenster: 

»Der  Lenz  ist  daU    Da  färbten  sich  die  Wangen, 

Da  fasste  sie  'insagbar  ein  Verlangen 

Nach  Glück,  nach  Lust,  nach  Leben  und  nach  Liebe. 

Der  Lenz  ist  da!    S?*  liess  die  Nadel  sinken 

Und  zog  hinaus,  wo  grüne  Zweige  rauschen, 

Wo  Kinderjubel  tönt,  und  frohe  Menschen 

Der  Wiederhall  des  eignen  Herzens  sind. 

—  Da  fand  sie  den,  der  ehrerbietig  oft, 
Wenn  hie  und  da  sich  ihre  Wege  kreuzten, 
Im  Banne  ihrer  Anmut  sie  begrüsst 

—  Zwei  Herzen  schlagen  schnell  in  gleichem  Takt, 
Wenn  Jugend  sie  und  heisser  Glückeswille 
Zusammen  treibt    Sie  lockt  ein  seltsam  Drängen, 
Das  allen  Kreaturen  eingepflanzt, 

Ein  Frühlingsgift,  das  durch  die  Pulse  jagend 

Die  Jugend  opfert  und  die  Schönheit  tötet 

Und  doch  ist  es  so  süss,  den  Trank  zu  nippen, 

Der  uns  berauschend  hebt  zu  lichten  Höh'nl 

Sie  fühlte  nicht  des  süssen  Rausches  Gift; 

Ihr  reines  Herz  vernahm  ein  hohes  Lied, 

Das  Engelscharen  ihr  hernieder  sangen.  —  —  — 

—  Es  war  ein  Sanntagmorgen,  weihevoll. 
Da  hatte  sie  mit  ihm  die  Stadt  verlassen, 

316 


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Der  nun  erfüllte  all  ihr  Sein  und  Thun. 
Sie  wanderten,  umweht  von  Lindenblüten, 
Dem  Walde  zu,  der  wonnig  sie  empfing. 
Wie  Kinder,  die  der  Schule  Zwang  entfiohn, 
Durchzogen  sie  die  grüne  Einsamkeit 
Ihr  Weg  war,  wo  die  Schmetterlinge  flogen 
Und  wo  der  Kukuk  rief.    So  weltenfern 
Nahm  sie  ein  dämmernd  Dickicht  endlich  auf. 
Wie  herrlich  schien  ihr  dieser  Tag  des  Herrn! 
Die  Stunden  rückten  vor,  und  Mittagschwüle, 
Sie  senkte  süsse  Müdigkeit  hernieder. 
Da  richteten  sie  sich  ein  lauschig  Lager 
An  einem  Hang  und  sanken  bald  in  Schlaf. 

—  Von  fernem  Dorfe  zog  durch  ihren  Traum 
Ein  Glockenklang  in  zitternd  leichten  Wellen, 
Und  Mücken  surrten  lds  ein  Schlummerlied.  — 

—  Als  er  erwachte,  lag  sie  sanft  erglüht 
Und  lächelnd  noch  in  halbem  Traum  befangen, 
Ein  holdes  Wesen  aus  der  Märchenzeit  1 

Und  doch  —  wie  irdisch  schön  in  Fleisch  und  Blut 

So  lockend  hatte  er  sie  nie  gesehn  1  — 

Ihn  bannte  herrisch  eine  dunkle  Macht. 

Die  eignen  Pulse  hört  er  stürmisch  jagen! 

Der  jugendfrommen  Minne  milde  Glut, 

Sie  schlug  begehrend  auf  in  loher  Ramme!  — 

Dahin  des  Sonntags  heilige  Gefühle, 

Um  Gut  und  Böse  tobte  noch  der  Kampf 

In  seiner  Brust.  —  Dann  sprang  er  jählings  auf 

Und  riss  sie  zu  sich  hin  in  toller  Lust, 

Sie  an  sich  pressend,  dass  sein  brennend  Herz 

Das  Wogen  fühlte  ihres  jungen  Bluts. 

Berauschend  heisse  Liebesworte  raunt 

Sein  Mund  ihr  stammelnd  zu,  verführerisch 

Wie  sie  nur  je  erdacht  ein  trunkner  Sinn.  —  — 

Sie  bebt,  sie  ringt,  ihr  Blick  wird  starr  und  gross  - 

Gähnt  vor  ihr  eines  Abgrunds  Finsternis? 

Sie  fasst  nicht,  was  sie  hört;  wie  giftigen  Hauch 

Verspürt  sie  es  in  seines  Atems  Wehen  — 

Da  endete  des  Glückes  letzte  Spur! 

»O  Mutter,  Mutter!«  ringt  sich  endlich  los 

Ein  gellend  heisrer  Schrei  von  ihren  Lippen!  —  — 

—  Was  kümmern  sie  der  Buchen  schlanke  Gerten, 
Die  ins  Gesicht  ihr  schlagen,  was  die  Ranken, 
Die  straucheln  lassen  ihren  flüchtigen  Fuss. 


Nur  fort,  nur  fort  aus  diesem  Waldesdämmer, 

Das  Sünde  deckt  mit  der  Versuchung  Zaubert 

Sie  flieht,  sie  irrt,  wohin?  nur  fort,  nur  fort, 

Gehetzt  von  ihren  folternden  Gedanken!  — 

Der  Tag  schritt  vor.    Durch  Feld  und  Sumpfgestrüppe. 

Dem  Wege  fern,  da  frohe  Menschen  zogen, 

So  hastete  sie  weiter.    Dumpfes  Grollen, 

Der  einsam  Wandernden  ein  ängstend  Droh'n, 

Verhallte  fernhin  aus  der  Stadt  Getriebe.  — 

Schon  blitzt  es  funkelnd  auf,  bald  hier,  bald  da, 

Aus  grauem  Dunst,  der  um  die  Türme  brütet, 

Als  sie  der  letzten  Strassen  Zug  erreicht. 

Wo  dieses  Meer  in  letzten  Wogen  brandet, 

Da  wirft  es  eklen  Abschaum  an  das  Land. 

So  trieb  auch  hier  ein  lauerndes  Gesindel 

Sein  Wesen,  stets  berek  zu  schlimmer  That. 

Das  Madchen  mit  der  reinen  Stirn  —  allein  — 

Das  schien  ein  guter  Fund.    Gemeine  Gier, 

Sie  grinste  roh  aus  breitgezogenem  Munde, 

Und  wüste  Worte  zischten  an  ihr  Ohr. 

Begehrend  streckte  sich  die  freche  Faust 

Nach  ihrer  Schulter  aus;  und  Fluch  auf  Fluch, 

Als  sie  mit  letzter,  banger  Kraft  entfloh, 

Verfolgte  sie  wie  eine  schmutzige  Welle. 

Da  nahte  Schutz«    Der  Wächter  des  Revieres 

Schritt  eilend  nun  der  Zitternden  entgegen. 

Gerettet  schien  sie,  —  doch  die  Pflicht  macht  hart, 

Und  Argwohn  war  des  Mannes  harte  Pflicht  1 

Die  Flüchtende,  was  führte  sie  hierher, 

In  diese  Gegend  und  um  diese  Stunde? 

Trieb  Schuldbewußtsein  de?  —  Er  frug,  —  sie  schwieg: 

Es  krampfte  sich  ihr  Herz,  da  fremde  Hand 

Sich  an  die  blutend  frische  Wunde  legte. 

Kein  Ohr  erfahre  je  der  Seele  Qual, 

Die  jungfräulich  sie  fest  in  sich  verschloss. 

Sie  litt  und  schwieg*  —  Der  Argwohn  aber  wuchs, 

Und  rauhe  Worte  bannten  sie:  Zur  Wache! 

Die  Dirne  werde  schon  gestehen  müssen. 

In  dumpfem  Sinnen  schritt  sie  vor  ihm  hin.  — 

Von  ferne  tauchten  auf  vergangene  Tage, 

Die  Kinderzeit,  der  Mutter  zartes  Bild, 

Der  Traum  von  jenem  heissersehnten  Glück, 

Nach  dem  die  Hand  sie  durstig  ausgestreckt, 

Das  aber  jäh  zerbrach,  da  sie  es  fasste. 

In  wirrem  Fluge  drang  es  auf  sie  ein, 


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Und  unerträglich  schwer  schien  ihr  die  Last, 
Die  keuchend  sie  auf  ihren  Schultern  wälzte. 
Ein  Gang  nach  Golgatha!    Sie  wollte  heim. 
Ihr  Heim,  das  lag  in  der  krystallnen  Ferne, 
Da  reine  Liebe  thront  in  Glanz  und  Licht 


Das  alte  Lied:  ein  gurgelnder  Kanal, 

In  dessen  tragen  angeschwollnen  Wassern 

Die  Sonne  spielt  in  letztem  Abendgold  — 

Ein  rascher  Sprung,  ein  leiser  Schrei,  ein  Fall  — 

Und  weiter  gleitet  dann  die  braune  Welle, 

Und  weiter  grollt  von  fern  das  Menschenmeer 

Wie  eine  Bestie,  die  nach  Opfern  sucht  1  


Verdorben  —  gestorben. 

Tfwel  Tote  liegen  im  Leichenhaus, 

—  Die  Särge  zahlt  die  Gemeinde,  — 
Ein  junges  Weib,  ein  hagerer  Mann, 
Der  Bettler  Franz,  die  Dirn'  Susann'; 
Im  Leben  waren  sie  Feinde. 

Sie  wuchsen,  Nachbarkinder,  auf 

Und  gingen  zusammen  zur  Schule 

Und  gingen  zusammen  zum  Tisch  des  Herrn, 

Und  gingen  zusammen  zum  Tanzplatz  gern 

Und  wurden  Buhl  und  Buhle. 

Die  Alten  starben;  da  haben  die  Zwei 
Sich  treulos  bald  verlassen. 
Die  Dirn  war  schön  und  heiss  ihr  Blut, 
Der  Bursche  stolz,  ohn'  Hab  und  Gut; 
Aus  Lieben  wurde  Hassen. 

Die  Dirne  flog  von  Arm  zu  Arm 

Und  ging  in  seidenen  Fetzen; 

Der  Bursch  im  Trunk  das  Leid  vergass, 

Bis  endlich  Bettlerbrot  er  ass, 

Sich  selber  ein  Entsetzen. 


Die  Dirne  starb  in  fremdem  Bett, 
Der  Burch  am  Zaun  auf  der  Strasse.  - 
Nun  liegen  hier  beisammen  sie 
In  kahler  Kammer,  die  sich  nie 
Gegrfisst  mehr  auf  der  Gasse. 

Nun  liegen  sie,  die  Augen  starr 
Geöffnet  nach  der  Decke; 
Und  langsam  schaufelt  und  murrt  dabei 
Der  Graubart  dorten  Gräber  zwei 
Hart  an  des  Kirchhofs  Ecke. 

Th»©4or  Vulpiatt*. 

Die  alte  Jungfer. 

Niemand  zu  Liebe,  niemand  zu  Last, 
Ist  sie  erloschen  und  verblasst. 

In  ihrem  Stübchen  sann  sie  und  sann, 
Bis  ihr  einsames  Leben  darüber  verann. 

Keiner  hat  nach  ihr  die  Hand  ausgestreckt 
Und  die  flügelgebundene  Seele  erweckt. 

Keiner  hat  in  der  Sommernacht 
Zu  seligem  Weinen  sie  gebracht. 

Und  doch  flogen  Locken  auch  ihr  ums  Gesicht, 
Und  ihre  Augen  glänzten  jung  und  licht. 

Und  doch  schlug  auch  ihr  in  verschwiegener  Brust 
Die  Sehnsucht  nach  Sonne  und  Frühlingslust. 

Niemand  zu  Liebe,  niemand  zu  Last, 
So  ist  sie  erloschen  und  verblasst. 

Maria  Janitscbelc 


13  eitere  Vorträge. 


Seelenbündnis. 

Jch  Öffne  zögernd  ihren  Briet 

Der  kleine  Brief,  was  thut  er  kund? 
Vielleicht  nimmt  es  Mathilde  schief; 
Dass  ich  sie  lieb*  aus  Herzensgrund. 
Vielleicht  hat  sie  mein  Fleh'n  erhört, 
Vielleicht  ist  all  mein  Glück  zerstört? 
Ich  seufzte  tief, 

Bevor  mein  Blick  das  Blatt  durchlief.  .  — 

Sie  schreibt:  »Wir  wollen  Freunde  sein 
Wie  Goethe  und  die  Frau  von  Steinte 
Da  ruf  ich  jubelnd:  Frisch  voran  1 
Dem  Glück  will  ich  entgegenzieh'n« 
Im  Flug  trägt  mich  die  Pferdebahn 
Zu  meiner  Göttin  Tempel  hin. 
»Komm  an  mein  Herz,  du  süsses  Glückte 
Ruf  ich  ihr  zu«    Sie  weicht  zurück 
Und  staunt  mich  an: 
»Wie  könnt  Ihr  mir  so  stürmisch  nah'n? 
Wir  wollen  doch  nur  Freunde  sein 
Wie  Goethe  und  die  Frau  von  Stein,  c 

Und  nun  erzählt  sie  mir  genau, 
Was  sie  gelernt  im  Pensionat 
Vom  Seelenbündnis  jener  Frau 
Mit  Goethe,  dem  Geheimen  Rat, 
Wie  tadellos  und  einwandfrei 
Der  zarte  Bund  gewesen  sei.  — 
»Mathilde,  schau, 

Was  Du  da  sagst,  ist  mir  zu  blau. 

So  wird  es  nicht  gewesen  sein, 

Denn  Goethe,  der  war  nicht  von  Stein!« 

331 


Da  widersprach  sie  hochgemut, 

So  ging  die  Rede  hin  und  her. 

An  Worten  gab  es  eine  Flut, 

Ein  weites  sturmbewegtes  Meer. 

Es  schwoll  die  Flut,  es  wuchs  der  Zank, 

Bis  blutig  flammend  die  Sonne  sank  .  .  . . 

Und  kurz  und  gut: 

Dann  küssten  wir  uns  in  Liebesglut 

So  ganz  allein  im  Kämmerlein 

Wie  Goethe  und  die  Frau  von  Stein. 


Herr  im  Hause. 

Schlich  der  Zorn  durch* s  Hinterpförtchen 

Auf  den  Zehen  kaum  hinaus, 
Klopft  es  schon:  »Nur  auf  ein  Wörtchen, 
Bitte,  öffne  mir  das  Haus.c 
Und  —  wahrhaftig!  auf  der  Gasse, 
Just  als  wäre  nichts  geschehen, 
Steht  die  Liebe.    Nein,  ich  lasse 
Ganz  bestimmt  sie  weiter  geh'n. 

Hab1  ich  hier  nicht  in  der  Wohnung, 

Heut1  erst,  offen  ihr  erklärt, 

Dass  die  Nachsicht  und  die  Schonung 

Allzu  lange  nun  gewährt? 

Dass  verschlossen  bleiben  solle 

Meine  Thür  ihr  allezeit; 

Dass  nach  ihrer  Gunst  ich  wolle 

FQrder  fragen  keinen  Deut? 

Dass  sie  diese  letzten  Wochen 
Mich  gepeinigt  bis  aufs  Mark? 
Und  doch  wagt  sie  anzupochen? 
Nun,  das  nenn'  ich  wirklich  stark  1 
Immer  klopfe,  immer  rufe, 
Narr,  der  je  dir  Antwort  gab; 
Auch  nicht  eine  einz'ge  Stufe 
Steig  ich  deinethalb  hinab! 


Stets  war  ich  für  dich  zu  finden, 
Rasch  vergass  ich  jeden  Groll, 
Aber  deine  letzten  Sünden  — 
Nein,  die  waren  gar  zu  toll. 
Immerdar  sind  wir  geschieden, 
Noch  einmal  sei  dir*s  gesagt; 
Also  geh1  und  lass'  in  Frieden, 
Den  so  lange  du  geplagt. 

Doch  sie  schmeichelt:  »Schick1  mich,  Schätzchen, 

Ungehört  nicht  von  dir  fort; 

Nur  ein  Fünfminutenschwätzchen  — 

Und  ich  gehe,  auf  mein  WortI 

Ruhig  bin  ich  und  vernünftig, 

Und  mein  Unrecht  reut  mich  schwer; 

Glaube  mir,  ich  werde  künftig 

Dich  erzürnen  nimmermehr,  c 

Tritt  denn  einl  rief  ich  der  Liebe, 
Die  mich  störte,  unwirsch  zu; 
Aber  mach  es  kurz,  Verehrte, 
Und  dann  lasse  mich  in  Ruhl 
Doch  kaum  steht  sie  auf  der  Schwelle, 
Schliesst  die  Thür  sie  hinter  sich, 
Spricht:  »Für  alle  weitern  Fälle, 
Die  den  Schlüssel  fuhrt,  bin  ich. 

Was?  dich  reut's,  dass  aufgeschlossen 
Du  die  Thüre?    Ohne  mich 
Kannst  du  leben!    Narrenpossen  1 
Bester  Schatz,  ich  kenne  dich! 
Hat  man  jemals  hören  müssen 
Von  der  Jugend  solch  ein  Wort? 
Aber,  traun,  du  sollst  es  büssen, 
Und  ich  bleibe,  dir  zum  Tort 

Ja  ich  bleibe!    Ihre  Rechte 
Opfert  nicht  die  schlechtste  Frau, 
Und  die  meinen,  —  nun  ich  dächte, 
Sind  bekannt  dir  sehr  genau. 
Drum  am  besten  ist's,  wenn  gütlich 
Du  des  Streites  dich  begiebst; 
Sieh,  du  bist  schon  ganz  gemütlich, 
Und  bei  dir  ist's  —  allerliebst  U 

Richard  Leaader. 

au 

323 


Kusshunger, 

JJin  messenger  boy  kommt  ventre  ä  terre 

Vor  meine  Veranda  gefegt, 
Springt  ab  und  hat  ein  kleines  Billet 
In  meine  Hand  gelegt. 

»Bye,  byeU  der  Bengel  jagt  wieder  fort, 
Und  ich  beschaue  den  Brie£ 

Von  Abbiel  —  Nanu?  die  schreibt  doch  nur,  wenn 
Ein  wirklich  zwingend  Motiv, 

»Kommst  du  nikt  gleik,  Ick  schiessen  mir  dot« 
So  lese  ich  konsterniert  — 
»Ein  Cabl  ein  Cabc  sonst  mordet  sie  sich  — 
Das  Mädel  ist  exaltiert 

Mein  Cab  rast  durch  die  city  hin 
Zur  vierzigsten  Strasse  hinaus. 

»Stop!«  brüll' ich.  »Two  dollara,  Sir.«  »Yes,  all  rightU  - 
Ich  springe  flugs  in  das  Haus. 

Ich  eile  hastig  von  Raum  zu  Raum  — 
Im  sitting-room  liegt  sie  vergnügt 
Auf  einen  Schaukelstuhl  hingehaucht, 
Der  neckisch  wackelt  und  wiegt 

Die  Linke  halt  ihre  goldene  Uhr, 

Die  Rechte  —  ich  bin  erblasst  — 

Die  Rechte  hat  —  mit  gespanntem  Hahn  — 

Einen  kleinen  Revolver  umfasst. 

»My  sweet  heart,  what  is  the  matter  with  you?« 
Sie  blickt  auf  die  Uhr  und  —  lacht: 
»Eight  minutes  —  famos  1  nur  sswei  dassu, 
Dann  hätt*  ick  mir  umgebracht« 

»Warum  denn  aber  um  Himmels  WüTn?« 
»O  nix  —  ick  sehen  Dir  muss! 
I  love  you,  my  boy,  with  all  my  heart! 
Ick  hatte  so  Hunger  auf  Kussl«  — 

Johannes  Cotta. 


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Der  Wftwer. 


JJinst  lebt*  in  seinem  Dörfchen,  arm, 

Doch  frisch  and  flink  und  sonder  Harm, 
Hans,  Namens  Ohnesorgen. 
Kaum  hatt*  er  von  der  Hand  ins  Maul; 

* 

Doch  diese  Hand  war  nimmer  faul 
Zum  Abende  vom  Morgen. 
Drum  fand  er  ohne  viel  Gebet, 
Was  in  der  vierten  Bitte  steht. 

Nicht  lange  blieb  das  Bett  ihm  leer; 
Er  nahm  ein  Weib,  so  flink  wie  er. 
Nun  ging's  durch  zwei  Paar  Händel 
Er  hatte  eignen  Herd,  dazu 
Bald  eine  schöne  bunte  Kuh; 
Sein  Glück  schien  sonder  Ende: 
Denn  ihn  erfreuten  Weib  und  Rind 
Durch  manches  Kalb,  durch  manches  Kind. 

Doch  kurz  nur  stund  sein  Wohlfahrtsbau. 
Es  starb  die  flinke  junge  Frau 
Im  dritten  Wochenbette. 
Ein  harter  Schlag  kam  stracks  hinzu, 
Er  fand  die  schöne  bunte  Kuh 
Erstickt  im  eignen  Fette. 
Das  war  dem  Armen  doch  zu  viell 
Er  wuflste  seines  Grams  kein  Ziel. 

Da  sass  er  auf  der  Ofenbank 
Mit  Gott  und  Welt  und  sich  im  Zank, 
Und  greinte  bittre  Zähren, 
Je  zwei  um  zwei:  für  Seelenruh4 
Der  flinken  Frau,  der  bunten  Kuh.  — 
Die  Nachbarn  alle  wehren 
Mit  Trofft  und  Rat  der  Traurigkeit 
Umsonst!    Sie  blieb  so  lang  wie  breit 

Jetzt  sprach  der  Schulze  Martin:  »Freund, 
Nur  nicht  verzagt,  nur  nicht  gegreint  1 
Wenn  Gott  nahm,  nimm  du  wieder  1 
Ich  wüsst*  ein  hübsches  Rundgesicht 
Ei  siehl    Dort  geht  sie,  irr*  ich  nicht, 
Im  roten  Sonntagsmieder. 
Du  kennst  doch  Muhme  Greten?  Sprich! 
Die  wär*  ja  wohl  ein  Trost  für  dich.« 


Hans  seufzte  still.    Da  nahm  das  Wort 
Der  Ludimoderator  Kort: 
»Das  Grab  ist  allen  erblich, 
Was  sein  muss,  nun  das  muss,  Freund  Hans, 
Sei's  Mann  und  Frau,  sei's  Kuh  und  Gans. 
Wir  alle  sind  ja  sterbüch! 
Doch,  weisst  du  was?    Mein  Hannel  ist 
Schon  mannbar  über  Jahresfrist  c 

Doch  Witwer  Hans  schwieg  immer  noch, 
Er  seufzte,  greinte  fort;  und  doch 
Umdrängten  ihn  die  Wichte. 
Der  eine  hatt*  ein  Schwesterlein, 
Der  zweit1  ein  Mündel  zu  verfrePn, 
Der  dritte  seine  Nichte; 
Dann  Enkel,  Pate,  Schwägerin; 
Es  war  wie  Jahrmarkt  rings  um  ihn. 

Nun  kam  auch  noch  der  Bader  Tropf, 
Rasierte  Witwerbart  und  Kopf, 
Und  sprach:  »Freund,  braucht  bei  Zeiten  1 
Ich  hätte  was,  das  hilft  geschwind; 
Es  ist  mit  mir  Geschwisterkind 
Und  heisst  —  Susanne  Veiten. 
Sie  dient  bei  mir  ums  Brot  statt  Lohn, 
Ein  braves  Mensch!    Rasiert  auch  schon Ic 

Da  ward  Hans  endlich  wild.    Er  sprang 
Empor  von  seiner  Ofenbank 
Und  rief:  »Ihr  sollt  euch  schämen  I 
Mir  starb  die  Frau,  und  —  seid  ihr  toll?  — 
Ist  kaum  ins  Grab  hinein:  so  soll 
Ich  schon  zehn  andre  nehmen? 
Mir  starb  die  Kuh:  doch  gebet  ihr 
Mir  auch  nicht  einen  Schwanz  dafür I« 

Karl  Friedrich  Kretschnunn. 
(17S8-18T?) 

Treue!? 

£Jm  rauschenden  Nordseestrande 

Da  ward  die  Bekanntschaft  gemacht. 
Da  haben  die  Beiden  im  Sande 
Geplaudert,  gescherzt  und  gelacht« 
Sie  sprachen  von  Allem  auf  Erden 
Und  —  von  der  Sonne  Licht, 


Sie  sprachen  von  ihrer  Liebe, 

Doch  von  der  —  Ehe  —  nicht. 

Erst  in  der  Abschiedsstande 

Da  hat  sie's  ihm  erzählt 

Voll  Muth  zum  erstenmale: 

Sie  sei  —  bereits  —  vermählt 

Da  leitest  er  sie  so  innig 

Nach  alter  Minne  Brauch 

Und  flüstert  unbefangen: 

»Mein  Senats,  ich  bin  es  auch!«  — 

L.  Marco. 

's  Marterl. 

Jm  Mühlbachgraben  bei  der  Wehr,  — 

A  Marterl  steht  daneb'n,  — 
Da  hat  mir  —  fünfzehn  Jahr*  is  's  her  — 
Die  lies  ihr  Jawort  geb'n. 

I  war  verliabt  bis  über  d1  Ohr'n 
Und  glückli  wie  a  Narr  ..... 
Wie's  aber  dann  mei  Weib  is  wor'n, 
War's  mit  mein  Frieden  gar.  — 

Das  Marterl,  das  steht  heut  no  dort, 
Verwischt  von  Reg*n  und  Schnee, 
Kein  Mensch  weiss,  wer  am  selbig*n  Ort, 
Verunglückt  is  voreh» 

Mir  aber,  wann  i  's  Marterl  schau, 
Giebas  allemal  an  Riss, 
Denn  i,  i  weiss  jetz  ganz  genau, 
Wer  dort  verunglückt  isl  

Otto  Sommcrstorfl. 

Ein  Idyll. 

gie  fahren  zusammen  im  warmen  Coupe  - 

Es  war  eine  mollige  Reise  1 
Es  flogen  die  Felder  ...  Im  ersten  Schnee 
Lag  rings  die  Welt,  die  weisse  .  .  . 

Er  spann  ein  Gerede  ziemlich  verworren 
Vom  Wetter  und  Sommer  im  Bade  — 
Sie  warf  in  den  Schoss  ihren  Engelhorn 
Und  knabberte  Lindt-Chokolade. 


Er  sprach  poetisch  vom  wehenden  Rauch 
Und  wie  die  Zeiten  brausen  — 
Sie  hatte  'ne  Tante,  die  »dichtete  auchc 
Und  wohnte  in  Sangerhausen. 

Und  als  die  Sonne  im  Westen  verschwamm, 
Da  pries  er^s  in  köstlichen  Worten  — 
Sie  hatte  'nen  Vetter  in  Heiligendamm, 
Der  beinahe  Maler  geworden. 

Und  als  er  vom  Fahren  ins  Weite  sprach, 
Wie  nickte  am  Hütchen  die  Feder  1 
Sie  hatte  'nen  Onkel  in  Offenbach, 
Der  reiste  seit  Jahren  in  Leder. 

Die  Sterne  sandten  vom  Himmelszelt 
Verwirrendes  Schelmenge  funkel  — 
Sie  hatte  die  Heizung  abgestellt. 
Er  schraubte  die  Lampe  auf  »dunkele. 

Sie  sassen  so  dicht,  und  sie  sagten  kein  Wort, 
Und  sie  hörten  die  Herzen  schlagen  — 
Der  Schaffner  qualmte  geschenkte  »Importe 
Im  Dienst-Abteil  mit  Behagen. 

Sie  dachten  s  o  viel,  und  sie  sprachea's  nicht  aus, 
Sie  sahen  die  Lichtchen  blinken 
Vorüberfliegend  am  Wächterhaus  — 
Die  Linke  ruht1  in  der  Linken. 

Die  Rechte  hielten  sie  beide  steif 

Und  den  Handschuh  darauf  zur  Verzierung  — 

Am   vierten  Finger  der  glatte  Reif 

Trug  peinliche  Innen-Gravierung  .  .  . 

Bad.  Prester. 


Im  Dialekt. 

jjjs  ist  um  Sonnwendzeit;  auf  allen  Wiesen 

Steht  noch  der  erste  hohe  Blumenflor; 
Die  Glocken  lugen  aus  dem  Gras  hervor, 
Die  Heckenrosen  überm  Wege  spriessen, 
Und  fröhlich  zieht  die  Herde  mit  Gelaut 
Zur  Alm  in  blaue,  stumme  Einsamkeit 

828 


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Das  ist  die  Wanderzeit  in  Bergeshöh', 
1  Und  tagelang  zog  ich  dahin  im  Walde 
!  Durchs  Felsgestein  und  durch  die  duffge  Halde 
I  Und  lagerte  am  klaren  Alpensee. 
Am  Berghang  aber,  unterm  Feisenkahr, 
Da  lagen  traut  die  braunen,  kleinen  Hatten, 
Und  wenn  ich  abends  müd'  vom  Wandern  war, 
|  Bin  ich  so  gern  durch  ihre  Thür1  geschritten« 
Es  sass  am  Herd  die  blonde  Sennerin; 
Ich  aber  setzte  mich  daneben  hin; 
Auf  ihre  Wangen  fiel  der  Feuerschein, 
Das  knisterte  so  leis;  hell  klang  darein 
Ihr  Silberlachen,  wenn  ich  dann  sie  neckte 
Und  Almenrosen  ihr  ans  Mieder  steckte. 
Bald  schien  von  allen  Bergen  in  der  Rund' 
Mir  der  der  schönste,  wo  ihr  Hüttlein  stund. 
So  schien  zur  Forschung  keiner  sich  zu  eignen; 
Ich  mass  den  Weg  und  prüfte  das  Gestein, 
Und  schliesslich  trat  ich  in  die  Hütte  ein  .  .  . 
Ich  war  verliebt  —  das  war  nicht  mehr  zu  leugnen. 
Und  was  Poeten,  die  verliebt  sind,  thun, 
Das  weiss  man.    Ach,  es  Hess  mich  nimmer  ruh'nl 
Fast  jeden  Tag  bracht9  ich  ihr  ein  Gedicht 
Und  las  es  vor,  voll  Pathos  das  Gesicht, 
Wo  ich  *  Elisabeth c  mein  Lisei  nannte 
Und  Tropen  brauchte,  die  sie  nie  erkannte. 
Im  Anfang  sass  sie  ganz  verdutzt  zur  Stelle, 
Dann  warf  sie  ihren  Goldzopf  ins  Genick 
Und  lachte  schallend  —  niemals  klang  Kritik 
So  überzeugend  mir  und  silberhelle. 

Stumm  ging  ich  weg  —  dann  kam's  mir,  wie  ein  Licht 
(Man  sagt  ja,  dass  die  Liebe  findig  macht) 
Drum  dacht'  ich:  Fort  mit  dieser  Tropenpracht  1 
Sprich  doch  zu  ihr,  so  wie  sie  selber  spricht! 
Da  stellt*  ich  in  den  Stall  den  Pegasus, 
Noch  angeschirrt  ä  la  Vigilius, 
Und  fing  mir  flugs  in  meinem  Herzeleide 
Ein  schmuckes  Bauernrösslein  von  der  Weide. 
Mit  einem  Juhschrei  hab'  ich's  angetrieben 
Und  's  erste  Lied  —  im  Dialekt  geschrieben«  — 
Als  ich  zur  Alm  kam  und  vom  steilen  Grat 
Ins  Felskahr  stieg,  den  alten  kühnen  Pfad, 
Da  stand  die  Sennerin  im  Wiesengrunde 
Und  jauchzt'  empor,  die  Hand  am  roten  Munde. 
Und  wieder  trat  ich  in  die  Hütte  ein; 


Mir  war  zu  Sinn,  als  war'  sie  doppelt  mein; 
Dies  russ'ge  Dach  und  dies  Gerät,  das  blanke, 
Dazu  dfls  Nlagdlein,  das  gelockte,  schlanke, 
Der  Hausaltar  mit  den  geweihten  Zweigen  .  .  . 
Als  war*  dies  Leben  nun  erst  ganz  mein  eigen. 
Durch  das  Gebälk  floss  feines  Sonnenlicht, 
Am  Herde  lehnend  horcht  auf  mein  Gedicht 
Die  blonde  Sennin  —  mir  erschien  es  schlecht, 
Sie  aber  jauchzte:  »Jetzt,  ja  jetzt  isfs  recht U 
Das  war  die  Mundart,  die  ihr  Herz  gewohnt, 
Und  in  der  Mundart  ward  ich  auch  belohnt 
Um  meine  Schulter  schlang  sie  ihren  Arm  — 
Das  war  ein  Kuss,  so  herzig  und  so  warm, 
Wie  Walderdbeeren  hat  der  Kuss  geschmeckt: 
Ich  spür1  ihn  noch.  —  So  lernt  man  Dialekt! 

Karl  Stieler 


Der  Ritter  und  die  Nfcen. 

2  wölf  Ritter  ritten  durch  den  Wald 

Mit  Schwert  und  Schild  und  Sporen; 
Sie  scherzen  und  lachen  und  haben  bald 
Den  rechten  Weg  verloren. 

Und  plötzlich  sehen  sie  durch  den  Tann 
Ein  stilles  Wasser  blinken; 
Sie  reiten  hinzu,  sie  halten  an 
Und  lassen  die  Rösslein  trinken. 

Da  rauscht  das  Schilf  und  schwankt  und  nickt, 
Die  Wasserlilien  sich  neigen, 
Und  aus  dem  See  korallengeschmückt 
Zwölf  schöne  Nixen  steigen. 

Die  Rosse  zittern  und  schnauben  bang, 
Die  Ritter  starren  und  schauen. 
Da  tönt  bestrickender  Gesang 
Vom  Mund  der  Wasserfrauen« 

»O  folget  uns  in  unser  Reicht 
Rotwangige  Erdensöhne; 
Unsterblichkeit  verleihen  wir  euch 
Und  ewige  Jugendschöne. 


Es  kann  ja  doch  die  höchste  Lust 
Auf  Erden  nicht  gedeihen; 
Ihr  findet  sie  an  unsrer  Brust, 
Bei  uns,  den  Wasserfeien. 

Was  euer  Herz  sich  wünschen  mag, 
Ihr  findet's  auf  dem  Grunde; 
Zum  Augenblick  wird  euch  ein  Tag, 
Das  Jahr  zu  einer  Stunde. 

In  unserm  kühlen  Aufenthalt 
Erwarten  euch  Freuden  und  Wonnen, 
Soviel  als  Nadeln  ein  Tannenwald 
Und  Tropfen  zählt  ein  Bronnen,  c  — 

Die  Ritter  hören'  S,  c  s  wallt  ihr  Blut, 
Sie  springen  behend  vom  Pferde. 
»Wir  folgen  euch,  Nixen,  in  die  Flut; 
Fahr  wohl,  du  staubige  Erdel« 

Da  raschelt  das  Laub,  und  die  Ritter  sehn 
Auf  einmal  einen  braunen, 
Dickköpfigen  Waldzwerg  vor  sich  stehn, 
Darob  sie  aufs  neue  erstaunen. 

Das  Zwerglein  hebt  die  Hand  und  spricht: 
»Lasst  guten  Rat  euch  sagen: 
Gehorcht  den  Wasserfrauen  nicht, 
Ihr  müsster's  bald  beklagen. 

Wahr  ist  es,  was  man  euch  verhiess, 
Man  hat  euch  nicht  belogen; 
Es  liegt  ein  blühend  Paradies 
Im  Schoss  der  blauen  Wogen. 

Es  warten  euer  auf  dem  Grund 
Viel  Wonne  und  Vergnügen 
Doch  etwas  hat  der  Nixen  Mund, 
Gar  weislich  euch  verschwiegen. 

Es  harren  eurer  kampfbereit  — 
Erzittert,  kühne  Ritter, 
Behaftet  mit  Unsterblichkeit, 
Zwölf  Nixenschwiegermütter.« 

Rudolf  Rautnb»<-L 


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Güstens  Brief  an  die  im  Bade  weilende  Herrschaft. 


£5 n  die  Herrschaft  schreib1  ich  jetzt!  — 

Sprach's  und  hab*  mir  hingesetzt  $ 
Doch  im  Tinten  fasse  finde 
Ich  nur  eine  trockne  Rinde, 
Diese  weich*  ich  im  Verlauf 
Längrer  Zeit  mit  Wasser  auf. 
Wie  ich  endlich  bin  bereit, 
Fehlt  auf  einmal  mir  die  Zeit, 
Weil  mein  Robert,  vor  mir  stehend, 
Fort  mir  reisst,  spazieren  gehend. 
In  der  Nacht  nach  Haus  gekommen, 
Hab'  ich  gleich  mir  vorgenommen: 
Heute  schreib1  ich  oder  nie! 
Denn  was  thät*  ich  nicht  für  Sie. 
Ruh'gen  Herzens  fang  ich  an; 
Wohl  mir,  das  ich  melden  kann: 
Alles  ist  hier  gut  gegangen, 
Seit  die  Ferien  angefangen. 
Da  ich  einsam  hier  geblieben, 
Hab1  ich  mir  die  Zeit  vertrieben 
Mit  Geduld  und  mit  Humor  — 
Uebrigens  fiel  hier  nichts  vor. 

In  den  ganzen  sieben  Wochen 
Ist  nur  einmal  eingebrochen, 
Mitten  in  der  tiefen  Nacht  — 
Ich,  zum  Glück,  bin  nicht  erwacht; 
Todgeängstigt  hatt*  ich  mir 
Bei  das  Rasseln  an  die  Thür. 
Aber,  wie  gesagt,  ich  schlief, 
Währenddem  die  That  verlief. 
Andern  Morgens  erst  inzwischen, 
Als  ich  kam,  um  Staub  zu  wischen« 
Ahnt9  ich  etwas,  wie  ich  fand, 
Dass  es  allens  offen  stand. 
Welch  ein  Anblick  —  man  bedenket  — 
Als  Kommoden  ich  und  Schränke 
Sah  gewaltsam  aufgerissen. 
Was  gestohlen  —  wer  kann's  wissen? 
Denn  mir  fehlt  das  Inventar 
Ueber  das,  was  früher  war. 
Dass  mir  selbst  nichts  fortgekommen, 
Hab1  sogleich  ich  wahrgenommen, 

S  392 

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Und  vergnügten  Angesichts 

Meld1  ich:  Sonst  passierte  nichts. 

Einmal  gab  es  einen  Brand, 
Der  auf  diese  Art  entstand: 
Robert  Schulze,  mein  Gefreiter  — 
Auf  der  Welt  ist  nicht  ein  zweiter, 
Dieses  muss  vorher  man  wissen  — 
Ist  des  Rauchens  sehr  beflissen. 
Neulich  also  raucht  er  auch, 
Plötzlich  steht  er  ganz  in  Rauch, 
Weil  er,  wie  sofort  sich  findet, 
Die  Gardinen  angezündet, 
Als  im  Elfer  seiner  Reden 
Er  ein  Schwefelholz  aus  Schweden  — 
Wie  ich  nicht  verschweigen  darf  — 
Mit  Entrüstung  von  sich  warf. 
Flammen  zucken,  Funken  sprüh'n  ■ — 
Ich  in  grösster  Angst  um  ihn, 
Er  in  grösster  Angst  um  mir, 
Beide  rennen  nach  der  Thür. 
Kaum,  dass  wir  dem  Qualm  entronnen 
Und  zu  trösten  uns  begonnen, 
Horch,  da  saust  auch  schon  daher  — 
Klinglinglingl  —  die  Feuerwehr. 
Diese  löscht  mit  kund'ger  Hand 
Alles,  was  in  Flammen  stand. 
Zwar  verbrannt  ist  mancherlei, 
Doch  gerettet  sind  wir  zwei, 
Und  kein  Leben  zu  beklagen. 
Wohl  mir,  dass  ich  dieses  sagen 
Kann,  befriedigt  und  gerührt. 
Uebrigens  ist  nichts  passiert. 

Einmal  schlug  der  Blitz  ins  Haus, 
Ich,  zum  grössten  Glück,  war  aus. 
Grad1  an  einem  Donnerstag 
Fuhr*  hinein  ein  kalter  Schlag. 
Was  die  Diebe  nicht  genommen, 
Was  in  Flammen  nicht  verglommen, 
Ist  dadurch  total  zertrümmert, 
Wie  ich  wahrnahm  tief  bekümmert. 
War*  ich  selbst  zu  Haus  gewesen, 
Könnten  dieses  Sie  nicht  lesen, 
Denn  ich  selbst  war*  auch  entzwei, 
So  war  doch  ein  Glück  dabei 


Bei  den  Unglücksfallen  allen. 
Sonst  ist  hier  nichts  vorgefallen. 
Robert  gut  und  Wetter  schön  — 
Nun  adieu  1    Auf  Wiederseht  1 


Klatsch -Hymnus. 

Q  treffliches  Kaffeegekrächz, 
O  liebliches  Geschnatter! 
Herr  Nachbar  links,  Herr  Nachbar  rechts, 
Sehr  würd'ger  Herr  Gevatter. 
Gewärtig  eures  stillen  Winks 
Rümpft  jeder  stolz  die  Nase, 
Herr  Nachbar  rechts,  Herr  Nachbar  links, 
Verehrteste  Frau  Base. 

Und  wisst  ihr's  schon?  Nein,  nicht  ein  Wort 
Die  Welt  wird  immer  netter! 
Herr  Nachbar  hier,  Herr  Nachbar  dort, 
Frau  Grossmama,  Herr  Vetter. 
So  zu  verletzen  Sitr1  und  Pflicht! 
Der  Don  Juan!    Die  Xan tippe l 
Wahr  ist  es,  doch  sagt's  weiter  nicht 
Als  nur  der  nächsten  Sippe. 

Ja  freilich,  so  was  —  in  der  That  — 
Zwar  wie  man  längst  sie  kannte  — 
Was  sagen  sie  dazu,  Herr  Rat, 
Herr  Doktor  und  Frau  Tante? 
Empörend,  grässlich  allerdings, 
Und  wie  sie  noch  sich  brüstet! 
Herr  Nachbar  rechts,  Herr  Nachbar  links, 
Sie  sind  mit  Recht  entrüstet! 

Sie  können  lächeln,  Herr  Papa? 
O  Welt,  o  Zeit,  o  Jugend  1 
Tritt's  der  Gesellschalt  nicht  zu  nah 
Und  —  ä  propos  —  der  Tugend? 
Und  um  Sie  ins  Vertrau'n  zu  zieh'n, 
Wie  weit's  mit  ihm  gediehen: 
Der  Frack,  in  dem  er  jüngst  erschien, 
Der  Frack  war  nur  geliehen. 

334 

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Es  öffnet  sich  —  o  sonnenklar!  — 
Ein  Sittenabgrund  schaurig! 
Sie  wissen' s  schon,  Herr  Kommissar? 
Wie  amüsant  1  —  Wie  traurig! 
Weit  lieber  als  die  falsche  Zier 
Ein  frommer  Strassenkehrer ! 
Wir  sind  doch  bess're  Menschen,  wir, 
Nicht  wahr,  Herr  Oberlehrer? 

Ja,  bessere  Menschen,  tugendhaft 
Vom  Wirbel  bis  zur  Zehe, 
Und  Mut  und  Kraft  und  Leidenschaft, 
Die  thun  uns  niemals  wehe. 
Wir  schnarchen  dort,  wir  schnarchen  hier, 
Sind  stets  vergnügt  und  heiter, 
Und  sind  wir  alt,  dann  sterben  wir 
Und  schnarchen  ruhig  weiter. 

Ludwig  Fulda. 

Weihnächte  -Wunsche. 

un  haben  ihre  Wünsche  die  lieben 
Kinder  wieder  aufgeschrieben. 
Die  Aelteste  möcht  eine  Puppenstube, 
Pferd  und  Wagen  erhofft  sich  der  Bube, 
Die  Jüngste  wünscht  —  sie  ist  noch  so  klein  — 
Kinkerlitzchen  und  Schnurrpfeif erei'n; 
Sie  wollen  tausend  bunte  Sachen, 
Die  Kindern  Spass  und  Freude  machen. 

Der  Vater  liest  mit  lächelndem  Bangen 

Die  Zettel  der  drei,  die  unheimlich  langen, 

Und  spricht:  »Schier  müsst  ich  ein  Rothschild  sein, 

Wollt  alles  ich  erfüllen  euch  drern! 

Vorerst,  wenn  ich  nuVs  recht  bedenke, 

Möcht  ich  auch  etwas  zum  Geschenke; 

Ich  möchte  gern  vom  Jesusknaben 

Zu  Weihnacht  —  drei  artige  Kinder  haben  !c 

■ 

Der  Bube  senkt  den  Kopf  auf  die  Brust, 

Auch  die  Aelteste  fühlt  sich  getroffen  vom  Spotte  - 

Doch  hocherfreut  ruft  die  kleine  Lotte: 

»Ach  jal    Dann  sind  wir  sechse  justlc 

Richard  Zooxhhuhj. 


335 


Der  Haifisch. 


Sagt  der  Zottelhund  Struppes  zu  dem  Buxenmann 

Schluppes: 

O,  wie  weh,  lieber  Schluppes,  tut  mein  Bauch  I 

Sagt  der  Buxenmann  Schluppes  zu  dem  Zottelhund  Struppes: 

Meiner  auch,  lieber  Struppes,  meiner  auchl 

Sagt  der  Zottelhund  Struppes  zu  dem  Buxenmann  Schluppes: 
In  dem  Bach,  lieber  Schluppes,  war  ein  Eil 
Sagt  der  Buxenmann  Schluppes  zu  dem  Zottelhund  Struppes: 
Aus  dem  Ei,  lieber  Struppes,  wird  ein  Hai! 

Sagt  der  Zottelhund  Struppes  zu  dem  Buxenmann  Schluppes: 
Wer  bekam  es,  lieber  Schluppes,  in  den  Schlund? 
Sagt  der  Buxenmann  Schluppes  zu  dem  Zottelhund  Struppes: 
Wem  der  Hai,  lieber  Struppes,  guckt  aus  dem  Mundl 

Sagt  der  Zottelhund  Struppes  zu  dem  Buxenmann  Schluppes: 
Bei  dir  guckt  nichts,  lieber  Schluppes,  guckt's  bei  mir? 
Sagt  der  Buxenmann  Schluppes  zu  dem  Zottelhund  Struppes: 
Bei  dir  auch  nicht,  lieber  Struppes,  —  dummes  Tier! 

Leo  Stcrnberg. 

Kinderglaube. 

Jjjin  Wintertag.    Im  Gutzerbaum-Revier 

Durchs  Rauschelaub  hinschreitet  ein  Hatschier. 
Des  Silberhelmes  Haarbusch  flockt  wie  Schnee, 
Aus  weissem  Mantel  blitzt  das  Portepee; 
In  blanken  Knöpfen  spiegelt  sich  der  Tann, 
So  schreitet  sporenschwer  der  bärt'ge  Mann. 
Desselben  Weg**  naht  fern  ein  Kinderpaai, 
Ein  Reisigbündel  auf  zerzaustem  Haar; 
Die  beiden  stapfen  lachend  ihren  Weg. 
Da  plötzlich  zeigt  ein  Finger  durchs  Gehegt 
Vier  blaue  Augen  zielen  durchs  Geist 
Vorbei  an  einem  leeren  Vogelnest; 
Vier  lecke  Schuhlein  unbeweglich  steh'n, 
Klein  Friedel  flüstert:  »Hast  den  Mann  geseh'nPt 
Und  immer  näher  kommt's,  im  Mantel  licht, 
Ein  prächtiger  Helm,  ein  Graubartangesicht. 
An  blanken  Knöpfen  zupft  der  Sonnenstrahl, 
Die  Kinder  lauschen  angstheiss,  wangenfahl. 
Vom  Schreck  erholt  das  Schwesterchen  sich  bald:  1 
»Wie  schön  1  Der  liebe  Gott  geht  durch  den  WaldU 

Alfred  Beetich««. 

336 


Der  Mädchenwechsel. 


£)a  gehn  sie  hin,  die  lange  Wochen 

Mir  schufen  unermessnes  Leidl 
Die  eine  war  bestimmt  fürs  Kochen, 
Die  andre  galt  als  Stubenmaid. 

Da  gehn  sie  hin,  nachdem  Verderben 
In  meine  Wirtschaft  sie  gesät, 
Und  lassen  hinter  lieh  die  Scherben, 
Das  TrOmmerwerk  vom  Hausgerät. 

O,  dass  Ich  wechseln  muss  schon  wieder! 
Und  doch,  wohl  mir,  dass  ich  es  kannt 
Ach,  wüchsen  nur  der  grausen  Hyder 
Nicht  immer  neue  Häupter  an. 

Wie  oft  schon  hab'  ich  es  gesehen, 
Dies  Schauspiel,  dass  mir  längst  ein  Graus! 
Es  kommen  Mädchen,  Mädchen  gehen  - 
Nur  der  Soldat  hält  sich  ans  Haus. 

Den  stets  ich  in  der  Küche  finde, 
Seitdem  ein  halbes  Jahr  entflohen, 
Er  liebt,  —  fast  halt1  ich  es  für  Sünde  — 
Jetzt  meine  dritte  Minna  schon. 

Die  vierte  wird  im  Feuerscheine, 
Die  fünfte  stehn,  von  ihm  geliebt! 
Ach,  dass  es  auch  nicht  eine,  eine 
Vollkommen  zuverläss'ge  giebt! 

Geht  hin,  ihr  beiden,  meine  Plage, 
Lebt  wohl,  ihr  meine  stete  Not!  — 
Verbittert  andern  ihre  Tage! 
Versalzet  andern  jetzt  ihr  Brot! 

Ich  seh1  euch  ohne  Kummer  scheiden, 
Denn  Gutes  habt  ihr  nie  gethan. 
Da  kommen  schon  die  neuen  beiden  — 
Ich  seh'  sie  ohne  Hoffnung  nah'n!  — 

Johann«  Trojan. 


337 


Mythologische  Enthüllungen. 

\^?as  im  Olymp  die  alten  Götter  tranken, 

Hab*  ich  voll  Geist  und  Gründlichkeit  erforscht. 
Sie  tranken  ohne  Wanken,  bis  sie  sanken, 
Denn  —  wie  es  heisst:  im  Anfang  war  der  Dorscht! 

Der  »Nektar«,  welchen  hat  kredenzt  ihr  Diener, 
War  unser  »Meth«  —  wenn  ich  es  recht  versteh', 
Und  »Schani«  hiess  der  Kellnerknab',  der  Wiener, 
Wie  er  noch  heute  vorkommt  im  Cafe. 

Und  wenn  ein  dursfger  Gott  in  seinem  Grimme 
Den  leeren  Masskrug  hat  herumgedreht, 
Dann  schrie  er  wohl  mit  seiner  Stentorstimme 
Die  wohlbekannten  Worte:  Schani  ....  Methlli 

Die  Menschen  haben  dieses  missverstanden; 
Denn  mit  der  Forschung  war  es  damals  mies; 
Darum  hat  man  geglaubt  in  allen  Landen, 
Dass  »Schanimeth«  der  Götterkellner  hiess. 

Wer  jetzt  auf  Bildung  Anspruch  glaubt  zu  haben, 
Der  nennt  in  seiner  blumenreichen  Red1  . 
Die  blondgelockten,  schnöden  Kellnerknaben 
In  gutem,  echtem  Hochdeutsch:  »Ganymed«. 

Henrich  Schaffet 

Liebes -Idyll, 

Jm  Park  sitzt  Kunigunde 

Mit  Eduard  allein  — 
Am  hohen  Himmelsrunde 
Erglänzt  des  Mondes  Schein. 

Die  Blätter  rings  erbeben 
Im  linden  Abendhauch  — 
Er  spricht:  »Mein  teures  Leben, 
O  sag%  liebst  du  mich  auch?« 

Es  duftet  süss  der  Flieder, 
So  sinnberückend  nah  — 
Sie  schlägt  die  Augen  nieder 
Und  flüstert  »Ja,  ach  jal« 

838 


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Der  Nachtigallen  Schlagen 
Tönt  durch  den  stillen  Park  — 
Er  spricht  nach  ein'gem  Zagen: 
»Dann  —  leih'  mir  hundert  MarkU 

Sie  springt  in  jähem  Grimme 
Von  ihrem  Sitz  empor 
Und  spricht  mit  heis'rer  Stimme: 
»Wie  kommen  Sie  mir  vor!«  ...» 

Er  drauf:  »Warum  denn  grollen, 
Mein  Lieb,  was  fallt  dir  ein? 
Sieh  dort  den  Mond,  den  vollen, 
Mit  seinem  Silberschein, 

Schaust  du  ihm  nicht  voll  Wonne 
Ins  leuchtende  Gesicht?  .  .  . 
Auch  er  hat  seine  Sonne 
Und  —  pumpt  von  ihr  sein  Licht  lc 

Otto  Sommentorff. 


Die  Predigt  am  Magdalenentage. 

Jjjin  Priester  predigte  am  Tage  Magdalenen 

Vom  Greuel  ihrer  ersten  Lebensart; 
Doch  ward  nachher  das  Lob  der  Schönen 
Ob  ihrer  Reu'  und  Busse  nicht  gespart  — 

Nun  fuhr  der  Redner  zu  den  Damen, 

Die  vor  ihm  sassen,  eifernd  fort: 
»Wie  viel  sind  unter  euch,  die  mehr  zu  diesem  Ort 

Sich  zu  belustigen,  als  zu  belehren  kamen!  — 

Absonderlich  ist  eine  unter  euch, 

Bei  der  hilft  weder  Droh'n  noch  Bitten  — 

An  Leichtsinn  und  an  losen  Sitten 

Bleibt  sie  vielmehr  sich  immer  gleich  1  

Wie  heilig  hat  sie  alle  Jahr1 

Im  Beichtstuhl  Besserung  versprochen  — 
Allein  wie  allzubalde  war 

Stets  dies  Gelübd'  gebrochen?  — 

Und  da  sie  ihre  Frechheit  immerdar 

Noch  gar  vermehrt  —  wer  kann's  verwehren, 

Wenn  wir  sie  öffentlich  beschwören?  — 

Das  will  ich  jetzt  auch  thun  1  —  Es  ist  —  es  ist  — 


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Wag  meint  ihr?  soll  ich  namentlich  sie  nennen?  — 
Ich  sollt*  es  freilich  wohl  —  doch  wisst  

Allein  warum  nicht?  —  Gut,  ihr  sollt  sie  kennen!  — 
Vielleicht  bringt  dies  zu  ihrer  Pflicht 

Sie  noch  zürück  —  so  leid  mir's  thut,  sie  zu  beschämen. 

Es  ist  —  doch  —  ohne  Makel  könnt9  ich  nicht 
Den  Namen  nur  auf  meine  Zunge  nehmen  1  — 

Ich  will  sie  drum  auf  andre  Art  der  Welt 

Kundmachen  und  an  ihr  das  Strafamt  schärfen. 

Dort  sitzt  siel  —  Wie  sie  sich  nicht  stellt!  — 
Jetzt  werd'  ich  mein  Gebetbuch  nach  ihr  werfen!  — 

Gebt  acht!  —  Gebt  acht!  auf  wen  es  fallt  !c  

* 

Indem  er  nun  empor  mit  seinem  Buche  fuhr, 

War  jede  bange  vor  dem  Falle, 
Und  jede  bückte  sich.  — 

»Verborbene  Natur  1  — 
Ich  dacht1,  es  wäre  eine  nur  — 

Nun  seh1  ich  wohl  —  sie  sind  es  allelc 

L.  F.  G.  ron  Gdckingrk. 
(1748— 1826g 


Der  schiefe  Turm  von  Terlan. 

(Tiroler  Volkssafe.) 

L)er  alte  Kirchturm  von  Terlan 

Kunnt*  nimmermehr  gerade  stahn, 
Drum  ward  er  abgetragen. 
Und  wenn  ihr  wissen  wollt,  warum? 
Wie  ward  er  schief,  wie  ward  er  krumm? 
So  hört,  ich  will's  euch  sagen: 

Lang*  stand  er  kerzengrad'  in  Ruh', 
Und  was  sich  trug  im  Dorfe  zu 
Erzählten  ihm  die  Spatzen: 
Von  einem  dies,  vom  andern  das, 
Sie  wassten  ja  von  jedem  was 
Zu  klatschen  und  zu  schwatzen. 

Nur  einmal  gab  es  eine  Maid, 
Die  ringsherum  und  weit  und  breit 
Das  schönste  Kind  gegolten, 
Und  was  das  grösste  Wunder  war, 
Sie  zahlte  nun  schon  zwanzig  Jahr 
Und  galt  für  unbescholten! 

340 


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Als  ihr  Geburtstag  sich  gejährt, 
Da  kam  sie  fromm,  in  sich  gekehrt, 
Zur  Frühmess*  ohne  Zieren, 
Da  macht*  der  Turm  der  schönen  Cenx 
Die  allertiefste  Reverenz, 
Um  ihr  zu  gratulieren 

O  wehl  o  weh!    Das  war  zu  tieft 
Der  alte  Herr  blieb  krumm  und  schief 
Vor  allzuviel  Ekstase  1 
Nun  harrt  er  einer  reinen  Maid, 
Die  zieht  ihn  nach  der  andern  Seit*, 
Sonst  fallt  er  auf  die  Nase. 

Wohl  kommt  so  manches  Mägdelein 
Und  scheint  gar  fromm  und  tugendrein, 

Und  doch  und  doch  —  —  wie  schade, 

Es  muss  halt  doch  ein  Häklein  han, 
Der  schiefe  Kirchturm  von  Terlan 
Wird  nimmermehr  gerade! 

Albrecht  Graf  Wickenburg. 


's  Dirndl. 

(Ia  oberbayrischer  Mundart) 

^rob'n  auf  der  Alm,  da  hockt  a  Herr, 

Der  kimmt  schier  bis  von  Preussen  her, 
Ausländisch  schaugt  er  si1  scho'  recht. 
Deutsch  kann  er  a  bisl',  aber  schlecht. 

»Nu,  liebe  Frau,  möchf  ich  mir  laben, 
Kann  ich  ein  Töpfchen  Milch  wohl  haben?« 
»»Recht  gern,««  sagt  d*  Sennd'rin,  »»wenn  i's  hart', 
Aber  koa  Frau,  dös  bin  i  net.«« 

»I,  ist  an  Milch  hier  solche  Not? 
Dann,  Fräulein,  jiebt's  wohl  Butterbrot?« 
»»Recht  gern,««  sagt's,  »»wenn  i  nur  oans  hattf, 
Aber  koa  Fräul'n  bin  i  net«« 

»Na,  Jungfrau,  sei'n  Sie  nur  nicht  böse, 
Denn  jiebt*s  doch  wohl  'n  Stückchen  Käse?« 
»»Recht  gern,««  sagt's,  »»wenn  i  nur  oan  hätr\ 
Aber  koa  Jungfrau  bin  i  net«« 


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»Wie  soll  ich  denn  dies  Rätsel  lösen, 
Wer  sind  Sie  denn,  verehrtes  Wesen?« 
»»Herrgott,««  sagt  sie,  »»ist  dös  a  G'walt, 
Wer  wer1  i  sein?  —  a  Dirndl  halt«« 

Karl  Stieler. 

Der  Stotterer. 

Thomas  Hase  musst'  erscheinen 

Bei  dem  Amt  der  Conscribiertenj 
Als  sie  dort  ihn  visitierten, 
Fing  er  an  gar  sehr  zu  weinen, 
Sprechend:  »He  —  Herr  Offizier! 
Ni  —  ni  —  nichts  fe  —  fehlet  mir, 
Aber  sto  —  sto  —  stottern  thu*  ich!« 

Der  versetzte:  »Sei  nur  ruhig, 
Denn  man  braucht  dich  nicht  zum  Sprechen, 
Sondern  nur  zum  Hau'n  und  Stechen!« 
»Aber«  —  sagte  Thomas  weiter  — 
»Wenn  vor  einem  Ze  —  Ze  —  Zelte 
Man  als  Wa  —  Wa  —  Wacht  mich  stellte, 
Und  die  Fei  —  Fei  —  Feindes-Reiter 
Spre  —  spre  —  sprengten  auf  mich  ein, 
Könnt»  ich  nicht  We  —  Werdal  schreib!« 

Lächelnd  sprach  der  Offizier: 
»Das  thut  auch  nichts;  glaube  mir, 
Wenn  die  Wach1  nur  schreien  kann, 
Auf  das  Wort  kommt's  da  nicht  an!« 

Immer  starker  weinte  Hase, 
So,  dass  ihm  die  hellen  Thränen 
Liefen  Ober  Wang*  und  Nase! 
»Ach!  ich  mu  —  muss  noch  erwähnen,« 
Schrie  er,  »se  —  se  —  setzen  wir, 
Ein  Fei  —  Feind  hau  —  haut  nach  mir, 
Oder  sch  —  sch  —  schiesst  sogar, 
O  ich  a  —  a  —  armer  Narr! 
Au  —  au  —  aus  wäVs  mi  —  mit  mir, 
Denn  nicht  sehne  —  sehne  —  schnell  wie  Ihr, 
Könnt*  Pa  —  Pa  —  Pardon  ich  schrei'nl« 

J.  F.  CattelH. 


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Was  soll  ich  meiner  Tante  schenken? 


Jen  sitze  da  in  tiefem  Denken 

Und  sinne  her  und  sinne  hin  — 
»Was  soll  ich  meiner  Tante  schenken  ?t 
Das  geht  mir  immer  durch  den  Sinn. 

Was  wünscht  sie  sich?    War*  ihr  am  Ende 
Erwünscht  ein  grüner  Papagei? 
Ein  Makartbild  als  Zier  der  Wände? 
Ein  Gummibaum?  Ein  Straussenei? 

Wir1  ihr  gedient  mit  einer  Brille? 
Mit  einem  Kopf  des  wilden  Schweins? 
Wünscht  sie  vielleicht  sich  in  der  Stille 
Ein  Oxhoft  alten  Brannteweins  ? 

Soll  ich  Schlittschuhe  für  sie  wählen?  — 
Die  Tante  ist  noch  ziemlich  flink  1  — 
Wie?  oder  ist  mehr  zu  empfehlen 
Was  Plastisches,  gemacht  aus  Zink? 

Würd1  ein  Aquarium  ihr  gefallen? 
Würd*  sie  ein  Deckelglas  erfreu'n? 
Ach,  unter  diesen  Dingen  allen 
Scheint  keins  das  richtige  mir  zu  sein. 

Ich  sitze  da  in  tiefem  Denken 

Und  schaue  sinnend  in  das  Glas  — 

Ei  wasl    Ich  will  ihr  gar  nichts  schenken  1 

Vielleicht  schenkt  mir  die  Tante  was. 

Johannes  Trojan. 

Der  Spukgeist 

^er  alte  Raubgraf  war  ein  Schuft, 

Er  stak  so  tief  in  Sünden, 
Dass  er  in  seiner  Väter  Gruft 
Nicht  Ruhe  konnte  finden. 

Er  spukt  umher  im  ganzen  Schloss 
Des  Nachts  in  allen  Ecken, 
Die  Herrschaft  und  der  Dienertross 
Vergingen  schier  vor  Schrecken. 


Da  hat  sich  einer  aufgemacht, 
Ein  Knappe  keck  und  munter, 
Der  stieg  beherzt  vor  Mitternacht 
Ins  Gruftgewölb'  hinunter, 

Und  stellte  einen  —  Spuknapf  hin. 
Da  endete  das  Grausen, 
Der  Raubgraf  blieb  von  nun  ab  drin 
Und  spukte  nicht  mehr  draussen  .  . . . 

Otto  Sommtrttorft 

Die  Qänsehüterin. 

Pette  Gänse,  gross  und  klein, 
Watscheln  auf  der  Wiese, 
Einwärts  trippelt  hinterdrein 
Die  Zigeunerliese. 

Ach,  sie  weint  gar  bitterlich, 
Senkt  den  Kopf  zur  Erde! 
Ja,  was  hilft's  auch,  wenn  man  sich 
Abplagt  mit  der  Herde! 

Als  sie  an  der  grünen  Heck1 
Ihre  Gänse  zahlte, 

Merkte  sie  —  o  grosser  Schreckt  — 
Dass  die  schönste  fehlte. 

»Weshalb  weinst  Du!«  fragt  sie  dort 
Mild  der  Herr  des  Schlosses. 
»Hu!  —  ein  —  Gans  —  chen  ist  —  mir  fort, 
Hu  ein  schönes  grosses  1 

Welch  ein  Braten  fest  und  fein, 
Wäre  draus  zu  rösten!«  — 
»Nun,  so  will  ich  Dir  verzeihn, 
Magst  Dich,  Kleine,  trösten  1«  — 

»Nutzt  nichts!    Vater  wird  mich  hau'n, 
Denn  er  that  befehlen, 
Grad'  dies  Gänschen  sollt1  ich  schau'a 
Für  uns  wegzustehlen!«  — 

Marie  von  Entert. 


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Frühling. 

Frau  Mutter  Erde  ist  schwer  zu  wecken, 

Drei  Monde  liegt  sie  im  Federbett 
Und  hüllt  sich  bequem  in  schneeige  Decken, 
Als  wenn  sie  nichts  zu  sorgen  hätt\ 

Da  springt  Fräulein  Sonne,  die  treulich  versehen 
Die  ganze  Wirthschaft,  eifrig  heran: 
Madam,  ich  bitte  aufzustehen, 
Besuch  ist  da,  der  Frühling  klopft  an. 

Und  Mütterchen  gähnt  mit  schläfriger  Miene: 
O  weh!  muss  es  denn  wirklich  sein? 
So  bring  mir  mein  Kleid,  du  weisst  schon,  das  grüne, 
Das  mit  den  Blumenstickerei'n. 

Kämm,  aus  dem  Haar  mir  die  welken  Blüten, 
Und  streu  mir  Perlen  ein  von  Thau, 
Gieb  um  den  Hals  ein  goldenes  Kettchen 
Und  an  den  Gürtel  ein  Veilchen  blau« 

Dann  führe  den  Gast  ins  feinste  Zimmer 
Und  knix*  und  sage  voll  Höflichkeit: 
Ich  bitt  schön,  setzen  Sie  sich  immer, 
Die  gnädige  Frau  sind  gleich  so  weit! 

Hannchen  beim  Pfarrer. 

Q  Herr,  des  Nachbars  Valentin, 

Der  stahl  mir  gestern  meinen  Haber, 
Er  stahl  —  ihn  mir,  er  stahl  —  mir  ihn, 
Es  war  nur  eine  handvoll  —  aber  — 

Am  Haber  hing  mein  kleines  Huhn, 
Es  hat  so  gern  an  ihm  geklaubt; 
So  hat  er  mir  den  Haber  nun 
Und  auch  mein  kleines  Huhn  geraubt 

Mein  ganzes  Herz  hing  an  dem  Tier, 
Es  war  so  fett  und  schwarz  wie  Kohlen, 
Jetzt  hat  der  Strolch  das  Hühnchen  mir 
Und  auch  —  mein  ganzes  Herz  gestohlen. 

F.  XL  Roscgrffcr. 


I 

Mm  Schalter. 


jätend  ich  da  jüngst  an  der  Bahnhofskasse, 

—  Telegraphisch  nach  X  ich  berufen  war.  — 
Am  Schalter  vor  mir  ein  junges  Paar. 
»Nach  München  zwei  Karten,  erster  Klasse.« 
Nach  München  1    In  diesem  Augenblick 
Flog  weit  meine  Seele  wie  im  Traum  zurück. 
Und  Bilder  so  bunt  und  mannigfach, 
Sie  wurden  im  Geiste  mir  wieder  wach* 
Ich  sah  ihn  wieder,  den  Frühlingstag! 
Wie  sonnig  die  Stadt  da  vor  mir  lagl 
Sah  wieder  mich  durch  die  Propyläen 
Voll  Staunen  und  Wonne  das  erste  Mal  gehen. 
Wie  damals  möchte  ich  noch  einmal 
Hinein  in  den  alten  Rubenssaal 
Und  schauen  die  blühenden  weissen  Leiber 
Der  prächtigen  Menschen  und  Götterweiber, 
Und  Tizians  erhabne  Majestät, 
Die  noch  so  lebendig  vor  mir  steht, 
Samt  den  Lenbach,  Uhde  und  Gabriel  Max 
Und  dem  lieben  Phantasten  in  der  Gallerie  Schacks. 
Wie  ferne  Musik  umspielts  jetzt  mein  Ohrl 
Ha,  die  flotte  Kapelle  der  Gardes  du  Corps  — 
Den  Einzug  der  Gäste  höV  ich  aufs  neu 
Wie  am  Sommerabend  im  Löwenbräu.  — 


An  die  Isar  gepeitscht  vom  Frühlingssturm, 

An  die  Frühschoppenstund'  am  chinesischen  Turm, 

Unsre  lustigen  Reiterkavalkaden, 

Auf  der  Ludwigsstrasse  die  schmucken  Paraden, 

An  die  Bergbesteigung  im  Frühlingsschnee, 

An  die  wonnigen  Nächte  am  Starnbergersee, 

An  Waldesrauschen  und  Herdengeläute 

Und  tausend  anderes  dachte  ich  heute. 

Auch  jene  Nacht  fiel  wieder  mir  ein, 

Wo  wir  wartend  standen  im  Fackelschein, 

Wie  jauchzten  ihm  unsere  Herzen  zu, 

Dem  herrlichen  Alten  von  Friedrichsruh ! 

Wie  leuchtete  da  ein  Feuermeer 

Die  dkhtgefüllten  Strassen  einherl 

Und  dann  vor  dem  festlichen  Malerhaus, 

Aus  tausend  Kehlen,  welch  Jubelbraus, 

Und  die  warmen  Grüsse  des  alten  Recken, 

Ein  Blumenwerfen  und  Händestreckem. 


Wie  feundlich  strahlte  sein  greises  Gesicht 
In  unsrer  Fackeln  grellblutigem  Licht, 
Und  ein  Hauch  aus  vergangenen  grossen  Zeiten 
Schien  segnend  uns  alle  da  zu  unibreiten. 

Und  weiter  sann  ich  »ich  bitte  den  Herrn 

Dringend,  den  Eingang  nicht  langer  zu  sperren«. 
Ich  fuhr  zusammen  —  verschwunden  der  Traum  1 
Ich  stand  ja  nur  vor  dem  Kassenraum. 
»Eins  dritter  Klasse  nach  Posemuckellc 
Suchend  krümmt  der  Beamte  den  Buckel 
Und  nimmt  vom  alleruntersten  Bord 
Die  staubige  Karte  —  die  erste  —  fort. 
Und  draussen  hör1  ich  den  Schaffner  schrei1»: 
»Zwei  erster  nach  München?    Bitt*,  hier  herein.« 

Heinrich  Stttmcke* 

Denkst  du  noch  .  .  .?  v 

enkst  du  noch  an  jenen  einen 
Wundervollen  Augenblick, 
Da  in  Lachen  und  in  Weinen 
Du  mir  gabst  das  erste  Glück? 

Denkst  du  noch  an  jene  Stunde 
Die  im  ersten  Kuss  verloht, 
Die  wir  lebten  Mund  an  Munde, 
Augen  heiss  und  Wangen  rot?  — 

Denkst  du  noch  an  jene  Tage, 
Die  wir  träumten  Arm  in  Arm? 
All  das  Jauchzen,  all  die  Klage, 
All  die  Wonne,  all  den  Harm? 

Auch  an  jene  Monde  denkst  du, 

Die  uns  flohen  Stunden  gleich?  

Ach,  dein  holdes  Köpfchen  senkst  du, 
Und  dein  kleines  Herz  wird  weich. 

Denkst  auch  noch  an  jene  Jahre, 
Die  du  bliebst  mein  Himmelslicht, 
Schatzchen  mit  dem  Schimmerhaare,  — 
Denkst  du  noch  daran?  —  Ich  nichtl 

Monte  Gftldschmklt 


347 


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„Es  waren  /wei  Königskinder .  • 


em  Röslein  gleich  im  Blumentöpfchen, 
So  sitzt  die  Jungfrau  festgebannt 
Sie  seufzet  bang  —  das  blasse  Köpfchen 
Neigt  sich,  gestützt  von  schmaler  Hand. 

Doch  plötzlich  hebt  sich  mit  dem  Mieder 
Ihr  scharfgeschnittenes  Profil, 
Denn  wagend  naht  der  Jüngling  wieder, 
Den  nie  sein  Wagen  führt  zum  ZieL 

Und  mit  dem  Blicke  seiner  Augen, 
Der  hoffnungslos  zu  wagen  klagt, 
Will  sich  ihr  Blick  zusammensaugen, 
Der,  was  sie  fühlt,  zu  sagen  wagt. 

Ach,  würde  doch  der  Tag  erscheinen, 
Da  ich  mit  Dir  enteilen  dürft*! 
So  sagt  ihr  Aug9,  das  an  dem  seinen 
In  flüchtigem  Verweilen  schlürft 

Jedoch  in  seines  Auges  Blitzen 
Die  Worte  klar  zu  lesen  sind: 
Ach  könnt*  ich  doch  geruhig  sitzen 
An  deiner  Seite,  süsses  Kindt 

So  wiederholt  sich  oftmals  täglich 
Des  Glückes  kurzer  Flammenschein; 
Die  beiden  lieben  sich  unsäglich 
Und  können  nie  beisammen  sein! 

Auf  des  Geschicks  ruhloses  Treiben 
Wirft  dieses  Lied  ein  scharfes  licht: 
Die  Jungfrau  will  nicht  sitzen  bleiben  — 
Der  Jüngling  will's  —  und  darf  es  nicht! 

Wie  Ahasver  der  Wanderjude, 
So  muss  er  schweifen  hin  und  her. 
O  Jungfrau  in  der  Tabaksbude, 
O  armer  Tramwaykondukteur! 

Josef  Willomitstr. 

j» 


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R  scharfer  Zeug'n. 


^elm  G'richt,  da  ham's  zum  Zeug'n  gesagt: 

»Du  warst  dabei  1 
Jetzt  sag's,  wenn  hast  an  Hans  begeg'nt?« 
»»Um  halbe  drei.«c 

»Kunnt's  nit  dreiviertel  gewesen  sein? 

So  sag's  nur  frei  I 
Auf  dös  kimmt  jetzt  dös  ganze  anl«  

»»Um  halbe  dreilcc 

»Ja,  geht  dei'  Uhr  denn  so  akkrat? 

So  b'sinn  di'  nurl« 
»»Ja,€€  sagt  der  Zeug'n,  »»akkrat  geht's  nit, 

I  han  koa  Uhrl 

Mir  hat  mei'  Lebtag  neamand  nie 

No'  koane  g'schenktc« 

»Wie  woass'st  denn  na,  dass's  halbe  war?« 

»»I  hab  mir*s  —  denkt  I«€ 

Karl  Stiel«. 

Von  die  Mohren. 

In  oberbayerischer  Mundart. 

fs  alt  Muatterl  erzählt  grad' 
A  G'schicht'  von  die  Mohr'n, 
Drauf  luust  da  Kla  Seppl 
Und  spitzt  seine  Ohr'n. 

»De  Schwarzen,€  sagt's  Muatterl. 
»De  harn  gar  ka  G'wand, 
De  laf  n,  wo  s*  san, 
Glei  also  umanand! 

Koan  Janker,  koa  Hos'n, 
Koa  Hemad,  koan  Krog'n, 
Koan  Schuah  un  koan  Stieß, 
Nix  siacht  ma's  da  trag'nl« 

Da  schaut  der  klan  Seppl 
Und  fragt  in  sein  Sinn: 
»Wo  thuat  dann  da  Mohr 
Nacher  's  Sacktüachel  hin?« 

Johann  Zell  er. 

■ 

349 


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Kindliche  Unterhaltung. 

In  Frankfurter  Mundart. 


p  ritzchen  rief  zum  Fenster  'naus 

Zu  des  Nachbars  Klärche: 
»Eetschl  mer  kriehn  uff  unser  Haus 
Doch  e  Bellvedeerchel« 

Un  des  Klärche  rief  enuff 

Neidisch  zu  dem  Biebche: 

»Eetschl  mer  kriehn  doch  aach  was  druffl 

Eetschl  und  schawe  Riebchel 

Hat  gesagt  mei'  Vatter  doch 
Ehrscht  vor  e  paar  Dag, 
Dass  e  Hypothek  er  noch 
Uff  des  Haus  jetz*  krägl« 


er  fröhlichste  Knirps  auf  der  ganzen  Welt, 


Der  seine  Sache  auf  nichts  gestellt, 
Ob  alles  sich  dreh  im  Schwünge  — 
Der  immer  kalauert,  singt  und  pfeift 
Und  alles  verzeiht,  weil  er  alles  begreift; 
Ist  unser  Schusterjunge! 

Tagüber  kauert  der  kleine  Wicht 

Im  Keller  bei  dürftigem  Sonnenlicht, 

Putzt  Stiefel  und  schalt  Kartoffel. 

Der  Meister  gerbt  ihm  tüchtig  das  Fell, 

Die  Meisterin  schilt  ihn  —  und  Bursch  und  Gesell, 

Die  nennen  ihn  Stiesel  und  Stoffel. 
• 

Ein  trauriges  Leben  —  getreten,  geduckt; 
Und  manches  heimliche  Thränlein  schluckt 
Der  arme  Bursche  hinunter. 
Sein  Los  ist  so  schwarz  wie  sein  Lederschurz 
Ein  Glück,  dass  der  Jugend  Gedächtnis  so  kurz: 
Im  Nu  ist  sie  fröhlich  und  munter. 

Am  liebsten  besucht  er  Strass  auf  und  ab 
Die  Häuser  der  Kunden  im  Dauertrab, 
Da  fühlt  er  sich  neugeboren. 


Friedrich  Stolie. 


Berliner  Schusterjunge. 


Auf  Plätten  and  Dämmen,  in  Sonne  and  Luft 
Ist  keiner,  der  straflos  ihn  pufft  und  knufft 
Und  Haare  zerzaust  und  Ohren! 

Ein  Stiefelpaar  über  die  Schulter  gehängt, 
So  kommt  er  kühn  um  die  Ecke  geschwenkt, 
Die  Hände  im  Schurzfell  vergraben. 
Stob  blickt  er,  klappernd  im  Holzpantin, 
Als  wollt  er  fragen:  »was  kostet  Berlin? 
Und  schenkt  ihr's,  ich  wollt  es  nicht  haben  lc 

Er  steckt  in  den  Mund  sich  hochentzückt  — 
»Auflese«  ist  es,  vom  Pflaster  gepflückt  — 
Einen  breiten  Cigarrenstummel. 

Der  kohlt  —  doch  das  thut  nichts,  giebt  es  nur  Rauch, 
Ein  Schusterjunge  »kohlte  ja  doch  auch  — 
Und  Qualmen  verschönt  erst  den  Bummel! 

Und  treffen  zwei  Buben  sich  —  welch  eine  Lustl 

Da  wird  manch  Geheimnis  aus  tiefster  Brust 

Enthüllt  mit  wichtigen  Geberden. 

Doch  giebt  es  wo  eine  Rauferei,  — 

Um  selbst  mal  zu  hau'n,  sind  sie  sicher  dabei, 

Statt  vom  Meister  gehau'n  zu  werden. 

Und  geht  es  zwei  Tage  mal  ohne  Geklopf, 
Und  ohne  Ermahnung  auf  Buckel  und  Kopf, 
So  ängstigt  ihn  diese  liebe. 
Dann  denkt  der  Junge  und  wundert  sich: 
Was  hat  nur  der  Meister  gegen  dich? 
Seit  gestern  keine  Hiebe  I 

Riebard  Zoozmann. 


j  Wenn  ich  bidden  derfte. 

^i?eil  seine  Dochter  sich  neilich  verlobt, 
Had  klug  d'r  Bauer  Heintze  gegloobt: 
'  Das  Scheenste,  damit  sei  Gind  ze  erfrei'n 

Das  derfte  an  gennte  sei  Bildnis  blos  sein; 

Drum  fahrt  er  denn  ooch  mit  vergniej liehen  Sinn 

Zun  Fotografieren  nach  Crimmitschau  hin. 

Verlegen,  wie's  eemal  nu  is  seine  Art, 

Fragd  er  druf  den  Ginstier  un  kratzd  sich  den  Bart: 

»Verzeih'n  Se  de  heflichste  Anfrage  mir, 
!  Gann  fotografiert  ich  werden  wohl  hier?c 

8*1 

i 

1       ,   .    .  Digitized  by  Googl 


»Nanu,«  lachd  d'r  Ginstier,  »ich  gäb*  Se  mei  Wort, 
Da  sin  Se  bei  mir  grad*  ahn  richdigen  Ort, 
Ooch  schteht  ganz  uf  Ihrer  Seite  de  Wahl, 
Ob  Brustbild,  ob  Knieschück  —  mir  ist  es  eegal  — 
Un  winschen  Sie  gans  sich  —  de  ganse  Figur  — , 
Ich  nehm1  Sie  ooch  so  ab,  befehlen  Sie  nur  — « 
D'r  Bauer,  der  ward  von  den  Reden  gans  werr 
Un  schtoddert  zerletzt  nor:  »Mei  gudester  Herr, 
Ob's  Knie  gommt  ufs  Bild,  oder  's  gommt  druf  de  Brust 
Das  machen  Se  gans  so  nach  eegener  Lust« 
Ooch  schteh'n  oder  sitzen,  das  machd  mer  nich  Gwal, 
Wie  Ihnen,  so  is  es  ooch  mir  gans  egal, 
Nor  eens  mechf  ich  bidden,  mei  Gudster,  recht  scheen 
—  Ich  weess,  Se  werden  mich  richdig  verschteh'n  — 
Ich  mechte  Se  gerne  —  nu  gäm  Se  hibsch  Acht  — 
Wenn's  nich  gar  zu  grosse  Miehe  Sie  machd, 
Dass  Sie  mer  ufs  Bild  —  nu  bassen  Se  uf  — 
Ooch  noch  mei  Gesichde  brächten  mit  nuf.« 


i 


Das  Droschkenpferd. 


n  einer  Gasse,  eng  und  klein, 
Hielt  jüngst  ein  Droschkenmann, 
Ein  Schusterjunge  kam  des  Wegs 
Mit  Pfeifen  schnell  heran. 

Doch  wie  er  vor  dem  Pferde  steht, 
Macht  er  urplötzlich  Halt, 
Ein  banges  Zittern  überfallt 
Den  Jungen  alsobald. 

Er  dreht  sich  rechts,  er  dreht  sich  links, 
Er  möchte  gern  vorbei, 
Doch  sieht  er  immer  auf  das  Pferd 
Mit  Furcht  und  voller  Scheu. 

»I,  Junge,«  ruft  der  Kutscher  laut, 
»Geh  ruhig  deinen  Strich, 
Mein  Jaul  is  gar  keen  böses  Tier, 
Loof  man,  er  beisst  dir  nichlc 

»Det  Beissen  furchte  ick  ja  nich,« 
Spricht  jener  alsobald, 
»Ick  fürchte  blos  man,  dass  der  Jaul 
Am  Ende  auf  mir  fallt.« 


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Verteidigung. 


(N^ein,  nein,  ich  will's  nicht  glauben, 

Weil  ich  es  schändlich  find', 
Ich  glaub's  nicht,  dass  die  Frauen 
Bekanntlich  grausam  sind. 

Die  Frau'n,  sagt  man,  sind  freilich 
Das  zarte  Geschlecht,  indes 
Sie  lieben  den  sensationellen 
Gift-,  Lust-  and  Raubmordprozess. 

Wenn  noch  gevierteilt  würde, 
So  wären,  um  zuzuschauen, 
Im  weiten  Auditorium 
Weit  über  die  Hälfte  Frau'n. 

Auch  heisst  es,  —  und  jeder  Dichter 
In  Liedern  bestreiten  möcht's,  — 
Es  seien  die  Rabenmütter 
Meist  weiblichen  Geschlechts. 

Doch  ich  muss  protestieren, 
Galant  sein  ist  mir  Gesetz: 
Die  Grausamkeit  der  Frauen 
Ist  nichts  als  dummes  Geschwätz. 

Im  Gegenteil,  die  Frauen 
Sind  gütiger,  als  man  denkt: 
Es  hat  ja  schon  jedem  Menschen 
Ein  Weib  das  Leben  geschenkt. 


De  blinne  Schausterjung'* 

In  plattdeutscher  Mundart. 


Wo  geiht  mi  dit?  Herr  Je,  du  mein! 
Ach,  Meister!  Ick  bün  stockenblind, 
Ick  kann  ok  nich  en  Spirken  seihnlc 
De  Meister  smitt  den  Leisten  weg, 
Hei  smitt  den  Spannreim  in  de  Eck 
Un  löppt  nah  sinen  Jungenchen. 
»Herr  Gott  doch,  Jung!  Wo  is  di  denn?c 
»Ach,  Meister!  Meister!  Kieken  S'  hier! 
Ick  seih  de  Botter  up  't  Brot  nich  mihr!« 


De  Meister  nimmt  dat  Botterbrot, 

Bekikt  dat  nipp  von  vorn  und  hinn'n: 

»So  slag  doch  Gott  den  Düwel  dodl 

Ick  sülwgt  kann  ok  kein  Botter  finn'n. 

Na  täuwU    Hei  geiht  tau  de  Fru  Meistern  hen 

Und  seggt  tau  ehr:  Wat  makst  du  denn? 

Wo  is  hier  Botter  up  dat  Brot? 

Dor  slag  doch  Gott  den  Düwel  dodlc 

»ls  dat  nich  gaud  fbr  so  en  Jungen? 

Ji  sünd  man  all  so  Leckertungen! 

Ji  müggten  Hus  und  Hof  vertehren, 

Un  ick  sali  fingerdick  upsmeeren. 

So  geiht  dat  noch  nich  lost  Prahl  sachtl 

De  Botter  gellt  en  Grösch'ner  achte 

»Ih,  Mutter,  ward  man  nich  glik  bös, 

Hest  du  denn  nich  en  Beten  Kes*?c 

Un  richtig  I  Sei  led  sick  bedüdea 

Und  deiht  den  Jungen  Kes*  upsniden. 

De  Meister  bringt  dat  Brot  nu  herin, 

Giwwt  dat  den  Jungen  hen  un  fröggt, 

Ob  sick  sin  Blindheit  nu  hadd  leggt, 

Un  ob  hei  wedder  seihen  künn. 

»Ja,  Meisteric  seggt  de  Jung*  ganz  swipp, 

»Ja  Meister,  ja!  Ick  seih1  so  nipp, 

As  hadd  'ck  'ne  Brrffl'  up  mine  Näs', 

Ick  seih1  dat  Brot  all  dörch  den  Ke&'.e 

r 

Da  (Jnschuld'ge. 

£|uf  Oberndorf,  da  Pixner-Hias 

Wird  gewiss  scho  sechz'ge  sein, 
Auf  amal  schiasst  dem  alten  Kramp* n 
Das  Heirar*n  no  ein. 

A  Diandl,  frisch  wia  Milch  und  Bluat, 
Hat  er  si  ausgesucht  geschwind, 
A  fesches  Wei',  und  alle  Jahr 
Kriegt's  no  a  kloanes  Kind. 

Z'lezt  kimmt  da  Pfarra  halt  amol 
Am  Pixnerhof  hinauf. 
Er  siacht  die  Bäu'rin  und  kennfs  glei, 
S'  giebt  wieda  bald  a  Tauf. 

354 


»Du  Schlankel«,  sagt  er  d'rauf  zum  Hias, 
»Thust  di  denn  net  schenirn? 
»Jetzt  tragt  dei  Bäu'rin,  meiner  Seel', 
Scho's  fufte  Kind  spazieren  1« 

Da  Hiasl  schaut  recht  deppert  drein, 

Thuat  si  den  Schäd'l  kratz'n: 

»Recht  hab'ns,  Herr  Pfarra,  s'  war'n  bald  gnua, 

»Dö  vielen  kloanen  Fratz'n; 

»Recht  hab'ns,  Herr  Pfarra,  aba  schaun  S', 

»Was  soll  i  than,  i  bitt, 

»I  bin  halt  soviel  wen'g  dahoam, 

»Und  einsperrn  kan  i  's  Weib  do  nit?c 

Adele  Schreiber. 

■ 

Eva. 

ie  Erde  war  nun  fix  im  Rollen, 
Und  alles  stand  an  seinem  Platz, 
Geschaffen  eben  aus  dem  Vollen; 
Vom  Aar  herunter  bis  zum  Spatz, 
Vom  Mastodon  bis  zu  den  Sporen, 
Vom  Elefanten  bis  zur  Maus 
Fühlt  alles  sich  wie  neugeboren 
Und  sah  recht  frisch  und  munter  aus. 
So  tummelte  sich  denn  im  Grünen, 
Was  in  dem  Brehm  beschrieben  steht; 
Nur  Eva  war  noch  nicht  erschienen, 
Sonst  war  die  Schöpfung  ganz  komplet 
Und  um  von  Adam  nun  zu  reden: 
Langst  auf  der  Erde  war  auch  er,  — 
Da  ging  er  um  im  Garten  Eden 
Wie  eine  Schildwach'  hin  und  her. 
Was  hat  er  nur?  Sollt  ihm  was  fehlen? 
Ihm  fehlte  was,  man  sah's  ihm  an. 
Es  schien  ihn  etwas  sehr  zu  quälen, 
Und  hörbar  seufzt  er  dann  und  wann. 
Auch  lacht  er  wohl  zuweilen  bitter, 
Kein  Zweifel  ihn  macht  was  nervös, 
Auf  seiner  Stirn  lag  ein  Gewitter, 
Und  das  brach  endlich  also  los: 

»Wo  bleibt  sie  nur?  Mir  wird  ganz  bange. 
Was  hält  sie  auf?   Es  ist  doch  toll! 


Neugierig  bin  ich  nur,  wie  lange 

Ich  hier  umsonst  noch  warten  soll. 

Sie  ist  nicht  fertig  augenscheinlich. 

Warum  nicht  fertig?   Da  ich  doch 

Langst  auf  dem  Posten  bin.    Wie  peinlich  l 

Es  bringt  mich  zur  Verzweiflung  noch! 

Die  Zeit  will  gar  nicht  von  der  Stelle 

Und  fliesst  doch  sonst  so  eilig  hin, 

Das  Paradies  wird  mir  zur  Hölle, 

So  wahr  der  erste  Mensch  ich  binl« 

Wie  nun  der  Arme,  schon  verzagend, 
Vor  Zorn  kaum  noch  sich  ärgern  kann, 
Da  kommt  sie  endlich  freundlich  fragend: 
»Bin  ich  nicht  pünktlich,  lieber  Mann?« 

So  Eva  in  des  Edens  Garten  — 
Seit  jener  Stunde  aber  Hess 
Gar  manches  Weib  den  Gatten  warten 
Und  meint1,  sie  käme  sehr  präcis. 


Warning. 

In  •chwäbischer 


adle,  Madie,  lass  de  warna 
Vor  der  Liabe,  höV  auf  mi! 
Lass  de  net  von  dear  umgarna, 
Se  ischfs  helle  Gift  für  dilc 

»Muetta,  i  ka  's  fascht  net  glauba, 
Ganget  mehr,  Ui  täuscht  der  Scheil 
's  Küssle  geba  und  's  Küssle  rauba, 
Das  ka  doch  koi  Gift  net  sei!« 

»Madie,  i  han's  seil  erfahra, 
Koi  Gift  greift  so  schreckli  a, 
Und  um  de  vor  Leid  z*  bewahra, 
Nimm  der  an  Exempel  dra!« 

»Muatter,  lant  Ui  ebbes  saga, 
Dui  G' Schicht  sieh'n  i  doch  net  ei; 
Und  hant  Ihr  des  Gift  vertraga, 
Wird's  für  mi  au  z'  stark  net  seil« 


G.  Seuficr. 


Qrüssen  lassen. 


Jjeise  zieht  durch  mein  Gemüt 

Liebliches  Geläute; 
Mittagsglocken-Ton  erklingt 
Hell  von  jeder  Seite. 

Geht  ein  schmucker  Leutenant 
Linden  lang  spazieren, 
Röschen  muss  der  Zufall  ihm 
Grad  entgegen  fuhren. 

Leutnant,  dem  wie  Wasser  sonst 
Redensblumen  spriessen, 
Sagt,  um  doch  nicht  stumm  zu  sein: 
»Fraulein,  soll  Sie  grüssen!« 

»Grössen  mich?«  schön  Röschen  fragt, 
Hemmend  ihre  Schritte, 
»Wer  hat  meiner  wohl  gedacht? 
Sprechen  Sie,  ich  bitte  1« 

»Fräulein«,  sagt  der  Leutenant, 
Schlenkernd  seine  Beine, 
»Wer  galant  Sie  grüssen  lässt? 
Nun  denn:  Heinrich  Heine.« 

»Heinrich  Heine?  Wenn  ich  nur 
Recht  verstanden  habet 
Heinrich  Heine,  werter  Herr, 
Ruht  ja  längst  im  Gräbel« 

Seines  Schnurrbarts  Spitzen  dreht 
Leutenant  gewichtig, 
Und  sagt  dann  voll  Majestät: 
»Fräulein,  das  ist  richtig. 

Doch  er  sagt  in  einem  Lied, 
Einem  zarten,  süssen: 
Wenn  Du  eine  Rose  siehst, 
Sag*,  ich  lass  sie  grüssen!«  — 

Emil  Barthel 


357 


Vom  Weingenie. 


Viri  Galilaei,  quid  statis  aspicientec 

in  coelum. 


Wer  hat's  uns  kund  gethan? 
Der  alte  Galilei, 
Der  hat  den  Fund  gethan. 

Er  hatte  dreissig  Jahre 
Gegrübelt  Tag  und  Nacht, 
Zerwühlt  sich  Bart  und  Haare 
Und  nichts  herausgebracht 

Da  sprach  er  eines  Tages: 
Nun  hab*  ich's  gründlich  satt; 
Ich  gehe  in  ein  Wirtshaus, 
Wo's  gute  Weine  hat! 

Die  dummen  Telescope, 
Die  widern  längst  mich  anl 
Was  helfen  auch  die  Gläser, 
Draus  man  nicht  trinken  kann  ?  • « . 

Der  Wein  war  klar  und  golden, 
Und  sänftlich  ging  er  ein; 
Der  Alte  sprach:  mich  dünket, 
Das  ist  Kometenwein. 

Noch  eine  volle  Flasche, 
Herr  Wirt,  so's  euch  genehm; 
Mit  Eins  kann  man  nicht  rechnen, 
Der  Mensch  klebt  am  System  I 

Und  nach  der  zweiten  Flasche, 
Da  kam  ihm  so  was  bei, 
Als  wenn  es  mit  der  Erde 
Nicht  ganz  geheuer  sei. 

Und  aber  nach  der  dritten, 
Da  ward  ihm  völlig  klar, 
Wie  wacklig,  unbestritten, 
Sein  ganzer  Standpunkt  war. 

Hinaus  zur  Thüre  schwankt'  er, 
Und  auf  dem  Markt  er  stund,  — 
Da  drehte  sich  die  Erde 
Mit  ihm  im  Kreise  rund, 


Und  Turm  und  Häuser  flogen,  — 
Da  rief  er  jubelnd  aus: 
Hurrah  1  die  Erde  dreht  sich! 
Nun  hab'  ich's  endlich  'raus! 

Draus,  Brüderlein,  ergründet 
Den  Wert  der  Empirie, 
Und  wie  im  Wein  sich  kündet 
Das  schlummernde  Geniel 

Richard  Leander 


Ein  Schul -Examen. 

Jn  einem  Dorf  in  Sachsen  war 

Schulprüfung,  wie  noch  jedes  Jahr: 
Zu  des  Schulmeisters  Qual  und  Pein 
Fand  sich  der  Schulrat  pünktlich  ein; 
Er  fraget  hin,  er  fraget  her 
Und  fand,  die  Jungen  wussten  mehr, 
Als  er  —  sich  liess  vermuten, 
Das  stimmt  ihn  nur  zum  Guten. 
Nur  eins  missfiel  ihm  in  der  That, 
Die  Kleinen  sprachen  alle  platt, 
Wie  es  im  Dorfe  grade  Brauch; 
So  fragt  er  unter  anderm  auch: 
»Du  dort  am  Fenster,  sage  mir, 
»Was  ist  denn  das  wohl  für  ein  Her, 
»Das  an  den  Pfahl  gebunden  ist 
»Und  dort  im  Grase  satt  sich  frisst?« 
Der  Knabe  schaut  durchs  Fenster  'raus 
Und  ruft  mit  kraffger  Stimme  aus: 
»Sie  denken  wohl,  das  weess  ich  nich? 
»Das  is'  ne  Zicke  lc    »Noch  einmal,  sprich, 
»Sprich  hochdeutsch,  wenn  der  Rat  dich  fragt, 
»Du  hast  es  richtig  sonst  gesagt.  1«  — 
»Nu  's  is  'ne  Zickel  —  Wersch  doch  wissen, 
»Se  hat  mich  oft  ins  Gras  geschmissen.« 
»Du  Nachbar  mit  der  Zipfelmütze, 
»Wie  heisst  du?«  —  »Rippel  Fritze!«  — 
»Gut!  Rippel  Fritze,  sag'  du  mir, 
»Wie  nennst  du  hochdeutsch  jenes  Tier?« 
»'ne  Zicke!«  drauf  wie  nicht  gescheit 
Der  kleine  dicke  Bengel  schreit 


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»Sprichst  du  mit  Michel,  eurem  Knecht, 

»Mein  lieber  Sohn,  so  hast  du  recht, 

»Doch  wenn  der  Schulrat  dich  thut  fragen, 

»Musst  du  es  richtig  hochdeutsch  sagen. c 

»'ne  Zickel  andersch  weess  ich's  nich.€ 

Der  Rat  verbeisst  das  Lachen  sich, 

Fragt  weiter,  jeder  bleibt  dabei, 

Dass  das  Tier  eine  Zicke  sei. 

Da  stürzt  in  der  Verzweifelung, 

Der  Schulmeister  mit  einem  Sprung 

Zum  Fenster  hin,  brummt  in  den  Bart? 

»Das  is  ooch  'ne  kuriose  Art, 

»Was  der  nur  will,  ich  weess  es  dock, 

»Mer  han  in  Dorf  gar  keenen  Bock; 

»Ich  lass  mich  nich  ins  Bockshorn  jagen, 

»Ich  wüTn  schunt  de  Antwort  sagen.« 

Drauf  stellt  er  sich  in  Position 

Und  spricht:  »Herr  Ratl  —  Mit  Permission l 

»Sie  mach'n  die  Kinder  mäuseldratig, 

»Zur  Antwort  bin  ooch  ich  erbötig, 

»Sie  mee'n:  dass  mer  uns  recht  verstehn, 

»Das  Tier,  was  mer  da  fressen  sehn?« 

»Ja!«  —  »Und  bricht  mersch  ooch's  Genicke,  « 

»'s  is  werklich  eene  Zickel«  — 

Ludwig  Mensel 

Der  Ehe  Bänkellied, 

Qeim  Sonntagskaffee  reckte  sich 

Die  Mutter  und  sprach  feierlich 
Zum  Vater:  „Höre,  lieber  Mann, 
Dieweil  du  selbst  nicht  denkst  daran, 
So  sage  ich  es  klipp  und  klar, 
Regine  ist  jetzt  20  Jahr, 

Also! 

„Ach",  sprach  der  Vater  weich  und  lind, 

„Regine  ist  ja  noch  ein  Kind, 

Ich  kann  mich  nicht  dazu  verstehen, 

Sie  als  erwachsen  anzuseh'nl 

Und  dann'4  —  jetzt  sprach  er  wen'ger  mild  — 

„Die  Freier  wachsen  doch  nicht  wild, 

Also!" 

360 


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Ich  weiss,  dass  in  der  schlechten  Welt 
'ne  Heirat  täglich  schwerer  fällt/4 
Erwiderte  die  Mutter  drauf, 
„Und  gerade  darum  pass'  ich  auf. 
Von  Meyers  ist  der  Sohn  zurück, 
Man  sagt  er  hatte  grosses  Glück, 

Also! 

Du  ladest  ihn  noch  heute  ein, 
Dann  lass  es  meine  Sache  sein; 
Regine  zieht  das  Weisse  an 
Und  spielt  ihre  Sonate  dann; 
Zum  Kuchen,  den  Regine  bäckt, 
Spendierst  du  eine  Flasche  Sekt, 

Also!" 

Der  Vater  ging  —  der  Meyer  kam, 
Alles  verlief  nach  dem  Programm. 
Regine  in  dem  weissen  Kleid 
Schlug  das  Klavier  geraume  Zeit, 
Und  auch  der  Kuchen  und  der  Sekt 
Haben  Herrn  Meyer  wohlgeschmeckt, 

Also! 

Man  sah  sich  oftmals  wieder  dann, 
Zu  Hause  und  im  Restaurant, 
Traf  zufällig  sich  überall, 
In  den  Theatern,  auf  dem  Ball; 
Auch  hörte  Meyer  nebenbei, 
Wie  klug  und  sparsam  Gine  sein, 

Also! 

Drum,  eh'  zwei  Wochen  noch  ins  Land, 
Warb  Meyer  um  Regines  Hand; 
Sie  sagte  „ja44  und  wurde  Braut, 
Sie  hatte  alles  längst  durchschaut, 
Er  hatte  ihr  auch  gleich  gefallen, 
Er  war  der  nett'ste  noch  von  allen, 

Also  I 

So  kam  die  feierliche  Feier, 
Bei  der  Regine  ward  Frau  Meyer, 
Wo  man  in  Wehmut  schluchzen  sah 
Und  auch  in  Freude  die  Mama, 
Wo  man  in  Carmen  meterlang, 
Neckisch  das  junge  Paar  besang, 

Also! 

361 


„Nur  wie  Meyer  möcht'  ich  leben, 
Schöner  Liebespflicht  ergeben!" 
Sang  berauscht  im  Kreise  man, 
Bis  der  schöne  Tag  verrann, 
Und  als  der  Mond  am  Himmel  stand, 
Das  junge  Ehepaar  verschwand, 

Also! 


Alice  Bcrcnd. 


4 


Verzeichnis  der  dichter. 


Aar,  Alexis 

Soldaten  kommen . 
Studententraum 

Adler,  Friedrich 
Galopp  .... 
Mein  Nachbar  .  . 


Seite 

.  135 
•  137 

.  148 
.  289 


Alberti  (Albert),  Heinrich 
(1604— 1639) 
Das  deutsche  Mädchen  116 


Alberti,  Conrad 
Berliner  Zigeuner  . 


226 


Amyntor,  Gerhard  von 

Die  öffentliche  Meinung  181 
Der  Floh  und  der  Riese  199 

Anzengruber,  Ludwig 
Die    Spinnen    und  die 
Fliegen  254 


Barsch,  Paul 

Begegnung  .... 
Vagabunden  .  .  . 
Neid  

Barthel,  Emil 

Grüssen  lassen .    .  . 

Bauernfeld,  Ed.  von 
Bettlerlied  .... 
Der  kranke  Löwe.  . 

Baumbach,  Rudolf 
Nausikaa  ..... 
Das  Stelldichein   .  . 
Liebchen  .... 
Jeder  nach  seiner  Art 


.  219 
.  220 
.  221 

•  357 

.  214 
.  238 


.  8 
.  23 
.  27 
.  in 


Seite 

Das  Geheimnis  .  .  .117 
Der  alte  und  der  junge 

Hase  239 

Tempora  mutantur  .  .257 
Der  Ritter  und  die  Nixen  330 


Beck,  Karl 

Liebst  du  mich? 


67 


Beetschen,  Alfred 

Wenn  ich  zwei  Flügel  hätt'  90 
Kinderglaube    .    .    .  .336 

Bellmann,  C.  M. 
Nota  benel  .    .  *  .  . 


Berend,  Alice 

Eine  kleine  Ballade  . 
Moderner  Dichterling 
Der  Backfisch  .  .  . 
Der  Ehe  Bänkellied  . 


101 


39 
212 

213 
360 


Bern,  Maximilian 

Warum?  56 

Kritik  der  Weltschöpfung  175 
Das  unheimliche  Wesen  193 
Arme  Natur!  .  .  .  .199 
Entwicklungs-Grenze.  .  203 
Vagantenlied  .  .  .  .219 
Auf  totem  Geleise     .    .  293 


Bernstein,  Max 
Die  böse  Grethe 


.  278 


Blomberg,  Hugo  Frhr.  von 
Nächtliche  Wanderung  .  301 

Bodenstedt,  Friedrich  von 
Schein  und  Wesen    .  .175 
Frauenlogik  180 


263 


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Seite 

Bodman,  Emanuel  Frhr.  v. 
Die  Tänzerin    ....  5 

Boelitz,  Martin 

Bai  pare"  .11 

Hochzeit  32 

Spielmannslied  .  .  .  .  1 1 1 
Engagiert  231 

Boie,  Heinr.  Christian 
(1744— 1806) 
Rosette  83 

Bormann,  Edwin 
Der  fünfte  Akt     .  . 


Brau  mann,  Friedrich 
Die  Wasserleiche  .    .  . 

Brennert,  Hans 

Das  Ueberlied  .  .  .  . 
Die  Asphaltblume      .  . 

Bürger, Gottfr.  Aug.  (1747 
bis  1794) 
Schön  Suschen .... 

Minnesold  

Mein  frommes  Mädchen 
Der  Hund  aus  der  Pfennig- 
schenke   

Busse-Palma,  Georg 
Mit  den  Schwalben   .  . 

Castelli,  J.  F. 
Der  Stotterer  .    .  . 


189 

269 

2 
30 


11 
66 
82 

258 
219 

342 


222 
224 
229 


Christen,  Ada 

Vagabundenlieder  .  . 
Not  

Die  Kunstreiterin  .    .    .  ... 

Haltlos   231 

Mene  Tekel  .    .    .    !    .  281 

Ein  Balg   288 

Ein  Brief   3x3 

Claar,  Emil 

Im  Vorübergehn  .    .  .132 

Conrad,  Michael  Georg 

Kirchweih  auf  dem  Dorf  143 
Zigeunerliebe   .    .    .  .221 

Cotta,  Johannes 

MusikalischeNachbarschaft  24 

Der  Spiegel  166 

Kusshunger  324 


Seite 

Dach,  Simon  (1605 — I^S9) 
Es  stünde  auf  der  Erden  49 

Daudert,  Ernst  Wilh. 

Modern  22 

Daumer,  Friedrich 

Komm,  falsche  Dirne    .  96 

David,  J.  J. 

Meine  Nachbarin  ...  40 
Absynth  225 

Dingelstedt,  Franz  von 
Wanderleben    ....  68 
Wie  lieb  ich  es,  wenn 

ich  im  Wagen  .  . 
Mutter  und  Sohn  .  . 


133 
304 


53 
70 

77 


Dörmann,  Felix 

Vergeblich  .... 
Mein  Herz  ist  tot.  . 
Mir  ist  es  gleich! 

Ich  weiss  85 

Schneeflocke     .    .    .    ,  n6 

Dohm,  Ernst 

Das  Droschkenpferd  . 


352 


121 


144 


10: 


Donath,  Adolph 

Ein  Künstlerlied   .    .  . 

Dreves,  Lebrecht 

Aufforderung  .... 

Eckstein,  Ernst 

Der  böse  Keim    .    .  . 

Eichendorff,  Joseph  von 
(1788-1857) 
Die  Nachtigallen  .    .  . 

Einsam,  Karl 

Schusters  Töchterlein 

Ernest,  Marie  von 

Die  Gänsehüterin  ...  344 

Evers,  Franz 

Eine  Rose  74 

Eysler,  Robert 

Dieb  und  Dirne  .  .  .178 
Die  Modepuppe    .    .  .179 

Faktor,  Emil 

Der  Kuss  62 

Des  Sultans  Dank     .    .  263 


57 


120 


364 


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Seite 

Fischer,  Joh.  Georg 

Unergründlich  ....  50 
Ein  Erwachen  .    .    .    .  87 

Fitger,  Arthur 

Die  Hexe  130 

Theosophie  177 

Flemming,  Paul  (1609  bis 


1640) 

Ein  getreues  Herze  .  .  73 
Kusslied  85 

Fontane,  Theodor 

Publikum  182 

Die  arme  Else  .    .    .   .  267 

Frey,  Justus  (1799 — 1878) 
Mahnung  125 

Fritz,  S. 

Unbelehrt   59 

Die  Kokette     ....  71 

Klage   108 


Der  Herr  von  Ueberall  .  134 
Die  göttliche  Liebe  .  .160 

Fröhlich,  Abrah.  Eman. 


(x  796—1865) 

Ellengrösse  242 

Versorgung  245 

Fuchs,  Reinhold 

Guter  Rat   186 

Der  alte  Streber  an  seinen 

Sohn   1 94 

Fulda,  Ludwig 

Klatsch-Hymnus    .    .  .334 

Geibel,  Emanuel 

Lied     eines  fahrenden 
Schülers  126 


Gilm,  Hermann  von 

Der  Schmetterling  .  .  5 
Immer  heiter  ....  42 
Das  Fehlende  .  .  .  .104 
La  renomm6e  .  .  .  .115 
Der  braune  Hirtenknab  .  1 23 
Die  Schlange  .  .  .  .158 
Er  sagte  jüngst  .  .  .  202 
Der  Kater  251 

Ginzkey,  Franz  Karl 
Die  Wahrheit  .    .    .  .113 


Seite 

Das  Schiff  262 

Die  beiden  Töchter  .  .291 

Glassbrenner,  Adolf 

Die  Ruinen  211 

Der  Adelige     .    .    .  .212 

Gleim,   J.  W.  L.  (1719 
bis  1803) 

Die  Pilger  81 

Lebenslust  122 


Goeckingk,  L.  F.  G.  von 
(1748— 1828) 
Die  Predigt  am  Magda- 


lenentage   339 

Goethe,  Joh.  Wolfg.  von 

Christel   63 

Brautnacht   108 


Goetz,   Joh.   Nie.  (1721 
bis  1781) 
Von  der  Freude   .    .  .113 

Goldschmidt,  Moritz 

Denkst  du  noch?  .    .    .  347 

Gotter,  Friedr.Wilh.(i746 
bis  1796) 
Beruf  zur  Liebe  SS 

Unbefangen  100 

Laura  •  114 

Greflinger,Georg(f  1677) 
Der  Ehehasser.    ...  98 
Aufmunterung  .    .    .  .106 
Seladons  Armut    .    .  .125 

Greif,  Martin 

Wanderschaft  .  .  .  .224 
Falter  und  Rosen  .    .    .  260 

Grillparzer,  Franz 

Consilium  Medicum  .  .191 
Das  Fest  im  Kuhstall  .  208 
Internationale  Rauferei  .  210 
Diplomatischer  Rat  .  .  239 
Sprachenkampf.    .    .    .  240 

Grisebach,  Eduard 

Jungfräulich  64 

Feil  hat  sie  Rettich  und 
Rapunzeln    ....  94 


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Seite 

Grünig,    Heinrich  (1781 
bis  1846) 
Das  Schundrücken    .  .120 

Grünwald  -  Zerkowitz  , 
Sidonie 

Möcht  dir  gefallen  .  .  87 
Gieb  acht!  91 

Günther,  Joh.  Christian 
(1695— 1723) 
Der  Geliebten  ....  92 

In  Ewigkeit  94 

Lebensgenuss  .    .    .  .109 

Hagedorn,  Friedr.  von 

(1708— 1754) 
Der  Wunsch    ....  97 

Hamel,  Richard 

Der  alte  Steinschläger  .  279 

Hamerling,  Robert 

Die  schönsten  Reime    .  60 

Hamle,  Christian  von 
(13.  Jahrh.) 
Liebeslust  52 

II  artleben,  Otto  Erich 

Ein  Sehnen  97 

Das  Konfirmationskleid  .  294 

Haug,  Joh.  Chr.  Friedr. 
(1761 — 1829) 
Amors  Klage   .    .    .    •  91 
Die  Fledermaus    .    .    .  250 

Hausmann,  Otto 

Der  Scherenschleifer .  .  20 
Lachtäub  chen  .    .    .  .110 

Ins  Reine  241 

Klippklapp  .....  292 

Hebbel,  Friedrich 

Schau*  ich  in  die  tiefste 
Ferne  307 

Heine,  Heinrich 

Ein  Weib  19 

Lied  der  Marketenderin  50 
Diese  schönen  Glieder- 
massen  93 

Am  Theetisch  .    .    .  .122 


Seite 

Guter  Rat  180 

Duelle  243 

Heller,  Leo 

Das  schuldige  Fräulein  .  10 

Im  Spital  iS 

Ein  Steckbrief  ....  81 

Der  Tanz  144 

Frau  Josephin'  .  .  .  .272 
Das  Elend  287 

Heymel,  Alfred  Walter 

Bestellung  38 

Heyse,  Paul 

Siesta  72 

Vogelscheuche ....  242 

Hindersin,  Friedrich  von 
Unter  der  Linde   .    .    .  13 

Liebesnacht  69 

Krähenspott     .    .    .  .101 

Dideldum  143 

Der  Vagabund.    .    .  .215 

Hirsch,  Rud.  Joh. 

Letztes  Bedürfnis  .    .    .  159 

Hochstetter,  Gustav 

Gesellschaft  196 

Der  Hase  und  die  Katze  237 
Halensee  252 

Hoe  rmann.  Ludwig  von 
Stelldichein  53 

Hoffmann,  Max 

Madame  Potiphar  ...  1 
Liebesmacht     ...  .31 

Satans  List  192 

Geld  verdienen    .    .  .299 

Hoffmann  von  Fallers- 
leben, Heinr. 
Der  Spittelleute  Klagelied  124 

Holm,  Kurt 

Verhalten  79 

Das  bist  du?    ....  86 

Holtei,  Karl  von 

Gassenhauer     ....  99 

Jacobi,  Joh.  Georg  (1740 
bis  18 14) 


366 


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> 


Auftrag   .  . 
Der  Sommertag 
Sehnsucht    .  . 

Janitschek,  Maria 
Die  alte  Jungfer 

Jensen,  Wilhelm 
Eines  .... 


Seite 
70 

,  di 
320 
197 


Jordan,  Wilhelm 
Im  Konzertsaal     .    .  .163 


Kästner,  Abrah,  Gotthelf 
(17 19— -1800) 
Der   Gärtner    und  der 
Schmetterling    .    .    .  264 

Kerner,    Justinus  (1786 
bis  1862) 
Spindelmanns  Recension 
der  Gegend  .    .    .  .184 

Kindt,  Otto 
Hinter  den  Kulissen  .  .198 
Moritura  .    .    .    .    •  »3*5 

Koch,  Maidy 
O  da ss  ich  einmal  noch  89 
Lied  90 

Kopisch,  August 
Historie  von  Noah    .    .  28 

Kre tschmann,  K.  F. 
(1738— 1809) 
Der  Witwer.    ....  325 

Kürenberg,  der  von 
(ca.  1 1 50) 
Lied  94 

Kurz,  Isolde 
Beichte  .21 

Lang,  Georg 

Am  Kreuzweg  ....  36 

Langbein,  A.F.  E.  (1759 

bis  1835) 
Der  Kusshandel    ...  25 
Die  Wachtel    und  ihre 
Kinder  240 

Leander,  Richard 

Die  giftige  Blume  ...  6 


Mein  Lieb 
Frühlingslied 
Recensenten 
Eigene  Grösse  . 
Herr  im  Hause 
Vom  Weingeoie 


Seite 
52 

183 
251 
322 

358 


Lenngren,  Anna  Maria 
Der  Besuch  der  Gräfin  .  208 


Leo,  Friedrich  August 
Unsterblichkeit .    .  . 


192 


Leo,  Witold 
Der  Mond  als  Liebes- 
postillon  197 

Leusser,  J. 

Geheimnis   74 

Zweierlei   102 

Die  Ehre  hüte  allezeit  .  126 

Leuthold,  Heinrich 

Die  Wurzel  des  Uebels .  66 

Lied   109 

Tanzlied   146 

Levetzow,  Karl  Freiherr  v. 
Mesalliance  151 

Lienhard,  Fritz 

Zigeunerlied     .    .    .  .230 

Lindner,  Anton 

Frau  Sehnsucht  ...  43 
Hochzeitlich  Lied  ...  96 

Frühling  119 

Das  Gelöbnis  ....  264 

Lingen,  Thekla 

Guter  Rat  .... 


106 


Lingg,  Hermann 

Sie  geht  in  aller  Frühe.  102 
Das  Krokodil  zu  Singapur  138 

Lorm,  Hieronymus 
Fromme  Bücher   .  . 


Ludwig,  Otto 
Herz  im  Wege. 


213 


52 


Mackay,  John  Henry 

Abendlicbt  273 


Mahlmann,  S.  Aug.  (1 77 1 
bis  1826) 
Eine  gute  Nacht  .    .  . 


56 


367 


d  by  Googl 


Seite 

Marco,  L. 

Beinahe  gerüstet  .  . 

.  162 

nucnsic  rvuiornai  ,  . 

•  101 

Treue   

.  326 

i>i  u  r  g    r  a  1 1,  nerinann 

Letzte  Beichte  .    .  . 

.  302 

Marty,  Maria 

Aber  sie  lacht  .    .  . 

.  IO 

Mayer,  Karl 

Selbstbeherrschung  . 

Spatz  und  Spätzin 

•  244 

Mayer,  Karl  Leopold 

Die  alte  Lehrerin  . 

21 

Soldatenliedchen  .  . 

•  29 

•  50 

Menzel,  Wolf g.  (1798  bis 
1873) 

Zur  Rosenzeit  ....  91 

Menzel,  Ludwig 

Ein  Schulexamen  .    .  .359 

Meyer,  Alfred  Richard 

In  der  Sommernacht.    .  118 


Meyer,  Conr.  Ferd. 
Am  Himmelstor  . 


103 


Michaelis,  Joh.  Benj. 

(1746-1772) 
Schlummerlied  für  manche 
Schöne  104 

Miegel,  Agnes 

Chronik  19 

Das  Begräbnis  ....  309 

Milow,  Stephan 

Im  Strafhause  ....  285 

Möller,  Marx 

Der  Geiger  278 

Moszkowski,  Alexander 
Der  erste  Kuss     .    .  .117 

Müller,  Wühelm 

Ausforderung    .    .    .  .103 

Odern,  M. 

Berliner  Nachtstück  .    .  289 

Oestlren,  Friedr. 
Werner  van 
Meer-Pflicht  235 


Rencontre  .  .  . 
Beim  Spiele .  .  . 
Erziehungsresultate 


243 

25< 
2S1 


O  m  p  t  e  d  a,  Georg  Frhr.  von 
Die  Uhr  28 

Opitz   von  Boberfeld, 
Martin  (1597 — 1639) 
Ich  liebe  meine  Schäferin  75 
Eile  der  Liebe  ....  80 


Ostini,  F.  v. 
Ah  —  Bah! 


.  16 


Pfau,  Ludwig 

Der  verliebte  Kutscher  .  65 

Philister  169 

Kompensationen  .  .  .172 
Kritikaster  183 

Pfeffel,  G.  0.(1736-1809) 

Frage  184 

Das  Johanniswürmchen  .  256 
Der  Fakir  261 

Pichler,  Adolf 

Warnung  100 

P  o  s  c  h  i  n  g  e  r,  Heriberta  von 
Das  Nest  77 

Presber,  Rudolf 

Die  kleine  Lampe  .  .  2 
Es  waren  drei  junge  Leute  1 6 
Das  Hexchen  ....  26 
Gekrönte  Liebe    ...  41 

Zweifel  47 

Wie  lange  noch?  ...  71 

Märzsonne  113 

Brennende  Liebe  .  .  .128 
Kommerzienrats  sind  in 

der  Loge  160 

Noch  einmal!  ....  190 
Auferstehung  ....  204 
Ein  Idyll  327 

Prutz,  Robert  Ed. 

Tanzlied  145 

Pserhofer,  Arthur 

Mein  Pech  48 

Hunger  und  Durst  .  .61 
Frauentypen  .  .  .  .164 
Die  Naive  184 

Puttkamer,  Alberta  von 
Eine  Verlorene     ...  31 


368 


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Seite 

Zigeunerglück  .  .  .  .227 
Strassenscene   .    .    .  .270 

Reder,  Heinr.  von 


Zigeuner  228 

Reichard,  Aug.  Ottokar 
(geb.  1751) 
Sie  93 


Reichel,  Eugen 

Nachtidyll  38 

Rem  er,  Paul 
Ach,  wenn  es  nun  die 
Mutter  wüsst'    ...  54 

Reuter,  Fritz 

Derblinne  Schausterjung'  353 

Robert,  Ludwig  (1779  bis 
1832) 

Publikum  182 

Talent  186 

Rohrscheidt,  Kurt  von 
Das  Lied   vom  welken 
Herzen  102 

Koos,  Richard 

Frage  159 

Roquette,  Otto 

Der  Wanderlump  .    .  .217 

Rosegger,  P.  K. 

Hannchen  beim  Pfarrer  .  345 

Riickert,  Friedrich 

Wenn  die  Vöglein  sich 
gepaart  126 


Salle t,  Friedr.  von  (1812 


bis  1843) 
Ein  harmloses  Rätsel     .  173 

Salus,  Hugo 

Die  Aehren  40 

Schaff  er,  Heinrich 

Konkurrenz  15 

Das  Herz  am  Rheine  .  59 
Unterschiede    .    .    .  .115 

Eilig  123 

Abgeblitzt  134 

Das  Heilserum.    .    .  .138 


Seite 


Das  Muster-Exemplar    .  172 
Die  Einwirkung  der  Dicht- 
kunst  187 

Mythologische  Enthüllun- 
gen  338 

Schanz,  Frida 

Gleichnis  245 


Schaumberg,  Georg 

Göttin  Barmherzigkeit  .  14 

Aschermittwoch    .    .  195 

Der  Zuchthäusler  .    .  .275 

Nach  der  Redoute    .  .284 

Schaumberger,  Julius 

>Es  war  halt  wieder  nix!«  271 

Scheffel,  Victor  von 

Verzaubert  60 

Hering  und  Auster  .  -132 
Der  Ichthyosaurus     .  .136 

Jonas  140 

Dörpertanzweise    .    .  .147 

Schlegel,  Joh.  Elias  (1718 
bis  1749) 
Meine  Liebe    ....  60 

Schreiber,  Adele 

Dirnenlied  84 

Des  Dichters  Muse  .  .  293 
Da  Unschuld'ge    .    .  .354 

Schrutz,  Demetrius 

Das  braune  Mädel  .  .  44 
Der  Garten  53 

Schultes,  Carl 

Das  macht  die  Liebe    .  58 

Seidel,  Heinrich 

Der  Gimpel  .....  202 
Das  Infusorium     .    .  .255 
Die  Musik    der  armen 
Leute  297 

Seidl,  Franz  Xaver 


Armenball   281 

Sergel,  Albert 

Eine  Verlorene     .    .    .  19 

Tanzlied   148 

Laster    300 

Seuffer,  G. 

Warning   356 

369  24 


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Siebel,  Karl 


Somraerstorff,  Otto 
's  Marterl    .  . 
Liebes-Idyll  .  . 
Der  Spukgeist  . 

Spandow,  Frida 
Na  ja!  ... 
Ehefreuden 
Schwüle  .    .  . 
Fatum     .    .  . 


Stein  wand,  Fercher 
Fragen    .    .  . 


Sternberg,  Leo 

Sie  

Der  Haifisch 

Stettenheim,  Julius 
Gustchen .  . 
Verteidigung 
Eva    ...  . 


von 


Stieler,  Karl 
Dereinst  .    .  . 
Im  Dialekt  .  . 
s'  Dirndl     .  . 
A  scharfer  Zeugen 

Storm,  Theodor 
Sommermittag  . 


Stubenberg,  Joh.  Wilh 
von  (1631 — 1688) 
Vom  Tanz  .... 


Stümcke,  Heinrich 
Paraphrase  .    .  , 
Am  Schalter     .  . 


Seite 

303 

327 
338 
343 

9 
44 

67 
89 

232 

98 
336 

I3i 

353 
355 

69 
328 

34i 
349 

13 


141 

83 
346 


Sturm,  August 

Der  kluge  Peter  .  .  .112 
Auf  der  Höhe  der  Saison  162 
Tod  den  Philistern!  .  .170 

Irrtum  186 

Gesegnete  Mahlzeit  .    .  270 

Sturm,  Julius 

Motten   237 

Zwei  Gänse   245 

Der  kranke  Schreiber    .  291 

Sydow,  Max 

Sommernacht    ....  56 


Seit« 

Tacchi,  Gisa 

Brettl-Diva  .....  7 

Rote  Hexe  37 

Hingebung  69 

Bedingungsweise   .    .  .105 

Teniers,  Alfred 

Die  Lieder  der  Fleurette  54 
Rosenverkanf  ....  63 
Au 8  der  Halbwelt .  .  .73 
Der  Rosenstrauch.    .  .119 

Trojan,  Johannes 

Zum  Vogelschutz  .  .  .157 
Börsen-Romantik  .    .  .158 

Skat  174 

Das  verzweifelte  Flaschen- 
kind  201 

Im  Bureau  276 

Güstens  Brief  an  die  Herr- 
schaft  332 

Der  Mädchenwechsel .    .  337 
Was  soll  ich  meiner  Tante 
schenken?     ....  343 

Uhland,  Ludwig 

Auf  einen  verhungerten 
Dichter  188 

Ungenannte  Autoren 

Der  Ungetreue ....  62 

Unendlich  74 

Die  Ehre  hüte  allezeit!  .  126 
Die  Vielgeliebte  .  .  .129 
Die  Hofequipage  .  .  .168 
Frühling  345 

Ungern-Sternberg,  AI. 
Frhr.  von 
Junggeselle     ....  107 

Unzer,  Johanne  Charlotte 
(1722— 1782) 
Bacchus  138 

Uz,  Joh.  Peter  (1720  bis 
1796) 

Der  verlorene  Amor  .    .  7 

Vi  sc  her,  Friedr.  Th. 

Ans  Diendl  1 14 

Voss,  Joh.  Heinr.  (1751 
bis  1826) 

Reigen  150 

Vulpinus,  Theodor 

Liebeslust  52 


370 


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Seite 

Rokoko  114 

Bauerntanz  149 

Höhere  Töchter  .168 
Vaganten  frühling  .  .  .216 
Lied  des  Zigeunerknaben  230 
Der  alte  Aar  ....  249 
Lied  des  Enterbten  .  .277 
Verdorben  —  gestorben  319 

Wallpach,  Arthur  von 

Konzert  95 

Walther  von  der  Vogel- 
weide (ca.  1170  bis 
ca.  1230) 

Unter  den  Linden  ...  49 

Weber,  Franz 

Landstreicher  .    .    .  .218 

Weddigen,  P.  F. 

Der  leere  Titel     .    .  .152 

Wedekind,  Frank 

Das  arme  Mädchen  .  .  34 
Ilse  47 

Welten,  Oskar 

Dithyrambe  55 

Werherr,  Armin 

Als  ob  es  sein  müsste  .  86 
Dir  glänzen  Augen  und 

Wangen  88 

Du  schaust  so  gross  und 

fragend  90 

Wie  der  Taler  blankt  .  105 
Wer  weiss  156 

Wetzlar,  Leonhard 

Urteil  185 

Gassenjungenlieder    .  .232 

Wi  c  k  e  n  b  u  r  g,  Albrecht  Graf 
Wäscher-Nettel.    ...  4 
Wiener  Kappelbuhen     .  223 
Wiener  Früchtel    .    .  .227 
Der   schiefe  Turin  von 
Terlan  340 

Wickenburg-Alinasy, 
Gräfin  Wilh. 

Illona  72 

Ich  schleiche  meine 

Strassen  216 


68 


297 


Seite 

Wieland,  Chr.  Martin 

(I733—I8I3) 
Oft  

Wille,  Bruno 

Arme  Leute .... 

Willomitzer,  Josef 

Der  Vogel  Storrebein    .  265 
Seelenbündnis  .    .    .  .321 
»Es  waren  zwei  Königs - 
kinder«  348 

Wohlmuth,  Alois 

Die  Eintagsfliege  .    .    .  260 

Wolf,  August 

Wir  hatten  uns  freilich 
nicht  bestellt     ...  76 

Wolff,  Julius 

Rothaarig  ist  mein  Schätze- 
lein  76 

Aus  Sturmes  Not  .    .  .311 

Wolff-Cassel,  Louis 

Was  fehlte  116 

Wolzogen,  Ernst  Frhr.  v. 
Das  Laufmädel     .    .    .  33 
Madame  Adele ....  45 
Das  Lied  von  den  lieben 

süssen  Mädeln  ...  78 
Ballade  vom  verkauften 

Assessor  .    .    .    .    .  153 
Das  Philisterparadies.    .  171 

Zachariä,  Fr.  Wilh. 


(1726- 


Die  Spinne  und  das  Po- 
dagra  246 

Zeller,  Johann 

Von  die  Mohren  .    .    .  349 

Ziegler,  Kaspar 
(1621  — 1690) 

Silvia  ist  ein  Dieb    .    .  84 

Zimmermann,  Georg 

Wenn  ich  bidden  derfte  351 

Zoozmann,  Richard 

Krähenlied  127 

Tanzliedchen  .  .  .  .142 
Lumpenhochzeit  .  .  .225 
Weihnachts- Wünsche  .  335 
Berliner  Schusterjunge  .  350 


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tHans  v.  Weber,  Vertag,  Ulüncßen 

1908 

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1908 


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Galante  öedicßte  aus  der  deutfäen  Barockzeit 

Qesammett  und  herausgegeben 


Franz  Qifef 


Sechste  tfuffage 


tffans  v.  Weber,  Vertag 
VKüncßen 
7908 


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T     NT  ?  v.i  v;. 

27022911 

TILI* 


0/»*«  fterf  owsdt  6c/  (?4wr  Brands  fetter  m 
Geipzig  gedrudct.  *Den  Vordertitel  zeichnete 
Constantin  Somojf,  cft.  Idenburg,  den  'Rück'en- 
titef  CCse  Qeridce,  <Berfin. 

Ginfiundert  ßxemp/are  wurden  auf  defit  Zanders- 
(Bütten  gedruckt,  gebunden  und  numeriert,  <Die 
in  Jedem  Cxempfare  der  Vorzugsausgabe  ver» 
sdSiedenen  Vorsatzpapier*  sind  9£anddrucüe  der 
Wiener  Werkstätten  nae/S  Entwürfen  des  ePro» 
fessor  gfofmann  in  Wien. 


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für  !Hans  von  VKütfer 


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3>ie  SMdfjter  ber  beutf<$en  ^arod^eit  erfreuen  fidfr 
mSgefamt  einer  fe&r  fd&ted&ten  «Reputation  in  allen 
fitteraturgefötd&ten.  fdf)toütfttg,  platt,  gemein, 

maniriert:  mit  folcjjen  Korten  tut  fie  bie  <Sefdfjldf)t3» 
fdf>reibung  rafcf)  ab,  all$u  rafdf),  toUI  mid&  bünfen.  ©e« 
nrife :  mit  ben  beften  ber  Sttinnefänger  unb  bem  VoR  3* 
Tiebe  bergftdfjen  toerben  goffmannStoalbau  unb  feine 
bt<f)terifdfjen  (Benoffen  bie  linmittelbarfett  unb  6df)Iidjjt« 
fcett  be3  SoneS  bermiffen  laffen,  unb  an  bem  fpäteren 
©untrer  gemeffen,  mag  ber  rebnertfdfje  Hberfd)tDang 
ü>rer  (Befühle  oft  redf)t  albern  erfdfjeinen.  Xlnb  bodf> 
f>aben  fie,  toorauf  $Kaj  OonS03a(bberg  3uerft  aufmerffam 
gemalt  f)at,  eine  pftd&ofogifcfje  Skrtoanbtfd&aft  mit  ben 
^rauenbienern  be8  beutfd&en  ßteberfrü&lingS ;  unb  bafc 
fie  in  i^ren  Atemübungen  um  Jorm  unb  bilbtidfjen 
SUuSbrucf  of)ne  Stebeutung  für  bie  fpäteren  getoefen  fein 
fotten,  toer  möd&te  bcS  "bttympten?  9lber  gan$e  3eiten 
beutfcfjer  fiiteratur  fd&einen  nur  bafür  getoefen  3U  fein, 
bafc  i&re  fummanfdfje  <5efdfjic$te  in  geteerten  Herfen 
f paterer  3«ten  abgetan  toirb;  nodj)  fummartfd&er  ge&t 
bann  biefeS  Urteil  in  bie  populären  Ctterärgefd&id&ten, 
au£  benen  e3  ber  fiefer  Einnimmt,  o$ne  fic£  toeiter  um 
bie  SBe«  unb  meift  Verurteilten  felber  3U  fümmern. 

7 


Di 


SHatt  toirb  in  biefem  ßuftti>ärb<$en  eine  9lu8tDaf)l 
biefer  beutfd&en  33arocfgebtc*)te  lefen.  9Kan  toirb  biet- 
leid^t  ifcren  SQXanmSmuS  ntd&t  o&ne  fünftferifd&en  9lei3 
finben  unb  fiefj  gar  md)t  barum  fümmern,  ob  biefe 
5>idf)ter  ein  efjrftdfjeg  ©efüf)I  auSbrücfen  ober  einen 
(Sinfatt  toie  im  Spiele  formen  tootten.  3ft  nidf)t,  to>a3 
5orm  unb  nidf)t8  afö  $oxm  ift  —  toenn  fold&eg  e3 
überhaupt  gibt  —  bem  e^rfid^ften  (Befühle  in  ben 
fünften  öor3U3ie&en,  toenn  tiefet  ©efüftfeS  grofee  <2d&t« 
fceit  ber  ßraft  mangelt,  fidfj  eine  Jorm  $u  geben? 
3>ie  *5Uffcftc  be3  Sebent,  bie  im  <5dj)rei,  im  Sludf),  im 
©tammeln  fiel)  äu&ern  unb  un8  unmittelbar  ftarf  be« 
einbruden,  toeil  fie  einen  3*ifianb  mit  einem  ent- 
fjütfen,  toer  möchte  ftdj>  mit  fold&em  ßeben  in  ben  Äünften 
begnügen,  bie  ein  anberS  geformtes  ßeben  ftnb?  3>ie 
(Scheit  be3  ©efüftfeä  attein  fyrt  nod&  feinem  ba3  ©e- 
blcfjt  gegeben. 

3>te  barodfen  SHcfjter,  bürgerlich  meift  fe&r  e&ren« 
toerte  unb  red&t  folibe  §erren,  ergingen  fidfj  in  bem 
ßuftoälbdfjen  i^rer  ^oefie  3umeift  tiur  &öd(jft  platontfdfj 
mit  ben  3>ortnben  unb  ©elimenen,  bie  fie  ftdjj  oft  nur 
imaginierten  unb  mit  benen  fie  fidf)  nur  in  ber 
poettfd&en  ßt3en3  3U  SBett  begaben.  9Den  ärgert  ber 
betrug?  TOaä  Ijier  bie  ßüge  oft  fo  ret3t>olI  fd^uf, 
fotlte  man  e8  fidfj  ntdfjt  einmal  gefallen  raffen?  Unb 
bann:  biefe  Cüge  toar  fo  tntenfibe  9Hobe,  bajj  fie  fdfjon 
toteber  eine  SJBaljrljeit  tourbe,  bie  btfbenbe  #raft  ber 
Söaljrfjeit  befam.  Unb  enbltdfj:  man  mü&te  au3  ben 
beiben  Korten  SQ&a^rfjett  unb  ßüge  ein  britteS  btfben, 
ba3  ben  3uftattb       SHdfjterä  be3eidfjnen  fönnte. 

8 


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OTan  fyit  in  biefe  Sammlung  nur  £icbc3gcbicf)tc 
aufgenommen,  u>etl  fie  bie  $lrt  biefer  S>i$ter  ftärfer 
3eigen,  unb  toeil  und  bie  (Segenb  ber  Siebe  Vertrauter 
ift  oig  irgendeine  anbere.  Garant  3U  fein,  bog  toar 
bie  gefenfd>aftlid)e  SlegeT,  unter  ber  biefe  recfct  grobe 
3eit  ftanb,  toie  jene  frühere  unter  ber  anbern:  ber 
graue  3U  bienen.  SHe  (SpifteTn,  bie  geiftTi<$en  ober 
gar  bie  9termä$rung3«  unb  93egräbm£gebid)te  unb  bie 
meiften  (Epigramme  mit  ben  rängft  ftumpf  geworbenen 
(Spüjen  —  aTTeS  bcß  mag  ungerjoben  in  ben  s$üc$ern 
rufcen,  au3  beren  93eftem  biefeS  ßuftoärbdjen  aufge- 
richtet tourbe,  mit  bem  $>id)ter  Crjriftian  SBeife  am 
(Eingang,  bort,  too  nodj)  freie  gaTbe  ift,  mit  bem 
S)i(r)ter  (E&riftian  <Süntr)er  am  SJuägang,  too  ber  SBeg 
fteiT  3um  ^arnafe  ftrebt. 

9ttünd)en,  1907. 

^rattj  <8lei. 


9 


S&rifttan  ^tüi  TOcife 


Sfjränen  ber  3ungf  ernf  cfcaft 


6üfec3  (Bift  berliebter  §er3en, 
6dj)to>a<$e3  TOerf3eug  torfler  Äraft, 
SQ3erte3  3iel  ber  feufdjen  ©d&me^en, 
S)u  berühmte  3un9fernföaft 
ftretTicfc  gefcet  beine  3ier 
^Urcn  fd&önen  6a$en  für. 

Söte  bie  %>fen  in  bem  SHaien 
3&re  Meid&e  fiieblid&feü 
TOcmaTS  fd)öner  bon  fid&  ftreucn, 
«SUIS  toenn  i&re  ©id&er&eit 
Unberührt  unb  unbefteeft 
in  bem  grünen  6tocfe  ftedft, 

SWfo  mu&  man  bid)  ergeben, 
Weil  bu  feiner  fremben  £>anb 
SHd)  3um  «Raube  toittft  ergeben, 
©onbern  ba£  geliebte  ^fanb 
Girier  ttuf>  unb  £eben3raft 
SUn  ber  fü&en  Jrei&eit  fcaft. 

S>od)  toie  lange  !ann  e3  toäfjren? 

<£nbttdf)  mu&  bie  S^genb 

ShirdS)  ben  fd&neHen  Sauf  beeren 

ober  e$  berufet  btd) 

Siebe,  £uft  unb  Ctitelfeit 

3n  ber  Sugenb  TOetteftreitt 


11 


Söttf  man  bei  ben  Apfelbäumen 
3u  ber  £uft  frieren  gef)n, 
S>arf  man  nidj)t  bie  3*ü  berfäumen, 
$öann  fie  in  ber  $Hüte  ftefcn, 
<£f)  ber  (Partner  nadf)  ber  Saat 
Aud&  bie  3xu<fyt  gebrochen  fyit. 

TOandfjeS  Gdf)äfc!jen  trägt  bie  ©d&toere 
©einer  ^Öotte  mit  93erbruS$, 
Weil  e8  auf  beS  ©d&äferS  ©d&ere 
(Bar  3U  lange  toarten  mu&. 
sm<m<$>e  «Rofe  frummt  ben  Stier, 
Weil  fie  niemanb  brechen  toift. 

©ute  ^Tad&t,  bu  leere  ©<$üffel, 
0  bu  fieudjjter  o&ne  £icf)t, 
gefteS  ©dfjfoS  boefc  o&ne  ©d&rüffet, 
©ute  TOag  unb  fein  <5etoid&t! 
9Id&,  toie  too&l  ift  bie  baran, 
S)ie  bei  3^ten  freien  fannl 


12 


— 

<S$rlftt<m  $elfc  SBeife 

3Iadf)ft>rung  na$  bem  San3C 


ßufttg,  U>r  SHäbdfjen,  bie  godfoett  ift  au3, 
SBanbert  mit  euren  95ebienten  $inau3, 
Caffet  eucf)  aber  beileibe  nicf)t  fielen, 
(Se^et  fein  leife,  bie  Butter  bie  toad&t, 
Caffet  bie  Äerfe  ein  anbermaT  fdfje^en, 
Ratten  fie  Dörfer  fidf)  luftig  gemacht. 

©e&et  gefcfjtoinber,  if)t  $mberdf)en  if)r, 
£eget  euci)  nieber  unb  fdftfafet  barfür, 
6e&et  bie  armen  berliebeten  6d)afe, 
6inb  fie  mcf)t  trunfen?  fie  fte&en  gar  faum, 
©pringet  m3iDifdf)ett  unb  tan3et  im  ©dftfafe, 
borgen  er3ä^et  ben  luftigen  Sraum. 

©eljet  unb  leget  eud&  immer  3ur  9tu&. 
gört  i§r  nodfj  Tange  ben  ©tänbd&en  3U? 
6e$et,  bie  SÖXutter,  bie  fegt  ftdjj  and  Jenfter, 
9TeI)met  eudf)  Beffer  im  ^inftern  in  Sldfjt, 
SÖunfcfjet,  i^r  nteblid&en  ©affengefpenfter, 
$UIerfett8  eine  geruhige  SXadjjt. 


13 


£f)nfttan  Jelis  SDDeife 


Wlß  td&  meiner  SRofUiS  .  .  . 


tdf)  meiner  Sfcofiltö 
3feuttdj  an  bic  6dfjür$e  grieffe, 
Sagte  fie  mir  gar  getot§, 
3dj)  toar  fromm,  bodfj  toann  idfj  fdfjttefe, 
©onften  toär  id)  in  ber  gaut 
(Ein  redfjtfd&affen  bofeS  #raut 

3a,  mein  Siebten,  fing  ic$  an, 
3d&  geftefj  e8,  toenn  idf)  feadfie, 
S)a&  fcf)  t%  nid&t  laffen  fann, 
2>o$  e£  ift  fo  eine  ©ad&e: 
©tefle  bctne  ©cf)önJ)eit  ein, 
60  tottt  id&  nid&t  lofe  fein. 

Uber  biefeS  bin  tdj)  bodfj 
3>n  bem  ©d&Iafe  fromm  unb  fttfte, 
S>rum,  mein  (Engel,  ift  e$  nod& 
Stein  unb  mein  beliebter  $Bifte, 
©udfjft  bu  bie  (Setoogenfjeit 
93foä  in  meiner  ^mmigfeit, 

(Ei,  fo  fcftfaf  einmal  bei  mir, 
©onften  mu&  idf)  e3  geftefcen, 
2>a&  id&  niemals  !ann  3U  bir 
Jromm  unb  eingesogen  gefjen. 
©oH  td&  fromm  fein,  meine  3**?, 
.  (Ei,  fo  fcftfaf  einmal  bei  mir. 


14 


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(Sfjrifttan  Acuter 


SCaride  auf  ben  Sob  t&rer  Jrau  Butter. 


3d)  fyätte  nid)t  bermeint,  bafc  fie  fo  balb  berredfte, 
S>a  U)r  ba£  Mebebter  nod)  in  ber  (Surger  ftecfte. 
TOaS  J>tfft3,  ba8  £eben  ift  toie  meine  3ungf ernfdjaf t : 
S>urd)  einen  Keinen  @to&  ift  beibeS  hingerafft. 

«JDer  gibt  mir  fünftig  ©etb,  bie  Slöcfe  3U  Verbrämen, 
TOo  foH  id^  ©trumpf  unb  £>emb,  too  bie  Jontange 

nehmen? 

«Std)  SlnbreS,  Heber  §err,  toeil  bie  Jrau  Butter  tot, 
60  gteb  mir  einen  TOann  unb  fjilf  mir  au3  ber  ^totl 


15 


3>aniel  dafpar  öon  £o&enftetn 

Komm  braune  9ta$t .  .  . 


Äomm,  braune  9ta$t,  umfülle  midj  mit  6d>atten 
Hub  betfe  ben  mit  beiner  &tyx>ax$t  311, 

S>er  ungeftört  fi$  teil!  mit  (Sonnen  galten 
Unb  im  93e3trf  ber  (Engel  fidjer  n$, 

3ä,  ^ilf  mein  91$ !  ef)  bu  iu>$  tturft  entföftinben, 

9Mit  mtfber  §anb  Don  meiner  SeeTe  binben. 

9Bie?  §ör  i$  ni$t  (toittfommen,  mein  Verlangen  I) 
@d>on  im  Semad)  mit  reifer  Stimme  ge$n? 

Jü&t  i$  midf)  ni$t  mit  Milien  umfangen 

Unb  meinen  5U6  auf  biefen  (Breden  fte^n, 

9Bo  mir  (Seltnbe  toirb  au3  S^rdnen  lachen, 

9lu3  flammen  <Ei3,  bem  93ette  gimmel  ma$en? 

(So  ttfge  nun,  0  §elbin,  meine  6$mer3en, 

SDirf  mit  bem  3To&r  bie  Celeste  3art^eü  F)in, 

2a%  meine  §anb  mit  beinern  9teid)tum  f$er3en 
Unb  mt$  ent3Ücft  beß  f$öne  Sal  be3tel)n, 

S)a  fidj  im  Sau  bie  ftummen  £üfte  füftfen, 

Unb  Sag  unb  9Iadf)t  mit  if)ren  ^rben  frieren. 

Sitein  9Bort  erftirbt,  bie  6eeTe  totfl  entoeid&en, 
91$  Tag  fie  bo$  in  enge  Gimmel  eint 

£a%  6$iff  unb  9ttaft  in  beinen  §afen  f$rei$en 
Xlnb  beine  §anb  mir  einen  £eitftern  feint 

3>u  fottft  atöbafo  bie  eingelabnen  ©aben 

9tebft  bofler  3tad)t  ftatt  ber  Sfclo&nung  tyxUn 


16 


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3>aniel  (Eofpar  Don  ßo^cnftctn 


SaUften. 


%d)  fann  mir  ntcf)t  mefjr  toiberftreben, 

3>ie  ©dfjönljett  flögt  mir  bag  ©elüften  ein. 
3m  SßarabieS  tann  feiner  leben 

Unb  o&ne  $aU  unb  geftftritt  fein. 
3>etn  <gbenj>fa$,  mein  Äinb  CaUfte, 

3ief)t  meine  ganb 
2luf  beinen  #rei3  ber  runben  Trufte 

Unb  meinen  £etb  in  bein  gefobteS  Canb. 

5>er  Cen3  pflegt  unS  in  gerbft  3U  retten, 

S)a3  3al)r  Tagt  un3  nad&  Blumen  grüdf)te  fel)n: 
£a§  mtcfj  bocfj  aucf)  nadf)  beinen  3eitett 

3n  beinen  2lnmut£garten  getyn. 
Sttein  grüf)fing  ift  ein  8u%  getoefen, 

2a%  au3  ber  ©df)oo& 
9Hidf)  enbltdfj  reife  grüdfjte  lefen, 

«JBie  in  bem  ©tanb  ber  Unfd&uTb  nacft  unb  bIo&. 

S>u  fannft  ben  £eib  mir  ntd&t  berfdf)fte§en, 

Söon  toerdf)em  bu  mir  fdjon  ba3  §er3  entbecft 
2a%  unfern  ©eift  3ufammenfne§en, 

*2DeiT  bodfj  fein  Äug  if)tn  felber  fdfjmecft. 
Vergrabe  midfj  im  (Elfenbeine 

«Bon  greife!)  unb  SBIut, 
3>enn  toerb  idj)  gletdf)  barin  3um  ©tetne, 

©o  toeig  id&  bocfj,  bafe  mir  e3  fanfte  tut. 

2  «let,  SuJt»äR>«eii.  17 


(Eröffne  mir  bcß  3>or  3um  £anbe, 

«JDo  3udPcr  rinnt  unb  «BJottuft  Safer  r)ält; 
2a%  meinen  $a$n  am  engen  ©tranbe 

3n  betne  neuerfunbne  TOelt 
3>u  barfft  btd)  nicrjt,  Califte,  fcr)dmen: 

S>a8  Feigenblatt, 
3>a8  (Söa  für  ftdj)  mußte  nehmen, 

3eigt  unb  entbecft  nid)t  unfre  Cagerftatt. 

Seftrafe  mid)  mit  feinem  Sabet, 

S>ajj  beine  6djoo&  mein  §er$e  Heb  gewinnt, 
S)cnn  ber  9ttagnet  forfcrjt  mit  ber  9Iaber, 

$3i3  er  ben  3RitteI)mnft  ergrunbt 
<£in  6cr)dfcr)en  graft  in  SaT  unb  «sUuen, 

SBo  ©d&atten  ift: 
SHein  §er3e  toill  ba£  beine  flauen, 

S>rum  fudj  id)  e3,  ba  too  bu  offen  bift. 


18 


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E&nftian  §offntann  toon  £>offmann«toaIbau 
(SS  bacfjte  £e3bte  .  .  . 


G3  badete  £e3bie,  fie  fdge  gatt3  allein, 
3nbem  fie  toof)l  bertoafjrt  bie  ^enfter  unb  bte  Suren, 
Stodj)  Heg  fid^  6t)lt>tu3  ben  geilen  ^ürtoi^  führen 

Unb  flaute  burd&  ein  £od^  in  i&r  ©emacij  hinein. 

2luf  ü)rem  luden  #nte  lag  ü)r  ba£  redete  Sein, 
SHe  §anb  toar  f)öd&ft  bemüht,  ben  6d&ul)  tyr  3U3U- 

fd&nüren, 

<5r  flaute,  tote  ba£  SttooS  3"U)&er  ^6  3U  fixten, 
Unb  toie  (Eupibo  toill  mit  2uft  getoieget  fein. 

£8  rufte  e^lbiuS:  toie  3ierlict)  finb  bie  SDaben 
TOit  toarmem  ©d^nee  bebedft,  mit  (Elfenbein  belaben! 
(Er  fafce  felbft  ben  Ort,  too  feine  ©offnung  ftunb. 

(£3  ladete  @t)lt>iu£.  ©ie  fpracf):  bu  bift  tterloren, 
3um  @<$mer3e  bift  bu  bir  unb  mir  3ur  ^ein  erforen, 
S)enn  beine  Qoffnung  5at}agar3ufd[jled&ten<8runb. 


10 


<&l)riftt<m  £>offmann  Don  fjoffmanngtoalbau 
3dj  ciftc  .  .  . 


3cf)  eifte  Ceäbien  au3  &ur3ti>etf  3U  ertoecfen, 

gUidE)  9luroren3  (Brart3  um  if>r  ©efidf)te  ftunb, 
SHe  9tofen  fronten  tbr  bte  fangen  unb  bcn  9Kunb, 
3)urd&  toeifecS  (Hfenbein  lieft  fidfj  ber  §atö  bebecfen. 

3d&  tooltte  meine  §anb  auf  tfcre  Prüfte  ftrecfen, 
(£g  tat  ein  naffer  #uj$  tyr  meine  ©etfbett  !unb, 
WS  £e8bie  rief:  ift  beut  SBerftanb  gefunb, 

60  fü&re  feine  SBrunft  in  meine  feufdfjen  gecfen. 

3cij  toar  barob  beftür3t  unb  flutete  bem  ©lücfe 
Unb  fu^r  ben  £)immel  an  unb  feine  reidfjen  SBftdfe, 
3d)  fpracf):  too  «Rofen  ftefjn,  ba  muffen  dornen  fein. 

SÖett  mtdfj  benn  tf)r  93efebt  berjaget  unb  bertrieben, 
60  I)ab  idf)  biefeä  ^ort  in  tf)r  ©emadf)  gefdfjrteben: 
*2luf  SÖXorgenröte  folgt  gar  feiten  ©onnenfdfjein. 


20 


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(S&rifttan  £>offmamt  t>on  §offmann3toatbau 


<2ln  Vllbanie. 


%  banie,  gebraute  beine 
Unb  Tag  ben  ßiebediüften  freien  3ügef. 

Wenn  und  ber  (Sdfjnee  ber  3a^re  f)at  befdfjnett, 
(So  fd&mecft  fein  Äug,  ber  £iebe  toa&red  ©iegeL 

3m  grünen  SHai  nur  grünt  ber  bunte  #fee, 

y&banie. 

Sllbanie,  ber  frönen  9lugen  fiidf)t, 
3>er  £eib  unb  toad  auf  ben  beliebten  Spangen, 

3ft  nid&t  für  bidf),  für  und  nur  3ugericfjt. 
5>ie  Slpfel,  bie  auf  beinen  Prüften  prangen, 

6inb  unfre  £uft  unb  füge  SHnmutdfee, 

SUbanie. 

Sllbante,  U>ad  quälen  tmr  und  t>ie( 
Unb  3üd^tigen  bie  stieren  unb  bie  2enben? 

9Iur  frifefj  getoagt  bad  angenehme  (Spien 
3ebtoebed  ©lieb  ift  ja  gemacht  3um  SBenben, 

Unb  toenbet  bodj  bie  6onn  fid^  in  ber  §ö&, 

surbanie. 

Stfbanie,  foll  benn  betn  toarmer  ©cfcood 
60  ob  unb  toüft  unb  unbebauet  Hegen? 

3m  ^arabied,  ba  ging  man  naeft  unb  Mod 
Unb  burfte  frei  bie  £iebedäcfer  pflügen. 

SMdf)  Sftenfd&enfafc  madf)t  und  bted  neue  TOef), 

Wbame? 

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SUIbanie,  toer  fann  bte  (Sügigfeit 
3>er  stoei  bermifdjten  ©eifter  red&t  entbecfen? 

SD^cnn  Sieb  unb  Cuft  ein  (Sffen  un3  bereit, 
5>a3  toieber^öft  am  &eften  pflegt  3U  f<$me<fen, 

SDünfd^t  nid&t  bein  §er3,  bajj  e3  babei  öergel), 

Wbante? 

SUbante,  toeil  nod&  ber  SDottufttau 
3>ie  ©lieber  nefct  unb  ba3  ffieblüte  fpringet, 

60  Tag  bod&  311,  bag  auf  ber  'StemtSau 
Sin  brunftger  ©eift  bir  fnteenb  Opfer  bringet, 

3>a&  er  öor  bir  in  botter  ^Inbad^t  ftef>, 

WBante ! 


22 


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<£&rtfti<m  ^offmann  öon  §offmann8toaIbau 


3öa3  3ümft  bu  .  .  . 


HO  ad  3Ürnft  bu,  ^Toriba»  fo  oftne  SÖtaafc  unb  3^» 
3)a&  meine  3un9e      bie  (Bren3en  übergangen? 
3>ie  ©djulb  ift  nid&t  3U  groß,  unb  tat  fie  bir  3U  bier, 
^aft  bu  fie  bann  ntc&t,  tote  fie'Ö  Derbient,  gefangen? 

2>od)  bafc  bir  funbbar  fei,  toarum  td)  e8  getan, 
3>afj  i<$  bie  3**nge  bir  lieg  Sd&tunb  unb  (Säumen  lecfen: 
3dfj  backte,  toeil  fie  me&r  aI3  billig  plaubem  !ann, 
6ie  mochte  fonft  au£  ^Teib  mein  ßle&eSfpteT  entbecfen. 


23 


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<£f)rifttan  ^offmamt  bon  fjoffmannStoalbau 


^rg  id&  bie  £e3bie  .  .  . 

%t$  tcf)  bie  £e3bie  näd&ft  in  ber  Äammer  fanb, 
S>a  fie  fiel)  übertut  unb  fd&räfrig  angeleget, 
60  fcljaut  idf)  eine  93ruft,  bie  fcfjdnre  Styfel  traget. 
Jemals  toorgebrad&t  ba£  reiche  9KorgenIanb. 

SHe  55ruft  30g  meinen  (Seift,  ber  fiüttoty  trieb  bie 

§anb 

3u  fud&en,  tocß  fid&  f)ier  in  bem  93e3irf  betoeget 
3>ieS  f)at  ber  CeSbte  fo  großen  3«>fn  erreget, 

S>afc  fie  in  f)dd&ftem  ©rimm  ift  gegen  mtdf)  ent- 
brannt. 

Sie  trieb  midf)  toeg  Don  ficfj,  fie  fiiefj  mtdjj  3U  ber  Seiten, 
©te  &ieß  mtdf)  unbertoetlt  au8  i&ren  klugen  fdfjreiten; 
3$  fpradj,  inbem  fie  mtct)  au3  tfjrer  Äammer  ftiefc : 

SHetoetf  icf>  atf3ufüf)n  unb  me&r  als  ftdfjg  gebühret 
3>ie  mir  öerbotne  Stufyt  ber  Stpfer  angerüfjret, 

©0  ftöfct  ein  (Enget  mtd&  jeijt  au£  bem  ^arabieg. 


24 


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(S&rtfttan  §offmann  Don  §offmann$toalbau 


Vtiemanb  toetg  .  .  . 


9tiemanb  toeifc,  tote  fcfjtoer  mtrS  fätft, 
Stammen  in  ber  93ruft  3U  &egen 

Hnb  fie  bennocfc  bor  ber  SOSeN 
9Iicijt  an£  freie  £idf)t  3U  regen. 
JJeuer  Tagt  pdf)  ntd&t  ber&e&Ien, 

S>enn  fein  <Slan$  ift  atf3uflar, 
Hnb  bie  ©rut  berHebter  (Seelen 

SÖtad&t  fief)  fetber  offenbar. 

gunbert  Slugen,  bie  bon  9Teib 
Unb  bon  lauter  $lrgtoof)n  bvtnnent 

6inb  auf  tnid&  311  fe&n  bereit, 
Ob  fie  fc>a3  öermerfen  fönnen. 
9Tod&  berberg  idf)  meine  <Sdjmer3en, 

5>a&  man  feine  Junfen  fieljt, 
S)a  bie  Ciebe  bodf)  im  §er3en 

TOie  ein  anbrer  Sfttna  grüfjt. 


SHefeS  ift  ber  Ciebe  Äunft: 
^mor  fudjjet  ^infterniffen, 

Hnb  bon  feiner  ftitten  Brunft 
Sttufj  ber  &eTIe  Sag  ntdf)tg  totffen. 
93enug  bricht  mit  U)rem  ©terne 

Srft  bei  buntfer  $tacfjt  herein, 
5>afc  bie  3arte  3ugenb  Terne, 

3n  ber  Siebe  fceimttcf)  fein. 


25 


3>rum  getoöfcne  bidj  mein  ^Xtut, 
S>etne  Stammen  3U  öerfdjtoeigen. 

2a%  Don  ber  Verborgnen  ffiftit 
SDeber  SZtwtb  nod)  SUuge  3eugen. 
SZtujjt  bu  bid)  gleid)  etoaS  3^ingen, 

3ft  g(eid&  bie  SBerftellung  fd)toer: 
^luS  ben  allerfcfjtDerften  SHngen 

$ommt  bie  größte  £uft  oft  fcer. 


26 


■ 


d&rtfttan  §offtnann  Don  £>offmanrt§tt>aU>au 

Sin  (Slorinbe. 


ttforinbe,  fannft  bu  luftig  ftefcen, 

SOBenn  einer  «Rofe  fcf)öne8  §auj>t 
$luf  Ü)rem  6tocfe  muft  berge&en? 

9Itdj)t  ettoa  fcon  ber  $au\t  geraubt, 
©o  fie  mit  Würben  fönnte  tragen, 

6ie  legen  auf  bie  fd&dne  $Jruft, 
Unb  mit  erfrifd&tem  §er$en  fagen: 

gier  ift  ein  Äomgreicfc  botf  ßuft. 

Stein  nein,  bu  fd&auft  6eftur3t  barmeber, 

fiäfjt  tiefe  (Seufzer  Don  bir  ge&n, 
S>aS  tfelnfte  beiner  3<*rten  ©lieber 

2Ku&  in  bem  Srauerftanbe  fte&n. 
SUVic  flagft  bu  über  fold&e  6ad&en, 

3>ie  man  in  allen  ©arten  bricht? 
£a%  fi$  baSfelbe  traurig  mad&en, 

60  bir  ein  übel  Urteil  fprtd&t. 


(Srfenne  btd&  unb  Tente  fennen, 

3>ag  too  jefct  $Iut  unb  $füte  ftegt, 
SQ5o  alfer&anb  SJegterben  brennen 

Unb  eine  faule  SDu^el  liegt, 
<&%  »erben  betne  3arten  fangen 

Sticht  ftetig  SRofenftöcf e  fein, 
SBei  ifcnen  fällt  fotoo&t  ba3  prangen 

WS  bei  ber  SRofe  3***  unb  Schein. 

27 


y 

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- 


3>rum  ta%  midj  beine  «Rofen  bredfjen, 
SDeil  fcier  nodf)  6todf  unb  Wüte  neu, 
^ld^  toeine!  toerb  i<$  fetten  fjwecfjen, 

3>a8  frif$e .  <<5ra$  gibt  toetfeS  §eu. 
Äomm,  fomm,  unb  fo(ge  metner  £e&re, 

SHe  SBenuS  f>at  eg  audf)  getan 
Unb  taufenb  me&rt  TOaS  ift  bie  <£&re? 

(Sin  ftugeS  9Ticf)t3,  ein  Moger  SQ5al)n. 


-  9 


28 


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(S^rtftian  §offmann  Don  SoffmannStoalbau 

Sltetn  (Engel  fannft  bu  .  .  . 


SJIein  (Enge^  fannft  bu  mtd)  nicf)t  Heben, 
3ft  meine  $Tot  bir  nur  ein  ©aufetfpiel? 
«sBerrad&eft  bu  benn  mein  betrüben 
llnb  $at  bein  ©rauf  amf  ein  fein  3*eI? 

3)u  fagft  3toar  öiel  toon  beiner  ©üte, 
S)odf)  too  ift  ^rud^t? 

3ft  beine  ©unft  nur  rauter  5tfüte, 
60  ift  bein  «rennen  ni<f)t3  afö  OTafferfud&tt 

SOBarum  toiflft  bu  ba8  Sfcor  berfdfjfte&en, 
3n  bem  bie  fiiebe  (Ein3ug  nehmen  ftitt? 
2a$  beine  «runft  bodfj  fidler  fd&teßen 
Xlnb  baTte  meiner  Regung  ftitf. 

3>u  barfft  bid&  ntcfjt,  mein  (Enger,  fdfjämen, 
5>en  (EF)renj>rei3 

SDirb  niemanb  fönnen  bon  bir  nehmen, 
«SBetf  icf)  atfein  Don  biefem  SKebfta^r  toeig. 

60  barf  bie  gurdfjt  btd^  ntdfjt  DerWenben, 
toenn  ber  6cfjmer3  unübertoinbttdf)  fei, 

3<f)  toeig  bereite  au3  meinen  gänben: 

SHe  ringeln  reißen  ni£*  ent3tt>ei. 

S)u  toirft  aTS  gerben  bid&  begrüßen, 

«Stenn  etoaS  93lut 
©reich  ™öd>t  au8  3arten  Albern  fliegen, 

©enug:  bu  toei&t,  baß  e8  un3  fadste  tut 


29 


SDtH  bein  ©etoiffen  nidf)t  erfdfjrecfen, 
©o  benf,  bie  3ugenb  fei  in  ©hit  entbrannt, 
TOer  toirb  in  Reiften  flammen  ftedfen, 
3>em  eine  £öfc§ung  ift  befannt? 

(£3  toirb  baS  Stfter  bafo  berftören, 
TOaS  Jeuer  ift, 

Unb  bu  toirft  beffer  ef)ren, 

SDenn  in  ber  5Küt  bu  abgefü&ret  bift. 

3d)  toü&te  nid&t,  toa8  btd)  follt  neigen, 
3>a&  beiner  ©d&ofc  bu  feine  Jeler  gönnft, 
91$!  forge  nicf)t  für  einen  3eugen, 
SDÖeil  bu  mein  treueS  Sieben  fennftl 

SHe  Äunft  fommt  ber  $Iatur  3U  §ülfe, 
#ein  Slnfer  ^aft', 

3Öenn  er  gefenft  im  erften  ©d&tffe 
Unb  nur  Dom  ©d^Iunbe  nid&t  toirb  hingerafft. 

S)rum  la%  bie  ©tityen  bon  einanber, 
9Iuf  toeldjjen  btefeS  ©d^Ioß  ftdfj  rufjt. 
S>u  toei&t,  idf)  bin  nicf)t  SUejanber, 
§>er  alleS  mit  ber  §itje  tut. 

3d&  tottf  beim  #inbdfjen  erft  probieren, 
SÖaS  ©anftmut  fei, 

Hnb  too  er  ftdf)  ntd&t  toirb  toerfteren, 
3U£bann  3erbrtdjjt  ben  Sroj*  bie  3Radf)t  ent3toei 

Jortt  2a%  beß  toarme  CtttoaS  fliegen, 
S)a3  idf)  gefüllt  unb  nid&t  3U  nenntn  toei|, 
2a%  biefen  9teftar  midf)  umfliegen, 
SHadf)  mtc$  in  beinen  Firmen  &etjjt 

30 


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S)ein  Sluge  fetber  beget  STammen 

93om  btojen  3>unft, 
£ag  unfre  §i$e  bodjj  3ufammen, 
2Hacfj  mtcf)  befeelt  burcl)  gati3  erteilte  (Sunft! 

WaB  fcilft  mir  bod&  ein  Wog  93erüf)ren, 
SBenn  td&  bie  SRoS  Dorn  ©tocf  nid&t  pftüdtn  fott, 
3>arf  tdf)  bie  fd&nöben  gdnbe  3icren 
Xtnb  futlen  ntcf)t  ba3  §er3e  Doli? 

Söerac^te  nid&t  bie  attbern  (Blieber, 
*2BelT  feinet  fd&fed&t  — 

6inb  bir  bie  finget  mdf)t  3Uto>iber, 
SQ3arum  ift  bir  ber  5>aumen  benn  nld&t  red&t? 


31 


(Sfjrtftian  §offmann  Don  ^offmannötoalbau 
SUn  fitfette. 


fiifette,  tDtUft  bu  aTIe  fiuft 

«SUtf  beiner  fcf)toanenü>eidf)en  33ruft 

3)er  toag  bertoegnen  §anb  berfagen, 

$)a  midf)  bennodf)  bein  toarmer  <Sdf)o&, 
SBon  öfter  SÖXenfdfjfceit  quitt  unb  fo3, 

©oft  bi5  an  fiiebe^immel  tragen? 

©ebenfe,  baß  idf)  burdfj  ben  #uß 

S>er  'Söoftuft  reinen  Äberfluß 
3ugreidf)  bir  in  ba3  §er3e  brücfe. 

<£3  fü^rt  ein  jebeS  ©lieb  bie  ©tut, 

SÖBenn  idf)  mit  beiner  fiepen  $Kut 
3>en  abgematten  ©eift  erquicfe. 

TOirb  meine  ©unft  nun  toeiter  geljn 
Unb  fceife  ent3ü(fet  bor  bir  fte&n, 

TOtrft  bu  alB  Stofe  bid&  auffcfjltefcen? 
^Benn  bein  berftebteä  ^luge  Iadf)t, 
3>ort  in  ber  SBIätter  ^urjmrpradfjt 

(Sin  perlenrunber  Sau  fommt  fliegen. 

gdf)  toetg,  baß  bir  burdfj  TOarf  unb  'Sein 

3>a3  füge  ^efen  rinnet  ein, 
Unb  bu  nidfjt  mefjr  fannft  ftifte  liegen. 

3>u  Te^rft  burdf)  beiner  fienben  TOerf 

Unb  ben  getoötbten  Lutterberg, 
3)afj  icfj  mtdfj  tiefer  foft  berfugen, 

32 


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Sifette,  rufjre  bid&  nur  too&f, 
Ob  td)  greid^  f)itt  berfinfen  foll, 

3<$  totfl  in  biefem  (Brabe  ftcrbcn; 
S)odfj  bafj  nadj  einer  (Stunbe  ßauf 
5>ie  Gräfte  toieber  fommen  auf 

Unb  id)  fann  gröfere  ©unft  ertoerben. 

3*&ar  to>etfj  td&,  ba&  burdj  gteid^e  ©lut 
3>u  mir  aufS  9Teue  meinen  9Ztut 

3u  Jjeifcen  flammen  fannft  beiDegen, 
SDenn  bu  afö  toie  ein  fanfter  «Pfu&l 
3>er  3arten  ©lieber  SHarmorftrier 

Wirft  unter  meine  §ufte  legen. 

£ifette,  la%  un3  fo  toerfd&ränft 
Hnb  gleich  ben  Letten  ange&enft 

Seift,  6eel  unb  ßeben  öon  un3  formen. 
Grfenne,  tote  toir  finb  begfiicft, 
$ÖeiT  e8  ber  gimmel  fo  gefdjjidft, 

S)a&  toir  in  £ieb  beifammenfitjen. 


3  93UI,  eufttoSlb^en.  33 


(Sfjnftian  §offmann  Don  £>offmann£toaIbau 


<2ln  SHeHnbe. 


9ltdfjt  fcfjäme  btcfj,  bu  faubere  ^Hcfinbc, 

S>a§  beine  3arte  <Retnftcfjfeit 
S>er  feuchte  SQXonb  bertoeift  in  eine  93tnbe 

Unb  bir  ben  bunten  (EinfTug  braut 
3>er  gro&e  SBeK  fcegt  (Ebb*  unb  $hit, 
9Da8  TOunber,  toenng  ber  ^ttenfdfj  ber  ffeine  tut. 

S>te  S&ötftd&reit  bei  beinen  bunten  ©ad&en 
gat  niemals  beinen  6d&oo&  toerfe&rt. 

3Die  9ttufdf)ern  fidf)  burdf)  ^urpur  teuer  madfjen, 
©0  madf)t  bein  ©dfjnecfenbhtt  bi<f)  toert. 

$öer  liebt  ein  Sintenmeer  tooftf  nidfjt, 

SBetf  man  bavauS  #oratten3tnfen  bricht? 

^ur  einmal  bringt  ba3  gan3e  3af)r  un3  Steifen, 
5>ein  3tfumenbufc!j  bringt^  monatfidf), 

3>ein  «Rofenftraudf)  mag  nidf)t  berfcetfen, 

Sein  3>orn,  ber  fcoTt  bei  bir  ntd&t  (Stiel), 

3>enn  ti>a3  bie  fanften  Blätter  mad&t, 

3>a3  ift  ein  Sau  Don  ber  3o!)anm3nadf)t. 

Rannet  bu  gretdf)  nidfjt  bie  £enben  fcurtig  rühren, 
£obt  man  bidf)  bodf)  im  ©ttflefte&n, 

3>er  klugen  93Iau  toirb  leidf)tltdfj  ftcf)  öerlieren, 
3>ann  toirft  bu  fein  nod&  ein8  fo  fdj)dn. 

SItan  fammelt,  fpridfjt  bie  gan3e  TOelt, 

SMel  beffre  £?rud&t,  toenn  ftarfe  <Bföte  fällt. 

34 


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2a%  mid)  barum  nod)  feine  galten  galten. 

(Ein  Äönig  nimmt  ben  «Rang  3toar  ein, 
S)ö<$  mu%  er  fort,  toenn  ftd&  bte  Gaffer  fjxtften, 

3>er  (Seift  muft  auägeftogen  fein. 
^Han  gef)t,  tote  jebermann  befannt, 
3>urd)g  rote  9Zteer  in  ba8  gelobte  Canb. 


3* 


36 


— 

G&nftian  §offmann  fcon  §offmannStoaU>au 


$ln  ßauretten. 


Baurette,  bleibft  bu  etoig  6tein? 
6oK  fortbin  unberfnüpfet  fein 

S)ein  (Sngeltum  unb  bein  (Erbarmen? 
äomm  fomm,  unb  öffne  beine  Gdfjoofc 
Unb  lag  und  beibe  naeft  unb  brog 

Umgeben  fein  mit  (Seift  uno  Ernten  l 

2a%  mid&  auf  beiner  ©d&toanenbruft 
3>ie  ofttoerfagte  SiebeSluft 

gier  $toifcf)en  $urd)t  unb  6c§am  genießen. 
Unb  la%  midj  taufenb  taufenb  mal 
9Tad(j  beiner  gülbnen  §aare  3aW 

S>te  geifterretd&en  ßtppen  füffen. 

ßafc  mtd)  ben  9iu8bunb  betner  'sßrad&t, 
S)er  ©ammt  unb  %>fen  nichtig  ntad&t, 

SZtit  meiner  fdftfecljten  §aut  bebedfen. 
Unb  toenn  bu  beine  ßenben  rü&rft 
Unb  beine  ©djjoofc  gen  gimmel  fuljrft, 

©tdf)  3udferfü&e  £uft  ertoeefen. 

Unb  füllte  burd&  bie  fcei&e  Srunft 
Unb  beine  $o$e  (Segengunft 

Sttlir  audf)  bie  @eete  gleich  entfliegen, 
60  ift  bein  3arter  ßetb  bie  3*af)r, 
SHe  ©eele  toirb  bretoierter  3a$r 

3>eln  ^immeTrunber  93aud&  umfd&fte&en. 

36 


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Unb  toer  aföbann  nad&  meiner  3*ü 
3u  Heben  bid)  toirb  fein  bereit, 

linb  f)ören  toirb,  tote  idfj  geftorben, 
SÖirb  fagen:  toer  alfo  geliebt 
Unb  in  bem  3arten  ©d&oo&e  ftirbt, 

§at  einen  fanften  Sob  ertoorben. 


37 


(E&riftian  $offmann  öon  §offmann§toalbau 


SUS  bie  SBenuS  .  .  . 


bie  SDenuS  neuUdf)  fafce 
3n  bem  SBabe  nacft  unb  Mo3 
Unb  (Euptbo  auf  ber  (Sd&oofc 
'©on  bcm  fiicbe^ucfer  afce, 
3etgte  fie  bem  Keinen  Knaben 
StfleS  toa3  bie  grauen  fcaben. 

9ftarmorI)ügeI  fafc  er  liegen, 
Sömt  Regierten  aufgebaut; 
Bptaä)  3ur  ^Kutter  überlaut: 
Wann  fterb  id&  bergleid&en  fliegen, 
S>a&  nudf)  aud&  bie  ©d&äferinnen 
Unb  bie  5>amen  Uebgettnnnen? 

33enu£  Tad^t  au3  tootfem  9Hunbe 
Äber  if>ren  Keinen  6ofcn, 
3>enn  fie  fa&  unb  merfte  fd&on, 

3>a{j  er  tt>a8  babon  berftunbe. 

6prad):  bu  fjaft  tooftf  anbre  6ad)en, 

3>ie  berftebter  fönnen  machen. 

Unterbeffen  lieg  fie  fpielen 

(Seine  §anb  auf  ifjrer  35ruft, 
3>enn  fie  merfte,  ba&  er  Suft 
§atte,  toeiter  nadfoufü&fen, 
S8t3  i&r  enbUcfc  biefer  ^eine 
Kam  an  Üjre  3arten  9$eme. 

38 


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«attö  er  fid)  an  fie  gefd&mieget, 
<5pxaü)  er:  Uebe8  9ttütteriein, 
SBer  fyü  an  ba3  biefe  »ein 

(Sud)  bie  TOunbe  3ugefüget? 

^Hüßt  if>r  SSJeiber  benn  auf  (Srben 
fo  bertounbei  toerben? 

93enu3  fonnte  nid)tS  nte&r  fagen 
«SUS:  bu  fTeiner  SBöfetoid&t, 
$*acfe  bt$,  bu  fottft  nod)  nid&t 

9Tad)  bergreid&en  ©adfjen  fragen. 

SDunben,  bie  tum  £iebe3}>fetfen 

kommen,  bie  finb  nicf>t  3U  feilen. 


39 


Benjamin  Steuftrd) 


<St)Itoien. 


SBaS  fhid&ft  bu,  6$fota,  toenn  meine  fdjti>ar3e  Qanb 

Hm  beuten  «ufen  fptelet? 
(Sie  toar  fo  toeig  aI3  bu,  ef>  fie  ber  Ciebe  SJranb 

Unb  beine  9Itacf)t  gefü&Iet. 
güö&t  bu  bog  5*uer  tum  in  meine  ©lieber  ein, 
60  fann  ja  meine  §anb  nidf)t  ©djjnee  unb  TOarmor  fein. 
5>u  fprid&ft:  fie  fcat  Ja  nidjtg  3U  fud&en  unb  3U  tun. 

©ar  red^t.   (£3  folt  audf)  bleiben. 
6ie  fucfjet  nidjjtS  aI8  bid^,  fie  tomnfebet  Mofe  3U  ru&n 

Unb  i&ren  6d&er3  3U  treiben. 
$Ba2  Urfad&  ^aft  bu  bann,  ba&  bu  bidfj  fo  beflagft, 
S>a  bu  bod3  biefe  ©unft  ben  gfö&en  mdfjt  öerfagft? 


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^Benjamin  9Ieufird& 


3>ic  fdjjöne  fiegbia. 


fdjöne  ßeSbia  faß  mit  gefdf)ränften  Jüfcen, 
Jför  netter  Ringer  toar  um  6dju&  unb  ©trumpf 

bemüht, 

3d)  fonnte,  toaS  fie  fonft  bodfj  jebem  $lug  ent3ief)t, 
Shtrd)  einen  fü^nen  «lief  in  fttfler  fiuft  genießen. 


3>ie  6eibe  fcatte  faum  bem  Marmor  toeidfjen  muffen, 
ftdfj  ber  leiste  SRocf  bon  t&rem  £eibe  fcf)teb; 
S>ocf)  aT3  bie  fidfjre  §anb  bie  toeijje  «ruft  berrtet, 
5>a  toarb  td&  unbermerfi  in  O&nmad&t  ^ingeriffen: 

3>ie  klugen  fanfen  f)in,  bie  «eine  tourben  matt. 
S>ie  nacfte  <5t)foia  ftieg  fidler  in  bag  «ab, 
wein  ^luge  fonnt  au£  ber  «erünrrung  fuhren. 

Itnb  alfo  toarb  fie  mir  fein  gan3  entbecfteS  £anb; 
S>o<$  &att  bie  bfojje  «ruft  mir  fobter  #raft  ent» 

toanbt  — 

SBaS  fcürbe  ©^fbiuS  erft  in  ber  6df)oo&  Verlieren! 


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£>oad)tm  SJeccau 


$luf  eineS  93eretter3  Qocfoett. 


Sprtd&,  toarum  toollteft  bu  bir  eine  *2Dittö>e  nehmen? 

-  3ft  feine  3ungfcr  me&r,  bie  bid&  ent3Ünben  fann? 
9tun,  Jene  pflegen  ftdj)  biel  Teiltet  3U  bequemen, 

Hnb  toeil  bu  foldjje  mmmft,  fo  tuft  bu  tt>o&C  baxan. 
3>enn  toaljrtidf)  le  cheval  achemine*  3U  reiten, 

(Be^ft  bu  nidf)t  o^nc  (Srunb  bei  beiner  Qodfoeit  ein, 
<E3  treibt  bie  «löbigfeit  bie  3ungfern  an  bie  6eiten, 

SHetoetf  fie  mefjrenteitö  bodjj  nur  Raminques  fein. 
(Bie  finb,  greift  man  fie  an,  aI8  tooie  chevaux  qui  s'arment, 

SBo  nidf)t  le  Cavecon  bie  Escapades  geturnt, 
Hnb  ob  par  les  yeux  fie  greiclj  bie  Äenner  charment, 

60  reiben  fie  boef)  au£,  toenn  nur  la  gaule  fommt. 
3>od^  ein  cheval  loyal  fennt  aldhalb  bie  Seccaden, 

Hnb  toeil  eg  chatoilleux,  fo  mad&t'S  airs  reveläs. 
63  ift  nid&t  des  deux  coeurs,  man  brauet  e3  o&ne 

©droben, 

SDo  nur  ber  SHeiter  nidf)t  gar  ift  ein  bistourne\ 
3)a3,  l)off  idf),  bift  bu  nidf)t;  brum  legä  aufä  arrondieren, 

S>odfj  rend  la  main  bei3eit,  fonft  toirb  cheval  äbout 
Hnb  forbert  bann  toon  felbft  burdf)  biere  Courbatüren 

2*on  Caprioles  matt  bie  angenehme  Stafc. 
3>od(j  bie  $at  lange  3e&    La  langue  Serpentine 

3etgt  noef)  genugfam  ^euer  burdjj  ebrouieren  an, 
Hnb  glaub  idf)  mdf)t,  bafe  bir  fo  TangeS  SReiten  biene, 

2113  bein  Alenzan  clair  allevre  galten  fann. 
SBetrad&te  felber  nur  les  actions  de  bouche, 

SSoburd^  bein  Piaffeur  bir  3U  Derfte^en  gibt, 

42 


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Quil  trfcs  volontiers  dans  lit  requis  se  couche, 

9Do  felbft  aI3  im  harras  ü>m  bie  le$on  belieht. 
Hnb  toenn  man  nun  aud&  glcidj)  la  seile  für  bidjj  Ijätte, 

De  monter  ä  poil  bift  bu  nod&  me&r  getoo&nt, 
Seim  9Totfatt  fcolte  bid)  nur  feft  ä  les  mollettes, 

(So  toirft  bu  bor  Gefahr  be£  9ibu>urf3  (eidjjt  berf  d&ont 
<2Ba3  bin  idfj  bodf)  bemüht,  bir  des  legons  3U  geben  1 
3>u  toeigt  ja  nadfj  ber  $unft  unb  aud&  nadf)  ber  3tatur, 
La  main  unb  jebeS  ©Heb  3U  fenfen  unb  3U  &eben 

Unb  alfo  fennft  bu  fc^jon  Manege  de  Tamour. 


43 


©eftel)'  e3  nur  mein  Äinb  .  .  . 


©eftefc      n«r         ®uti>  un&  töd&Ie  nid&t  3U  toter, 
(Setotg,  bu  toeifeft  mir  bag  erfte  fiiebegfptel; 
3>enn  alä  bcin  füger  SBtunb  ein  SBort  bon  Würfeln 

fpracfc, 

3>a  bad&t  id^  attererft  ben  Sad&en  toetter  nad&. 

<£r  tomrfelt  gar  311  too!)I  mit  feiner  klugen  ^aar, 
3d&  fcort  unb  toufcte  ntd&t,  to>a£  ba8  gerebet  toar. 
3nbem  fo  bftefeft  bu  mtc$  gar  3U  freunbltdf)  an, 
5>a  bad&t  tcJ)  allererft,  toie  einer  toürfeln  fann. 

Oft  bieg  bie  SOÖürferart,  too  mag  bog  93rettfj>iel  fein? 
3nbem  fo  fü&rteft  bu  mid)  bei  ber  Qanb  hinein. 
<£$  rag  mit  ftto&r  bebest,  tdf)  mad&t  eS  fanfte  lo2 
Unb  fe||te  mid&  bamit  auf  beinen  fügen  ©d&ooß. 

$ldfj,  ba£  geliebte  53rett,  bog  mir  ge3eigt  toarb, 
$Dar  boppelt,  runb  unb  3art,  tote  Sftarmor  toetg  unb  $art, 
SHe  klugen  gaben  mir  ben  redeten  Söürfeftauf, 
3>er  SHunb  ben  beften  6tein,  ben  fe£t  id&  füffenb  brauf. 

S3)ie  too&C  fear  mir  babei,  borauS,  mein  Siebten,  bir, 
S)enn  bu,  bu  fud&teft  felbft  bie  beften  @jnel  fcerfür: 
S)icf»bacf  unb  Äontrapuff,  93erfe$ren,  Sluäunbein, 
3>ie  fottten  unfere  Äur3»  unb  ßangetoetfe  fein. 


44 


gnbem  fo  rufefi  bu:  adf)  ftitfl  tdf)  fcore  toaS! 
3>ie  <Jrau>  ??rÄU  Sftutter  f ommt,  fie  fie^t,  fie  merfet  ba& 
^df),  tote  entfdjt  idf)  mid)!  9ldf),  tote  erfdfjracfeft  bu! 
5>a  bccften  toir  in  Sil  ba3  SBrcttfpieT  toieber  3U. 

60  toar  bog  Qpiel  geftört.  Srag  aber  feinen  (Brotf, 
3eig  mir  bie  Würfel  nur,  im  Sali  id&  fjnelen  fotf. 
3^r  ^ttäbd&en,  lernet  bieg,  bie  if>r  mid[j  fpielen  fel)i: 
3df)  f)a&  ben  beften  ©tein  in  meiner  ßiebften  93rett. 


45 


3>u  fanfteS  93anb  .  .  . 


$u  fanfteä  33anb,  ba8  meinen  Seift  beftricft 

Unb  meine  ^rei^eit  binbet, 
3<fj  fterbe  ftetö  burd&  frtfd&e  <8Iut  eni3ünbet, 

60  oft  mein  SUug  auf  beine  ©d&ön&eit  Wirft. 

3$  Hebe  bid&,  nid&i  toeiT  bu  feiben  bift, 
¥lod)  toeil  bie  &unft  be8  SÖeberS  btdf)  gefdj)tagen, 

9Tein,  fonbern  toeil  bein  $ltla3  ftürbig  ift, 
S>afc  ^tftö  U)n  an  tyrem  Änie  getragen. 

3$  Bfte  btdjj,  ba  mir  baS  (Stüde  rief, 

$ton  ibren  3arten  ^aben, 
3)ie  bie  Statur  mit  toarmem  Schnee  befaben, 

Ob  teij  fcfjon  feTbft  in  mein  93erberben  lief. 

3tör  5^6  ö>arb  frei  unb  meine  §anb  fcerfd&ränft, 
3a,  toag  nodfj  me&r,  mein  §er3e  fefbft  gefangen. 

S>ocfj  freut  e3  fiefj,  toenn  e3  an  btclj  gebeult 
Unb  toünfd&et  nur,  in  beinern  €>df)tnucf  3U  prangen. 

3d&  fcalte  bic$  bann  f)d&er  al§  5>emant, 
perlen  unb  Rubinen, 

3>u  mu&t  be3  9Tadf)tg  mir  ftatt  be3  iftffenä  bienen, 
3>e8  Sage3  trag  idf)  bid&  an  meiner  §anb, 
3m  Sraume  reb*  tdfj  ein3ig  nur  Don  bir, 

Unb  toadf)  i<$  bann,  fo  bift  bu  mein  (Ergeten. 
3>enn  oljne  bidf)  unb  beiner  ^iltS  3*** 

#ann  fonften  nidfjtä  mief)  in  Vergnügung  fejjen. 


46 


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<£rl>in<mn  Steumeifter 
yRabxigal  auf  bie  €5cfjür3enmobe. 


Sie  fangen  toof)l  redfjt  artge  Globen  an: 

SHe  eine  fe^t  ftdf)  toeß  Don  ©ofbe  bran, 

SHe  anbere  traget  prangen, 

Hnb  bie  35rabanter  €>pi$cnt 

SHe  anbre  $at  idf)  toeift  nid&t  toaS  bran  fijjen, 

S>ie  nä&et  fie  mit  U)rem  ^Tanten  au3, 

SKe  eine  mad&t  be3  Siebften  feinen  brauf. 

6on  tdf)  bat>on  mein  toentg  Urtetf  fällen, 

60  möchten  fie  nod&  tt>ol)l  3U  butben  fein, 

TOan  nälje  nur  bie  TOorte  mit  barein: 

gier  brunter  ift  ber  näd&fte  Wtq  3ur  götten. 


47 


Sodann  93urcf)arb  'Ktenfe  nad)  ^uffa-'Rabuttn 

Siebe3*9Ztajtmen. 


1. 

3&r,  bie  i^r  fetter  nid&t  Derfte&t, 
S8a£  if)r  für  Regung  bei  eudf)  fügtet, 
Hnb  bodfj  inbeffen  früf)  unb  fpät 
9ttit  euren  3arten  93anben  fptelet, 
S)amit  U)r  euren  3uftanb  toigt, 
60  fei  eud&  fur3  fo  oier  gefd&rieben: 
S>ajj  Sieben  ein  Verlangen  tft, 
5>a8  nur  bie  Heben,  bie  totr  Heben. 

2. 

(Ebelfteä  (5efdfjledf)t  ber  (Erben, 
SUIer  ©d&ön&eit  Äberpufe, 
3)em  bie  ©inne  3in3bar  toerben 
Hnb  ba3  £>er3e  bienen  mujj  — 
Siebet,  bodfj  ba%  eure  ^3fHd^t 
3n  ber  Stille  toirb  getrieben, 
3>enn  bie  Siebe  ftür3t  eudfj  ntd&t, 
$iber  toofjt  bie  9lrt  3U  Heben, 

3. 

931  an  f)dlt  e3  inigemein  für  fdfjtoer, 
3>a§  toaljre  Siebe  lä%t  in  £?reunbf$aft  fic$  bertoanbeln, 

3>od)  ba3  befrembet  mid&  freit  mef>r, 
Hnb  mein  tdfj,  bie  Statur  mu&  to>of)t  gar  unred&t  ^anbeln, 

TOenn  einer,  ber  ftd&  lang  aI3  ^xtunb  fyit  aufgeführt, 

Sluf  einmal  einen  Srieb  bon  Siebe  fpürt. 

48 


x 


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4. 

3dfj  bin  bemüht,  <£f)lorinben  an$uttt\bcnt 
6idf)  3U  bcr  3<x1)l  ber  Siebenben  3U  fdf)reiben, 
^IHcin  fie  nennt  e3  eine  fdfjtoere  Saft 
Unb  fpridfjt,  fie  fei  noefj  nidf)t  barauf  befttffen, 
'©iTI  aber  toof)I  Don  mir  bie  begeht  toiffen. 
©f)torinbe,  too  bu  Suft  3U  lieben  f)aft, 
60  toirb  fidfj  fcf)on  bie  Siebe  nidf)t  entfernen. 
Sldf),  Hebe  nnr,  fo  toirft  bu  Siebe  Temen. 

5. 

gragft  bu,  toeld&e  bon  ben  beiben  unfrer  Siebe  me&r 

genie&t, 

SHe  im  Sieben  unerfahren  ober  bie  erfahren  ift, 
60  ift  meine  Meinung  bie :  beibe  toerben  bidfj  betrügen, 
"216er  jene  bringt  me^r  ^u^m,  unb  bie  Tetjte  mefjr  93er* 

gnügen. 

6. 

TOe,  ©tjftbta?  bift  bu  benn  afl^eit  3ufrieben? 

Unb  ffagft  bu  über  mid)  gar  nidfjt? 
$erft<f)erte  Siebe  toirb  fd&fed^t  unterf Rieben, 

TOo  man  bie  3rüdf)te  fidler  bridfjt 
3)enn  foff  man  fidf)  &er3en,  fo  mu§  t%  audf)  fdf)mer3en, 

^Btt  eifrig  liebt,  bem  toirb  e3  fdfjtoer. 
$lcfj  6t)Ht)ia  liebet  midf)  fdfjtoerHdf)  Don  §er3ent 

TOarum?  6ie  trauet  mir  3U  fe$r. 

7. 

m$t  meine,  ©ftforiS,  bafc  bein  Sttann 
Un3  in  ber  Siebe  ftoren  fantu 
6ein  (Eifern  ift  ntdf)t  3U  berbammen. 


4  <8lel,  euftfcälbcfcen.  49 


§enn  er  bermeljrt  ber  £tebe  Jrud^t 
Unb  bringt  burdf)  feine  <£iferfudf)t 
Un3  beiberfeitS  in  botte  flammen. 

8. 

Du  madf)ft,  bag  bu  toerbäd&tig  bift, 
3)amit  bid&  3>amon  nidf)t  fott  frebentltd)  beriaffen  — 

$ld),  brause  feine  fotd^e  £ift 
Unb  liebe  redfjt  unb  gut,  to>o  man  bidfj  nidf)t  fott  Raffen, 

3>enn  burdf)  «akrbacJjt  unb  falfd&en  ©d&ein 
Crfticft  bie  fiiebe  btctd^  in  3arten  «lüten  — 

©ott  beß  Vergnügen  DÖttig  fein, 
©o  mu%  ein  §er3e  fid&  audj  bor  fiefj  felber  f)üten. 

9. 

2täbia,  idj  fott  Dir  fagen, 

2öie  e3  fommt,  baß  toir  ftetS  flagen, 

Sllfo  gib  mir  nun  ©efjör: 
(Einer  &at  ftetä  ©dfjulb  Don  beiben 
3>enn  inbem  örir  beibe  leiben, 

£eibet  einer  immer  me^r. 

10. 

20  er  nidfjt  mefcr  tut, 

toeß  man  fobert, 
§egt  eine  ©lut, 
SHe  faum  noef)  looert. 
3)0(1)  burdj  Regier 
#ommt  einer  ftetS  bem  Stnbem  für. 
5a,  ber  erljäTt 
^Bci  Sieb  unb  Äriege 

50 


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3toar  toof)t  ba3  Jett), 

3)odf)  toenig  6iege, 

3Öer  nur  bie  Pflicht 

Xlnb  fonft  ntdf)t3  rühmliches  fcerridfjt. 

11. 

$u  bilbeft  bir,  mein  Heber  ©trepfjon,  ein, 

bürfeft  bu  attein  treubrüchig  fein. 
S>ocf)  mu&t  bu  nicht  bon  beiner  Stau  befennen, 
6ie  fei  auch  ein  3erbrechfidfj  3>ing  3U  nennen? 

12. 

Ob  man  bie  Siebe  gleich  für  einen  ^Heifter  fdfjätjt, 
$er  un3  fdfjon  für  ftdfj  ferbft  genug  !ann  unterrichten, 
60  forbern  boch  babei  ber  ßiebe  fchtoere  Pflichten, 
$afj  bu  bem  anbern  fagft,  toa3  bidfj  in  flammen  fefct. 

13. 

CK)  man  einanber  noch  recht  fennt, 
pflegt  man  fich  <5ie  unb  (Sie  3U  nennen, 
SlTTem  toenn  totr  un3  beffer  fennen, 
60  ift  und  fdf)on  tt>ett  mehr  toergönnt; 
3>enn  6ie  unb  6ie  Hingt  3toar  galant, 
S>ocfj  3>u  unb  3>u  ift  mehr  touchant. 

14. 

$u  frageft  mich,  geliebtefte  ßtfette, 

Ob  id^  btd&  lieber  tot  al$  faffdj  unb  untreu  hätte, 

©0  nimm  bie  ^Intoort  ein: 
3d&  toottte  toohl  mit  ßuft  mein  Ceben  für  bi<h  geben, 
§ingegen  toirft  bu  mir  bie!  Heber  ohne  Ceben 
ohne  ßiebe  fein. 


51 


15. 

2Bcnn  id)  ber  £iebe  ^rud)t  bei  bir  genießen  tDitt, 
€5o  fprtd)t  bu:  ^offe  nur,  e3  Heben  ifcrer  Diel, 
5>ie  bem  ©erlangen  felbft  gemeine  ©ren3en  feigen, 
^lun  liebet  jeber  3toar  fo  tt>ie  er  e3  toerftefjt, 
3d)  aber  glaube  bieg:  toer  niemals  toeiter  gebt, 
3>en  muß  bie  £iebe  felbft  für  einen  (Stümper  fcfjät$en. 


52 


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11  =r 

G&riftian  3*.  §unolb 
3>ie  ©dfjoog. 


3cfj  bin  ba8  ^rabieS,  bor  bem  bie  #eufdf)beit  toadjet, 
3n  beffen  ©egenben  bte  £eben3früdfjte  Müljn, 
SOÖo  unfer  £eben  toirb  tote  Jeuer  angefadfjct, 
3)abei  bie  <3öf)ne  fidfj,  tote  ^bam,  gerne  müf)n; 
Sin  guteS  <5tlb,  ba£  nur  geratne  Jrüd^te  bringet, 
(Sin  ©arten,  ben  ber  Sau  ber  TOottuft  überfliegt, 
3a,  ber  bie  «sUnrnut  Ijat,  bie  arte  SÖelt  be3tonnget, 
Hnb  beffen  SBrumenfelb  fein  eigner  <$lu%  begie&t; 
(Stn9lteer,  tooCSbb  unbjlut  bem  9ZtonbenIaufe  greifet; 
(Sin  foiegelgratteS  (StS,  too  audf)  ein  «Riefe  fallt; 
(Sin  §afen,  ben  bergnügt  bie  3ucferfTott  erreichet; 
3)ie  6dfjure,  bie  tnan  nur  für  junge  9ttänner  fcäTt; 
3)er  £iebe  «SKufterjrfajj,  bie  9ttannfcf)aft  au8$uübtn; 
(Sin  3^n9ert  toerd^er  3U,  bodfj  nidj)t  berfdftfoffen  ift; 
3>ic  S©af)Iftatt,  too  to>of)l  audj)  ein  6imfon  ift  geblieben; 
$a8  <Sdf)ü$en|>au3,  in  bem  ein  jeber  gerne  fdf)ie&t, 
Gin  33ergtoerf,  toeldfjeS  ©olb  unb  (Stlberabern  $eget 
(5>ie  ^ünfcfjeTrute  fd&rägt  oft  art3U  heftig  an); 
(Sin  £anb,  ba£  unbefdt  audfj  feine  Jrüd^te  traget; 
(Sin  9ibgrunb,  too  bie  TOelt  bie  Herfen  ftfd&en  fann; 
3)er  Männer  größter  <Sdf)a$  liegt  oft  in  meinem  8*$*» 
S)enn  ba3  Skfjältntö  bin  icfj  etgentftdf)  ba$u, 
5>rum  &ält  bie  Ciferfud^t  bei  mir  fo  fd&arfe  ^Dac^e, 
3>anut  bemfeftigen  fein  5*em&er  (Singriff  tu. 
5)er  fiiebe  Slu&eftatt,  bie  Hegt  auf  meinem  ©runbe, 
3br  5orft,  in  toetd&em  fie  bie  fd&önften  3<>bel  }agl, 
SHe  Scanner  finb  babei  bie  beften  3äger&unbe, 

53 


3>enn  t&r  bertoegner  (Seift  ift  immer  unt>er3agt 
SÖenn  td&  berfd&loffen  bin,  fo  gef)t  bie  £uft  im  Ceibe, 
Oft  toerben  gar  barum  bie  £änber  ruiniert 
Hnb  fjrinnen  Srauerflor  anftatt  ber  toeigen  ©eibe, 
TOeil  meine  ^Hufd^cl  nicfjt  ben  S^ron  mit  perlen  3iert. 
2tur  eineS  ärgert  mid&,  bajj  aud)  bie  #tnber  toiffen, 

bie  Otrtoad&fenen  in  meinem  ©arten  tun, 
Sötte  fie  burdf)  i&ren  Sau  mein  SBlumenfelb  begießen 
Xlnb  mit  ber  größten  £uft  auf  biefem  93ette  rufjn. 
^djj  fönnt  idf)  biefer  93rut  unnü^e  kleben  ftillenl 
(Sin  SBorfd^lag  fällt  mir  ein:  tdfj  totfl  bemnäd&ft  einmal 
ungett>afd&ne£  $ttaul  mit  meinem  SÖaffer  füllen, 
SBer  toeig,  befrei  idf)  mtdfj  baburd^  Don  meiner  Qual. 
S>odf)  meine  93löfce  Reiftet  je$t  micfc  fttlle  fd&toetgen, 
3>rum  f)üll  icij  toieber  mtcf)  in  meine  5>ecfen  ein 
Xlnb  toill  nur  nodf)  mein  Sun  baburdf)  gebilligt  seigen: 
SSDo  Blumen  follen  blü&n,  muß  Sau  unb  «Regen  fein. 


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d&riftmn  $r.  £>unolb 


§Uf  gimmctl  toeTc&en  ©djmucf  .  .  . 


Mf  §tmmcn  toefc^en  ©djmucf  ber  perlentoeijjen  ©Heber 
£ieg  mtd)  ber  3artc  £eib  an  feiner  Stföfce  fefjnl 
SHe  Prüfte  lagen  l)ter  gan3  ungetoö&nlidj  fd)ön, 

SHe  gänbe  ftufcte  fie  am  93aud)e  &in  unb  toieber, 

6ie  fcub  ba8  eine  $ein  3U  toafd&en  auf  unb  nieber, 
5>aft  mir  ba3  ^arabieä  redjt  offen  fonnte  ftefjn. 
3$  fang:  Simalta,  lag  mid)  bod)  $u  bir  ge&n, 

Mein  fo  ©d&am  al&  ^oxn  berfttmmen  meine  2ieber. 

2id)  «Benug  unferer  3eit!  5>u  bift  SHana  ntd&t, 
SHe  in  bem  Brunnen  gleich  bog  SobeSurtetf  fprid^t, 
5>odj  fudf)t  bein  ftrengerSrtmm  mein  £eben3U  Berlinden. 

©o  fällt  9lar3iffu3  bort  in  93runnen,  ben  er  fief)t: 
SÖetf  nun  mein  ftor$er  ©eift  3U  greisem  6j>iegel 

60  fannft  bu  mid)  3ur  ©traf  in  beinen  Brunnen  ftür3en. 


55 


91.  SB.  im  t6d>Icfiföen  ^eücon' 


9ln  SRofetten. 


Ä$  fomm  bu  sucferfüjje  6tunbe, 

Wcß  fäumcft  bu?  ad)  fomm  fjeran, 
3>ag  idf)  aug  ber  «Rofetten  2ttunbe 

S>er  £iebe  3ulej>  faugen  fann, 

S>a  id)  bon  fcödfjfter  SöoHuft  t>o!l 

SBor  Ujrem  ®(an3  aI3  SDacfjS  3erfd&mer3en  foll. 

Sxitt  fje*>  bu  §tmmeI3&ttb  ^tofette, 
3)ie  JinfterniS  bringt  fd)on  herein, 

5>rum  u>trft  bu  mir  in  meinem  33ette 
SZtein  $lngelftern  unb  6onne  fein. 
SlÜaS  adjt  tdf)  benn  ber  bunüen  STad&t, 
SÖenn  nur  mein  £t<#t  unb  (Sonne  bei  mir  to>a<$t! 

Grquitf  mtdfj  nun  mit  ^mbrafüffen, 
Jüg  beine  SJruft  3U  meiner  53ruft, 

£ag  alle  ©Heber  &eut  3erfliegen 
Ston  biefer  fjoniggleidSjen  Suft, 
Unb  lag  ben  tilienu>eigen  £etb 
©ein  fceute  nid^tö  al£  meinen  3dtocttte\b. 

5aH  tdf)?  e3  fieren  fefl&ft  bie  SngeT 

SBer  taumelt  ntd&t  Don  einem  ^enuä'Srunft 

3df)  bin  ein  9Henfdf),  brum  $ab  icl)  Sttängef 
Unb  fu&Ie  füge  5ft$efung. 
S>odf)  faTI  id&»  aBbann  fatf  idfj  tfog 
3n  beinen  ^rm,  mein  #inb,  unb  3arten  Scfjoofj. 

56 


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,<5df)Ieftfd)er  ^elicon* 


S>er  glücfHd&e  ©d&o&fcunb. 


flcf)  $inb,  toie  fannft  bu  bodfj  fo  unbarmf)er3tg  fein! 
Wenn  id^  btd&  fuffen  toitf,  fo  toetd&eft  bu  3urüdfe 
Unb  ret&eft  burd&  ben  SBUtj  er3ürnter  ^ugenbttdfe 
3>en  3Jau  ber  fd^önften  goffnung  ein. 

Snbeffen  tut  bein  §unb,  tt>a3  tef)  nidf)t  toagen  barf, 
Wiampo  fügt  fein  93XauI  3U  beinern  3arten  SXtunbe, 
$tt  gonnft  Ü)m  manche  Suft  unb  angenehme  6hmbe, 
Stur  gegen  mtd&  bift  bu  fo  fd&arf. 

§at  meine  Siebe  benn  ni<f)t  einen  beffern  ffirunb? 
60K  eine  93eftie  mein  fügeS  3^  berfjinbern? 
91$,  Ijalte  nticfc  bod&  nur,  um  meinen  Sd&mer3  3a  Unbern, 
3uw  toenigften  toie  beinen  §unb. 


57 


,<3cf)leftfcf)er  $cttcon' 


3cfj  mu&  e3  to>of)l  gefte&n  .  .  . 


3cf>  mu§  e3  tooftf  geftef>n,  toerltebte  (Salimene, 
3>u  tuft  3U  Stnberung  ber  angenehmen  ^etn, 
60  i$  bir  jefct  gefragt,  mit  mir  jetjt  3temltd&  fdf)öne: 
S>u  räumeft  mir  bein  §er3  3U  meinem  Säger  ein, 
<£3  ift  ein  füßer  Ort.  SiUein,  berbuf)lte  (Seele, 
3dj  fag  e3  glatt  f)erau3:  (£3  fteF)t  mir  nun  nid&t  an. 
d%  liegen  anbre  fd&on  in  biefer  9lofenf)ö&le, 
SHe  Sieb  unb  (Eiferfudf)t  ntd&t  um  fic$  leiben  !ann. 
9)or  biefem  Ijab  tdfj  bidj)  3toar  oft  barum  gebeten, 
3113  mtd&  ein  ftarfer  Srieb  3U  beinen  #nteen  riß, 
3>a  feuf3t*  id&:  lajj  midf)  einft  3U  biefen  SRofen  treten 
Unb  offne  meiner  §anb  bein  fdf)öne8  ^arabieiS. 
9lun  aber  mag  tdfj  ntdfjt  in  biefen  ©arten  fommen, 
(£3  finb  fdfjon  anbre  ba,  bie  Ijaben  3ü>eifel3o&n 
SHe  heften  Blumen  längft  öom  6tocfe  toeggenommen, 
Hnb  alfo  bau  icfj  mir  ba  feinen  TOollufttljron. 
5>er  Ort,  an  toelcfjem  fidfj  mein  §er3e  foH  Vergnügen, 
9Hu§  ftetö  öerfcfjloffen  fein  unb  mir  nur  offen  ftefjn. 
TOo  anbre  $Bo&nung  ^aben,  ba  mag  idfj  nidfjt  liegen, 
2Kein  ©dfjafc  mu&  nur  allein  mit  mir  3U  93ette  ge&n. 


58 


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======================== 

©ottlteb  (Skamunb  SortrinuS 


2ln  ben  cif erfüdjttgen  Ceanber. 


£eanber,  lag  bie  ©orgen  fahren 

llnb  ftefte  beinen  Cftfer  ein, 
S)u  fannft  bie  totten  ©rillen  fparen 

llnb  fold&er  überhoben  fein, 
34  fomme  bir  nid&t  in  bie  Jlanfen, 

3Da£  bei&t  bu  bidfj  mit  mir  f>erum? 
2a%  bod)  bie  tf)örid)ten  ©ebanfen, 

3>ein  9ttäbcf)en  ift  mir  Diel  3U  bumml 

5>u  toirft  e8,  3eigten3  bie  ©ebärben, 

O&nfe&fbar  too&l  nodfj  bor  SDerbrufc 
3u  einem  Saftfiäfen  toerben, 

3>er  enblid^  gar  3erberften  mug. 
^d^I  f)ufte  nur  nidf)t  in  bie  §ögdf)en, 

$Denn  man  3U  beinern  ^Habd&en  Tad&t 
Unb  mit  if>r  bann  unb  toann  ein  (S&dScfjen 

SEHetDo^r  bir  nur  3um  6d&er3e  mad&t. 


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©ottticb  (Sicgmunb  GorbinuS 


5Uuf  einen  unfd&ulbtgen  ^TebenbuFtfer. 


^uffdfjen,  toifdfj  bir  bon  bem  SläSd&en 
S>ocf)  ben  «Roij,  ben  man  noclj  fd&aut, 
<£&e  bu  berfiebteS  §ä3df)en 
SHcf)  bei  ©t)Ibien  ing  äraut 
3XHHft  toie  grogeä  TOilbpret  feijen. 
£auf,  fonft  Taft  id&  fidf)erHcfj 
SHdf)  barauS  mit  §uuben  &e$en, 
©tfbia  ift  nid&t  für  bid&. 

SDaS  fott  i&r  bein  gelber  ©d&naber, 

Süngerdjen,  probier  e£  bodf), 

Ob  bu  tooftf  big  an  ben  9tabe( 

Ober  ettoaS  tiefer  nodf) 

^annft  mit  beinern  ^atfdfjdfjen  rangen, 

S>odf)  betfetbe  3aubre  niefct! 

SHein!  TOie  toillft  bu  SHetfen  fangen, 

3>a  ber  ©prenfel  bir  gebricht  t 

3rr  td&  ntd&t,  fo  Hebt  ber  Sudtr 
SHr  nod&  toirfliefc  am  ©ebiß, 
3>en  no<$  nadjft  bir  armen  (Sd&rucfer 
3>er  ärtfri&a&n  fd&arren  Heg. 
<£t,  toie  riecht  bein  Aitern  füge, 
3>er  nadf)  SHutterbietje  fd&mecft, 
ttnb  bon  tyäpp  unb  bem  ©emüfe 
ItnS  ben  9Iacf)fd&macf  noefj  entbeeft. 

60 


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3ft  ber  tyopd  au3  ber  STafe? 
§at  bie  SKufcme  btd)  gebürft 
Unb  n>a£  bir  im  Gmnbe  fajje 
SItit  bcm  Staunten  tübgefnirfd)t? 
£ej>fcfj!  toUIft  bu  3ur  3ungfer  ge&en? 
©inb  aucfj  bcine  §ö3djen  rein? 
£äj$t  bu  beute  tyuppt  fte&en, 
3>ie  jaloux  barüber  fein? 

(5ro&eriDad)fne8  5rawen3tmmer 
6pielt  mit  feinem  Rampelmann, 
3>enn  bie  Jungfern  fud&en  immer 
(Einen  bdrtgen  (Eourttfan. 
<Si,  ber  SUffe  mu&  bid)  freien, 
3>a&  bu  btefeg  fdf)öne  Äinb 
^itfft  3U  6tecfenj>ferben  ftelTen, 
SHe  für  bi<$  3um  leiten  ftnb. 


61 


♦ 


3)a  im  ©egenteil  bie  anbern 
9ltu|teti  nacf)  bem  S)orfe  toanbern, 
2Do  man  ifjren  93ater  fie&t. 

WU  Sugenben  3U  Toben, 
SÖBirb  nottoenbig  aufgefd&oben, 

S)enn  e3  fehlet  an  ber  3*tt; 
3>odfj  nur  etftaä  3U  berühren, 
Unb  bie  größten  an3ufüf)ren, 

geiget  SpfTi^t  unb  ©dfjulbigfeit. 

Äann  bie  5>anfbarfeit  auf  (Erben 
6onften  (aum  gefunben  toerben, 
?Öar  fie  bodf)  fein  größter  9tuf)m. 
3ttuf$  bie  Sreue  fid&  berfried)en, 
Qatte  fie  bocfj  3oified^en 

©reicfjfam  atö  fein  Eigentum. 

S>enn  man  faf)e  biefeS  günbd&en 
TOmmermefcr  ein  SKertelftünbdjen 

^lufeer  bem  getoo&nten  6dSjoof$, 
S)a  e3  fonnte  fidler  liegen 
Unb  beftdnbig  mit  Vergnügen 

£eben3unterljalt  genofc. 

gamburgS  toeftberüfjmte  ©äffen 
§at  er  neulidf)  fefjen  raffen, 

$)a%  er  fdf)ön  unb  artig  fei; 
Sttefem  Sewgnfö  au3  ber  gemt 
£eget  audfj  bon  §er3en  gerne 

Cüneburg  fein  ^otum  bei. 

64 


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2lber  mug  tooftf  auf  ber  (Erben 
(Sttoaä  angetroffen  fterben, 

SBetgeä  Cange  bauern  !ann? 
3oifiedf)en  &at'3  erfahren, 
3>enn  nad)  3to>eten  biertel  3#>ren 

$Tafjte  fein  Sennin  fjeran. 

(Eben  toarenS  bretmaT  fieben, 
SHe  tinr  im  Oktober  fd&rieben, 
er  unbermutfid)  ftarb 
Unb  fid^  in  bem  fdjönften  ©arten, 
3>te  33ertDefung  3U  ertoarten, 
(Eine  füf)U  ©ruft  eroarb. 

kommet  alfo,  if)r  Charmanten 
Stttt  ben  fpiefenben  «pfatfanten 

Unb  besaget  eure  9Tot, 
6eit  betrübet,  tfjr  ^BrüneKen, 
Stebft  'SHmourS  unb  ^ovabcUcn: 

(Euer  goifie  ift  tot. 


5  «let,  öifltoäibc^n.  65 


Regina  SZtaria  ^fitjcrtn 


9luf  ben  Sob  be8  ©d&og&üttbd&enS 
9lmourettdf)en. 


URan  raubt  mir  o&ne  (Sd&uFb  mein  £eben, 

SRief  Äaifer  SituS,  dg  er  ftarb; 
linb  Slatjeburg  totrb  3eu3nt3  geben, 

S)ag  9lmourettdf)en  fo  berbarb. 
Cht  SXäfd&er  bleibt  oft  ungerod&en, 

SDie  gern  er  toaS  berbotneS  frigt, 
3>a  nur  ein  33eindjen,  nur  ein  Änodfjen, 
5>a3  tf)tn  ben  3arten  §atö  burdfjftod&en, 

3>er  Sob  bon  SHmourettcJjen  tft. 

3>odf)  ftirb  nur,  ßolbeS  ^mourettd^en, 

6tirbf  toetf  e3  fo  bein  Sd&icffal  l)eigt, 
(genug,  bag  bidf)  bein  (Sterbebetten 

Sticht  gän3ftcfj  bon  ber  (Erbe  reigt. 
6inb  beine  ©lieber  fd&on  berborben, 

60  brütet  bein  ©ebädf)tni3  bod&, 
3>enn  toer  ber  3>amen  (Sunft  ertoorben, 
3ft,  toenn  er  ftirbt,  nur  Ijalb  geftorben: 

3n  t&rem  §er3en  lebt  er  nodf). 

(Sin  «SDibber  trug  einft  gitfbne  «JBotte, 
SHe  gab  man  für  fta$  rareS  au3, 

9Han  fd&rieb  iljn  in  ber  ©ternen  SRotte, 
Sttan  fcing  fie  in  ein  <Söt|enf)au3. 

Ö  fdfjriebe  bod&  bie  ftügfte  ^eber 

S)ie8  §ünbdf)en  aud&  ben  Sternen  ein, 

66 


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So  tote  ein  mi3geftoj>fteg  £eber 
$lud)  fonber  33fut  unb  of)n  ©eäber 
Un3  fon  ein  etotgg  5>enfmal  fein. 


SÖoljr  un3!  bie  TOünfdje  finb  geraten! 

S>er  gan3e  ^inbuS  regt  fid&  fd&on! 
5Han  fingt  bon  ^mourettd&enS  Säten 

Sogar  auf  ^oftodtä  Qeftfon! 
9Hir  aber,  bem  ba3  ©tücf  3utoiber, 

5Hir,  ber  td&  müfrfam  reimen  fann, 
SHir  fdpgt  bie  $ur$t  ben  ©riffet  nleber, 
$>enn  $ter  finb  fo  Diel  Sd&toanenlieber, 

2Der  &ört  ber  ©änfe  Schnattern  an! 


67 


i 


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STOittefinb-floromanbel 


9ln  Jleuretten. 


9Ba3  quäteft  bu  bie  Keinen  SHnger 
Unb  fd&nürft  fie  in8  ©efdngntg  ein? 
(Ertaube  bem  barmr)er3gen  Ringer, 
2>afc  er  barf  ir)r  Ctrtöfer  fein. 

*2Hit  ltnred)t  ^aft  bu  fie  öerbammet, 
6ie  fjaben  bir  Ja  nidf)t3  getan, 
$ein  getfeS  geur  bat  fie  beflammet, 
(Sie  ger)n  nodf)  auf  ber  Unfdjulb  93af)n. 

3n  biefer  engebrüftgen  Maufe 
§at  fid)  il)r  £eben  gan3  öerftetft 
Unb  unter  ber  Vermummten  Traufe 
9ttit  ^ngft  unb  <5euf3ern  3ugebecft. 

(Sie  finb  Don  Sraurigfeit  gefd&tDotten, 
(Sie  toanfen  3itternb  fjin  unb  f)er, 
Hnb  toenn  fie  $Uem  fdfjöpfen  tooften, 
TOie  brüeft  fie  bann  ba3  ©itter  fcrjtoer. 

0  la%  bie  fußen  Srauben  flauen, 
2a%  fie  aug  irjrer  Detter  geljn, 
Srifft  fie  Verliebter  triefe  Sauen 
SöaS  giftS,  fie  reifen  nodj  fo  fd)ön. 


68 


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©ottlieb  eicgmunb  SoröinuS 


3)ct  fdfjHmme  Sraum. 


Hai  m*3)  fd^rafcn,  liebfte  ©eele, 

TOÜlft  bu  ntd&t  3ufricben  fein, 
3>ag  idf)  midf)  am  Sage  quafe 

Unb  mein  §er3  toiel  taufenb  spein 
deinetwegen  mufj  ertragen? 

©oft  mid)  nodj)  ein  ©dfiattenfpiel 
sntit  berttebten  Sräumen  J>fagen? 

CngelSfinb!  ba3  ift  3U  biet! 

können  bodfj  berfjajjte  ©flaben, 

SJDciT  ba3  ©df)tff  im  Slnfer  liegt, 
$tet  ber  9ftad^t  geruhig  fcfjfafen, 

3d&  aftein  fdtfaf  unbergnügt. 
SUud&  bie  2Tadf)t  toift  mief)  nid&t  fdf)ü$en, 

3>enn  mein  §er3  erfährt  babei, 
3>a{$  e8  mufj  erbärmlich  fdf)tt>itjen: 

Sag  unb  Stacht  ift  einerfei. 

^enn  ber  überhäufte  Kummer 

kleinen  fd&toad&en  ©lieberreft 
3a  3uTe^t  in  einem  ©dfjlummer 

^uf  ba3  SBette  finfen  ragt  — 
©cJjraf  id^  bodf)  auf  f$atofö  ©teinen, 

3>enn  ba  toirb  mir  bei  ber  SXad&t 
Gtfeidf)  n>a£  in  bem  Sraum  erfechten, 

2>ag  ftdf)  (SngeTn  ähnRcf)  mad&t. 


69 


a 


3$  barf  $ti>ar  im  gtmmel  fieigen, 

SÖeld^er  beinen  ©d&oofc  umfdj)leu&i, 
2DeiI  bein  gütige^  93e$eugen 

Stttir  im  Sraum  bie  Detter  toeift, 
Unb  geniefee  3ucferleben, 

S>a8  mir  beine  farge  §anb 
SRimmerme&r  toirb  toadfjenb  geben, 

S>enn  bu  bift  bon  3>iamant. 

Slmor  lagt  miclj  trdumenb  ftegen, 

3>enn  id&  fe$  ber  ^almen  fatt 
9luf  ber  toet&en  TOa&lftatt  liegen, 

3>ie  mein  9irm  erfod&ten  f)at; 
Unb  bei  meinem  fügen  ©dfjlafen, 

TOenn  fidf)  SSlaft  unb  Segel  regt, 
Säuft  mein  6d^iff  in  beinen  §afen, 

S>en  bie  9knu3  angelegt 

3$  befd&tff  bei  6turm  unb  93lifcen 

3>eine  neuerfunbne  SDelt, 
S05enn  bie  bellen  um  mid&  fjmijen 

Unb  ber  ©djjaum  ui3  95ette  fallt, 
Sanb  id&,  e&  id&  mtd&3  berfe&e, 

SUn  ben  3«^nfeln  an, 
60  ba&  id&  fie  in  ber  9tafce 

§albent3Üdtt  befteigen  tonn. 

OTenn  id£)  midf)  mit  Sräumen  paare, 
Jinb  id&  feinen  TOiberftanb, 

3>en  t<$  oft  bei  Sag  erfahre; 

3>enn  im  @d&laf  barf  meine  §anb 

70 


4 


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STacf)  ber  ^urjntrmufdjel  greifen, 

SHe  bein  Ufer  auSgefät, 
3a,  idf)  mag  nod)  toeiter  greifen, 

3Deit  mir  aüe3  offen  fte&t. 

SUber  ad&I  toenn  id&  ertoad&et, 

©infet  mir  mein  fteifer  Sltut, 
Ob  tdf)  gleich  im  ©dfjlaf  gelad&et 

Unb  e3  mir  nod&  fanfte  tut, 
2ä%t  midf)  bod&  ber  ©laube  lefen, 

3) er  mir  in  bie  §änbe  fömmt, 
S>a&  rnicf)  nur  ein  fd&äumid&t  SOBefen 

«ei  ben  Sräumen  überfd&toemmt. 

SHeine  ©lieber  finD  gefd&tagen, 

Unb  ber  auSgebrodfjne  @d&to>et& 
Stehet,  ba&  idf)3  faum  mag  fagen, 

Siuf  bem  Selbe  tropfentoetö. 
3$  fann  faum.  bte  Cenben  rubren, 

3>enn  bie  ©eifter  finb  ba&rn, 
Unb  micij  au3  ben  Gebern  fuhren, 

©eil  tcf)  matt  unb  mübe  bin. 

$rum  fo  ftelTe,  ttebfte  ©eele, 

#ünftigl)in  bein  ^Hartem  ein, 
3>a  idf)  micf)  am  Sage  quäle, 

£afc  bie  9Iädf)te  meine  fein; 
©idfj  am  blojjjen  ©dfjatten  laben, 

3ft  ein  <Si3,  ba3  batt>  3erbrid&t  — 
©aS  idfj  nidfjt  foll  toad&enb  fcaben, 

Sltag  idfj  audj  im  Sraume  nid&t 


71 


$of)ann  griebrid)  lieberer 


9tebe  einer  fcf)ü>angern  Softer,  toeld&e  auf 
i&rer  eigenen  gottlofen  Butter  <Sd&oo&  bie 

<£ljre  berloren. 


Zf)t  ©ternet  fjelft:  idfj  fterb  in  un3udfjtt>otten  Rammen 
$luf  meiner  böfen  ^Kutter  adfj!  t>erfTud)ter  ©cfjoofe. 
6ie  fd&ränfet  Seht  unb  Sein  unb  9lrm  um  9lrm  3U- 

fammen, 

6ie  Raufet  ©cfjanb  unb  6d&imj>f  unb  madfjt  mid^ 

e^renlo^ ; 

3<f)  mug  ber  3unber  fein,  an  bem  fie  ungerodfjen 
S)en  ©d^toefer  geiler  SBrunft  bem  Suftfer  3ünbet  an, 
9tun  tft  mein  5euer3eug  mit  (Stein  unb  ©taftf  3er- 

brod&en, 

2>af$  feine  £iebe£f)anb  redfjt  Jeuer  fragen  fann. 
^dfj,  adfj,  auf  Ijetfe  ©lut  toirb  ^oHifd^  «Raud&toerf 

brennen, 

3>er  (Erbe  feufdfjer  <5f)r  ift  Un3ud[jt  eingeftecftl 
Sin  ©artner,  ber  fidfj  f onft  Maronen  gteid^  barf  nennen, 
§at  meiner  Shime  3tfüt  mit  Sdfjtt>efer  brau  beflecf  t. 
•SHein  Äleinob  ift  berf  djer3t,  bie  JJungfernfdfjaft  geftorben, 
SHe  in  ber  Butter  ©dfjoofe  tyr  ©rab  gefunben  fcat. 
TOaS  an  mir  ttebenStoert,  ba£  aUtö  ift  berborben 
3>urdfj  meiner  9!tuiter  ©dfjulb,  burdfj  iljre  Äuppfertat. 
TOag  Ijat  bidf)  Sigertier,  bidfj  Seufel3f)er3  betoogen, 
3u  fi>fdf)en  getfe  ©hit  an  meiner  feufdfjen  Sruft? 
(Ein  ©edfjfef  fjat  bierietdfjt  ben  Minben  ©e*3  betrogen, 
(Sin  SD3ed;fer,  ber  nur  ©fjr  bertaufdfjt  mit  Suljlerluft, 
9Itit  £uft,  bie  meine  Sruft  gan3  graufam  enbRd&  quäfte, 

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Ob  gCctcf)  bie  #ttjeiung  burdj  beibe  Cenben  lief, 
Ob  er  gUid)  taufenb  Äüfc  auf  meine  2ippcn  $ä1)Ue 
Hnb  ftetö:  o  §tmmef3bilb,  o  CiebeSgötHn  rief. 
SHe  Äüffe  toaren  Quar,  bie  TOorte  3>onnerfetfe, 
3>afc  aTfo  9Hunb  unb  Of>r  i&r  Anteil  f>alb  berfludjt, 
3)er  Äi^ef,  aCi  toenn  man  mit  einem  ftumpfen  ^PfeUe 
3>er  ^einbe  toarmeä  Sttut  in  U)ren  $lbern  fud&t. 
9ldf)  biefeS  (5(eid)nid  fünt  mein  Slug  mit  $eiften.3ä&ren, 
3$  bin  auf  greife  TOetg  mit  folgern  ^feil  Wefct ! 
9ld)  bafc  ber  gimmef  mir  bodf)  biefeS  tooflt  gemäßen, 
5>a&  meiner  SHutter  tomrb  bie  <5rabfd&rift  aufgefegt: 
„§ier  Hegt  ba8  SlaS,  um  ba£  fo  (5ei3  aI3  (SetffjeU 

fämpfen. 

(Setoinnfucfit  toar  il>r  $*or«,  i^r  3unam*  Äupplerin. 
Sie  Ijielt  tf>r  eigen  Äinb  be3  SBuftferS  «runft  3U 

bämpfen, 

Hnb  gab  ber  Softer  <£&r  um  fünf3ig  SM**  f)in." 


73 


So&ann  griebrid)  Biebern 


- 


3>te  e&elid&e  spflid&t 

%12  einft  ein  alter  §err  ein  JungeS  <2ttabdf)en  freite 
Unb  i&m  fein  fd)frad)er  £eib  nid&tö  guteS  prophezeite, 
6prad)  er  3U  i^r :  mein  Äinb,  f ie  toirb  f  id)  ja  bequemen, 
Unb  toirb  bie  eftf'ge  ^flidfjt  quartaltoetö  t)on  mir  nehmen. 
3&r  TOiberfragen  toar,  ba  fie  ftd&  !aum  bebaut: 
^Urein,*toie  bieT  Quartal,  gtbtS  benn  in  einer  STad&t? 


74 


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3ot>ann  ^rlebrtd)  ^lieberer 


3>ie  fdfjöne  (ä>ertraub. 


$ie  fdfjöne  (Bertraub,  fo  fid&  jüngft  bermdftft,  toottt 

totffen, 

SBann  too&C  bie  befte  3«t  btx  fiieb  $u  pflegen  todr; 
(Ein  3>oftor  faß  bei  i&r,  ber  toar  fogleidf)  befttffen, 
$kbadf)t  fi$  auf  bie  Jrag  unb  fagt  ityr  o&ngefdljr: 
Söenn  man  be£  SttorgenS  Jrüf)  bie  «Rofen  benft  3U 

J)flücfcn, 

3ft'8  ba3  gefünbfte  Gpid  unb  für  bie  Cenben  gut; 
3>te  aber  bei  ber  9tadf)t  ftdj)  3U  ber  Arbeit  fd&tcfen, 
(Beniesen  tiefre  £uft,  um  tx>etl  e3  füger  tut. 
3Do$(,  fagt  bie  junge  Brau,  bann  fcrift  tcjj  fünftig  forgen, 
3u  pflü&en  in  bem  93ett  bie  3rü<$)t  ber  Jungen  3«** 
93orerft,  toetf  e3  gefunb,  3U  Jrüfc  am  gellen  borgen 
Unb  toann  e$  9lbenb  toirb,  bann  um  bie  6ü&tgfetk 


75 


Sodann  grtebrtd)  SRtebem 


3>er  jungen  Softer  einfältige  fragen  an 

bie  Butter. 


$ld)  Butter,  adf)  £eanber3  Hüffen 
6cf)mecft  beffer  al8  ber  befte  6eft, 
34  mochte  bodf)  bie  Ur\ad)  toiffen, 
llnb  toaS  er  tägttd&  an  mir  leeft, 
ßr  greift  midf)  an,  er  fdjnürt  miefj  3U, 
(Er  fd&toort,  ba&  er£  auS  ßiebe  tu,  — 
S>rum,  Hebe  9ttutter,  fagt,  tdf)  bitt, 
9Ba3  meint,  ti>a£  meint  er  too&f  bamit? 

(Er  fefcet  miefj  auf  feinem  <5df)oo&e, 
(Er  u>ünfdf)t  bei  mir  aüein  3U  fein, 
(Er  machet  meine  Prüfte  Moje, 
(Er  bruefet  feine  Singer  brein, 
(Er  füffet  mid&,  er  ftreid&ett,  fpieft, 
SBtö  ba&  er  toeife  nid&t  too&tn  füf)Ct  — 
3>rum,  liebe  9Kutter,  fagt,  idj)  bitt, 
SDaS  meint,  ti>a3  meint  er  tooffi  bamit? 

(Er  gibt  mir  Su&et,  ift  mir  l)ott>e, 
SBefie&et  §änbe,  $ü&  unb  STaf', 

ob  er  midf)  burd&gudfen  tooltte 
Unb  feuf3t  3uCejjt,  toeig  ntdf)t  um  toa8; 
(Er  fagt,  td&  fcätt'3,  unb  gibt  nidf>t  *u!>, 
3d&  leugne  unb  er  Tad&t  ba3u  — 
S)rum,  Hebe  9ftutter,  fagt,  tef)  bitt, 
3Öa8  meint,  toaä  meint  er  tooftf  bamit? 

76 


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£c^t  ba  er  aug  bem  ©d&taf  midf)  toecfte, 
#rocf)  er  gan3  fanfte  neben  mid^. 
60  halb  er  fid&  ein  bi3df>en  ftrecfte, 
60  tourbe  mir  gan3  ttmnberltdf). 
(Sleici)  tt>ar  mein  TOunfcf)  unb  mein  93egef>r: 
Heber  Bxeunb,  fomm  öfter  f)er  — 

2)  rum,  liebe  SHutter,  fagt,  t<f>  bitt, 
SDaS  meint,  toaS  meint  er  tooltf  bamit? 

3>en  anbern  9Ztorgen  tarn  er  toieber, 
(Er  fd)ttd)  fidf)  ein  3ur  ßammertür 
Unb  legte  ficf)  gan3  fcurtig  nieber, 
3$  toar  bor  SMluft  auger  mir. 
Sßtein  #inb,  fo  toaren  feine  SÖBorte, 
3d&  toifdf)  bcS  SItaul  unb  fd&nurre  fort  — 
3>rum,  Hebe  Butter,  fagt,  idf)  bitt, 
^Dag  meint,  toaS  meint  er  toof)t  bamit? 

ta  &ei&t  er  mid&  fein  liebe«  <5Beibe, 
3$  bin  fein  genndfjen,  er  ber  gafcn. 
6eit  geftern  fpür  t<$  toa3  im  £eibe, 
(23  flopfet  tote  ein  gammer  an. 
Unb  ber  2eanber  fpottett  nur 
Unb  foridfjt:  ei,  ei,  bu  arme  gur! 

3)  rum,  Uebe  SHutter,  fagt,  id&  bitt, 
SODaS  meint,  tt>a3  meint  er  too^t  bamit? 


77 


,3leuer  Söorraifc' 


S>er  SBeiber  tDofjUanbirte  ^ribüegia. 
3ti  nachfolgende  elenbe  Meinte  gebraut 
3)urc$  t>en  Ungebundenen  t>on  Bremen. 


$er  SHann  foll  (toenn  er  toilQ  ge&ord&en  feinem  TOeibe 
linb  U)r  me&r  guteS  tun,  alS  feinem  eigenen  fieibe. 

(Er  foH  bie  Arbeit  tun,  3uljau8  unb  auf  bem  £?elbe 
Hnb  ja  ben  ©dtfüffel  nidf)t  begehren  3U  bem  ©elbe, 

3>er  SZlann  fott  (toenn  ft<f>8  fd&tdft)  fo  balb  er  toirb 

ertaadfjen, 

5To$  früfc  fein  brauf  btbafy,  bie  6tube  toarm  $u  machen. 

3>a8  TOaffer  fott  er  balb  U>r  toärmen  unb  ingreid&«n, 
SÖenn  fie  gett>afdf)en  ift,  ein  toeifceS  §anbtud()  reiben. 

(Ein  6cf)äld&en  Don  (Eonfect  fott  er  bei  §anben  $aben, 
5>amtt  fie  auf  ben  6d&laf  ftdf)  toieber  mög  erlaben. 

SDo  ettoaä  überWeibt,  fo  fann  er'3  audjj  genießen, 
3>od&  frag  er  toobl  3ubor,  e8  modf)t  fie  fonft  berbriefcen. 

3>e§  ^benbS  tollt  bem  9Rann  au<$  toieberum  gebühren, 
6le  (loenn  e8  U>m  beliebt)  inS  toarme  93ett  3U  fuhren. 

SHe  tieftet  überall  gebührt  t&m  auf3ubinben, 
S>odf>  ba%  fie  fotcfje  frul)  auef)  möge  toieber  finben. 

hierbei  fo  toirb  ber  $ttamt  fi$  audj  bequemen  muffen, 
3u  loärmen  allemal  bog  §auj>t«  unb  6df)ufterfiffen, 

78 


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3)en  SDÖdrmftetn  foll  er  fein  auf  iFjre  6etie  bringen, 
Unb  tyr,  toenn  fie  e8  Reifet,  ein  «SHegenlteblein  fingen. 

$ege$rt  fie  ettoaS  me^r,  fo  foll  er  fie  berforgen 
3u  SQXitttmcHfyt  fotoo&l  al8  an  bem  lichten  Sttlorgen. 

SBift  fie  einmal  3ur  Suft  mit  Jemanb  au£fpa3ieren, 
So  la&  er,  toen  fie  nennt,  fie  bei  ben  gänben  fuhren. 

^eibt  fie  au£  über  ^Tad&t,  fo  lafj  er'8  audf)  gefdjefjen, 
6ie  tolrb  bodf)  überall  nad)  ttjrem  $tutjen  feben. 

beliebet  tfcr,  ein  ©piel  btStoeilen  an3uftellen, 
(£8  fei  auefc,  too  e8  totll,  mit  anbztn  SJunggefellen, 

60  foll  er  fie  barum  ntd&t  neiben  ober  Raffen, 
SHelme&r  bie  Cuft  tf)r  &er$Itd)  gerne  laffen, 

(£r  foll,  too  er  nur  !ann,  audf)  3U  berfd&me^en  toiffen, 
'SDenn  fie  auf  i&ren  Sltunb  ein  guter  Bxtunb  totll  füffen. 

$Iu<$  barf  fie  o&ne  6df)eu  mit  guten  JJreunben  fd&er3en 
Hub,  too  fidf)'3  fdf)t<fen  toill,  fieb  3ebnmal  laffen  b*f3«t. 

6ollt  aud&  ber  3Hann  nld&t  mebr  t&r  gönnen  fold&e 

JJreuben 

Unb  (toaS  nid&t  billig  ift)  nodf)  langer  fönnen  leiben, 

60  foll  fie  allerbingS  befugt  fein,  fi$  3U  rächen, 
Unb  (tote  e8  t$m  gefällt)  ba8  Urteil  felbft  3U  ft>red&en. 

3b*  foll  bergönnet  fein,  Ü)n  totrfltdf)  ab3uftrafen, 
Unb  fortan  feine  9Tad&t  tbn  laffen  bei  fidf)  fd&lafen. 

79 


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6ie  mag  ü)n  audj  bei  3Iadf)t  3U  Hcf  nid)t  faffen  raften, 
Unb  (toenn  e£  Ü>m  gefallt)  brei  gati3er  Sage  faften. 

Oft  ba3  SBerbred&en  groß,  fo  neunte  fie  bie  Gilten, 
Hnb  [treibe  toeibttd)  3U,  bte  er  beginnt  3U  Wüten 

Unb  fprid)t:  l)ör  auf  mein  äinb,  la%  bid)  bod&  toteber 

ftaren, 

3<f)  toltt  nun  frömmer  fein  unb  tun  nad&  beinern  bitten. 


80 


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Le  Pansif 


SJegertne  unb  il)r  ©atan  Snte. 


Unter  aTTen  5rauen3tmmer 

3n  bem  beutfd&en  <Srb»Sltf)en 

«IBirb  be8  3Iad)t8  bei  <Sternenfd)immer 
teilte  nidfjt  gaffaten  gefjn, 

SUIS  bie  getfe  93egerine, 

SHe  ©tubenten^toline. 

SBenn  bieg  3Iadf)tfidf)t  nun  erfd&etnet, 
etetrt  fidj  balb  bie  2i$tpu$  ein, 

3>ie  ba8  2idf)t  3U  pu$en  meinet, 

Ob  e3  greidfj  t>on  Jjreifdfj  unb  SBein, 

Unb  ba  I)ärt  bie  arme  9ttrfe 

^ie  ein  £amm  gebulbig  ftilTe, 

$ügt  fidf)  nun  tfjr  £iebe3glüc!e 

Jragt  fie  nidf)t:  toer,  tote  unb  tt>o, 

6ie  ift  5U>ar  bom  SHtttelftüdfe 

SDeü  befd&rien,  bodf)  tft8  nid&t  fo, 

3§re  3uttgferf($aft  ift  enge 

3n  bie  Quer  unb  in  bie  Sänge. 

• 

hoffen!  i&re  £tebe8tafd)e 

3ft  mit  nickten  auSgebebnt, 

^irTenfang  f>at  fie  bie  Sfofdfje 
^on  ßuifen  fd&on  entfernt, 

3>eren  Sropfen  (f)elf  mir  Tacken!) 

SQ3eüe  Sungfern  enge  madfjen. 

6  "Biet,  euftwälöflen.  81 


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3)arum  bfetbet  fte  bodfj  fdfjöne; 

Ob  if)r  gteid^  3um  3ettbertreib 
Stenn  unb  toann  ble  SKufenfö&ne 

gödfern  auf  bcn  geilen  ßeib. 
6ie  tadf)t  nur  3U  folgen  hoffen 
SDeil  ble  meiften  fe&rgefd&offen. 

SaufenbmaT  &at  fte  probieret, 
TOie  ber  2xebtS^ampdmann 

9Hit  ben  3ungfern  courtifieret, 
S>afc  fie  mefcr  ersähen  !ann 

Söon  berflebten  9TecftarfTüffen, 

9113  tDoty  manche  Leiber  toiffen. 

3>enno(5  Weib  id&  il)r  getoogen, 

SBeU  icfj  i&ren  fieibeSfeim 
Unb  fie  meinen  eingefogen, 

$Öerd&er  atö  toie  93ogefteim 
Allein  §er3  an  ü)r  §er3e  Kebet, 
8>a8  t&r  gan3  3U  eigen  Tebet. 

2timmerme$r  tarnt  unfer  flater 
©einer  9Itie3e  günftig  fein, 

Unb  ici)  glaube,  mein  §err  «Bater 

#ann  nidf)t  fo  ein  (BräSd&en  TOcin, 

#ein  «SUttoeib  bie  toelfe  'Rüben 

9tt3  i<fj  35egerinen  Heben. 

3>enf  id&  Üjrer  £iebe3«<£&ofen, 

Qüpfi  mir  ber  gop&eifafa 
3n  ben  er3bertiebten  §ofen, 

3He  i$  Don  ber  (Sroßmama 

82 


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3$rem  roten  Sdfjarladfjrodfe 
SKad&en  lieg  beim  Sitgenbode. 

Sic!)  bu  5feftern  meiner  Seele 

2a%  mid)  burdj)  ben  SubuS  bodf) 

6ef)n  in  beine  Setbe3$ö$re, 
3n  bog  3udferfü&e  Codfj, 

^Bo  fdjjon  bei  fo  jungen  3a§ren 

SÖXand&er  au8«  unb  ein  gefahren. 

SBenn  bu  toüfcteft,  tote  mi$  brennte 
©einer  «ttugen  fcetßer  &tta% 

ßle&eft  bu  bie  arme  <2nte, 
SHe  fo  qudcfet,  gern  einmal 

3u  bir  in  bein  Sfette  fteigen 

Unb  btdf)  öon  ©anft  @ttp§an  geigen. 

9Tun  idj)  fte$e  bor  ber  Sure, 
2a%  mid&  £umj>enbettfer  ein, 
3>enn  e3  toarten  if>rer  Sölere 

kleben  mir  In  fjet&er  ^ein, 
^Oirft  bu  und  ntdf)t  &üf>Iung  gönnen, 
3Hüffen  toir  bor  (Mut  üerbrennen. 

6prid>  ein  SDörtd&en  ber  (Senaben 
öffne  auS  ^8armljer3tgfett 

5>en  berfd&rofcnen  genfterlaben, 
§öre  tote  bte  Snte  fdjreit. 

2a$  mtdj)  in  betn  ß\mm^  fteigen, 

3<$  »HI  aud&  betn  fielbftücf  geigen. 




Le  Pansif 

$ln  eine  ©edfoigjd&rige. 


6df)ämt  eudf)  bocij,  i^r  alte  SItutter, 
S)a&  Ü)r  nodj  ein  Unterfutter 
3>er  ©tubenten  toottet  fein, 
SDenn  eud&  plagt  bie  fiiebeSpein. 

§abt  ifcr  aTTen  SBijj  berloren, 
3>a|  iF)r  einen  <2kf)atj  erforen, 
3>er  für  eudf)  fo  reimet  ftd& 
WS  tote  SZtarS  unb  ^rieberidf)? 

©d&icfen  t>terunb3toan3ig  3a$re 
©icfj  3U  eurem  grauen  §aare 
Unb  ein  junger  frtfd&er  £eib 
£Jür  ein  alt  berfd)rumpeft  *5Öeib? 

SQ3a£  toär  ba£  für  eine  £iebe, 
'JDenn  man  eine  toeflfe  'Rübe 
(SHe  ift  für  (Stubenten  ntd&t) 
kleben  fid&  in3  93ette  friegt. 

5Udf)  bu  aCteS  Ungeheuer, 

brennt  bid&  nodf)  ba3  fiiebeäfeuer, 
<£i  fo  giefce  #ammer»9taf} 
Sn  bein  rau&eS  ©pü&flid&tfajj. 

öl  bon  fdf)tt>ar3em  9taudj)tabafe, 
3toiebeTfaft  unb  germg&acfe, 
S>a3  gehört  für  eine  grau, 
3>ie  fd&on  unterm  9Iabe[  grau. 

84 


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Le  Pansif 


Vergebliche  Ungebulb. 


2üa3  fragt  bie  9Tot  nad&  unferm  S>räuen? 
6ie  ad&tet  toeber  ©ptefc  nod&  ©dfjtoert. 
Unb  toenn  toir  nod)  fo  ftdglid^  freien, 
?Dirb  unfer  SQ3unfd)  bodf)  ntd&t  getoä&rk 
€tte  (dgt  burcf)  @euf3en  unb  burdf)  Stöhnen 
6idf)  nid&t  ertoeidfjen,  iu>d&  berföfcnen. 
S>a3  Durren  ift  i&r  no$  ber&afcter, 
3>rum  bleibet  tooljl  in  Seib  unb  SO&efr 
©ebuTb  ba8  aHerbefte  ^flafter 
Unb  bie  betoäfcrtfte  ^anacee. 


Le  Pansif 


(Streit  ber  fünf  (Sinne. 


$ie  ©inne  Ratten  einen  (Streit 
SBon  nidfjt  geringer  TOidfjtigfeit. 
5>enn  fie  tooftten  gerne  toiffen, 
SDen  bie  SöenuS  fönnte  miffen. 

3>a3  6ef)en  trat  3uerft  fjerfür 
Hnb  fprad[j:  ber  «Rang  gebühret  mir! 
'SÖer  midfj  nid&t  f)at,  fielet  nimmer 
<£ngelfdf)öneg  5ra^en3immer. 

3)a3  6df>medfen  fpradfj:  toa8  $ilft  ba3  <Sef)n, 
SDenn  gar  fein  Äü&d&en  barf  gefcfje&n? 
Öljne  midfj  toirb  niemanb  toiffen, 
$Öie  fo  füge  fdfjmecft  baS  Hüffen. 

3>a3  SUed&en  fagte  barauf  greicJj: 
3df)  fetje  midfj  nodfj  über  eudj! 
2Benn  man  totfl  3um  SHäbdfjen  frieden, 
man  fie  3utoor  beriefen. 

2>a3  §ören  fagte:  ba3  ift  Sanb! 
SDer  riecht,  ob3  ^ttäbdfjen  anQtbxanni^ 
SBaS  J)Uft  fdfjmedfen,  toaS  Jjtlft  fe&en, 
TOenn  fie  taub  bei  unferm  £?Te$en. 

S>a3  Jüfjten  Tadfjte  überlaut 
Hnb  fagte:  toaä  nütjt  eine  $3raut, 
■2Hit  ber  toir  im  Söette  fptefen, 
Söenn  toir  nicfjt  ben  $ii$er  füllen! 

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Le  Pansif 

3ungf  ern«(Befänge. 


(Ein  9Häöcf)en  faum  t>on  t>ier3e&n  Sauren 
gid)t  fdf)on  bie  2Ztännerfef)nfud&t  an, 
3)rum  toünfdf)t  fie  tägKcfc  ftd&  3U  paaxtn 
Unb  fingt:  ad^  gebt  mir  einen  "sttlann, 
$er  mir  fein  fanft  ba3  ßetbd&en  brüefe, 
3>enn  meine  Sungferfcjaft  ift  flügge. 


6inb  fedfoefjn  3a§re  erft  Vergangen, 

©o  brennt  bcS  TOäbd&en  Itd&terfofc 

Unb  fingt  bor  brennenbem  Verlangen 

(3f>r  lieben  3un9fe^i  tftS  ntdf)t  fo?): 

5Bitt  nod&  fein  9ttann  mir  ßöfd&ung  gönnen? 

9ld&  foIT  tefc  armeS  SHng  berbrennen? 

Güib  3&>an3ig  3a^re  ran  gefommen, 

60  feuf3t  ba3  OTäbd&en  Sag  unb  9Iadf)t, 

WxB  t$r  bie  Sungfernfd^aft  genommen, 

SHe  i&r  bie  Släcfjte  fd&tafloS  mad&t; 

6ie  fingt:  adfj  fomm  ein  9Ztann  nod&  fceute, 

6onft  ge&  i$  fetter  auf  bie  Jreite. 


$ommtg  bret&gfte  3al)r  fd&on  angetreten, 
60  fle&t  fie  ben  6an!t  9lnbre3  an 
(5>en  fie  pflegt  fnieenb  an3ubeten) 
Unb  fingt:  adfj,  gib  mir  einen  ^Hann, 
S)en  idf)  im  SBette  famt  umarmen, 
6an!t  3lnbre3,  lafc  bidfj3  bod&  erbarmen! 


87 


Qat  fie  nun  Diesig  Sa&r  getragen 

5>a$  3entnerfd&toere  3ungfernjod&, 

Wirb  fte  bie  SttannSnot  bod&  nodfj  plagen. 

^arum?  ber  $*tfcel  ftid&t  fte  nocjj. 

S)rum  fingt  fie:  ftitt  fein  Sltann  mid)  Jmn3efn? 

SHe  gungferfd&aft  befommt  fd&on  «Rindern. 

6inb  aber  fünf3ig  3a^r  berfloffen, 
TOtrb  bie  berfdjrumpfte  Sungferfd^aft 
SQtit  Sränentoaffer  nun  begoffen, 
S>ocf)  fingt  fie  nodf)  au8  CeibeSfraft: 
9l<f>  fomm  ein  Sttann,  adfj  fomm  be&enbe, 
TOo  nidf)t,  fo  fomm  mein  CebenSenbe. 


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Le  Pansif 


(Epigramme. 


1. 

Affine  lag  gar  franf  an  feigem  £iebe3fieber. 
^UIö  nun  i&r  guter  Sttann  fie  3U  furieren  fam, 
TOerft  e3  Affine  gleich  baft  feine  £an3e  la&m, 
3)rum  gab  fie  bor  SBerbrufc  berfelben  einen  ©tüber. 

2. 

Slutoel)  mein  SItann  ift  tot!  id&  armeS  SSJeibeTetnt 
9id&  betft  bie  Brunnen  3U,  fonft  fpringe  id^  hinein  I 
©o  ftrad)  £ujnne  fur3  nad&  i&rem  TOitoenorben, 
9tun  ift  fie  im  Horbell  bor  (Sram  3ur  §ure  toorben. 

3.  " 

^Betrübe  bidf)  nur  nid&t,  3U  fletngebrüfteS  Mnb, 
SSJeil  beine  ^ie$df)en  faum  fo  grog  toie  Crbfen  finb. 
3>egtoegen  finbt  fi^  bod&  ein  Ääterd&en  3um  Sttiefcc&en, 
3ft  nur  bcS  Saften  gut,  toer  fraget  nadf)  ben  ^ie|c^en  ? 

9Tur  3U>ei  fyutytahzn  $at  ba&  3ungfern  A-B-C. 
S)er  erfte  geiget  G,  ber  anbre  geiget  W. 
^enn  man  fie  fuffen  ttutt,  fo  ft>ridf)t  ba£  9ttünbd&en  G. 
SÖenn  man  fie  fted&en  tDitf,  fo  fd&reit  bag  SHngc&en  W. 

(£3  ma<$et  bie  Sfonbine 
3toar  eine  tenbre  TOiene, 
S)od&  leget  bie  brünette 
6id&  efcer  auf  bog  SJette. 

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tDeliciae  Poeticae' 


SUuf  bie  f 1 1 r r e  £aute. 


Stifte  £aute  friller  <Scr)mer3en, 
6otIft  bu  meinem  ftülen  §er3en 

^Ticrjt  mer)r  3ur  Vergnügung  fein? 
$ld),  bor  6ef)nfud)t  unb  Verlangen 
3ft  mir  afle  £uft  »ergangen, 

S)ein  ©ebädfjtniä  madjt  mir  ^ein. 
S&er  ließ  midfj  bie  fiuft  toerfcr)er3en? 

(StiUe  £aute  ftilTer  6djmer3en. 


90 


c 


»Deliciae  Poeticae' 


9ln  eine  geraubte  SBraut. 


(Ei  bu  angenefjmeg  c2Beibdfjen, 
6c£e  nur  ba£  nette  §äubdjjen 

Sluf  bein  nodfj  toelt  nettreg  §aar. 
Unter  taufenb  fügen  Hüffen 
SDirft  bu  nun  mit  2uft  genießen, 

S©a8  bir  geftern  frembe  ti>ar. 

(Seit,  bcS  SttannStoolf  toetfc  bie  6a<$en 
60  bergnügt,  fo  gut  3U  machen, 

5Han  friegt  (aum  be3  $>inge$  fatt. 
freilief),  naefj  bem  ©dtfafengefcen 
fiernt  ein  9Ztäbdj>en  erft  berfte&en, 

30a8  i&r  iwclj  gemangelt  £at. 

#ef)re  bic$  nur  an  fein  Sachen, 
Srägt  man  taufenb  bumme  (Sad&en 

9Jon  ber  überftanbnen  9Tadf)t: 
tydf),  fie  fud&en  burdf)  Diel  £J™9en 
SHr  bie  Slote  rau3  3U  Jagen, 

SHe  btcfj  nodj)  Diel  fd&öner  mad^t. 

'Benn  bie  Bräute  bod&  geftünben, 
©aS  fie  bei  bem  Siebften  fmben, 

*20ag  er  ma<$t  unb  lote  er3  fjäft, 
S2)enn  fie  bo$  fjaarftetn  befd^rieben, 
SDie  bai  3itageld&en  im  Sieben 

9luf  bie  redete  ©d&are  fällt! 


91 


SRebe,  toenn  bie  3eit  toirb  fommen; 
Warb  bir  gefiern  tt>a8  genommen, 

(Staube  nur:  e£  fdjabt  bir  nidfjt. 
TOer  bie  ^erfe  nur  !ann  finben, 
SBtrb  ben  Graben  leidet  toertoinben, 

TOenn  bie  SHufd&el  gtad)  3er&rtdji. 


»Deliciae  Poeticae' 


3iuf  i&re  ©d&oofc. 


$u  f<$öneS  £uftretrier,  too  toeber  5wf*  no<^  ^» 
3>u  Brunnen,  ber  bu  nie  gefriereft  noef)  toerfiegeft, 
3>u  Sot,  bag  alte  Seit  an  fronen  ©chatten  tiegeft, 

9>ofI  ^nmut,  Dotter  £uft  ift  ftetS  bein  bunter  ÄreiS. 

«EJie  fte^t  ber  fd&tDar3e  93ufdf)  fo  attertiebft  auf  SDeife, 
3>etn  ©ifc  ift  aufgefd&toettt,  mit  bem  bu  atteS  btegeft, 
S>ein  3tttttet  eng  gefd&ttyt,  mit  bem  bu  mic§  be* 

friegeft, 

93ei  tau\tnb  Seltenen  bet)ältft  bu  bodf)  ben  $rei3. 

3>u  bift  bie  3arte  ©cfjoojj  ber  fd^öne  ßeSbten, 
3IUcf)  t>at  ein  freier  ©eift  gefangen  unb  gzbunbtn, 
3>er  ©cf)tit},  ben  id^  berührt,  madfjt  meinem  §er3en 


^STein  ©um  f ennt  ftd&  nicfjt  mef)r  unb  fragt  fidf) :  bin 

idf)g  benn? 

9tdf),  fott  tdfj  meine  SUtI)  erft  nadjj  bem  Sobe  fcaben? 
ßebenbig  toitt  idf)  midf)  an  biefem  Ort  begraben. 


Junten. 


i 


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.Deliciae  Poeticae* 


mit  i&r  in  einem  ©etoädfjg&aug. 


fiiebfter  SngeT, 
Cafe  bie  Langel 

Unberührt. 
2>enn  ba3  5>eme 
§at  ba3  kleine 

©o  geführt; 
«Söenn  man  Tange 
3m  ©efange 

@ad&te  pfeift, 
SQIac^t  mang  enbKd& 
60  berftanblid), 

3>a&  man3  greift 

* 

TOir  toerridjten 
TOaS  bei  Jrüd&ten 

3tbttg  ift: 
3>ie  ©etoölber, 
TOie  bu  ferber 

(SineS  bift, 
3TeI)men  gerne 
£Jrud&t  unb  äerne 

3n  ftd)  ein. 
©oll  ber  (Stufet 
kleiner  «ahi^el 

©ifttg  fein? 

3$  probiere, 
Hnb  bie  Sure 
6)>ringt  mir  auf. 

94 


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Sief),  toir  ftopfen 
Hnb  toir  pfropfen 
3temftd)  brauf. 

(Enget,  fage, 

SBirb  ber  Älage 
«ftod)  gebadet, 

Söenn  mein  Stengel 

£auter  finget 
^luS  bir  mad)t? 

©tb  bie  Äüffe, 
3>ie  fo  füge 

SÖJie  bu  bift, 
93iS  bog  meifte 
«j&on  bem  ©elfte 

3n  bid&  fliegt. 
TOacfjt  bie  Regung 
Hnb  93etoegung 

<£ttoa3  matt, 
0  toir  fcaben 
SHefeS  (graben 

TOemalg  fatt. 


Deliciae  Poeticae' 


Sieben  unb  bodf)  nidjt3  genießen  .  . 


Sieben  unb  bod)  nichts  genießen 
3ft  nur  harter  unb  ^erbrug. 

$Ba£  to>Uf  ber  Don  ^reube  toiffen, 
TOetdjer  tägfid^  faften  mufj, 

3)a  fid£>  bodfj  bie  fügen  ©peifen 

©einem  3Kunbe  ftünblici)  toetfen? 

£tebft  bu  mtdfj,  midf)  nur  3U  quälen? 

§aft  bu  £uft  an  meiner  ^ein? 
$Ietn,  bu  totttft  mir  ja  befehlen, 

SZlunter  unb  vergnügt  3U  fein, 
Hub  Derfprid&ft  mit  fü&em  Sachen, 
$Ueme  SBünfd&e  toa&r  3U  machen. 

0  ©eftebte  madfje,  madfje, 

€>c!jaffe  bir  unb  mir  bie  ßuftl 
£ieg  idfj,  0  ertoünfdfjte  ©ad&el 

S>ir  im  §er3en,  an  ber  93ruft, 
60  befiegfe  mein  Vergnügen, 
2a%  midf)  audfj,  bu  roei&t  too,  Hegen. 


96 


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.Deliciae  Poeticae' 


(Epigramme. 

ttorbilTe  u>ar  Hutrot,  aI3  idfj  fie  tonnte  füffen. 
Unb  enbttd&  toarb  id&  gar  ein  lofer  SHeb  geheißen. 
93erbro&  mt<J)  blefer  <5df)tmj>f  ?  ad^  nein,  id&  banfte  nod& 
Unb  fpratfc:  bin  td&  ein  3>ieb,  fo  ftecfe  mid&  in8  2od&. 

2. 

2HariIi£  ift  fromm  unb  feufdfr,  fie  berad&tet  alte  Äüffe, 
6ie  (ann  nidf)t$  bon  Siebe  $ören,  fie  beratet  ba§ 

^ttännerfTetfdfj, 
5rettid&,  benn  e3  tottt  niemanb,  toenn  fie  ftd&  gletdfr 

gerne  Hege. 

6ie  ift  toie  be8  SeufelS  TOutter  unb  fo  fd&on  afö  fromm 

unb  leuf$. 

3$  toeifc,  bu  gibft  bir  SQXüI),  bem  Wannt  bor3uf$tDat}en, 
S>a&  i§m  bein  enger  ^Deg  ein  §immelreidj)  befdfjeert, 
Allein  toie  toirb  ficf)  bodfj  ber  Starr  am  äopfe  fragen, 
SDenn  tyn  ber  toeiie  lefjrt,  bag  er  3ur  götte  fä&rt. 

Courage?  Ja,  bie  ift  bei  Julien  fe&r  grog, 
6ie  f>at  öor  feinem  nod&  au8  ^urd&t  bie  5Tudj)t  ge- 
nommen, 

<£$  barf  t$r  nur  ein  9Renf<f)  ein  toenig  na&e  fommen, 
6ie  totrft  bie  Äfeiber  toeg  unb  toagt  eing  auf  ben  6toog. 

7  9(tt/  Cufttortit^tn.  97 


5. 

3>er  bu  Doli  Sleinttdfjfeit  bor  atten  beuten  gleigeft, 
*5Bic  fommtS,  bafc  man  bid&  aud&  einmal  ertappen  tarnt, 
Unb  3ti>ar  tdf)  toeig  ntdf)t  toie.   S>odf)  toetl  bu  3ona3 

6ief)ft  bu  baö  9ttenfdfj  bieHeidj)t  für  einen  SÖarfifdjj  an. 

6. 

9tfg  14  ben  9Iad)bar  MauS  näcfjft  um  fein  <3teitpferb 

bat, 

(Spradj)  er,  toetf  er  fe^r  grog  mit  biefem  Siere  tat: 
9MeI  lieber  toitt  id^  U)tn  mein  TOeibdfjen  ntcf)t  berfagen. 
34  badete:  braudfjt  man  bie,  fo  totrb  man  bid&  nidf)t 

fragen. 

7. 

3>ein  §aar,  bein  fdf)öneS  gaar,  babor  fidfj  ©eibe  fd&eut, 
SBoran  fidjj  9knu8  fetbft  unb  aucf)  i&r  ©oljn  erfreut, 
3ft  3toar  freit  feiner  nodf)  als  bie  berühmten  beibe, 
3>od&  niemanb  toeig,  tt>a3  td)  in  biefen  93anben  leibe. 


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9in  bic  Qerrin. 

— 


SBie  oft  betraft  idf)  nid&t  bte  timnberfc&önen  (Baben 
Unb  benfe  bei  mir  feflbft:  bic  fielet  alle  *2BcIt, 
SBaä  mu&  nid)t  biefeg  &tnb  für  anbere  €><ic$en  fjaben, 
$>te  fie  nidf)t  seigen  tottt  unb  mir  Verborgen  ^altt 
2>u  toirft  bieg  geUigtum  bodf)  etotg  nid&t  oerftecfen, 
6onft  gef>t  bie  (Sü&igfeU  mit  beiner  3ugenb  fcin, 
Unb  btft  bu  e3  gefinnt,  por  einem  auf3ubecfenf 
<5o  glaub  i$,  ba&  idf)  bir  ber  aftemäc$fte  bin. 
5>u  barfft  bie  3ungferfdfjaft  nidfjt  mit  3U  (Srabe  tragen, 
3*jr  feib  oon  unferm  Sfreifd^  unb  unferm  33ein  gemacht, 
5>odfj  foHt  e8  beine  6d[jam  bei  Sage  mir  berfagen, 
60  gönne  mir  bie  £uft  bei  fdfjattenreid&er  9Iadf)t. 
54  toiH  mein  ^arabteg  audf)  nidfjt  im  jyinftern  fejtfen, 
3>er  angenehme  TOeg  ift  mir  nidfjt  unbefannt, 
3nbeffen:  fottt  tdfj  nidfjt  bie  redete  ©tra&e  toasten, 
©0  fei  bu  güfjrerin,  tdfj  folge  beiner  §anb. 


99 


270229R 


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dclanbcr 


•21  n  ^Iri^mene. 


2Barum  toirb  bie  ^rud^t  be$  Cebcng, 
©df)önfter  (EngeT,  mir  berfagt? 

Cieb  id&  benn  fo  gar  bergebenS? 

S>arf  fein  ©riff  nid&t  fein  getoagt? 

©oll  ein  fteter  ©ffabe  bleiben 

3Hetn  fo  fe&r  entbrannter  ©Inn? 
S)arf  id&  nid&t  bie  Ringer  treiben 

9ln  bog  ßanb  ber  Süfte  $in? 
flann  man  ba3  too&I  breifte  nennen, 

SDaS  bie  treue  §anb  beritbt? 
SHe  3um  Opfer  fidj)  Verbrennen, 

§at  man  jeber^eii  geliebt 

Oft  e8  nid&t  beS  ©d&oofceS  ®&re, 
«JBenn  fie  frönet  meine  §anb? 

TOeil  id^  if)r  gan3  3uge$öre, 
(Srüjje  id&  ba£  fdjjöne  ßanb. 

3Bo  finb  too^r  bie  3arten  Letten, 
3)ie  be8  CebenS  perlen  t&aun, 

Itnb  ber  TOofluft  ßagerftetfen, 

VHS  in  if>rer  ©d&oojj  3U  fd^aun? 

©ie  ift  «p&aroS,  ^ort  unb  £eud&te 
Itnb  ba8  fd&öne  SKorgentanb, 

3^re  angenehme  ©eichte 

gitad&t  beS  ©rüdfe3  ©tranb  befannt. 

3&re  buntfen  Öpfer&allen, 

Stte  ein  SKtjrt^entoalb  umgibt, 

100 


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6inb  ge3ierei  mit  Coronen, 

5>eren  ©d&mucf  ein  3eber  Hebt 
9ttd)t  3U  ftrenge,  SiriSmenel 

5Ud&,  &egt  bodj  93armf)er3igfeit, 
©etb  fo  gutig  aI3  i&r  f<f)öne, 

So  toirb  meine  93ruft  erfreut 
Süfyrti  meine  treuen  ©innen 

3n  ben  angenehmen  ^port, 
S)a&  fie  freubig  fagen  fönnen, 

SHefeS  ift  ber  fd&öne  Ort. 
SUTTe  Sage  ft<&  Don  neuen 

3>a  ein  neu  (Srgö&en  regt, 
Unb  ber  redete  Ctebeg-Slei&en 

SBirb  in  einer  6d&oo&  gehegt. 


101 


(Eelanber 


SBerf df)toenbung  im  ©d&Iafe. 


SKein  SHäbdjen,  laß  f>infort  micf)  tüd&t  berfd&toenbrifcfc 

fein 

Unb  nimm  bie  ^erlenmildf)  in  bcine  2Hufdf)eI  ein« 
©roß  ©d&abe,  baß  fie  toirb  fo  lüberUcfc  &tfpti$ctt 
5>a  too  fie  feiner  ©d&ooß,  audj)  nid&t  ben  Sudlern  nüfcet. 
3>ein  §artfein  gegen  midfj  berfdf)toenbet  meinen  ©d&atj, 
Vergönne  mir  hinfort  in  beinern  ©d&ooße  ^ratj 
Unb  Tag  ben  £iebe8tl)au  bafelbften  ftdf)  ergießen, 
5ö5o  er  mit  größrer  £uft  toirb  at3  im  ©dftfafe  fließen. 
5>etn  bürrer  Siefer  toirb  alSbann  Don  ^ottuft  feift, 
SHe  »rufte  gärten  fidf),  bie  £uft  ent3ücft  ben  (Seift, 
5>ie  $lnmut,  bie  burd&brtngt  be3  gan3en  £eibe3  ©lieber, 
3«  Sachen  fteigt  man  ein,  mit  &tt)eln  fommt  man  nieber. 
$U$t3  atö  (Ergötjung  bringt  er  beiner  SHarmorfdfjooß, 
3>te  ^DenuS  fpannt  bir  bann  ben  3ungferngürter  lo8 
Unb  ragt  bir  olle  ßuft,  bie  fie  befifcet,  fd&mecfen. 
3>er  §t)men  toirb  nadf)  ©dfjmer3  ben  fußten  ©d&er3 

ertoecfen. 

Sidj),  fteHe  bodfj,  mein  #inb,  bie  ©pröbigfeit  nur  ein, 
£aß  beine  9Hufdfjel  mir  ntdf)t  me&r  berfd&roffen  fein, 
(Eröffne  t&ren  §elm,  bie  SXa&rung  3U  empfangen, 
SDo  in  bem  fiiebeSt&au  bie  SlnmutSperfen  prangen. 
©J>errt  nun  bein  SKufd&elfdftfoß  bie  Sore  toiflig  auf 
Unb  f>emmt  fein  ^Dibrigfein  mir  meinen  £iebeälauf, 
©o  foll  ber  £tebe8faft  mit  fußen  Quellen  fließen 
Unb  ft$  mit  bollern  ©trom  in  beine  9ttufcf)el  gießen. 


1(12 


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SElein  #inb  fei  bod&  fo  blöbe  nicfjt  .  .  . 

■ 

SBlein  Äinb,  fei  bod)  fo  Möbe  nicfjt, 
ßa&  beinen  »ufen  offen, 

60  fief)t  man,  bafc  bir  ntd&tS  gebricht, 
5)a&  aTIeS  eingetroffen. 

©onft  benfet  man  getoifc  Don  bir, 

3>u  fjätteft  nid&t  ber  Prüfte  3ier. 

fiin  (Briff  enüoei^t  ntd&t  beine  »ruft 
Unb  madf)t  t&r  feine  Jlecfen. 

SöaS  nü$t  ein  ©d&afc,  ber  unbeiou&t, 
3>en  ©anb  unb  Steine  becfen? 

3>ie  ^erte,  bie  Verborgen  liegt, 

Sttit  i&rem  <2Man3e  nid&t  bergnügt 

38a8  bie  Statur  un3  9ltenfd&en  gibt, 
S>a3  barf  man  atfen  3eigen, 

5Um  meiften  biefem,  ber  un3  liebt, 
S>em  toir  bie  ©inne  beugen. 

3Da3  ift  e3,  bcß  $um  ©Haben  mad&t, 

3Boljr  anberS  benn  ber  »rufte  SHad&t? 

©öS  un3  bie  ßiebe  &eitig  Reifet, 
3>a8  Taffe  audfj  bereden, 

Unb  toenn  benn  feine  ^fftcfjt  ertoeift, 
©0  mußt  bu  ben  nidfjt  ftoren, 

3>em  beine  »ruft  ber  Stftar  ift, 

Stuf  bem  er  beine  ©ott&eit  fügt. 


103 


3>anlcl  (Stoppe 


SHäbd&enlieb. 


Soll  td)  arme$  SHng  benn  etotg  toarten? 
3d)  gel)  gleich  toorjl  fd&on  inä  3todlfte  3a&r; 
9Tein,  id&  toilf  bie  Gad)e  bcffer  farten, 
S)ie  ©ebulb  ift  bei  mir  3iemlldfj  rar. 
TOerf  idf)  gleich  ba£  Stefce  feTber  au3, 
^Ic^l  ein  SKtäbd&en  mad)t  fi$  nicfjtä  barauS. 

#ein  (Balan  !ommt  und  in£  $Haut  geflogen, 
Wenn  man  ftetä  in  feiner  ®lau\c  fitjt: 
3n  ber  (Sinfamfett  toirb  man  betrogen, 
SQÖenn  man  fid)  auf  einen  Sttlann  berfpitjt. 
9$  ge^  fleißig  nad)  (Sefettfdfjaft  au3, 
3>enn  ein  TOäbcfjen  mad&t  ftcfj  ntd&tö  barauS. 

SBruft  unb  Sttpfel  fd&nür  id&  in  bie  §öfce, 
3>a&  ba£  Hebe  @ut  in3  SUuge  fättt, 
S>afj  man,  toenn  id&  unter  ßeute  getje, 
Wid)  für  er3galant  unb  artig  F>dTt. 
©ie&t  mein  &rämdf)en  3U  rjanbgreiffid)  au3, 
91  d)!  ein  $Häbd)en  macf)t  f t cf>  nichts  baraud. 

5$  toeij  meine  ^axbe  $u  ergeben, 
Wenn  ein  roter  (Stridf)  bie  93acfen  netjt, 
S>aS  Reifet  ber  9Xatur  ben  SluSfdjfag  geben, 
$er  bie  Fjalbe  $Mt  in  £tebe  fet>t 
6ier;t  mein  $RaIen  gfeid)  n>a3  fennbar  au£, 
Vlä)l  ein  9Ztäbd&en  madjt  ftdf)  nicfjtg  barauS. 


104 


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= 


£eg  id&  mid&  ghiä)  fTeigig  auf  bcS  Hüffen, 
SDenn  man  fic&  nur  nid&t  aufS  SBette  legt 
0  bog  fd>abet  ntd&i,  toenn  toir  glei$  toiffen, 
SQDie  man  einen  ßu§  3U  geben  pflegt 
Sägltcfc  teil  i$  fcunbert  $Ztäitfc&ett  au3, 
91$  l  ein  SHäbd&en  mad&t  ftd&  ntd&t3  barauS. 

Xlnb  gefegt,  ba&  i$8  berfe&en  fcätte, 
0  fo  fd&Ieid&  id&  bei  ber  ftUTen  3Ia$t 
JJn  ein  abgelegne^  SO&od&enbette, 
9Do  man  toenig  ^eberCefend  mad&t 
©iefct  mein  3ungfern!ran3  3er$ubelt  auS, 
Slcfc!  ein  9Itäbd&en  mad&t  fid^  nid&tS  batauZ. 


105 


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3>antel  ©topp* 


Sroftgebanf  en  eineS  ©tubenten. 


Summe  SZBeft,  toa3  toillft  bu  brüber  fragen, 
5>a&  idjj  unfrer  $2tagb  ein  &tnb  gemalt? 

Zäunte,  toeldfje  3etttg  ^rüd^te  tragen, 
6tnb  ja  fonften  &ocf)  unb  toertgeadfjt. 
Ob  mtdf)  gleid&  ber  äifcer  3eitig  fttd&t, 
3tteine  Sttutter  fragt  belegen  nid^t 

JJc^rt  e$  mir  fd&on  an  charmanten  SDorten, 

0  fie  farreftert  mtdf)  in  ber  Sat, 
S&aljre  Siebe  toirb  ja  afrer  Orten 

Won  ben  äomjrfimenten  niemals  fatt. 

TOenn  bcß  plumpe  3>ing  ntd&t  artig  fprid^t, 

SHeine  SHutter  brummt  belegen  nld&t. 

3Jra^tt  fie  nid&t  be3  SagS  mit  fd&önen  Metbern, 
TOaS  fe&ft  meiner  Jrau  bodfj  tool)!  3ur  $tadf)t, 

Söenn  fie  meinen  £eib  trotj  afren  6dj)netbern 
Sefbft  3U  Ujrem  Oberrocfe  madfjt? 
3ft  fie  gleich  auf  biefen  (Staat  erj>idf)t, 
SHeine  3ttutter  flud&t  beftoegen  ntd&t 


1Q6 


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2>aniel  stoppt 


«Slria. 


$te  £iebftdf)!eit,  bie  in  bem  Sieben 
3>en  SQBermut  übe^ucfern  mu&, 

TOtrb  3toar  bon  Dielen  Vorgetrieben, 
geboef)  fie  fteefet  öott  «erbru&, 

$Benn  (Stferfud&t  bie  ©eefe  fröntet 

Ilnb  oft  auf  TOorb  unb  Sotfdtfag  fenfet. 

Hnb  fdfjmecfet  baä  Sltäuld&en  nodfj  fo  füge, 
5>ie  «itterfeit  ftrfgt  greidjtoo&r  nad&, 

3>a8  ftiTTe  Gift  berbuljrter  Äüffe 

6enft  ba3  ©emüt  in  Ungemad), 
3e  mef)r  man  an  ber  Ciebften  feeft, 
3e  me&r  toirb  man  in  «raub  gefteeft. 

«ringt  manchem  gleich  ein  ©rtff  in  Gtfcren 
Cmt3Ücfenbe  (Bebanfen  bei, 

©o  trau  id^  mir  bod)  brauf  3U  fcfjtooren, 
3>a&  gröferer  «orteil  babei  fei, 
Wtnn  man  an  feinen  SBaben  fpiett 
SUIS  an  bie  3ungfernäj>fer  füfcrt. 


107 


2>antel  <Ztoppt 


S)er  33o(ontair  im  Sieben. 


Sil  meinft,  id&  fei  bir  red)t  getreu, 

SUIein,  bog  &eißt  gefegt, 
SDeit  falfdfier  3>unft  unb  §eucfjeCei 

3n  meiner  #arte  toäfjft. 
3df)  liebe  bid&  nur  oben  f)in, 

SDetf  id&  bur$au3  öon  SJTanbern  bin. 

Setrüg  btd&  nid&t,  bu  armeS  äinb, 

Xlnb  traue  nidf)t  3U  biet, 
3df)  mad&e  nid&tö  aT3  lauter  TOinb, 

SOÖenn  icf>  btc&  fangen  MOL 


m 

V 

! 

©ie  &tmmeCfefte  (Sc&rdffer  für. 

SDenn  bicjj  mand&mat  mein  faffcfjer  SHunb 

fü&en  ©orten  Megt, 
60  benfe  bennocf),  baß  ber  gunb 

9ludS)  &ier  begraben  Kegt 
©eiT  ba3  nid&t  ftetS  bie  ^robe  &äTt, 

SöaS  einem  in  baß  ^luge  fällt. 


108 


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Gfjrtftian  ©üntfjer 


6oIt  Huge  ©d&ön&ett .  .  . 


6on,  flugc  ©d&önljeit,  bein  Vergnügen 
mit  beiner  93ruft  in3  Softer  ge&n? 

SDBie?  foll  ber  (Barten  brad&e  Hegen, 
«aiuf  toeldfjem  3utferrofen  fte&n? 

3Da8  toilTfi  bu,  ba  fid^  anbre  freuen, 
3Htt  galten  beinen  Ceib  fafteien? 

fd&önfte8  5*inb,  bie  enge  3*He 
3ft  betner  §offnung  toeiteS  ©rab: 

§ter  tt>ad)ft  unb  tft  bte  Qua!  ber  §ötte, 
§ter  nimmt  ber  ©tern  be3  Sebent  ab, 

Hub  in  ben  langen  ätrd&enmauern 

SHuß  audj  Canarifeft  Derfauern. 

S>er  Sungfern^onig  näfcrt  bie  Satte, 
SHe  (Einfamfeit  gebiert  ben  Sob: 

SHe  3ungfrau  fd&totnbet  bor  bem  Jatfe 
Unb  leibet  bor  bem  Reiben  not 

3>er  ^ofenfran3,  ber  Jrei&eit  Cnbe, 

93efcfjto>ert  ber  ^Tonnen  §er3  unb  §änbe. 

flomm,  lag  bid)  in  ein  Mofter  führen, 
TO03U  ber  ^Ibt  ben  <5d)tüffel  tragt, 

Unb  ^mor  über  atten  Suren 

3>te8  in  erhabner  (Sdjrift  gefragt: 

3u  Unfrer  Sieben  grauen  Orben 

3ft  biefer  Ort  getoibmet  toorben, 


109 


3)en  Mittat  geben  beine  Prüfte, 

3>a3  Sfcaud&toerf  gtuf)t  in  beiner  6d^oo§, 
gier  ftitfen  toir  be3  STeifd^eö  £üfte 

Unb  bdmpfen  fie  auf  einen  €>tog, 
•iöig  toir  burdj  ein  gefd&toädjteg  Hüffen 

SUiid)  in  ba3  Gomptett  treten  muffen. 


110 


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Gfjrifttan  ©untrer 


(Einlabung. 


$ier  fe|e  bidfj,  toerfd&ämteg  äinb! 
gier  tft  gut  fein,  &ier  la%  un3  bleiben, 
SQBo  £tnb'  unb  *933cft  gefj>rädf)tg  finb, 
Unb  ^efö  unb  Söalb  ben  (Bram  Vertreiben; 
J$n  biefer  grünen  (Sinfamfeit, 
SBo  93adfj  unb  6tein  unb  Rätter  rauften, 
eoU  toeber  ßift,  (Sefa^r  nod&  9Ieib 
3>en  fügen  grü§Kng3fc$er3  belauften. 

3)ie  6df)äl}e  beiner  feufdfjen  3u$t 
Unb  ber  nodfj  unberührten  Prüfte 
6inb  toa&rftd)  eine  feftne  5™d&t, 
9Tad)  ber  td&  innerftd)  gelüfte; 
<£rfd)ricf  nid)t  bor  ber  fdfjnellen  §anb 
Unb  lag  fte  in  bem  93ufen  fpielen, 
3$  füfjre  biefj  in  einen  &tatti>, 
S>e8  Sebent  $ern  unb  3Ztarf  3U  fügten. 

Kot  toaS  erröteft  bu,  mein  £icf)t? 
3d>  tnerbe  bief)  ntdfjtS  SBöfeS  Teuren, 
S)u  fennft  ba&  füge  Sjner  noefj  nidf)t, 
3>ein  ^nWicf  raubt  mir  <5ef)n  unb  gören; 
SHe  £tebe  toünfd&t  bidfj  in  iljr  SRcid^, 
(Be^ord^  iljr  bodfj  auf  mein  (Srffären, 
6ie  toirb  fidfj  bir,  unb  bieg  3toar  gleich 
5Hit  oder  ifjrer  £uft  getoäfjren. 


111 


93efdf><M  bte  SBerfe  ber  Statur, 
93etradjte  93äume,  JelD  unb  Siere, 
Unb  lerne,  tele  ber  Clebe  ©pur 
SHdj  überaß  3um  6d&er3en  führet 
SlÖoburdf)  finb  id)  unb  bu  benn  ba? 
3u  tt>a8  blft  bu  nebft  mir  geboren? 
©er  fo  bie  «IDelt  im  TOefen  fa&, 
§at  un8  3um  Sieben  auSerforen. 


112 


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£f>riftian  (Süntfctr 


9in  fiuife. 


»4  £uife,  beine  Äüffc, 

SHe  mein  3ttunb  3Ubor  gefd&mecft, 
Sparen  mir  toie  Lianna  füge 

Unb  mit  <£ben3  Sau  bebecft : 
3a,  3U  biefem  jyreigerid^te 

Subeft  bu  mtd)  fetter  ein, 
©einer  6d)önl)eit  «Rofenfrüd&ie 

6ottten  mir  ein  (Barten  fein. 

SHefer  ©arten  toirb  3ur  SOÖüften, 

Unb  bein  Sluge  totrb  3ur  9Tad)t, 
S)enn  ein  ©riff  nadfj  beinen  Prüften 

§at  bid)  fo  er3ümt  gemalt, 
©otdjer  SttpfeT  ^Udjforatten 

feigen  bie  berbotne  Jrud&t, 
SHe  id)  auf  ben  SZtarmorbatten 

2lür  3ttm  Sobe  fefl&ft  gefugt. 

©enfe  meine  <5d)utt>  ber  ßüfte 

3n  bein  tief  (Erbarmen  eint 
£a§  ben  <5df)nee  getoötbter  Prüfte 

9Hetne  Sotenbaljre  feint 
3>etne3  ßeibeä  runbe  Cnge 

3etge  mir  mein  ©rabmal  an, 
3>afc  id^  nad&  beliebter  Sange 

^Bieber  auferfte^en  fann. 


8  «let,  Puflwdlb^en.  113 




<Sf>rtfttan  Qünt&er 


Eröffne  mir  .  . 


Eröffne  mir  ba3         &er  ßüfte, 
Sntfdjfeufc  bie  toottuftfdjtoangre  6d)oo6, 
©tb  mir  bie  fd)önen  £enben  bfo8, 
93i3  fid)  beS  SHonben  9Ieib  entrüfte! 
SHe  9tadjt  ift  unfrer  Cuft  bequem, 
SHe  Sterne  flimmern  angenehm 
llnb  bitten  un3  nur  3um  (Stempel. 
3>rum  gib  mir  ber  Verliebten  Äoft, 
3$  fd&enfe  bir  ber  TOotluft  SHoft 
3um  Opfer  in  ber  äeufdföeit  Sempef. 


114 


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S&rtftian  ©untrer 


O&ne  Sieben  .  .  . 


Dfjne  Sieben  ift  bog  GHücfe 
§ier  auf  (grben  nidjtg  alg  Shmft: 
SReidjtum  !ann  ben  ©ram  ntd)t  linbern, 
O&re  fann  ben  6df)mer3  nid>t  minbern, 
2Tur  bie  Siebe  !ann  bie  äunft. 
(Sitte  SBünfd&e  bleibt  3urücfe! 

tyug  ber  Siebe  quittt  Vergnügen 
Hnb  ber  9Iadjfc$macf  guttmer  3eit: 
(Ein  galant  unb  treu  ©emüte 
<Rei3t  ung  nebft  ber  ©djön&eit  »tüte, 
»ig  bie  TOoUuft  flammen  ftreut. 
«d&,  mein  ger3,  fcalt  bieg  berfd&toiegen. 


115 


G&riftian  ©untrer 


£)ocf)3eit- 6<f)er3. 


$a  ^abt  i&r  bie  3eu9en  3um  etotgen  Söunbe: 
S>a  fommt  nun,  ba  ift  nun  bie  feiige  ©tunbe  l 
S)a  fd&icft  fie  bie  ^orfid^t,  ba  u>ar$t  fie  ber  £auf 
3>e8  mtfben  (BefttrneS  Don  Often  herauf. 
3>te  ©tunbe  ber  SBottuft,  bie  greunbin  bom  Cadjjen, 
3>ie  SZlutter  boll  tttebttd&er,  fünftfid&er  ©adfjen; 
5>ie  ©tunbe,  toorinnen  bie  reid()Ii<fje  (Brut 
SHe  ©d)d£e  ber  flüchtigen  Sugenb  fcertut; 
SHe  ©tunbe,  toorinnen  Umarmung  unb  ©dfjmeid&eln, 
93ef)dglid&eg  ©d&dcfern,  emj>finblidf)e8  §eud^eln, 
Unb  ftärfenber  Wem  unb  brünftiger  SBinb, 
Unb  rebltdfjeg  ©d&ndbeln  berfdfjtoenbertfd&  ftnb. 
2>te  ©tunbe,  bergteid^en  toof)I  ©ötter  begehrten, 
Stte  58enu8  unb  3uno  !aum  fd^oner  getoä^rtetu 

0  felteneS  SBcifptel  ber  glücfltcfjften  Bräute, 
2Iun  ru^t  SHr  3>etn  ^etgeS  Verfangen  3ur  ©eite, 
GS  rabt  SHd&  3>ein  ßiebfteS,  e3  f*en!t  S>ir  bie  (Sunft 
3>er  toetfen  SBorfeJjung  bie  toürbigfte  Brunft. 
£8  fcfjüttert,  e3  freut  fiel)  3>etn  boppefteg  93ette, 
toenn  e3  be3  <5Iücfe3  (Smpfinbrid&feit  f)ätte. 
9Tun  Hebe  ben  Sieben,  nun  brüdf  unb  behalt 
3>en  tonfftgen  ©Haben  in  füger  ©etoalt. 
<E3  rei3t  tl)n  ber  Shtfruhr  ber  Mü&enben  Cüfte, 
3>er  jaudfoenben  £)ügel,  ber  Ijüpfenben  Prüfte, 
<££  3ief)t  üjn  ber  £>aare  getoaltigeS  <BoIb, 
3n  toetcfjeä  bie  ©onn*  if)ren  §auj>t«©d[)mucf  gerollt. 

116 


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JJefct  fdf)ilt  er  beg  Sageg  befd&toerUdje  Sänge, 
3ep  toirb  U)tn  ber  Kleiber  Gefängntd  3U  enge; 
<5r  befjnt  fiefj,  er  toartet,  er  feinet  unb  fd)reit: 
91$  t  fomm  bodf),  3>u  2luge  ber  näd)tfid)en  3^tl 

SHe  ©onne  befdjreuntqt  ben  3lb3ug  unb  flnft, 
9Iad)bem  fie  Dörfer  bem  Sruber  getoinft. 
5>er  geäperug,  beffen  berfilberte  SDangen 
3>er  3nmgt>erttebte  mit  Regung  empfangen, 

betritt  ben  ©efidfjtg-ifreig  ber  oberften  «SDelt, 
Unb  führet  bie  6teme  burdjg  etoige 
9Iun  fdjleidjet  S)etn  6djät)c$en  mit  toanfenbem  Schritte, 
9tun  fdj)teidjt  fie  3U  SBette,  nun  mt&t  fie  bie  Sritte, 
0  toefdje  93eränberung  brof)t  Ü)r  ber  Ort  t 
Slufl  fünftiger  (Sfjmann,  unb  mad&e  3>id)  fort 
Unb  tag  fie  nidjt  etfca  im  #ran3e  3urücfet 
6ie  3ittert,  fie  bebet,  berfleinert  bie  SBItdfe, 
5Dor  SBarten  ber  SHnge,  bie  jeljo  gefd&e&n, 
6ie  grämt  fidj  3U  füllen,  unb  fdjeut  fidj  3U  fe&n, 
SJerfjüIlet  ben  SBo&Iftanb  ber  3Üd&ttgcn  «Röte, 
Unb  bin  id&  im  Sieben  fein  frember  ^oete, 
60  mein  id&,  eg  locf  Ujr  ber  nalje  Sterfuft 
S>ie  früf)e  ^ereuung  aug  klugen  unb  93ruft. 
Verfolge  fie  füfjnlidfj,  unb  lag  bidj  nicfjt  irren, 
betäub  if)r  bic  (Seufeer  bur$  Hüffen  unb  Girren, 
SJerfdjhicf  Üjr  ben  Kummer,  ber3efjr  ü)r  bie  ^ein, 
Unb  fauge  bie  Sränen  ber  gungfernfdfjaft  ein. 

(Empfängt  nun  ber  93raut«^fü^[  bie  rei3enben  ©rieber, 
Unb  3ie$t  bidj  Üjr  artigeg  Säger  barnieber, 

©0  bift  3>u  Vergnügter  unb  gfiicfttdSjer  bran, 
911g  böte  SHr  9HoguI  fein  #ronengolb  an. 

117 


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3$  toenigftenS  todre  nodjj  beffer  3ufrieben, 
$tfg  toenn  mir  gleich  $lnna  brei  Sletcge  befcgteben. 
gier  macge  ba3  93orfj>ier,  gier  fptye  bie  §anb 
Unb  bringe  bog  §auj>ta>erf  ber  SOBotfuft  in  ©tanb, 
<£r(jüie  bie  Albern  bureg  fanfteä  $3eti>egen, 
Unb  ffatfeg  igr  bie  SJadfen  mit  freunbttegen  ©cgfdgen, 
Unb  fug  igr  bie  klugen  unb  ne£  tgr  ba8  #inn, 
SBatb  grüble  Don  SDeitem,  batb  ü>dl3e  bieg  gin, 
93alb  ftreefe  ben  ^ortonfc  ber  giftigen  Ji^ger, 
Salb  tntlpe  bie  runben  unb  toonnigen  S>tnger, 
Unb  fuffe  naeg  bierer  (Srfinbung  unb  ^Irt, 
Unb  forfege,  U>a3  9lmor  am  tiefften  öertoagrt. 
93efinn  tdfj  mieg  richtig,  fo  toirb  fie  bieg  ftrafen, 
©o  bietet  fie  9infang8  ein  nötiget  ©dftfafen, 

©o  nennt  fie  bieg  lofe,  fo  3ucft  fie  unb  rücft, 
©0  toeit  ficgS  im  SBette  ber  breite  naeg  fegieft. 
©te  forogt  bir  unb  brogt  nun,  fie  tottf  fidfj  erbofen, 
©ie  ftemmt  fteg,  ben  Angriff  3urüdPe  3U  fto&en, 
©ie  fcegrt  fteg  mit  Srdnen,  fie  frümmt  fid)  unb 

fi>rl*tf 

Unb  toeinet  ba3ttrif<gen:  91$  I  tgu  e8  bocg  niegt! 

5>o<g  tgu  eS  nur  immer  unb  gart  igr  bie  Firmen, 
$enn  Sieger  gegört  ntegt  be3  «Sldcgften  (Erbarmen, 
©ie  ftreitet,  3>u  ftreiteft,  igr  ftreitet  3ugletcg, 
5>ur<g  ©treiten  unb  dampfen  megrt  ^enuS  igr 

SReicg. 

$>urcg  ©treiten  unb  dampfen  todegft  ©jprtyorS 

©tdrf  e  — 

5>ie  ©tunben  berfftejjen,  brum  fegreite  3um  Söerfe, 

118 


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- 


Unb  braudfje,  fobalb  S>u  ben  Vorteil  erlernft, 
3>en  liebltd&en  ^Tot»3tt>ang,  ben  fdf)er3enben  <£rnft. 
<£rf>afdS)e  ben  tt>eidf)en  unb  fliefjenben  $Tacfen, 
53  mag  audfj  fein  SDtberftanb  nodfj  fo  fefjr  fnacfen, 
Unb  prüfe  bie  ©dfjon&eit  ber  gan3en  ^erfon  — 
Gin  Liener  ber  ßiebe  befidf)tigt  ben  ßofcn. 
93aTb  fenfe  SHdfj  unten,  balb  breite  S>id&  oben, 
^ertoecfjfre  bie  ©lieber,  berfudfje  bie  groben: 
6ei  immer  gefdf)äftig  unb  überall  ba, 
Unb  bring  e3  bem  efjrttdfjen  #inbe  fo  naf), 
S8i5  hinten  am  SRütfen  unb  Dorne  am  ßeibe 
#em  einiges  3Udd)tn  entfd&utbiget  bleibe  — 
93om  Staden  3um  galfe,  bom  galfe  3ur  ^ruft : 
gier  bföft  SHr  ein  3epb*)r  bie  gäufte  Doli  ßuft, 
Stodjj  tiefer,  nod&  toeiter,  nodfj  mefcr  3U  ergrünben  — 
3<i)  barf  e8  ni<$t  mnnmf  3>u  toirft  e3  toofjt  finben. 
gierunter  f)at  ^enu^  ein  3Dunber  gefenft 
Unb  flammen  unb  5un^en  3ufammengemengt. 
Umgib  e3  mit  taufenb  erfinuHcfjen  (Spielen  — 
(SS  tagt  fici)  nid&t  nennen,  e3  lagt  fid&  nur  fügten. 
0  toürbe  bem  3>idf)ter  bcß  dufter  gebracht! 
<£r  fcätte  ben  Slbriß  natürlich  gemacht, 
bergig  audf)  ntcf)t  Slmorä  berebteS  ©efatten,. 
3>ie  fdf)Iüj>frigen  SReben,  baS  3ärtUdf)e  fiaHen: 

gier  3ieren  bie  EJe&ler  ber  ©prad&e  ben  Sftunb, 
gier  tut  fic$  bie  geile  ©efeE)rfamfett  funb. 
SBerbeffre  ba3  ©tammein,  berbeifj  unb  bermtfd&e 
S>a3  bu&rrifdfje  6j>ri£eln,  ba3  getfe  ffie3tfd&e: 
60  girren  bie  Sauber,  fo  frieret  ber  TOeft, 
SÖenn  Wittag  unb  6ommer  bie  SÖäTber  öerlä&t. 

119 


(So  bolb  nun  bie  ^feiTe  be8  mächtigen  Knaben 
3>en  fmbifd)en  (Stfel  gebänbiget  fcaben, 

(So  gibt  fie  e3  näljer,  fo  gibt  fie  fid^  bretn, 
3m  Purpur  ber  #euf(f)&eit  gefällig  3U  fein. 
3>rauf  flicht  fie  too^l  felber  bie  fleifdfjltdfjen  Sehlingen : 
6ie  toeigert  fid&  fälf<$licf),  S>u  follft  fie  nur  3toingen, 
3>enn  fo  übertounben,  ^etgt  fiegretdjj  gemalt; 
0  breimal  unb  brüber  betätigte  STtad&t! 
3ejjt  toirb  3>ir  ber  $Teftar  am  ^errlid^ften  fcfjmecfen, 
3etjt  toirb  3>ir  iljr  9Häulcf)en  erft  §unger  ertoeefen, 
3?jr  SUauld^en,  ber  (Erftling  fo  balbiger  5™dj)t, 
SBon  toeld&er  fein  Räuber  3U  foften  gefugt, 
9Tun  lernt  ft<f)  bie  furd&tfame  6df)önfceU  bequemen, 
Ccnt3ücfung  3U  geben,  Chit3ü<fung  3U  nehmen  — 
0  feiige  <Ru$et  0  &unmlifdS)e3  SB«b, 
5>a8  gleiche  Vergnügen  mit  gleiten  bcrgilt  I 
3efct  fcaud&en  bie  fiippen  ein  fräftigeS  fieben, 
3ct|t  fud&en  bie  (Seelen  am  (Baumen  3U  fleben, 
3et|t  taumelt  ber  einmal  begierige  <5eift, 
TOo&in  i&n  bie  blinbe  (Selegenljeit  reigt 
0  §immel,  ta>a8  f)dr  idj)  für  gierige  Düffel 
0  Wimmelt  3Ba8  rauften  für  fräftige  ^lüffe! 
0  gtmmelt  tote  füjelt  ba3  3üngelnbe  (Spiel! 
9  Siebe,  toie  mad&ft  bu  ber  gruben  fo  biel! 
3efct  nimmt  fie  ben  Ringer,  0  follt'  er  mid)  rühren  t 
SHe  fünftlidfje  gretyett  fcerum  3U  frieren. 

3etjt  be^nt  fie  ben  3e*9*r>  fci*  3*el)t  ft*  ^n  3U  — 
0  breimal  unb  brüber  befeligte  Stufc! 

(Ergreift  bo$,  ruft  Slmor,  ergreift  bod&  bie  SSÖaffenl 
Sitein  SBräutgam  foll  föftltd&e  »eute  öerfd^affen, 

120 


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3Iun  madfje  3>idf)  fertig  unb  tritt  in3  ©etoef)r, 
SHe  friebttd&e  Jeinbin  rütft  Jrföijricfjer  &er. 
Sfcmüfc  3>id&,  bie  fd&teubernbe  £an3e  3U  fenfen, 
3&r  d&riftfid&er  93htt»S>urft  begehrt  ficf)  3U  tränfen  — 
Sefct  f »ringt  fie,  jefct  fd^nappt  fie,  jetyt  rei&t  fic  ftd& 

(Ertaub  i&r  bod^  enbüd^  ben  fef)nft$en  ©tofc, 
begleite  ben  9Tad&brucf  mit  £)üften  unb  §änben, 
SBeförbre  bie  Arbeit  ber  hurtigen  Cenben, 

SBerfüft  e3  bem  Sttäbc&en,  getod&r  t&r  ben  SHann, 
Unb  ftreid[)  il>r  bie  stieren,  bi8  feinet  mefcr  fann, 
Sötö  ©elfter  unb  ©Heber  öerfdf)äumen  unb  »eichen, 
9H8  sterben  unb  Prüfte  fid&  legen  unb  feueren, 
SBiS  Steber  unb  Sdftfafen  ba3  «Sluge  berftetlt, 
Unb  ©d^ummer  unb  O^nmad^t  ben  bitten  befallt. 
0  fd&toenft  boef)  noef)  öfter  bie  brünftigen  ©d&enfel! 
3W&t  ofjitftd&e  #inber,  3eugt  Steffen  unb  (Enfel, 
3>amit  fie,  bricht  enblid^  baS  Wter  herein, 
'sBerbrtefcUdfjen  5af)ren  ein  3citt>ertreib  fein. 
6ie  ftu^en  eudf)  fünftig  ben  biegenben  «Rücfen, 
6ie  toerben  eud&  unter  ben  Sorgen  erquiefen, 
Unb  toenn  fie  eudf)  langfam  aI3  Seichen  befd[jaun, 
9Tadf)  eurem  (Stempel  bie  'JTad^tocrt  erbaun. 


121 


^ibliograp&ifdje  <5$luf*bemetfwtg. 

9Iicf)t  alle  ©ebidjtebücher,  bte  in  §infidf)t  auf  biefeä 
fiufttoalbchen  gdcfen  tourben,  ergaben  3U  feiner  (Er- 
richtung einen  Beitrag:  tote  immer  gab  e3  aud&  ba- 
maTS  recht  Diele  fdfjledf)te  Weimer.  (£3  finb  in  bem 
Jofgenben  nur  jene  93ücf>er  mit  ben  genauen  Siteln 
angeführt,  au3  benen  (Stücfe  in  biefe  Sammlung  ge- 
nommen tourben.  kenterten  muß  ich  noch:  ba  e3  mir 
auf  ben  lebenbigen  (Senufc  unb  nicht  ben  antiquartfehen 
6d^er3  anfam,  ^abe  ich  ben  (S>ebtdf)ten  überalt  bort 
bie  fceute  gebräuchfid&e  ©chretbtoetfe  gegeben,  too  ba3 
ofjne  ©dfjäbigung  Don  'Reim  unb  9U)tf)mu3  möglich 
fear.  (Sine  (Schreibung,  toie  fie  Sirno  Qol$  in  feiner 
„yfyitttö"  antoenbet,  um  getoiffeä  ÄomtfcheS  3U  char- 
gieren, ^at  e3  übrigen^  nie  gegeben.  (£3  folgen  nun 
bie  Bücher: 

[GE)riftian  Jelij  SDeife]  3>er  grünenben  §ugenb 
überflüffige  ©ebanfen.  9Iu3  bielfältiger  unb  mehren- 
theiTS  frembber  Erfahrung  in  offenherziger  (Einfalt 
Sitten  jungen  unb  Cuftbegierigen  ©emüthern  bor- 
geftettet,  3e$o  aber  auffä  9Ieue  überfefjen  unb  an 
riefen  Orten  toie  auch  m&  neuen  95orrebe 
berbeffert  Seidig  Verlegte  gohann  3xi$fäc 
Slnno  1678. 

gerat  bon  §of  manngtoalbau  unb  anberer  3>eut- 
fchen  auSerfefene  unb  bisher  ungebruefte  ©ebichte. 
2ei|>3ig  be^  Zfyomcß  Sritfch.  SBanb  <£in8  1695; 

122 


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3ü>et  1697;  S>rei  1703;  Sier  1706;  £ünf  1710; 
©ed&3  1712;  (sieben  1727.  (§erau3geber  ttxtr  93en- 
jamtit  $teufirc$.) 

[<£  ^  r  i  ft  i  a  n  3  r.  §  u  n  o  I  b]  ©alante,  Verliebte  unb 
©afyrifdjje  ©ebid&te  (Erfter  unb  $lnberer  S&etf.  Son 
9ttenante3.  Hamburg  SerlegtS  3o^ann  'SBolffgang 
5idfo>etfer  Sud£>&änbrer  im  3>om  1711.  (dritte  Auf- 
lage be$  folgenben:) 

[Qunolb]  5>ie  (SMc  Semitfjungen  müßiger  ©tunben 
3n  ©alanten,  SerUebten,  ©inn-,  ©d)er3«  unb  ©a« 
tt)rifcf)en  ©ebtd&ien.   Hamburg  1702. 

2^eatraTifc5e  ©ebidjte  unb  Äberfefcungen,  3>enen  fiieb- 
(jabern  ber  teutfdjen  ^oefie  mitgeteilt  Son  Seccau. 
gamburg,  Set)  (E&riftian  £iebe3eit  unb  S&eobor 
<S&rifioj)&  gerginer.  1720. 

[3  o  93urd&arb2Henfe]  'P&tf anberS t>on ber  £mbe 
©alante  ©ebidjte,  darinnen  fo  tooltf  eigene  berliebte 
(Erfmbungen,  a(3  allerfjanb  auStoärttgen  Poeten 
überfe^te  £iebe3gebi$te,  toie  audf)  infonber^eit  be3 
berühmten  ©raffen  bon  Sufftj-Slabutm  fiiebeS- 
Sttajimen  enthalten.  Seidig,  SerlegtS  3°&ann 
$riebrid&  ©rebitfcfc.  1705. 

5>e8  ©d&refifd&en  geliconä  augerfefne  ©ebid&te 
Ober  (Etlicher  bortrefflidfjer  ©dftfefier  big  anfjero  o^n- 
befannte  Spo8tifcf)e  ©alanterien,  9Iebft  einer  SDorrebe 
Don  Sortrefltgfeit  ber  ^Teueren  3>eutfdj)en  ^oeten. 
Jranffurt  unb  £ety3ig,  3n  Serregung  9Zttd&acI 
«Ko&rbad&S  feeT.  TOittib  unb  (Erben  in  ßtegnifj,  1699. 
SUnber  S&etf  1700. 

r*2Ö ittefinb]  ^oromanbetö  9Iebenftünbiger  3^tDer« 
treib  in  Seutfdfjen  ©ebid&ten.  S>antjig  unb  Ceij^ig, 
Set)  3.  §.  SRübiger.  1747. 


123 


£eidf)en-  §od)3eit*  'Stermifd&t  unb  ©eiftfidfje  ©ebidf)te 
bon  3<>&«  Jriebr.  lieberer.  Dürnberg  1711. 

Steuer  ^orrat^j  red)t  curidfer  ©ebid&te  bor  alle 
Sltenfd&en.  ßum  ^tu^  unb  ßuft  ber  fiieb&aber  in  be« 
liebten  ©<fjer$e  Vorgetragen  bon  3.  ®.  3R.  Seidig, 
^nno  1718. 

Deliciae  Poeticae,  Ober:  ^oetifd&e  (Srgötjlid&feiten,  für 
olle  9ttenfcf)en,  33eftef)enb  in  atttxfyanb  unge- 
3toungenen  tooljf  fltejjenben,  netten,  galanten,  fd)et$- 
unb  ernft&afften,  curieufen,  beutfd&en  ©ebicfjten, 
SMd&e  f)tn  unb  toieber  bon  ©innreid&en  köpfen 
berer  beften  ^oeten  unferer  3^itcn  Verfertigt  toorben; 
33or  ieijo  au8  bem  ©taube  ber  Stergeffenfceit  Jorg- 
fäfttg  toieber  3ufammen  gefefen  unb  benen  2ieb* 
Jjabern  ber  reinen  ^oefte,  3ur  3*ü-für$enben 
fonberlid^  aber  ber  ftubierenben  S^genb  3uni  Soften 
mitget^eUet.  (Srfte,  Slnbere  ^rt^ie.  $iu$  ber  Jßoe* 
tifdfjen  #ammer»S>rucferet)  1728. 

(TelanberS  Sterftebte«  ©aTante,  ©inn«  9$ermifdf)te 
unb  ©rabgebidfjte.  Hamburg  unb  fiei^ig,  93e$ 
O^riftian  £tebe3eit.   «Slnno  1716. 

^oetifd&e  ©rillen  bet)  TOü^tgen  ©tunben  gefangen  bon 
2c  Sfanfib.  (Erfurt,  SUuf  Soften  beS  SlutoriS. 
172S. 

Ccrfte  Sammlung  SDon  3>aniel  ©toppenS  ©ileS. 
Seutfd&en  ©ebicf)ten.  granffurt  unb  £eU>3ig  1728. 
3&>et)te  Sammlung  1729. 

Sammlung  bon  3°&ann  (S&rifttan  @üntf>er£> 
au3  ©tftfefien,  big  an&ero  herausgegebenen  ©e« 
bidfjten,  SMerbte  Auflage,  ^ve%lau  unb  ßeij^tg,  SJet) 
SHid&aer  §ubert.    1746.    «Srfte  SluSgabe:  1724.) 


124 


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Seit« 


Sortoott   7 

SBeife,  Ctyriftian  Qreliz. 

3$rfinen  ber  3ungfcrnfd)aft   11 

9tad)fprung  naa)  bcm  Sanjc   13 

911$  id)  meiner  SRofüis   14 

Heut  er,  (ftjrlfttan. 

(Clarille  auf  ben  2ob  tt)rer  fttau  XRutter   15 

oon  £ol>enftein,  Daniel  (£afpar. 

Romrn,  braune  9Zad)i   16 

CColijten   17 

».  S>offmannsu>albau,  Ctyrlftlan  £offmann. 

(Es  bad)te  fiesble   19 

3$  eilte   20 

9Tn  SObanie                                                    .  .  21 

2Bas  3fimft  bu   23 

HIs  t<&  bie  fiesbie   24 

9tiemanb  weife   25 

«n  (Horinbe   27 

SWeln  (Enget  founjt  bu   29 

En  fiifettc   32 

ttn  Hflelmbe   34 

%n  fiauretten    36 

90s  bie  Serais   38 

Wculird),  ©eniaraln. 

«n  Stfoien   40 

Die  |d)öne  fiesbia   41 


125 


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Seile 

Seccau,  3oad)im. 

Sluf  eines  Sereiters  $od)seit   42 

<£.  <E. 

<5ejtef)'  es  nur,  mein  Äinb  44 

Du  fanftes  95onb  46 

Sleumeifter,  (Eibmann. 

SRabrigal  auf  bie  Sdjürsenmobe  47 

SR e nie  nad)  SBuU9*9iabutinf  3o^ann  $urd)arb. 

fiiebes-SRaxhnen  48 

£unoib,  (Kjriftian  Orriebrid). 

2>ie  6d)oofe  02 

£ilf  $immelt  melden  6d)mud  55 

B.  &  im  w6ä)Ieftfd)en  Sellcon". 

«n  «ofetten  56 

Der  gtücfltcf)e  6d)ofelmnb  57 

3$  mufo  es  roofcl  gefteljn  58 

(Eoroinus,  <5ottlieb  Siegmunb. 

3ln  ben  eiferfüd)tigen  £eanber  ßft 

fbtf  einen  unföulbigen  Nebenbuhler  6Q 

SBranbenburg,  SRartin. 

Ober  ben  von  allen  Sc^o^ünb^en  3U  beHagenben  9tb[d)leb 
eines  artigen  3oifie  62 

$ft|erin,  Wegma  SRaria. 

Sluf  ben  Zoo  bes  @$offtünbd)ens  9mourertd)en  66 

fBtttefinb-Äoromanbel. 

Sin  gleuretten  68 

(Eoroinus,  ©ottfleb  Siegmunb. 

$er  fd)Iimme  Sraum  61 

SUeberer,  3oftonn  ftriebrief). 

Siebe  einer  fdjtoangeren  Xotytt,  roel$e  auf  u)rer  eigenen 

gottlofen  SRutter  Sä)oofe  bie  Q$re  verloren  72 

Vit  e$eliä)e  $fliä)t  74 

X)ie  fd)öne  (Seriraub  7& 

$er  Jungen  go^ter  einfältige  fragen  an  bie  SDtutter  ...  76 

„Steuer  »orratV. 

$er  SBeiber  roo^lcanbirte  ^rtollegta  78 


126 


Seit« 

fie  $enfif. 

SBegerine  unb  Ü)r  (Solan  (Ente   81 

Hn  eine  Seä)3igjät)rige   84 

S3ergebUd)e  Ungebulb   85 

Streit  ber  fünf  Sinne   8ö 

3ungfern*(5efänge   81 

(Epigramme   82 

„Deliciae  Poeticae". 

Huf  bie  ftffle  ßaute  90 

SCn  eine  geraubte  Sraut  ftl 

2Iuf  Ü)re  Sd)oo&  93 

SDlit  i&r  in  einem  ©eu>äd)sfyros  84 

£ieben  unb  bod)  ntd)ts  genießen  96 

(Epigramme    97 

(Eelanber. 

*n  bie  $errin  99 

Än  Slrismene  100 

$erfä)n>enbung  im  Schlafe  102 

SRein  5ttnb,  fei  bod)  fo  Hobe  ntd)t  103 

Stoppe,  Daniel. 

SWöbü)enIieb  104 

Xroftgebanlen  eine»  Stubenten  108 

SIrta  fJSBL 

Der  Soloniair  im  Sieben  108 

Gunther,  Gtyrtftian. 

Soll  fluge  Sä)ön$eit  lüö 

(Emlabung  111 

«n  ßuife  113 

(Eröffne  mir  1U 

O&ne  Sieben  115 

^od)Beit«Sd)er5  llfi 

58tbItoörapr>if<r)e  Sä)lufebemerfung  122 


127 


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BÜCHER 

AUS  DEM  VERLAGE 

HANS  VON  WEBER 

IN  MÜNCHEN  1907 


CH  sehe  als  Verleger  meine  Aufgabe  darin,  dem 
würdigen  Buche  eine  gute  Form  iu  geben.  Es  gab 
in  Deutschland  eine  Zeit,  die  es  vergessen  oder  ver- 
lernt hatte,  daß  das  Buch  ein  Werk  der  angewandten 
Kunst  ist.  Den  Bemühungen  einiger  Druckereien  und  einiger 
Verlage  —  Insel -Verlag,  Julius  Zeitler,  Diederichs  —  ist  es 
mit  der  Unterstützung  des  geschmackvollen  Bücherfreundes 
gelungen,  dem  Buche  wieder  die  Stelle  zu  geben,  die  es  in 
guten  Zeiten  einnahm.  Das  Meine  dazu  beizutragen,  den 
wiedererwachten  guten  Geschmack  am  Buchgewerbo  zu  för- 
dern, sind  meine  Absicht  und  mein  leitender  Gesichtspunkt. 
Ich  sehe  keine  Erhöhung  des  Buchwertes  in  dem  Umstände 
seiner  Seltenheit,  wie  sie  durch  willkürlich  enge  Limitierung 
der  Auflage  hergestellt  wird.  Nur  die  Abzügo  auf  besonders 
kostbare  Papiere  werden  in  kleiner  Zahl  gedruckt  und  numo- 
riert  werden.  Möge  der  bescheidene  Anfang  für  ein  Ver- 
sprechen gelten,  das  in  weiteren  Publikationen  voll  einzu- 
lösen mir  ebenso  Pflicht  wie  schöne  Aufgabe  sein  wird. 

MÜNCHEN,  Adalbertstr.  76  HANS  VON  WEB  EH 


DIESE   BÜCHER   SIND   SÄMTLICH   IN  JEDER  BE88KUICN 

BUCHHANDLUNG  ZU  HABEN. 


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2 


BÜCHER  AUS  DEM  VERLAGE 


Anfang  März  erscheint  das  erste  Heft  von: 


HYPERION 

EINE  ZWEIMONATSCHRIFT, 
HERAUSGEGEBEN  VON 

FRANZ  BLEI  UND 
CARL  STERNHEIM 

JÄHRLICH  6  HEFTE  ZU  JE  67,-7  BOGEN  GROSS- 
QUART MIT  10  ODER  MEHR  VOLLBILDERN  IN 

LICHTDRUCK  USW. 

AUSGABE  AUF  VELIN:  JÄHRLICH  48  MARK. 
AUSGABE  AUF  JAPAN:  JÄHRLICH  100  MARK. 

ZU  DER  AUSGABE  AUF  JAPAN  WERDEN 
3  GOLDGEPRESSTE  LEDERDECKEN 
NACHGELIEFERT. 

EINZELNE  HEFTE  KÖNNEN  NICHT  ABGEGEBEN  WERDEN. 

PROSPEKTE  DURCH  JEDE 
BESSERE  BUCHHANDLUNG. 


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I 


HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN  3 


FRIEDEICH  HEBBEL 

JUDITH 

Neudruck  der  ersten  Ausgabe  mit 
10  Vignetten  und  10  Vollbildern 
von  THOMAS  THEODOR  HEINE 

LUXUSAUSGABE :  100  numerierte,  vom  Künstler  signierte 
Exemplare  auf  Kaiserlich  Japan  in  Ledereinband  nach  dem 
Entwürfe  von  Th.  Th.  Heine  zum  Preise  von  30  Mark. 

(Vergriffen.) 

BÜTTENAUSGABE:  1000  Exemplare  auf  Van  Gelder- 
Bütten,  mit  den  Vollbildern  auf  echtem  Japan  zum  Preise 

von  10  Mark. 

Über  dieses  Buch  schreibt  Max  Brod  in  Nr.  2  der  Schau- 
bühne in  einem  eigenen  Essay  u.  a.: 

Wohl  nie  hat  Hebbels  „Judith"  eine  so  gute  Aufführung  gefunden, 
wie  auf  dieser  Bühne  der  Linien,  in  diesem  Theater  eindeutigster 
Regie,  in  dem  es  nur  zwei  sehende  Augen  und  nur  ein  Atemholen 

gibt   Ich  meine  die  Vignetten  und  zehn  Blätter  von  Thomas 

Theodor  Heine,  mit  denen  ich,  staunend  und  glücklich  Atem  holend, 
die  Neuausgabe  der  „Judith**  geschmückt  finde. 


Die  Zeichnungen  von  Thomas  Theodor  Heine  nehmen  dem  Drama 
Hebbels  nicht  eine  Kante  der  Eindeutigkeit,  vielmehr  verstärken  sie 
den  Eindruck  des  Unabänderlichen,  der  Vision,  der  Schärfe. 


Flüchtig  denkt  man  an  Beardsley,  die  Japaner  .  .  und  vergißt  sie 
sofort  über  der  Fülle  neuer  Fortbildungen.  Zweifellos  haben  wir  es 
hier  mit  einer  der  bedeutendsten  graphischen  Erscheinungen 
der  letzten  Zeit  und  aller  Zeiten  zu  tun,  mit  einem  summum  opus 
summi  viri.  Thomas  Theodor  Heine  ist  der  Paganini  der  Linie, 
ein  Hypnotiseur,  ein  Weltschöpfer . .  . 


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4 


BÜGHER  AUS  DEM  VERLAGE 


ADELBERT  von  CHAMISSO, 
PETER  SCHLEMIHLS 
WUNDERSAME 
GESCHICHTE 

Neudruck  des  ersten  Druckes  in  Ungerfraktur 
aus  der  Offizin  Poeschel  &  Trepte,  Leipzig. 
Mit  11  Vollbildern,  23  Silhouetten  und  Ein- 
bandzeichnung von  EMIL  PREETORIUS. 

1000  Exemplare  auf  echt  italienisches  Bütten  gedruckt,  die 
Vollbilder  auf  Kaiserlich  Japan,  in  goldgepreßter,  türkis- 
grüner Kartonnage,  zum  Preise  von  6  Mark. 

100  numerierte  Exemplare  wurden  auf  Kais.  Japan  gedruckt 
und  in  graugepreßtes  Ganzleder  gebunden  zum  Preise  von 

18  Mark.  (Vergriffen.) 

Anläßlich  einer  Ausstellung  Preetoriusscher  Werke  im  Kunst- 
salon Zimmermann  in  München  schreibt  die  „Allgemeine 
Zeitung"  u.  a.: 

Um  das  so  recht  einzusehen,  muß  man  die  neue  Hans  von  Webersche 
Ausgabe  von  Chamissos  Peter  Schlemihl  zur  Hand  nehmen,  zu  der 
Preetorius  reizende  Silhouetten  als  Zierleisten  oder  als  Schlußvignetten 
geschaffen  hat.  Diese  geistreich  erfundenen  Silhouetten  und  die 
schönen  in  gelbem  Tondruck  ausgeführten  Vollbilder,  scheinen  wie 
leichte,  schwebende  Gebilde  gleich  Schatten  vorüberzuhuschen  und 
unmittelbar  aus  dem  Spiel  der  künstlerischen  Einbildungskraft  und 
der  poetischen  Phantasie  hervorgegangen.  Ihre  rein  ästhetische  Existenz 
hat  mit  dem  materiellen  Charakter  gewöhnlicher  Illustrationen  nichts 
gemein.  Desto  inniger  sind  sie  aber  mit  dem  Buche  selbst  verbunden 


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I 


HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN  5 


/.  V.  Widmann  urteilt  im  Bremer  „Bund": 

Bibliophilen  empfehlen  wir  eine  im  Verlag  von  Hans  von  Weber 
(München)  erschienene  Neuausgabe  von  Peter  Scfüemihls  wunder- 
samer Geschichte  von  Adalbert  von  Chamissq.  Auf  prächtiges  Hand- 
papier gedruckt  ist  sie  mit  11  Vollbildern  und  23  Vignetten  von 
Emil  Preetorius  illustriert.  In  den  Zeichnungen  gelangt  der  Humor 
des  geistreichen  und  tiefsinnigen  Märchens  zu  glücklicher  Veranschau- 
lichung. Wie  köstlich  ist  z.  B.  das  Bild,  auf  dem  der  unheimliche 
graue  Mann,  nachdem  er  den  Handel  mit  Schlemihl  abgeschlossen, 
den  Schatten  Schlemihls  sorgsam  aufwickelt  

Man  kann  sich  nur  freuen,  daß  diese  unveraltet  gebliebene,  ja  wahr- 
haft klassisch  gewordene  Gabe  des  liebenswürdigen  romantischen 
Dichters  neuerdings  in  solch  reizender  Ausgabe  auf  den  Büchermarkt 
gelangt.  Auch  die  Eleganz  des  Einbandes  macht  sie  zum  willkommenen 
Festgeschenk  für  Freunde  feiner  und  guter  Literatur. 


DAS 


LUSTWALDCHEN 

GALANTE  GEDICHTE  AUS  DER 
DEUTSCHEN  BAROCKZEIT. 

Gesammelt  und  herausgegeben  von  Dr.  FRANZ  BLEI. 
Mit  handkoloriertem  Titel  von 

CONSTANTIN  SOMOFF. 

Broschiert  3  Mark,  gebunden  4  Mark  50  Pf. 

LUXUSAUSGABE :  (100  numerierte  Exemplare  auf  Zanders- 
bütten) 1 0  Mark. 


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6 


BÜCHER  AUS  DEM  VERLAGE 


Anfang  März  wird  erscheinen: 

DAS  LESEBUCH 
DER  MARQUISE 

Ein  Rokokobnch  für  die  Damen, 
herausgegeben  von  Franz  Blei 

Mit  Einbandzeichnung,  acht  zum  Teil  mit 
der  Hand  kolorierten  Vollbildern,  vielen 
Vignetten,  Rahmen,  Cul-de-lampes  von 

CONSTANTIN  SOMOFF 

AUSGABE  AUF  VAN  GELDER-BÜTTEN:  800  numerierte 
Exemplare  in  rotem  Maroquin- Einbände  nach  Somoffs 
Zeichnung,  zum  Preise  von  25  Mark. 

LUXUSAUSGABE:  50  numerierte  Exemplare  auf  Kaiser- 
lich Japan,  in  Leder  gebunden  mit  Moireeseide  als  Vorsatz, 

zum  Preise  von  50  Mark. 

Der  Text  des  Buches  gibt  eine  im  Seltenen  oder  Kaum- 
gekannten getroffene  Auswahl  des  Besten  aus  der  fran- 
zösischen Literatur  von  1750  bis  1785,  in  der  Novelle  und 
der  Erzählung,  im  Dialog  und  im  Gedicht.  Constantin 
Somoff  ist  als  geistvoller  Künstler  und  geschmackvollster 
moderner  Zeichner  der  Rokokograzie  berühmt  und  bekannt 
genug,  als  daß  hier  mehr  zu  sagen  nötig  wäre:  er  hat  in 
den  Bildern  und  dem  vielen  Schmuck  des  „Lesebuchs" 
sein  Bestes  gegeben.  —  Angesichts  der  geistvollen  Mono- 
graphie Somoffs,  die  Professor  O.  Bie  kürzlich  bei  Cassirer, 
Berlin,  edierte,  wird  dieses  erste  ven  Somoff  ausgestattete 
Buch  wohl  bald  vergriffen  und  eine  bibliophile  Rarität  sein. 


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HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN  7 


JACQUES  CAZOTTE,  BION- 
DETTA  DER  VERLIEBTE 

T1?TTT7T?T  EINE  NOVELLE.  Gedruckt 
A  XL*  U  -t?  i-J  ±J   bei  Oscar  Brandstetter  in  Leipzig. 

Mit  handkolorierter  Umschlagzeichnung  und 
Rahmen  von  THOMAS  THEODOR  HEINE. 

1000  Exemplare  auf  italienischem  Bütten,  in  englischem 
Bütten  broschiert  3  Mark.    In  japanischem  Orangekarton 

gebunden  4  Mark  50  Pf. 

LUXUSAUSGABE:  50  numerierte  Exemplare  auf  Kais. 
Japan  in  goldgedrucktem  Orangelederbande  nach  Heines 
Zeichnung,  in  dunkelblauer  Kapsel  zum  Preise  von  15  Mark 

(nur  noch  einzelne  Exemplare). 

Uber  Biondetta  schreibt  Hans  Benzmann  in  der  Literatur- 
beilage des  „Berliner  Tageblatts": 

Dieses  Büchlein  fällt  durch  seine  elegante,  ungemein  graziöse  Art 
der  Ausstattung  auf.  Schon  die  dezenten  Farben,  in  denen  der 
Umschlag  gehalten  ist,  wirken  ungemein  fein  und  eigenartig.  Dazu 
das  starke  erlesene  Papier  und  der  schöne  Druck!  —  Und  was  birgt 
dieses  schöne  Gewand?  Eine  überaus  lustige,  pikante  und  phan- 
tastische Liebesgeschichte.  Ein  spanischer  Lebemann  zitiert  den 
Teufel,  und  dieser  umwirbt  und  umgirrt  ihn  in  der  anmutigen  Gestalt 
der  süßen  Biondetta,  bis  er  ihn  unterjocht  hat  Das  wird  mit  wunder- 
voller poetischer  Anmut,  mit  gleichsam  frohlockender  Schelmerei 
erzählt,  wie  es  eben  nur  ein  Franzose  kann.  Und  wer  ist,  wer  war 
der  Verfasser?  Jacques  Cazotte  war  in  den  Pariser  Salons  unter 
Ludwig  XVI.  als  witziger  Gesellschafter  beliebt  und  als  Mystiker 
und  Kabbaiist  bekannt.  Übrigens  wurde  er  als  treuer  Anhänger  des 
Königs  guillotiniert  Seine  berühmteste  Novelle  ist  der  „diable 
amoureux";  in  ihr  kommt  nicht  nur  der  zierlichste  Erotiker  der 
Rokokoliteratur  zu  Worte,  sondern  auch  der  Mystiker.  Die  Novelle 
ist  überaus  charakteristisch  für  ihre  Zeit,  und  in  ihrem  Thema  und 
Ton  von  unsterblicher  Art 


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I 


8  BÜCHER  AUS  DEM  VERLAGE 


VALERIUS  BRJUSSOFF 

DIE  EEPÜBLIK  DES 
SÜDKREUZES 

NOVELLEN.    Autorisierte   Ubersetzung   aus  dem 
Russischen  von  HANS  VON  GUENTHER.  Gedruckt 
bei  Oscar  Brandstetter-Leipzig. 
Umschlag,  Titel  und  Initialen 
von  OTTO  ZU  GUTENEGG. 

Broschiert  in  Büttenumschlag  zum  Preise  von  3  Mark.  In 
goldgepreßtem  Ganzleinenbande  gebunden  zum  Preise  von 

4  Mark  50  Pf. 

50  numerierte  Exemplare  wurden  auf  Van  Gelder  abgezogen 
und  in  goldgepreßtes  Leder  gebunden  zum  Preise  von 

15  Mark. 

FJODOR  SOLLOGUB 

DAS  BUCH  DER  MÄRCHEN 

Autorisierte  Übersetzung  aus  dem  Russischen  von 
HANS  VON  GUENTHER.  Gedruckt  in  der  Offizin  von 
Poeschel  &  Trepte,  Leipzig.  Mit  Umschlagzeichnung, 
Titel,  Frontispice  usw.  von  OTTO  ZU  GUTENEGG. 

Broschiert  in  Bütten  Umschlag  zum  Preise  von  2  Mark.  Auf 
Velin  gedruckt,  Ledereinband  mit  reicher  Goldpressung, 

zum  Preise  von  5  Mark. 
50  numerierte  Exemplare  auf  Kais.  Japan  in  goldgepreßtem 
Einbände  aus  Leder  in  Purpur  und  Dunkelblau,  in  Kapsel 

zum  Preise  von  10  Mark. 


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HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN 


•9 


In  einem  Essay  über  diese  beiden  Bücher  mit  dem  Titel: 
„Junge  Russen"  in  der  „Breslauer  Zeitung"  sagt  Hans 
Bethge  u.  a.: 

Beide  Bücher  hat  Hans  von  Guenther,  ein  junger  Balte,  geschmack- 
voll übersetzt. 

Als  das  bedeutendere  der  zwei  interessanten  Werke,  denen  übrigens 
vom  Verlag  eine  ganz  vorzügliche  Ausstattung  zuteil  geworden  ist*  stellt 
sich  das  Novellenbuch  von  Brjüssoff  dar.  Hier  sind  sieben  Erzäh- 
lungen beisammen,  die  durch  das  Großlinige  ihres  Stiles,  durch  die 
Klarheit  der  Darstellung  und  durch  die  Üppigkeit  ihres  Inhalts 
imponieren.  Ein  Dichter  von  gebändigter  Kraft  und  edler  Ruhe  des 
Stiles  spricht  hier  zu  uns,  und  die  Begebnisse,  die  er  vor  uns  auf- 
rollt, sind  schicksalsschwer  und  hallen  mit  einem  dunklen  Drohnen 
in  uns  nach.  Wie  edel  gewirkte  Gobelins  wirken  diese  chronikartigen 
Erzählungen,  von  denen  eine  der  schönsten  jene  einer  alten  ita- 
lienischen Handschrift  nacherzählte  Geschichte  der  schönen  Neapoli- 
tanerin Julia  Largo  ist,  die  unter  der  Herrschaft  der  Türken  in 
einen  unterirdischen  Kerker  geworfen,  das  Furchtbarste  an  Ernie- 
drigung zu  erdulden  hat,  was  je  einem  Weibe  auferlegt  wurde;  eine 
Geschichte,  deren  dunkle  Tragik  sich  auflöst  in  Ironie,  wie  es  im 
Leben  so  oft  der  Fall  ist  bei  tragischen  Dingen. 
Brjüssoff  hat  etwas  sehr  Strenges  und  Großliniges  in  der  Art  seiner 
künstlerischen  Gestaltung.  Was  uns  dagegen*  Sollogub  in  seinem 
„Buch  der  Märchen4*  darbietet,  ist  durchaus  von  idyllischem,  liebens- 
würdig sinnierenden  Charakter.  Es  sind  kleine,  niedliche  Märchen 
aus  der  Phantasie  und  dem  Leben,  lyrisch  überglänzte  Gedichte  in 
Prosa  sozusagen,  von  einer  nachdenklichen,  still  beschaulichen  Art. 
Eins  haben  Brjüssoff  und  Sollogub  gemein:  die  große  Sicherheit  in  der 
Lösung  ihrer  verschiedenen  Aufgaben.  Sie  entgleisen  niemals,  was  für 
die  Echtheit  ihrer  stilistischen  Besonderheiten  spricht.  Sie  wirken 
beide  rassig,  das  verdanken  sie  nicht  zuletzt  dem  großen,  eigentüm- 
lichen Volke,  dem  sie  angehören. 


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10  BÜGHER  AUS  DEM  VERLAGE 


Anfang  April  1908  wird  erscheinen: 

AUBREY  BEARDSLEY 

BRIEFE  UND 
KALENDERNOTIZEN 

Mit  den  vier  Zeichnungen 
zu  E.  A.  POE 

Beardsleys  Briefe,  die  eine  reiche  Quelle  zur  Kenntnis 
seiner  Persönlichkeit  erschließen,  sind  einzeln  und  frag- 
mentarisch da  und  dort  veröffentlicht  worden.  Die  hier 
angekündigte  Sammlung  wird  etwa  196  Briefe,  zum  Teil 
ganz  unbekannte,  sowie  die  sehr  merkwürdigen  Notizen 
Beardsleys  enthalten;  des  weiteren  die  vier  Zeichnungen 

des  Künstlers  zu  E.  A.  Poe. 

Die  Zahl  der  bis  1.  April  angemeldeten  Subskribenten  be- 
stimmt die  Höhe  der  Auflage,  die  500  Exemplare  keines- 
falls überschreiten  wird. 

Der  Preis  des  Exemplars  auf  Velin  beträgt  ca.  12  Mark. 
20  Exemplare  werden  auf  Kaiserlich  Japan  abgezogen  und 
in  Leder  gebunden.    Der  Preis  eines  solchen  Exemplars 

wird  ca.  25  Mark  betragen. 


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HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN 


11 


Im  März  1908  erscheint: 

PAUL  CLAUDEL 
MITTAGS  WENDE 

DRAMA.  DEUTSCH  VON  FRANZ  BLEI 

Auf  Velin  gedruckt,  broschiert  3  Mark  50  Pf. 
50  numerierte  Exemplare  auf  Van  Gelder, 
gebunden  12  Mark. 

Mit  diesem  Drama,  das  aus  dem  französischen  Manuskript 
übersetzt  wurde,  ist  den  Deutschen  der  genialste  Dichter 
des  heutigen  Frankreich  vorgestellt,  ein  Künstler  von  einer 
stilistischen  Gewalt,  wie  sie  das  moderne  Drama  seit  Hebbel 
nicht  mehr  gezeigt,  die  von  einem  Modernen  zu  erwarten 
man  fast  schon  aufgegeben  hat,  nach  all  den  vielen  Ver- 
suchen, mit  den  äußerlichen  Mitteln  des  Kostüms  oder  des 
Verses  dem  Drama  den  großen  Stil  zu  geben.  Die  Per- 
sonen Claudels  sind  heutige  Menschen.  Er  zeigt  sie  nicht 
in  einem  Ausschnitt,  sondern  ganz  und  von  allen  Seiten, 
und  ihr  Schicksal  vollzieht  sich  aus  ihrem  Menschtum  und 
nicht  aus  äußeren  Zufällen  des  Lebens. 


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12 


BÜCHER  AUS  DEM  VERLAGE 


Ich  übernahm  in  meinen  Verlag: 

ULRICH 
UND  BRIGITTE 

Ein  Drama  in  Versen  von 

CARL  STERNHEIM 

Gedruckt  in  der  Offizin  W.  Drugulin,  Leipzig. 

Broschiert  2  Mark. 

LUXUSAUSGABE:  (100  Exemplare  in  einem  althollän- 
dischen Pergamentbande)  10  Mark. 

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HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN  13 


Früher  ist  erschienen: 

ALFEED  KUBIN 

Mappe  in  Großfolio  mit  15  Faksimiledrucken 
nach  Originalen  des  Künstlers  mit  einem 
Vorwort  von  HANNS  HOLZSCHUHER 

Ausgabe  auf  eigens  für  diese  Mappe  geschöpftem  Bütten 

zum  Preise  von  20  Mark. 

100  Exemplare  auf  Kais.  Japan  über  englischem  Kupfer- 
druckpapier vom  Künstler  signiert,  zum  Preise  von  40  Mark. 

Wie  man  sich  auch  immer  zur  Kunst  Alfred  Kubins  stellen 
mag:  eines  hat  auch  die  ablehnendste  Kritik  immer  zu- 
gegeben: die  genialische  Persönlichkeit  des  Künstlers.  Be- 
geisterte haben  ihn  einen  Goya  genannt.  Andere  einen 
Visionär  und  Mystiker,  der  in  seltsam  synthetischen  Blättern 
Gesichte  und  Phantasien  festzuhalten  weiß,  die  keiner  Welt 
angehören,  als  seiner  eigenen.  Man  möchte  an  Offen- 
barungen glauben,  machte  sich  nicht  ein  so  mächtiger 
ordnender  Kunstverstand  in  diesen  Blättern  deutlich,  die 
bei  allem,  was  man  „Literarisches"  in  vielen  von  ihnen 
finden  mag,  immer  alles  Inhaltliche  in  die  Form  ihrer 
malerischen  Kunst  bannen.  Aus  der  großen  Zahl  von  des 
Künstlers  Blättern  sind  in  diesem  Mappenwerke  fünfzehn 
der  charakteristischsten  ausgewählt  und  in  Faksimiledruck 
originalgetreu  reproduziert  worden.  Das  eigens  für  den 
Verlag  geschöpfte  Büttenpapier  ist  eine  nach  vieler  Mühe 
gelungene  Nachbildung  des  schönen  österreichischen  Zoll- 
planbüttens  der  Kubinschen  Originale. 


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BÜCHER  AUS  DEM  VERLAGE 


Abteilung  für  Jugendbucher. 

In  jeder  Buchhandlung  vorrätig: 

DEUTSOHE 
RAG  BOOKS 

(Unzerreißbare  waschechte  Leinenbücher  mit  unschäd- 
lichen Farben): 

WALTER  CASPARI, 

Das  lustige  ABC  2.40  M. 

WALTER  CASPARI, 

Liebe  alte  Reime  1.60  M. 

MARIA  LANGER-SCHÖLLER, 

Babys  Lieblinge  0.80  M. 

CARLEGLE-  ALBUM: 

DAS  AUTOMOBIL  217  UU 

Ein  humoristisches  Automobil-Märchen  von 
EDMOND  CUENOUD,  übersetzt  von  Gräfin 
Eckbrecht  von  Dürckheim-Montmartin.  Mit 
vielen  farbigen  Bildern  von  CARLEGLE. 

Elegant  gebunden  3  Mark. 

Uber  diese  vier  Bücher  haben  mehrere  hundert  Kritiker 
sich  begeistert.    U.  a.  schreibt 


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HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN  15 


FRIEDA  FREIIN  VON  BÜLOW 

in  einem  längeren  Aufsatz  über  meine  Kinderbücher  in  der 
, ,  Täglichen  Rundschau* ' : 

Ein  paar  eigenartige  neue  Bilderbücher  sind  mir  ins  Haus  geschneit, 
die  ich  als  lustiges  Christgeschenk  empfehlen  kann  

Der  Verlag  Hans  von  Weber  in  München  versendet  .  .  .  Rag  Books. 

Das  Leinen  ist  so  stark,  daß  man  ihm  ohne  Messer  oder  Schere  wohl 
tatsachlich  nichts  anhaben  kann. 

Diese  Leinenbücher  sind  handlich,  leicht,  weich,  nehmen  wenig  Platz 
in  Anspruch  und  können  zusammengerollt  werden.  Neben  diesen 
nützlichen  Eigenschaften  besitzen  sie  den  noch  höheren  Vorzug  aus- 
nehmender Deutlichkeit  und  Einfachheit  in  Wort  und  Bild. 

Das  andere  Werk  darf  künstlerischen  Wert  beanspruchen;  es  wendet 
sich  an  ältere  Kinder  und  Erwachsene. 

Das  Automobil  wird  selbst  in  der  drolligsten  Weise  zur  Person  ge- 
macht, es  selbst  ist  der  Held  der  Geschichte. 

Ich  will  die  lehrreiche  Geschichte  des  herzensguten  und  verständigen 
217  U  U  nicht  weiter  erzählen.  Sie  ist  auch  noch  in  ihrem  tragischen 
Ende  sehr  drollig. 


Aber  bedeutender  als  der  Text  sind  die  Illustrationen  von 
Carligle.  Diese  Landschafts-,  Tier-  und  Menschen-Skizzen  sind  einfach 
genial.  Das  ist  eine  Keckheit,  eine  Flottheit,  ein  Humor,  daß  der  ver- 
bissenste Griesgram  erheitert  werden  muß. 

Ganz  leichte  Umrisse  schaffen  charakteristische  Typen  des  Land- 
straßenlebens. 

Und  neben  dem  Realismus  lacht  überall  der  Schalk  und  das  Märchen. 
Die  Pilze  im  Wald  torkeln  als  dicke  kleine  Kobolde  mit  aufgespannten 
Sonnenschirmen  umher,  die  Pappeln  an  der  Straße  sind  wachthabende 
Grenadiere,  die  Weiden  laufen  vor  dem  daherrasenden  Auto  mit 
gesträubtem  Haar  davon,  Sonnenblumen  und  Kürbis  sind  neugierig 
über  den  Gartenzaun  guckende  Madamchen,  die  Automobile  haben 
deutliche  Physiognomien,  217  U  U  kann  sich  sogar  nach  hinten  um- 
sehen! Und  beides:  Märchenspuk  und  Wirkliches,  in  prachtvoller 
Lebendigkeit!  Das  kleine  Werk  eignet  sich  vorzüglich  zum  Geschenk 
und  muß  den  Gegnern  des  Automobilsports  ebenso  zum  Ergötzen 
dienen,  wie  dessen  Freunden. 


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Verschiedene  Urteile  über  das  Gesamtbild  des  Verlages 

HANS  VON  WEBER  IN  MÜNCHEN: 
Die  „Kunst  für  Alle": 

Unter  den  jungen  Verlegern  Münchens,  welche  ihre  Aufgabe  im 
modernen  Sinne  auffassen,  macht  sich  neuerdings  Hans  von  Weber 
vorteilhaft  bemerkbar.  Es  ist  wirklich  eine  Freude,  die  schmucken 
Bändchen  durchzublättern,  die  er  in  der  letzten  Zeit  auf  den  Bücher- 
markt gebracht  hat.  Die  Wahl  der  Stoffe  und  vor  allem  ihre  buch- 
mäßige Gestaltung  zeigen  uns,  daß  wir  es  hier  mit  einem  Verleger  von 
hohem  Geschmack  zu  tun  haben,  der  moderne  Empfindungen  richtig 
erfaßt  und  in  selbsttätigem  Ästhetizismus  schöpferisch  weitergebildet  hat 

(Folgt  Besprechung  einzelner  Werke.) 
Wie  man  sieht,  eine  reiche  Jahresausbeute  für  einen  jungen,  aufstrebenden 
Verlag,  von  dem  wir,  nach  dem  bisher  Geleisteten  zu  urteilen,  noch 
manch  schöne  Gabe  erwarten  können. 

In  der  „Zeitschrift  für  Bücherfreunde* 1  beginnt  Fedor  von 

Zobeltitz  eine  längere  Besprechung  folgendermaßen: 

Aus  dem  Verlage  von  Hans  von  Weber  in  München  geht  uns  eine 
Reihe  von  Neudrucken  zu,  die  sich  durch  ihren  illustrativen  Schmuck 
und  ihre  schöne  Ausstattung  in  hervorragendem  Maße  auszeichnen  .  .  . 

„Der  Morgen"  schreibt: 

Die  Erscheinungen  des  Verlages  Hans  von  Webers  verdienen  eine 
ganz  besondere  Würdigung,  die  ihnen  hier  auch  noch  zuteil  werden 
wird.  Jedes  von  diesem  Hause  edierte  Werk  zeichnet  sich  durch 
aparte  Ausstattung  sowohl  in  der  Äußeren  Form,  wie  in  der  Wahl 
der  Typen,  Vorsatzpapiere  usw.  aus. 

„Die  Buchhändlerwarte"  schreibt: 

Gewiß  kann  man  einige  dieser  Sachen  (Ghamisso,  Hebbel)  schon  um 
billiges  Geld  erhalten.  Welch  ein  klafterweiter  Unterschied  aber 
zwischen  diesen  für  den  Alltagsgebrauch  bestimmten  Ausgaben  und 
den  vorliegenden  Büchern,  von  denen  jedes  für  sich  ein  Kunstwerk  dar- 
stellt, nicht  nur  nach  der  literarischen  Seite,  sondern  besonders  auch 
nach  der  buchtechnischen,  äußerlich  künstlerischen  hin!  Die  Idee,  guter 
Literatur  eine  individuell  angepaßte  aparte  künstlerische  Ausstattung 
zu  geben,  ist  hier  in  der  höchsten  Vollendung  durchgeführt  Von  der 
ersten  bis  zur  letzten  Seite  sieht  man,  daß  hier  Künstler  und  Verleger 
sich  ergänzend  gefunden  haben  Er  setzt  sich  damit  für  Kultur- 
werke und  -Werte  ein,  auf  die  der  deutsche  Buchhandel  stolz  sein 

darf  Kommt  dann  ein  Mann  mit  einem  eigenen  Programm, 

der  ohne  Rücksicht  auf  die  große  Menge  seine  eigenen  Wege  zu  gehen 
wagt,  so  ist  es  meines  Erachtens  eine  Pflicht,  laut  und  vernehmlich 
auf  ihn  aufmerksam  zu  machen. 

SÄMTLICHE  PUBLIKATIONEN  DES  VERLAGS  SIND  IN 
JEDER  BESSEREN  BUCHHANDLUNG  ZU  HABEN. 


Druck  von  Oscar  Brandstettcr  in  Leipzig.  3455«. 


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